Welterschütterung: Ameisen sind faul und schwarmdumm – oder Manager im Stab?

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Ameisen sind bekanntlich bienenfleißig, sie schleppen sich an ihrer oft schweren Beute fast tot, es gibt viele Farbfotos davon im Netz. Das sind die bewunderten Ameisen, die uns als Menschen sichtbar werden. Diejenigen Ameisen aber, die im Bau arbeiten, sehen wir nicht. Was tun die da? Arbeiten die überhaupt? Ruhen sie sich aus?
Endlich haben sich einmal Wissenschaftler aufgerafft, es ganz genau wissen zu wollen. Das Ergebnis wird die Welt erschüttern. Na gut, die harte Wahrheit muss uns ja nicht kratzen, wir können bei der bisherigen Fiktion bleiben, wenn wir wollen. Und die liebgewonnene Erkenntnis, dass Ameisen hart wie Tiere arbeiten, werden wir wohl doch lieber im Herzen bewahren. Die Wahrheit ist einfach zu scheußlich. Ich will die eigentlich auch nicht wissen. Ich bewundere Ameisen einfach weiter. Bei Menschen kann ich mich dagegen nicht so pauschal aufraffen.

Genug vorgeplänkelt: Wissenschaftler haben Ameisen angefärbt und über Arbeitstage verfolgt. Das Ergebnis ist in der SZ zu lesen:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/verhaltensforschung-faul-wie-eine-ameise-1.2684674

Kurz hier: 2,6 (zwei Komma sechs) Prozent der Ameisen arbeiten sehr hart und ohne (!) wirkliche Pausen, das sind die, die wir bestaunen. Knapp drei Viertel der Ameisen arbeiten ab und zu einmal, „lümmeln“ dann aber lange Zeit im Bau herum (mehr als die Hälfte der Zeit!). Und ein letztes Viertel der Ameisen tut nichts Erkennbares. Nichts! Nichts?

Soweit die Fakten. Die Wissenschaftler sind damit absolut nicht zufrieden, sie wollen ja eigentlich erklären, was das Beobachtete bedeutet. Das ist aber keine Wissenschaft mehr, sondern bloße Interpretation. Wenn die nicht gelingt, geht man zur Spekulation über. Die Wahrheit bilden echt nur die Zahlen und Fakten, dann aber wird auf Teufel komm raus spekuliert. Dieser Spekulationsteil wird dann von der Presse übernommen, weil nur er allein interessant ist… So also spekulieren sie: Die „untätigen“ Ameisen sind die Reserve für nahrungsarme Zeiten. Es könnten Jungtiere sein – oder schon zu alte mit Rückenschmerzen. Typisch Wissenschaftler! Typisch Journalisten! Ich spekuliere jetzt einmal herzerfrischend mit denen mit:

•    Die untätigen Ameisen könnten ja auch Wissenschaftler sein, oder? Denen sieht man ja auch nicht von außen an, ob sie arbeiten oder nicht.
•    Sie könnten Journalisten sein, die die hereinkommende Ameisenmehrheit (das sind die, die „lümmeln“) interviewen, wie das Wetter draußen ist und wo sie etwas gefunden haben.

Na, Spaß beiseite. Ich weiß eigentlich genau, was da los ist. Ich fühle es. Mein Instinkt sagt es mir. Ich nehme an, dass das scheinbar ganz untätige Viertel die Stabsabteilungen bildet! Die Stabsameisen verteilen die hereinkommende Beute gerecht fassen in Dauermeetings die wichtigen Beschlüsse. Sie werden die Drei-Viertel-Masse im korrekten Einholen von Beute belehren und für die nötigen Prozesse instruieren. Sie werden ihnen das Gehen der Extrameilen empfehlen und dann ab und zu eine der 2,6-Prozent-Superameisen mit grausamen Zwang kurz aus dem Verkehr ziehen („Ich will das nicht, bitte kein Meeting, ich schaffe sonst meine Superquote nicht, ich will die Beste sein!“) und in einem großen Gesamtbaumeeting als Ameise des Monats vorstellen. Die Stabsameisen sind zuständig für die von Menschen-Managern bewunderten Arbeitsprozesse, nach denen alle arbeiten sollen. Nach diesen Prozessen arbeiten dann die faulen drei Viertel in etwa lahm-vernünftig, während die Hochleistungsameisen einfach nur hart arbeiten und sich um die Prozesse und die Stabsameisen einfach nicht kümmern. Denn:

Hochleister fühlen, dass Prozesse, die für Faule designt sind, für Fleißige nicht taugen.

Ich nehme als praktisch sicher an, dass die Ameisen im Bau keineswegs lümmeln, wie die SZ formuliert, sondern eben etwas mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Meetings mit den Stabsameisen verbringen, die die ganze Zeit alles planen. Das verschlingt alle Zeit der Stabsameisen, und deshalb haben sie den Bau noch niemals verlassen können. Das erklärt die oft beklagte Weltfremdheit der Prozesse in Großameisenhaufen.

