Identifikation von Bullshit und Wert

Dieser Beitrag ist ein „Reprint“ eines Teasers für meinen Vortrag bei der re:publica 2019. Das Original von erbetenen 600 Wörtern erschien kurz vorher im Netz, bei Xing Klartext. Die Rede zu diesem Text lege ich Ihnen natürlich ans Herz. Daher finden Sie unten den Link zu Xing und den YouTube-Link zum Video meiner Rede. Auf Twitter meint der User „Einstweiliges“: „Auf der rp19 nimmt sich Gunter Dueck Zeit für unsere Instinkte, schlägt nebenbei eine neue Psychologie vor und unterhält tiefgreifend.“ Da fühle ich mich verstanden. Ich fürchte, das Neue ist ein bisschen im Unterhaltenden untergegangen. Über die „Seismographen“ oder die „Sensoren“, wie man heute eher sagt, habe ich länger in meinem Hauptwerk Omnisophie geschrieben. Tenor: Wir haben DREI Rechner in uns. Einer funktioniert wie ein PC (das ist der, den die Schule füttert), einer wie ein neuronales Netz (Kunst, Kreation, Ethik) und eben einer wie das „Internet der Dinge“, ein Sammelsurium von ererbten, erworbenen und eingeimpften Instinkten, die uns blitzschnell warnen, aufmerksam machen und in eine andere emotionale Stimmung bringen. Diese Instinkte spielen nun beim Surfen eine zu dominante Rolle.

Darum geht es also:

Erkennen Sie Bullshit und Wert?

Können Sie den Bullshit filtern?

Wie Sie Bullshit von Wert unterscheiden

Warum wir Menschen uns so gern aufregen

Wir erkennen in uns:

  • Innerhalb einer Sekunde entscheiden wir über Like oder Dislike
  • Dabei leiten uns unsere Vorurteile, also das Erlernte, wie ein Kompass
  • Leider sehen wir prozentual gesehen immer weniger Wunderbares auf der Welt

Und dazu muss ich etwas sagen:

Mist! Mist! Schon wieder Mist! Verdammt! Was von all dem Mist um mich herum verdient meine Aufmerksamkeit? Ich sehe überall „Flachsinn“ – ein Buchtitel vom mir. Das war der Werbeblock! Bitte bleiben Sie dran.

Die durchschnittliche Aufmerksamkeit des neuen Medienmenschen soll nur acht Sekunden betragen – also etwa gleichauf mit der des Goldfisches liegen. Daher muss die Werbung in den ersten acht Sekunden erfolgen, sonst wird sie nicht wahrgenommen. Den Rest dieses Artikels lesen Sie wahrscheinlich nicht mehr, weil gerade acht Sekunden rum sind. Tja, ich muss aber einen längeren Text schreiben, weil er hier sonst nicht erscheint. Mist.

Unsere Einschätzung teilt sich in Filterzeit und Verweilzeit

Alle diese Sekundenzahlen scheinen aus so genannten Studien zu stammen. Ich würde ja eher vorschlagen, die mit Medien verbrachte Zeit in Filterzeit und in Verweilzeit/Vertiefungszeit einzuteilen. Ich brauche doch schließlich einen gewissen Prozentsatz der Zeit, um zu entscheiden, wo ich verweilen möchte und wo nicht. Es stellen sich Fragen:

  • Wie lange dauert es anteilig, Bullshit und Wert zu trennen?
  • Welcher Algorithmus in mir entscheidet das?
  • Ist der überhaupt gut? Ist er schnell?
  • Was passiert im Gehirn? Wenn man filtert, scheint die Stirn in Falten zu liegen; wenn wir verweilen, lächeln wir selig oder hassen zutiefst; wenn wir vertiefen, schauen wir neugierig staunend oder suchen nach Gegenargumenten.
  • Wie reagieren wir, wenn wir Bullshit oder Wert entdeckt haben? Was machen wir mit dem Durchschnittlichen?

