Wie Hype und Dummheit verbandelt sind

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Da hat mich jemand auf Twitter mit dem Mount-Stupid-Cartoon von Zach Weinersmith bekannt gemacht! Ich greife diese Idee auf. Hier zeige ich die Grafik mehr in Deutsch, von mir angereichert für den Fall, dass Sie sie gleich weiterschicken wollen. Den Namen Babble Curve wie Blubberkurve habe ich selbst gewählt. Schauen Sie:

Die Graphik sollte selbsterklärend sein. Wenn man sie als satirische Einlassung nimmt, dann beschreibt sie unser leidendes Seufzen darüber, dass sich dumme Leute sofort bemüßigt finden, zu allem und jedem, zu Gott und der Welt augenblicklich Stellung zu nehmen, obwohl sie gar keine Ahnung haben. Manche machen daraus sogar eine Kunst, denken Sie an die geheime Managementabkürzung SABTA („sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit“ ). Es gibt auch professionelle Politiker, die sich (nehme ich mal an) voll bewusst „unkomplex“ äußern, damit die entsprechend einfache Sprache dem Stimmenfang oder einer erhöhten Zuschauerquote dienen kann. Kurz: heute tummelt und twittert es sich absolut munter auf Mount Stupid. Unsere Bundeskanzlerin will dort aber nicht sein, sie mag auch nicht kompliziert erklären, sondern flüchtet sich ins unbestimmt korrekt Allgemeine. Das kostet Stimmen.
Ich stelle fest: Wer nicht mitbabbelt, der muss fühlen. Ach ja, und Professoren werden gar nicht mehr angehört, wenn sie nicht niveaureduziert mitbabbeln.

Babbeln: besonders, wenn etwas ganz ganz Neues in die Welt kommt, staunen wir alle und schütteln ja auch gleichzeitig den Kopf. Ist da echt was dran? Oder ist es Gauklerei? Hey, was ist KI, was Big Data, was mit Robotern, die jetzt schon die mittlere Reife im Kopfrechnen schaffen – sind die uns dann nicht überlegen? Muss jetzt jeder Abitur machen?
Zur Beurteilung, ob eine Idee oder besonders eine Technologie reif für die Adaption oder gar die allgemeine Nutzung ist, hat die Gartner Group die Gartner Hype Curve für die Menschheit geschaffen. Die sieht so aus:

Haha, merken Sie etwas? Ich habe es sofort gesehen: Die Kurven sind sehr ähnlich! Das kommentiere ich natürlich, aber zuvor schauen wir die Hype Curve einmal an: Zuerst kommt eine neue Technologie auf, dann wird daraus ein Hype, der die Erwartungen an das Neue maßlos hochschraubt („Maschinen können bald alles“ oder „Man kann mit Gentechnik Hochleistungskinder engineeren“). Die Journalisten schreiben alles in den Himmel – über die Wolken so hoch! Eine Weile später sind die Erwartungen natürlich nicht erfüllt, die Journalisten nörgeln nun zweitverwertend skribbelnd rum, der Hype verfliegt. Mit der Zeit aber – über Jahre – schaffen die Experten und Gurus dann doch oft etwas, was den ersten Erwartungen näher kommt. Dann aber schreibt niemand mehr, weil sich der Erfolg des Neuen über Jahre hinzieht. Die Journalisten schreiben dann nur ab und an, nicht voll konzentriert geballt alle auf einmal, wenn das Neue zuerst aufkommt! Die Hochkonzentration an geballter Berichterstattung löst ja den Hype aus.
Der Hype wird also regelmäßig zu Anfang konzertiert und mega-giga-mäßig schrill hinaufgeschraubt, niemand DORT gibt sich die Mühe, einmal tiefer nachzudenken. Für den Erwerb von Kenntnissen ist keine Zeit. Jeder muss sofort schreiben, solange der Hype heiß ist. Es kann daher sein, dass sich Journalisten an sich schon einmal weiterbilden möchten oder würden, aber in der Hype-Phase schreiben sie auf Mount Stupid, eben da, wo die Skandalpolitiker fast ständig sind, da, wo XY-Exit-Wahlkämpfe stattfinden und Fußballer kommentiert werden.

Jeder Tag beginnt mit einer Mount-Stupid-Debatte, immer neu! Trump liefert stündlich, Putin einmal die Woche, die politisch Rechten halten sich schon beunruhigend lange in diesem Rhythmus, obwohl sie gar nicht das Thema wechseln, sondern fast nur eines unendlich modulieren. [Die Linken haben leider/glücklicherweise u.a. den Guru Karl Marx am Bein und können nicht so ganz substanzlos werden…]

Wir sind eigentlich nur noch auf Mount-Stupid, oder? Null-Ahnung und Null-Skrupel der Mehrheit dort halten uns aus jeder Annäherung an Sachkenntnis und konstruktivem Diskurs heraus. Auch die, die ganz reinen Sinnes sind, kommen nie über die bloße Proklamation ihrer Ideale hinaus und gehen unter.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

20 Kommentare

  1. Dafür gibt es sogar bei scilogs Beispiele, obwohl “Tagebücher der Wissenschaft” drübersteht 🙁

  2. “Es gibt auch professionelle Politiker, die sich (nehme ich mal an) voll bewusst „unkomplex“ äußern, damit die entsprechend einfache Sprache dem Stimmenfang oder einer erhöhten Zuschauerquote dienen kann.”

