„Es kostet etwas, mir eine Mail zu schicken!“

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
WILD DUECK BLOG

Da ich auf vielen Veranstaltungen erscheine, werde ich regelmäßig in immer neue Newsletterverteiler aufgenommen. Ich hasse es! Ich melde mich also geduldig ab. „Wollen Sie sich wirklich abmelden?“ – „Bist du sicher, dass du das tun willst?“ – „Bestätigen Sie Ihre Löschung – dazu nehmen wir Ihre Daten nochmals genau auf, Ihre Abmeldung ist aber ganz kostenlos, wenn Sie einen triftigen Grund beibringen.“ – „Bewerten Sie diesen Newsletter – wählen Sie Note ‚ausgezeichnet‘, wenn Sie mit der Aussendefrequenz zufrieden sind. Kreuzen Sie bitte ‚mangelhaft‘ an, wenn wir Ihnen mehr schicken sollen.“

Das hört sich wie eine Satire an, aber bei der gerade laufenden Sparkassenbefragung soll ich als ersten Punkt den Grad der … Selbstorientierung (?) beurteilen – ich zitiere wörtlich:

Die Eigeninitiative, d.h. inwieweit die Mitarbeiter(innen) von sich aus mit Angeboten auf Sie zukommen

Ich will sagen: Viele versuchen, unsere Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen und für ihre Zwecke zu nutzen. Es ist üblich geworden, für das Newsletter-Ertragen Extra-Belohnungen anzubieten, also ein paar Payback-Punkte oder einen Hundert-Euro-Gutschein beim Kauf eines sofort verfügbaren Halden-Luxusautos zum Listenpreis. Sie locken uns mit allen Mitteln!

Ich finde, wir sollten das selbst in die Hand nehmen. Nix mehr mit Hervorlocken! Wir schrecken sie einfach ab. Ich möchte … „Hallo Google?“ Ach, geht so nicht. Noch ein Versuch. „Ok Google? Ich möchte in meiner Mailbox einstellen können, dass Mails an mich bezahlt werden müssen.“ – „Google?“ Noch nichts.

Wie wäre das? Wir könnten zum Beispiel beschließen, dass jeder mit jeder verschickten Mail einen Cent Gebühr mitschickt. Wenn ich dann zehn Mails am Tag verschicke, kostet es mich zehn Cent. Für die hereinkommenden Mails bekomme ich viel mehr Cents, weil ich ja mit Werbung zugedröhnt werde. Die großen Newsletterversender sind in einem solchen Modell mit hohen Kosten konfrontiert und überlegen sich jetzt wohl das ganz hemmungslose Versenden. Die Spam-Versender, die uns täglich betrügen wollen oder infizierte Anhänge schicken, müssen jetzt Geld mitschicken – das Spam-Gewerbe kann aufgeben.

Ich denke, es sollte technisch möglich sein, bei den Versender-Adressen jeweils individuell festzulegen, wie viel Geld sie mir zahlen sollen. Freunde und normalen Mailverkehr stelle ich kostenfrei, die Newsletter schraube ich gebührlich bis ungebührlich hoch. Ich könnte ja bestimmte Mails (von meinen Kindern) auch „liken“, dann bekommen sie von mir einen Cent zurück, Enkel mehr.

Dazu brauchen wir auch eine Enterprise-Edition: In allen Unternehmen wird ja geklagt, dass viele Leute immer die ganze Firma auf Kopie setzen oder bei ihren Mails grundsätzlich die Option „Antwort an alle“ wählen. Solche Spammer würden dann hohe Gebühren auf ihrer Kostenstelle ansammeln und folglich ein ernstes Gespräch mit ihrem Vorgesetzten einfangen. Es wird geklagt, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern am Wochenende oder am Abend Mails schicken. Das könnten man sehr hoch auf der Preisliste ansetzen… Vor den Unternehmensnewslettern würde sich die Kommunikationsabteilung nun wirklich einmal überlegen, was sie schreibt! Ach, es hat nur Vorteile!

Tolle Idee von mir, oder? Ich muss noch einmal kurz über den Missbrauch nachdenken. Stellen Sie sich vor, ein Schummel-Software-Ingenieur in einer Automobilfirma möchte eine Mail an den CEO schreiben: „Wir schummeln und schaufeln uns damit gerade ein Massengrab.“ Na, es könnte im neuen Modell gut sein, dass er diese Mail nicht schickt, weil er sonst seinen Mail-Cent-Etat überzieht. Das wäre dann eine Erklärung, warum die da oben nie wirklich wissen, was in der Firma abgeht.

Es könnte nun auch Trickbetrüger geben, die eine Mail dieser Art versenden: „Ich habe Geburtstag und würde mich über Gratulationen sehr freuen, aber ich glaube, mich mag niemand. Deshalb verrate ich niemandem, dass ich Geburtstag habe. Ich bin so traurig, und das schreibe ich nur dir allein, damit nur du weißt, dass ich weine.“ Dann kommen viele Mails zurück und ein Riesenprofit! Der Trick ist, nur einer Person zu mailen! Bitte nicht allen, weil sich ja dann die gegenseitigen Kosten aufheben!