Quelle: Gunter Dueck Privatfoto (bei Pixabay hochgeladen)

Unsere Reaktionen konditioniert man in uns hinein

Vor 25 Jahren habe ich mich als Wissenschaftler längere Zeit mit Identifikationsalgorithmen befasst. Die besten mathematischen Lösungen könnten in unserem Körper stecken, das fühle ich jedenfalls in meinem. Wenn wir Extremes, egal ob Bullshit oder Wert, wahrnehmen, zuckt der Körper instinktiv. Hui, das waren acht Sekunden Wissenschaft, ich hätte eine Warnung voranstellen sollen. Zu spät. Noch acht Sekunden: Es gibt eine „Hypothese der somatischen Marker“ (siehe Wikipedia), dass physiologische Reaktionen im Körper mit Emotionen verknüpft sind. Viele davon erben wir, viele erwerben wir und wahrscheinlich noch mehr davon konditioniert man in uns hinein. Man nennt es Kultur.

Die guten Identifikationsalgorithmen ähneln frappierend den Entscheidungen nach Vorurteilen. Neonmagentafarbener Kuchen zum Beispiel „schmeckt nicht“. Kackbrauner Kuchen ist „lecker“. Wenn die Internetministerin Rohrpost lobt, landet das „generell auf der Bullshit-Liste“. Es gibt Studien, die besagen, dass Zuhörer einer Rede nach einem Sekundeneindruck der Körpersprache entscheiden, ob sie dem Vortragenden zuhören wollen oder nicht! Ich will sagen: Die Algorithmen in uns, die Bullshit und Wert heraussuchen, haben mit Körperreaktionen zu tun. Sie sind kein Kopfprogramm. Ist etwas Bullshit? Dann zeigt sich das durch Ärger, Wut, Hass, Ekel, Widerspruchsgeist und innere Flüche. Auf etwas Wunderbares folgt genießen, nicken, zustimmen, Seelenharmonie, ein Like, Smiley oder Herzchen. Diese Identifikation geschieht blitzschnell. Bullshit versus Wunderbares – alles andere ist „Durchschnitt“ und muss wegen der schieren Masse ignoriert werden. Nichts zuckt.

Haben Sie einen guten Algorithmus?

Da es prozentual gesehen für uns immer weniger Wunderbares auf der Welt gibt, finden wir eher Bullshit. Wir reagieren darauf mit zeitraubender und hirneintrübender Trollfütterung, weil das physiologisch unsere somatischen Marker beruhigt. Wunderbares braucht keine weitere Reaktion als ein Smiley, Like oder Share beziehungsweise Neugierde und Mehrwissensdurst.

Die trumpenden Medien spielen mit unserem Körper, in dem dieser Algorithmus steckt. Sie suchen Profite und Werbetäuschung. Was macht Ihr Algorithmus damit? Haben Sie einen guten? Kennen Sie ihn? Wie reagieren Sie? Ist die Kenntnis ihrer Körperreaktionen nicht schon ein guter Teil des „Erkenne Dich selbst“? Wollen Sie so weiterleben? Echt? Mit dem ganzen Bullshit in Meetings, in der Politik, der Umwelt, in der auf Leistung angelegten Schule oder der Credit-Point-Uni? Da zuckt Ihr Körper bald nur noch schwach, es ist zu viel. Wir sind verdrossen. Wir reagieren nervös, der Hasslevel steigt. Es geht uns gut, sagt der Kopf, aber die Identifikationsalgorithmen im Körper warnen vor Bullshit im Dauerton. Mist. Ich würde Sie gerne mit diesem Thema länger quälen, aber ich soll nur 600 Wörter. Mist.

Hier ist der Link zu Xing

https://www.xing.com/news/klartext/haben-sie-einen-guten-bullshit-filter-3223

Hier geht’s zur re:publica und zum Anschauen:

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

5 Kommentare

  1. Frauen erkennen gefühlsmäßig was sie wollen und was nicht.
    Herr Dueck, das Wort “Frau” kommt in ihrem Text überhaupt nicht vor.