    “Jo, wenns das Gscheidhaferl machst, kannst in der Politik nix werden.”

    Ein altgedienter rechter Politiker aus Österreich, auf die Frage einer Journalistin: stört es Sie nicht, dass Sie intellektuell maßlos unterschätzt werden, weil Sie immer so reden, dass Sie in breiten Bevölkerungsschichten auch verstanden werden?

  3. Zitat “Jeder Tag beginnt mit einer Mount-Stupid-Debatte, immer neu! ………die politisch Rechten halten sich schon beunruhigend lange in diesem Rhythmus, obwohl sie gar nicht das Thema wechseln, sondern fast nur eines unendlich modulieren. [Die Linken haben leider/glücklicherweise u.a. den Guru Karl Marx am Bein und können nicht so ganz substanzlos werden…]”.
    Und? Haben sie sich da nicht selbst auf den “Mount Stupid” begeben? Oder haben sie schon den Guru-Status erreicht was die Beurteilung von linker und rechter Eindimensionalität angeht? Zumindest für “die Rechten” scheinen sie den Guru-Status ja für sich in Anspruch zu nehmen. Ist das nicht etwas arrogant? Scheren sie da nicht alles über einen Kamm? Man kann auch über typisch rechte Themen komplex und interessant diskutieren. Vielleicht sollten sie auch auseinanderhalten, was über Rechte in “Mainstreammedien” diskutiert wird und was “intelligente” Rechte ausserhalb der “Mainstreammedien” diskutieren. Ich wage zu behaupten, dass die “Mainstreammedien” nicht immer die ganze Wahrheit sagen (was sie ja auch andeuten; mit der ganzen Wahrheit lässt sich kein Hype aufbauen). Aber, dass es intelligente Rechte gibt, ist ja nur ein Mythos, oder?

  4. 1.
    Wo in der Kurve würde der Autor denn die professionellen Lehrer, Gymnasillehrer, die Autoren in populärwissenschaftliche Portalen /Zeitschriften verorten?
    2.
    Etwas weniger Küchenpsychologie und etwas mehr fundiert evidenzbasierte psychosoziologische Analyse könnte dem Autor unter Umständen zu noch tieferen Erknntnissen verhelfen.
    3.
    Und dann kann er ja immer noch seine ganz private politische Meinung darunterschreiben.
    4.
    Und die, die seinen Anflug von Elitarismus nicht so sehr mögen, können dann ja mit ihm persönlich darüber diskurieren
    5.
    Nur sollte er seine private politische Meinung halt nicht unter dem Label (Populär-) “Wissenschaft” verkaufen. Denn das könnte dieser langfristig eventuell Schaden zufügen.
    6.
    Dessen bin ich mir ziemlich sicher.

  5. @ little Louis
    28. August 2018 @ 21:22

    Zu 2.: Freilich – und nicht nur dem Autor…
    Aber dann taugte der Kommentarberiech nicht mehr für den “episodischen” Beweis zur im Beitrag grob aufgestellten These. Also idealerweise, wenn sich alle mit der Komplexität der Szenerie befassen würden. Was nun aber auch wieder nicht zu erwarten sei.

  6. @ Andromed um 16:18 und zu:
    “Freilich – und nicht nur dem Autor…
    Aber dann taugte der Kommentarberiech nicht mehr für den “episodischen” Beweis zur im Beitrag grob aufgestellten These. Also idealerweise, wenn sich alle mit der Komplexität der Szenerie befassen würden. Was nun aber auch wieder nicht zu erwarten sei.
    ” (Zitatende)

    ??? Bitte nochmal. Aber jetzt für Dumme. Danke im Voraus.

  7. “Null-Ahnung und Null-Skrupel der Mehrheit”
    Der gefühlten Mehrheit- mal ist es eine echte, oft nur eine breite Minderheit, die es durch lautes Plärren versteht, sich als Mehrheit darzustellen.
    In jedem Fall ist aber die schamlose Dreistigkeit erstaunlich, die man vielleicht viel häufiger unter dem Aspekt der Zuführung von Fremdstoffen betrachten sollte, nüchtern ist eine solche Unverfrorenheit kaum machbar.
    Für alle diejenigen ein Problem, die den “Fehler” machen, auch nur für eine Sekunde zu lange nachzudenken. Willkommen in der Diktatur der Idioten.

