Mu! Mu! Mu! Nochmals über den Unsinn von Zahlendiktatur und Seelenüberlastung

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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In früheren Zeiten beeindruckte uns der Automobilbauer Toyota sehr. Nach seinem Werbeslogan wollte und schaffte er Unmögliches. Der Ruf seiner Managementqualitäten war legendär. Seit einer Managementmethodenstudie im Jahre 1984 („The future of the automobile“) verbreitete sich das „japanische Management“ rasend schnell über die ganze Welt – wenigstens den Teil davon, den man im Westen verstand.
Ich greife einen Ausschnitt über das heraus, was man im Unternehmen vermeiden sollte, nämlich die drei Mu (Muda, Mura, Muri):

• Muda: keine Verschwendung oder „lean“, nichts Überflüssiges, Unnötiges und Fehlerhaftes
• Mura: Keine Unausgeglichenheit (manches arbeitet am Anschlag, anderes ist unausgelastet), keine Unregelmäßigkeit von Prozessen, keine Marathonmeetings zur Abstimmung zwischen den Prozessen
• Muri: keine Überlastung der Maschinen und Menschen, kein schlechtes Betriebsklima

Schauen wir einmal kurz, was im Management vermieden wird und was nicht. Muda können sie alle. Beim zweiten Punkt achten sie sehr, dass nichts unterausgelastet ist. Das wird sofort meist ganz brutal korrigiert, aber natürlich fast immer mit der Nebenwirkung, dass schon Überlastetes anderswo noch stärker überlastet wird. Das ist mit Mura nicht gemeint! Man soll alles gleichmäßig auslasten und in der Balance halten. Da das nicht geschieht, bleibt es bei der Disharmonie in völliger Überlastung, und es gibt nun Meeting-Kaskaden, um der Unausgeglichenheit Herr zu werden. Seit 2015 spricht man auch davon, dass die Schwarmdummheit ausgebrochen ist. Muri: Man soll nicht überlasten. Note 6, setzen! Überauslastung wird, wie eben erklärt, praktisch selbst und hausgemacht erzeugt.
Toyota hatte den japanischen Angestellten lebenslange Arbeit garantiert. Niemand konnte entlassen werden. Da war es nicht klug, Mitarbeiter schlecht zu behandeln oder sie in den Burnout zu treiben. Man musste sich sorgfältig überlegen, wie man mit den Humanressourcen optimal umging. Daher achtete man auf die Menschen und behandelte sie fair und respektvoll. Zu solch einem Vorgehen ist man heute nur noch gezwungen, wenn es Fachkräftemangel gibt, etwa bei Big-Data-Experten, die tatsächlich etwas von Statistik und besser noch von der Realität verstehen.

Als ich wieder einmal melancholisch auf die drei Mu schaute, fiel mir auf, dass das Management immer nur an den Punkten arbeitet, die sich in den Zahlen widerspiegeln und die im SAP sofort als ROT angezeigt werden. Unterauslastung? ROT. Verschwendung? ROT. Schlechtes Betriebsklima? „Wenn das gut wäre, könnten wir noch mehr Druck machen.“
Heute begehen die Unternehmen wohl im Bereich der „Unausgeglichenheit“ die größten Sünden. Wegen der allgemeinen Überlastung ist nichts mehr ausgeglichen. Deshalb kommen zu der Überlastung nun noch die Meetings dazu, was bald zu einer völligen Blockade führt… Die Bereiche halten sich gegenseitig vor, noch nicht so sehr überlastet zu sein wie sie selbst. Sie bombardieren sich dazu mit Zahlen und nochmals Zahlen. „Ich schufte mehr als du!“ – „Ich kann nicht noch mehr tragen!“ Die eigenen Zahlen müssen ständig gerechtfertigt werden. „Beweise, dass du existenzberechtigt bist! Verpflichte dich zu mehr!“

Das Einprügeln mit Zahlen auf Zahlen führt zielsicher zu Unausgeglichenheit. Die aber wird mit immer härterer Zahlendiktatur bekämpft. Zwischenzeitliche Versuche mit Balanced Scorecards scheitern immer wieder an den verbissenen Kämpfen.

Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter wäre manchmal mit Arbeit überlastet. Das kann er aushalten. Er sieht ab und zu Unnötiges: Na gut. Er muss öfter eingreifen, weil etwas schiefläuft: So ist das Leben.
Aber den ganzen Tag Unausgeglichenheit mit Kämpfen in Meetings? Das kann er nicht gut verstehen (geht auch nicht), das nervt und zermürbt. Das Betriebsklima wird schlechter, weil sie alle nicht mehr zusammenstehen, sondern gegenüber. Das Gefühl, sinnvoll zu arbeiten, schwindet.
Die Arbeitsüberlastung kann man noch ganz gut ertragen, aber die Sinnlosigkeit nicht. Die Seelenüberlastung zehrt am Körper, unsere Leistungsfähigkeit schwindet. Erfahrene Manager raten: „Keine Sinnfragen, arbeite einfach.“ Gib den Menschen in dir auf!

Mu! Mu! Mu! Wir sollen doch mitdenken und alle gemeinsam alles in Balance halten! Aber sie meinen immer nur, wir sollen bitte im Sinne unserer engsten Ziele mitdenken, und nur hier. Mitdenken im größeren Rahmen gilt bestenfalls als Querdenken und wird meist als störend empfunden.
Merkt das Management denn nicht, was alles versenkt wird? Sie holen Berater. Die stellen fest, dass man Empathie für alle einführen sollte und eventuell auch den Kunden verstehen müsste. Bitte, was heißt das denn, wenn Empathie und Kundenverständnis fehlt? Klar: Es herrscht Unausgeglichenheit.

Wie können wir die beseitigen? Durch das Stellen und Beantworten von Sinnfragen. Dann aber brennen wir aus. Unser Ende ist dort nicht offen, wo es keinen Fachkräftemangel gibt.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

2 Kommentare

  1. Mu! Mu! Mu! Wir sollen doch mitdenken und alle gemeinsam alles in Balance halten!

    Wie der Zufall so will, hatte es der Schreiber dieser Zeilen auch mit chinesischen Mitarbeitern, in der Folge mit so genannten fern-ost asiatischen Mitarbeitern zu tun, als Code.

    Hier wird es lustig, Asok sei an dieser Stelle gegrüsst [1],

    Wie also der Zufall so will, Vorsehung (der bundesdoitsche “Führer” meinte diese oft) ginge womöglich auch, kann der Schreiber dieser Zeilen nun berichten, dass Konformität per se kein Leistungsmerkmal ist, auch wirtschaftliche Zusammenhänge meinend.

    Insofern wieder vely nice, was im hiesigen Primärinhalt berichtet werden konnte – oder zumindest: für einige zur Anschauung gelangte.

    “Fern-östlich” werden Kreaturen wie unsereins auch ein wenig bewundert.

    MFG
    Dr. Webbaer (der natürlich, wie eigentlich immer, nur kurz Feedback gegeben hat, anti-x-istisch ist, grundsätzlich, abär auch ein wenig: kulturalistisch)

    [1]
    Scott Adams war an dieser Stelle womöglich so frei und hat eine bestimmte Glaubensrichtung wie folgt gekapselt:
    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Dilbert#Elbonia (die dbzl. “Inhabitants” müssen nicht wie angegeben verstanden werden, wir vergleichen an dieser Stelle auch mit diesem Jokus Scott Adams’ :
    -> http://blog.dilbert.com/post/147247313346/when-persuasion-turns-deadly (‘Where I live, in California, it is not safe to be seen as supportive of anything Trump says or does.’)
    )

  2. Danke für diesen Augenöffner.

    Diese Management-Strategien scheinen aber nur eine Variante des Fordismus/Scientific Management des frühen 20. Jahrhunderts zu sein, oder?

    Was mich noch interessiert: Wie lässt sich die Überlastung belegen?

    Oder ist es eher ein Gefühl?