    Zweitens, was ist bullshit, eine Definition fehlt. Das was Männer aufregt, das ist aufregend, also mal kein bullshit, wie ich anfangs vermutete.

    Das was wissenschaftlich seriös ist, ist meist auch seriös langweilig.
    Was ist wertvoll, eigentlich alles, wenn es uns zwingt, einen Gedanken darüber zu verlieren. Der Rufer in der Wüste ist in der Werbung fehl am Platz.

    “Hasslevel”, jetzt werden Sie selbst interessant. Wann sind Sie das letzte Mal in die Kirche gegangen ? Nach diesem Statement folgt gute Laune, ich geh jetzt mal joggen.

  2. fliegenklatsche3

    Gratulation zum Video, das ist das Gegenteil von dem obigen Text, da hat man Schwierigkeiten, sich auszuklinken. Absolut ansehens(anhörens)wert.

  3. ” Wielange dauert es Bullshit und Wert zu trennen ?”
    Ich glaube, wir leben in einer Gesellschaft, wo sie beides kaum noch trennen können.
    Jeder versucht sich zu produzieren, versucht sein EGO herauszustellen, versucht mehr Schein als Sein zu sein. Als 1989 die Wessis zu den Ossis kamen um sie zu “missionieren”, waren die Ossis vom Selbstbewusstsein dieser “Brüder und Schwestern” aus dem Westen überaus beeindruckt und glaubten denen jeden Bullshit da sie ja nicht als BLENDER erzogen wurden. Bullshit ist also die Norm, um aufzufallen, um jemand zu sein, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Schauen sie sich die Werbungsseiten an :Jeder versucht im Kampf um die Kunden zu glänzen in seiner Einmaligkeit, um sich besser zu verkaufen. Bullshit ist also ein Wert der zu dieser Gesellschaft gehört , selbst in der Politik bzw. in den Medien.

  4. Querdenker,
    in einer Wettbewerbsgesellschaft, wo objektive Vergleiche fast unmöglich sind, weil die Kontrollinstanzen auch dem Wettbewerb unterliegen, gewinnt nicht das beste Produkt , sondern das, welches am wirkungsvollsten “vermarktet “wird.
    Das Wort “Bullshit” ist irreführend, weil niemand da ist, der die Bedeutung und wirschaftliche Notwendigkeit einer Maßnahme objektiv beurteilt .
    Bullshit auf die Politik übertragen ist noch unbestimmter. Die Parteien unterstellen sich gegenseitig unlogische, unwirtschaftliche, falsche Entscheidungen zu treffen.
    Die USA mit ihrem Präsidenten sind ein beredtes Beispiel.
    Fazit:wer von Bullshit redet , redet selber Bullshit.
    Also, Sachlichkeit wäre hier mal angebracht.

  5. Der Werte des Begriffes “Bullshit” bekommt ja heute auch eine ideologische Dimension. So neigen Medien bzw. bestimmte Apologeten dazu diesen Begriff zu nutzen, um bestimmte Personen, die anderer Meinung sind als die gewünschte, zu stigmatisieren bzw. in irgendeine Ecke zu drängen. In der DDR gab es dafür den Begriff Zensur. Staat und Medien entwickelten diese Methode, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Heute erfolgt die Zensur meiner Meinungen durch Eliten, die Wahrheit , Recht und Moral als ihr Eigentum ansehen und Bullshit als Mittel der Denunzierung und Ausgrenzung betrachten. (Eigene Erfahrung in Scilogs) Bullshit ist also ein Mittel, um ein gewisses gewünschtes Meinungsmonopol durchzusetzen, was mich eher an die Medien- Diktatur in der DDR erinnert. Viele mit denen man ins Gespräch kommen will, schweigen bei bestimmten Reizwörtern lieber, da sie Angst haben dass ihre Meinung unter Bullshit eingestuft wird ,womit man einmal wieder willige sprachlose Untertanen erzieht.
    “Bullshit” ist also ein Werkzeug der Mächtigen/Eliten , um ihre Ideologie erfolgreich durchzusetzen, was sich in der deutschen Geschichte immer bewährt hat.