  8. “Nicht Mangel an Geist, sondern ein Geist*, der sich ununterbrochen selbst gegenwärtig ist, eine Ausgeglichenheit, gegen die nichts und niemand ankommt. Die Menschen reden, die Karawane zieht vorrüber: Die Dummheit erkennt man an jenem ruhigen Fortschreiten eines Wesens, das Worte von außen weder ablenken noch berühren können. Sie ist nicht das Gegenteil der Intelligenz, sondern jene Form der Intellektualität**, die alles auf ihr eigenes Maß zurechtstutzt und jeden Anfang in einem vertrauten Vorgang auflöst. Der Dummheit ist nichts menschliches jemals fremd; die macht – über die Lächerlichkeit hinaus – ihre unerschütterliche Kraft und ihre mögliche Grausamkeit aus.” Alain Finkielkraut

    *Zeitgeist / Bewusstsein(seinbetäubung, konsum- und profitautistische)

    **systemrational-gebildete Suppenkaspermentalitaet

  9. Da fühlen sich ja einige “auf’n Schlips getreten”. Donner und Doria! Ich denke, beide Kurven stellen gemittelte Ergebnisse aus eigenen gefühlten Erfahrungen der Autoren dar – das Ganze dann noch mit einem gehörigen Schuß Satire garniert.
    Und wenn ich mir den Artikel nochmal so locker durch den Kopf gehen lasse, komme ich nicht umhin, grinsend zuzustimmen.
    Bin ich jetzt arrogant?

  10. @ulrich Schulz: Man kann ein Thema erschöpfend fundiert als Buch publizieren, das lesen die meisten Leute heute nicht mehr so arg gern. Man kann es auf Youtube oder hier kurz auf den Punkt bringen – in der Hoffnung, dass der Konsument sich noch ein Gedanken danach macht… aber er macht sich dann oft nicht Gedanken, sondern sucht nach Gründen, warum es hier zu verkürzt dargestellt ist und dann wohl relativiert gesehen werden muss oder gar Unsinn ist. Ich könnte eine These auch besser erhärten, mit Fußnoten oder so, dann liest es niemand, weil es langweilig ist. Wenn ich es satirisch überspitze, ist es zwar lesbar, aber es sticht zu sehr… ich bin jedenfalls der Schuldige. Ist schon okay.

  11. Karl Marx als Guru einzustufen bedeutet, daß man sich noch nicht genug mit ihm beschäftigt hat…

  12. @ G.D. und
    “..aber es sticht zu sehr… ich bin jedenfalls der Schuldige. Ist schon okay.”

    Nur Mut : Sticheln klickt. Und das meine ich jetzt mal ausnahmsweise nicht “kapitalismuskritisch”. (-:

  13. Witzigerweise sind auf dem “Mount Stupid”, regelmäßig erscheinend, diejenigen, die ganz besonders den gesunden Menschenverstand (etwas sehr gutes) zitieren, aber falsch liegen in der Sache.

    Karl Marx ist ein Guru, ein schlechter Guru, der politisch Linke auch heute noch in den kollektivistischen Internationalismus verdammt, Kommentatorenkollege ‘Störk’.
    Immerhin konnte mit dem nationalistischen Kollektivismus dank einer doitschen Führungskraft allgemein, fast allgemein anerkannt abgeschlossen werden.

    Ansonsten ist das Web dafür da, dass sich jeder, wirklich jeder zu Wort meldet und sich bdfsw. auch exponiert.
    Dr. W, der schon “ein wenig länger” im Bereich der netzwerkbasierten Kommunikation unterwegs ist, hat sich mehr vom Web versprochen; abär womöglich ist das Personal noch unterentwickelt, bleibt unter seinen Möglichkeiten, womöglich?

    MFG + danke für diese Inhalt!
    Dr. Webbaer

  14. Es ist eine Arroganz andere Menschen per se als dumm einzustufen, was eine egoistische Selbstüberhöhung der eigenen Person zur Schau stellt. Menschen werden nicht “dumm” geboren, sondern von Mitmenschen und von der Gesellschaft so geprägt. Wer also die Dummheit anderer Menschen tadelt, sollte sich vielleicht einmal mit den “Dummheiten” von Ideologien und Gesellschaften (Politiker/Medien ) befassen.Letzteren ist es oft angenehmer, wenn sie Menschen leichter manipulieren können ,also fremd bestimmen.

  15. Herr Dueck,

    verwegen, Folgendes: “Die Leute lesen nicht mehr so gern.”

    Fakten, Fakten, Fakten?

    Quellen, Quellen, Quellen?

    Analysen, Analysen, Schlussfolgerungen?

    Wissenschaft? Belastbar?

    MfG