Ach, ohne es immer weiter und weiter auszuführen:

Die welterschütternde Wahrheit ist: Ameisen sind also doch nicht besser als Menschen. Menschen sind die Krone der Schröpfung, niemand sonst.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

8 Kommentare

  1. Die Stabsameisen verteilen die hereinkommende Beute gerecht fassen in Dauermeetings die wichtigen Beschlüsse.

    Irgendwie so könnte es sein, durch Inter-Ameisen-Kommunikation [1] werden andere bedarfsweise in die Produktion geschickt, ‘Stabsameisen’ wären dann Führungskräfte und Verwaltungskräfte, die vielleicht auch denken, dass das Geld oder die Nahrung ausschließlich aus der Steckdose oder aus dem Vorratslager kommt, sofern sie nicht doch als ‘Nahrungsreserve’ vorgesehen sind und beizeiten kannibalisiert werden, oder Führungs- und Administrationskräfte sind und in schlechten Zeiten vertilgt werden.

    Sebastian Herrmann scheint abär in seinem Bericht oder Kommentar zumindest im letzten Absatz seiner Nachricht bei der Süddeutschen brauchbar spekuliert zu haben.

    MFG + schönen Sonntag noch,
    Dr. W

    [1]
    Dazu gibt es wohl auch Forschung.

  2. Es könnte doch sein, dass die zuhause als Ganzes einen Supercomputer darstellen, der Lage-Informationen der Wege und Nahrungsmittel, auch der möglichen Feinde enthält. Die Fleißigen tauschen mit denen dann immer die Routen aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Evolution Unnötiges bestehen lässt. Oder sind sie nur das arbeitslose Reservoir für die laufenden Ausfälle in der Wildnis?
    G.K.

    • Sogenanntes Makroleben oder gar die Gaia-Hypothesis meinend, womöglich, auch i.p. ‘Supercomputer’, dies wäre dann als letztlich weder falsi- noch verifizierbar und sozusagen perfekte Metaphysik; ansonsten könnte natürlich auch in naturwissenschaftlicher Absicht beim betrachteten Ameisen-Rudel [1] geblieben werden.

      [1]
      Rudel müssen nicht aus Säugetieren zusammengesetzt sein,

  3. Vielleicht eine unsichtbare Information über die Hierarche und Aufgabenverteilung. Ähnlich so wie im menschlichen Körper. Einige Zellen haben Pech und werden zu herzzellen und müssen tagein tagaus Arbeit verrichten, andere werden zu Zellen im großen zeh und haben ein laues Leben. Aber auch wenn der große zeh irgendwie überflüssig ist, wird er doch mal eine Funktion gehabt haben.

    In Unternehmen ist es ähnlich so, wenn alle zum Wohle des Unternehmens agieren, funktioniert die Hierarchie perfekt. Alle haben dann den gleichen Geist. Dann ist es vielleicht auch weniger Hierarche sondern mehr reine Arbeitsteilung. Das gibt’s aber nicht, weil die Menschen ihren eigenen Geist haben, der möglicherweise mit dem des Unternehmens kollidiert.

    Das scheint es bei Ameisen nicht zu geben. Vielleicht weil alle von der selben Königin abstammen. Die fleißigen Ameisen sind nicht neidisch auf die faulen und planen wohl auch keine Revolution gegen die Königin. Gott sei dank passiert so etwas im menschlichen Körper auch nicht. Dass dann trotzdem nicht alle Ameisen alles machen liegt evtl. Simplerweise daran, dass nicht alle gleichzeitig am gleichen Ort sein können, es muss also zwangsläufig eine Arbeitsteilung geben, aus rein materiellen Gründen.

  4. Überfluss ist in der Natur häufig und auf allen Ebenen anzutreffen: Millionen von Spermien, aber nur eines schafft es, Nachkommenreichtum, Bäume mit tausenden Früchten, etc.
    In der Natur scheint Überschuss eine Vorsichtsmassnahme zu sein. Im Sinne von: besser zuviel als zuwenig. Überschuss ist wohl ein Zeichen, das es einem gut geht. Wenn die meisten Ameisen gar nicht arbeiten müssen, gibt es tatsächlich so etwas wie eine Reserve, die in schwierigeren Zeiten rekrutiert werden könnte. Das gilt auch für die Menschenwelt: Arbeit ist zwar notwendig, aber Leben ist besser. Bei Bedarf kann man immer noch tätig werden.

  5. Dazu kann ich als Literatur ein Buch empfehlen: “Die Theorie der feinen Leute” von Thorstein Veblen (1899). Ein charakteristisches Kennzeichen feiner Leute ist demnach der Müßiggang und dessen öffentliche Demonstration oder Zurschaustellung.