Mist, ich habe jetzt dann doch Nachteile gefunden. Da kommen die zwanghaften Deutschen sofort wieder mit „das ist nicht sicher“ und sie lassen mich Vorträge halten – mit dem Titel „Mailgebühr – Fluch oder Segen?“ oder „Mailgebühr – Chance oder Risiko?“ Sie mäkeln und wehren ab. Ich verzweifle. Noch ein letzter Vortrag: „Müllgebühr – Vertrauen oder Missbrauch?“ Ich erwähne, dass hier im Kreis einige Tausend Haushalte niemals (!!) die Restmülltonne raustellen, immer nur die anderen beiden Tonnen, die beide kostenlos geleert werden. Sie zucken mit den Achseln. Aber bei meiner Mailregelung wollen sie ganz sicher sein, dass sie nicht missbraucht werden kann. Hilft mir denn keiner?

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

10 Kommentare

    • Pascal Häussler schrieb (20. Juli 2016 @ 12:59):
      > [Gunter Dueck schrieb (20. Juli 2016):
      > > Ich möchte in meiner Mailbox einstellen können, dass Mails an mich bezahlt werden müssen. … zum Beispiel beschließen, dass jeder mit jeder verschickten Mail einen Cent Gebühr mitschickt.]


      > Das gibt’s schon: https://ningo.me/

      [
      > > Freunde und normalen Mailverkehr stelle ich kostenfrei, die Newsletter schraube ich gebührlich bis ungebührlich hoch.
      ]

      Kann “ningo” das (auch)?

      [
      > > Ich könnte ja bestimmte Mails (von meinen Kindern) auch „liken“, dann bekommen sie von mir einen Cent zurück, Enkel mehr.
      ]

      Kann “ningo” das (auch)?

      Jedenfalls finde ich die allgemeine Idee eines wahlweise rückerstattbaren Pfandes für (jemandes, z.B. meine) Erreichbarkeit/Zeit/Aufmerksamkeit/Zuwendung ganz interessant.

      Allerdings ist durch den Einsatz der geforderten Gebühr und das dadurch erkaufte bloße Erreichen des Adressaten nicht unbedingt dessen gewünschte bzw. angemessene Zeit/Aufmerksamkeit/Zuwendung und womöglich sogar die Pfand-Rückerstattung gesichert.

      Solche weit(er)gehenden Angebote lassen sich aber auch machen, und sich ggf. wiederum mit geeigneten Projekten zur (Crowd-)Finanzierung der geforderten (Pfand-)Gebühr bzw. zum (Crowd-)Risikomanagement verbinden (vgl. der “Talk to a Physicist” Beratungsdienst angeboten durch BackReAction und nachgefragt durch das StartNext-Crowdfunding-Projekt “Talk to a physicist about defining inertial frames”.)

  1. Das ganze ist vielleicht zu kompliziert gedacht. Wenn ich unerwünschte Mail nicht mehr sehen will dann

    – wähle ich in der Nachrichtenliste mit der rechten Maustaste den Eintrag: Filter einrichten, nach Absender filtern

    – und wähle als Bedingung z.B.: Von enthält dueck.com

    – und als Aktion: Nachricht löschen

    Das ist keine große Geschichte und funktioniert unproblematisch seit zwei Dekaden.

    http://www.freiesmagazin.de/mobil/freiesMagazin-2014-05-bilder.html#fm_14_05_kmail_filter

    • Sie würden so womöglich auch Dueck-Kritiker persönlich zensurieren, vielleicht wollen Sie aber gerade deren Nachricht erhalten.
      Automatisierte Inhaltefilter sind in jedem Fall problematisch.
      Die Idee einer E-Mail-Zahlschranke dagegen auf der Hand liegend.

  2. naja, die Idee hört sich erst mal gut an aus der perspektive des Werbeopfers,
    aber wenn das üblich würde und jede versendete E-mail plötzlich im Nachhinein Geld kostet, würde das die arme Hälfte der Internetnutzer plötzlich in geldnot bringen, es ließen sich genügend beispiele ausdenken und aufzählen, in denen man nicht darum herumkommt, E-Mails zu versenden, z.B. ein dienstanbieter schafft plötzlich die telefonhotline ab und beschränkt das auf E-mailverkehr etc etc, jede neue Möglichkeit geld zu verdienen, das in diesem fall leicht zu machen wäre wird natürlich ausgenutzt und in ihrer schon angedachte Frage ‘„Mailgebühr – Fluch oder Segen?’ würde auf jeden Fall der Fluch dominieren.

    • Der postalische Versand war immer kostenpflichtig, bis die E-Mail kam.
      Die Idee, das Kommentieren kostenpflichtig zu machen, gibt es auch schon längere Zeit; angeblich soll sie Nachricht von sogenannten Hatern und Trollen zu vermeiden helfen – jedenfalls solange die Zahlung nicht anonymisiert erfolgen kann.
      >:->

      Womit man dann bei der Klarnamenspflicht wäre…

  3. “Der postalische Versand war immer kostenpflichtig, bis die E-Mail kam.”

    naja, der postalische Versand ist ja immer noch kostenpflichtig (und die Kosten werden regelmäßig erhöht).
    zudem erhalte ich dennoch jede Menge Werbepost, offensichtlich ist hier die Kostenpflicht keine Lösung.