Employee-Value: Mein gefühlter psychologischer Arbeitsvertrag

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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„Helfen will ich! Nicht Apparatemedizin.“ – „Sie haben mir gesagt, ich bekäme weniger Gehalt als woanders, dafür wäre ich unkündbar und bekäme Rente. Alles Makulatur?“ Wir alle haben in unserer Seele etwas gefühlt, als wir einen Beruf ergriffen oder eine Arbeitsstelle antraten. Das will ich hier den impliziten psychologischen Kontrakt nennen, den wir eingingen. Den kündigen uns gerade die Systeme und bieten uns keinen neuen an.

Bankbeamter sein ist der sicherste Job, und man kann im Dorf wohnen bleiben. Ärzte verdienen ein Schweinegeld. Priester sind hoch angesehen im Ort. Pflegeschwestern hellen das Leben der alten Menschen auf und haben einen erfüllten Beruf. So dachten wir. Nun werden Filialen geschlossen, Ärzte bei Niedriglohn verheizt, und ins Altersheim kommen wir alle erst mit Pflegestufe. Wer davon betroffen ist, leidet tief. Das alte Verhältnis löst sich auf, aber es kommt kein befriedigend neues. Wie lange halten wir einen solchen Zwischenzustand aus?

Ich will die ganze Frage einmal ganz hart zuspitzen. Ich erkläre kurz verschiedene Organisationsformen von Unternehmen und deren typische psychologische Arbeitskontrakte. Dann schauen wir, was passiert ist. Als ich es selbst das erste Mal erkannte, rief ich fast „Heureka!“ Mal sehen, wie es Ihnen geht.

Organisationen sind zum Beispiel so:

·         Diktatur eines Unternehmers: Die Mitarbeiter müssen schlicht gehorchen und den Herrn verehren wie die Samurai den Fürsten. Sie müssen bereit sein, alles zu geben. Der Herr aber sorgt für sie und ehrt sie als seine treuen Vasallen. Wer schlecht arbeitet, wird bestraft.

·         Großsystem, Konzern, Staatsverwaltung, Amtskirche, Schulen: Der „Beamte“ dient dem System treu und hält sich an alle Regeln. Er bekommt für lange treue Dienste immer wieder ein bisschen mehr Gehalt und später Rente. Das System versorgt den „Organization Man“ lebenslang und kümmert sich auch um Hinterbliebene. Wer in diesem System nicht gut arbeitet, wird unter starke Schuldgefühle gesetzt.

·         High Performance Einheit (z.B. Beratungsunternehmen, größere Kanzleien, Finanzberater, Versicherungsagenten): Jeder arbeitet sich halb tot für höchste Performance. Die Guten steigen auf, die Low Performer gehen von selbst. „Up or out“ heißt das Prinzip. Wer wirklich nach oben kommt, verdient schweres Geld und ist so etwas wie reich. Jeder arbeitet in der Art einer Ich-AG, unabhängig, frei entscheidend und total verantwortlich. Bei einem Scheitern muss er gehen, keiner wird helfen.

·         Gemeinschaft unter geteilten Werten (Kloster, „Schweden“): Die Mitarbeiter leben wie Freunde, helfen sich und bauen gemeinsam ein starkes soziales System auf, das alle unterstützt. Jeder muss die gemeinsamen Werte teilen und nach seinen Kräften helfen und arbeiten, sonst verliert man mit ihm „das Verständnis“.

·         Innovative Systeme (Silicon Valley, Technologie-Parks): Jeder darf dort einer Idee oder einer Innovation nachgehen, alle helfen sich gegenseitig und arbeiten natürlich ganz getrennt, aber sie kämpfen nicht miteinander und diskutieren beim gemeinsamen Kaffee oder bei Pizza. Jeder kommt und geht, wie er will. Totale Freiheit bei höchster Arbeitsmotivation!

Wenn wir in einer dieser Umgebungen arbeiten, dann haben wir den entsprechenden psychologischen Kontrakt in der Seele. Gehorsam gegen Ehre. Dienen gegen Versorgung. Höchstleistung gegen die Chance, reich zu werden. In der Gemeinschaft sicher arbeiten gegen Beachtung der Werte. Innovation bei Arbeit rund um die Uhr gegen Freiheit, herausfordernde Arbeit und kostenlose Pizza.

Und da fiel mir ein:

Die neuen Organisationen der Zukunft wollen alles gleichzeitig! Nämlich Gehorsam, Dienen, Höchstleistung, ethische Werte und Innovation rund um die Uhr.

Aber Ehre, Versorgung, Reichtum, Gemeinschaft oder Freiheit, Anerkennung und Spaß an der Arbeit geben sie nicht. Dafür bleiben die Maßnahmen gegen die Low Perfomer: Strafe, Schuldgefühlimpfungen des Versagers, Outplacement.

Und das dulden wir?

Unternehmen müssen auch Employee-Value erzeugen, denke ich doch. Bestimmt auch psychologischen Employee-Value. Das müssen wir Unternehmen extra klar machen, weil Shareholder-Value nur rein nicht-psychologisch oder negativ-psychologisch ist, also Lichtjahre von Employee-Value entfernt.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

1 Kommentar

  1. Neuland

    Es ist tatsächlich gar nicht so einfach, etwas zu diesem Artikel zu sagen… Dennoch denke ich, ich muss, denn er ist in seiner Aussage zu wichtig!
    Mir fällt hierzu als erstes der Bahnstreik ein. Was habe ich geschimpft, als ich am Bahnhof stgtand und auf den Zug wartete, als ich daheim am Herd stand und auf meinen Mann wartete, den ein Zug heim bringen sollte!
    Doch dann hörte ich, was man den Lokführern gesagt hatte und ich wurde stumm! Man hatte ihnen gesagt, dass ja jeder Depp so einen Zug fahren könnte und sie sich nicht so anstelloen sollen.
    Da verstand ich die Unversönlichkeit!

    Oder mein Mann arbeitet auch rund um die Uhr. Er hat Freude am Wachsen seines Projektes. Kein Burn out! Gelebter Sinn. Doch was macht die Firma? Sie nimmt ihm diesen Sinn, indem sie ihm sein Thema wegnimmt.
    War er schlecht? Nein, er soll einfach nur noch mehr Geld für die Firma verdienen. Langfristiger Aufbau? Fehlanzeige!
    Ich denke, die Firmen werden das in ihrer Angst vor dem Untergang nicht mehr begreifen wollen oder können!
    Dann werden sie aber untergehen.
    Was tun wir? Wir, die wir uns bemühten intrinsische Motivation zu finden um das kalte Klima zu überstehen? Die wir tapfer jeden Tag neuen Sinn für unser Leben schaffen, auch gegen diesen ganzen Widerstand?

    Wir verlassen am Besten das sinkende Schiff und bemühen uns, mit diesem unserem Sinn eine neue Firma zu eröffnen, in der dieser Sinn auf andere übergeht!

    Das Alte wird sterben! Doch ich hoffe, dass eine neue Generation kommen wird, eine die Lebenssinn verströmt und Gemeinschaft, die Freiheit lässt und Diskussionnen schenkt. Eine, die den Menschen würdigt und ehrt!

    Lassen wir die verängstigte Macht der Bestrafung hinter uns und erschaffen neues Leben!