Divide et Impera – Vernichtung von Unternehmen durch Organisation und Wettbewerb

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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Die Idee des „Divide et Impera“ oder „Divide & Conquer“ oder „Teile und herrsche“ aus der Machtpolitik treibt schon lange in den Köpfen ihr Unwesen. Sie hat es schließlich zu einem Organisationsprinzip im Softwareentwurf gebracht. Das sind aber zwei verschiedene Interpretationen! Machtpolitik hat mit Menschen zu tun, Computer dagegen zeigen sich von Macht unbeeindruckt. Heutige Organisationen werden tatsächlich nach Art der Kriegsherren designt, aber man glaubt, es sei alles im Geist objektiver Programmierung angelegt worden. Liegt hier nicht der Schlüssel für die Entstehung von Katastrophen?

Tsun Tsu erklärt lange vor Christi Geburt die Kriegskunst in der Art des „Teile und herrsche“. Machiavelli benutzt die lateinische Formulierung in seinem Hauptwerk „Il Principe“. König Ludwig XI. von Frankreich soll „diviser pour régner“ im Munde geführt haben. Das glaube ich sofort – ich habe in Wikipedia die Lebensbeschreibung gelesen. Dort ist auch zu lesen, dass Ludwig XI. überzeugt war: „Wer nicht heucheln kann, kann nicht herrschen.“

Divide et Impera: Der Fürst verteilt die Verantwortung an Unterfürsten so, dass sie einzeln nicht zu viel Macht haben, um ihm zu schaden. Im Unternehmenskontext: „Keiner soll am Stuhl sägen können.“ In Unternehmen kann man zum Bespiel lauter Vorstände ernennen, die schon so alt sind, dass sie aus Altersgründen keinen CEO-Vertrag mehr bekommen können, das ist am unblutigsten – ABER: wer kurz vor der Pensionierung steht, benimmt sich unter Umständen souverän und unabhängig! Sie sägen dann zwar nicht, lassen sich aber nur schwer beherrschen.

Deshalb soll der Fürst darauf achten, dass die Unterfürsten schon recht wallendes Blut haben – das gehört zur Macht dazu! Aber dann wiegelt er sie immer schwach gegeneinander auf. Dadurch bekämpfen sie sich untereinander und halten sich in Schach. Sie lassen sich so vom Fürsten problemlos beherrschen. In Unternehmen ist das Aufwiegeln wissenschaftlich methodisch sauber institutionalisiert. Es geschieht durch aggressives, invasives Messen der Zahlen und Leistungen der Unterfürsten. Auf schwach kränkende Art werden die Zahlen der Geschäftsbereiche gegeneinander verglichen (nicht m-i-t-einander), dadurch schauen sich die Unterfürsten ständig scheel an und blockieren sich durch „Tower-Denken“. Die Macht des CEO aber ist auf diese Weise gar nicht auf ihrem Radar, sie wird nie auch nur gedanklich angetastet.

Die Strategie „Divide et Impera“ funktioniert also prächtig, wenn man Macht erhalten will.

Heute denken aber die meisten in der IT bei „Teile und herrsche“ an etwas anderes. Beim Programmieren großer Probleme wird das Problem in Teile zerhackt und in Teilen getrennt gelöst, oft sogar von jeweils anderen Computern. So können mehrere Maschinen nebeneinander in Teamwork am gleichen Problem arbeiten. Ihre Teilergebnisse werden dann gesammelt und zu Gesamtergebnis zusammengeführt. Das geht gut, weil die einzelnen Computer nicht gegeneinander aufgewiegelt sind und nur arbeiten, nicht aber kämpfen oder um die Gunst des Zentralcomputers buhlen oder auf Kosten der anderen Computer einen saftigen Extrabonus kassieren wollen.

Ich fasse zusammen: „Teile und herrsche“ sichert dem Fürsten die Macht, um die allein es ihm geht. Das Geld für seinen Palast fällt sowieso dabei ab, oder einer wie Ludwig XI. lebt persönlich ganz bescheiden und denkt an so etwas nicht. Es geht rein um Macht! Ludwig XI. hat mehrfach Verschwörungen gegen seinen Vater betrieben, obwohl er doch ohnehin König werden würde! Er konnte nicht warten! Auch aus diesem Beispiel heraus ist es klar, dass das Aufwiegeln und Blockieren der Unterfürsten im Profitsinne absolut schrecklich wirken kann und wohl auch immer wirken muss – aber, wie gesagt, um Geld geht es dabei nicht, sondern um Egos und Köpfe.

In einer Teamumgebung dagegen geht es um das Aufteilen der Arbeit und Zusammenarbeit. Hier will man möglichst effizient arbeiten und viel Geld verdienen. Da würde das Aufwiegeln sehr stören.

Unser Goethe sagt dazu in „Sprichwörtlich“ (Gedichte letzter Hand von 1827, habe ich in meiner digitalen Bibliothek gefunden):

Entzwei’ und gebiete! Tüchtig Wort;

Verein’ und leite! Beßrer Hort.

Wie aber werden fast alle Unternehmen geführt? Man betet, dass es bitte bitte Zusammenarbeit geben solle, damit der Gewinn steigt, aber man wiegelt alle Manager und Mitarbeiter durch Incentive-Systeme gegeneinander auf, so dass sie sich blockieren, Towerspiele betreiben und bei Meetings heucheln.

Ich stelle fest: Unternehmen werden nach Prinzipien organisiert, die Macchiavelli für den nackten Machterhalt ausarbeitete. Und man glaubt, dass diese Prinzipien gleichzeitig auch den Gewinn maximieren.

Toren der Macht vor den Toren der Macht!

Lest Goethe!

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

1 Kommentar

  1. Macht

    Ist es aber nicht auch ein Problem, die Weisungsbefugnisse in einer modernen Organisation festzulegen, wenn sich jeder mehr Wissen aneignet oder stellt mehr Wissen (auch moralisches Wissen) kein Problem dar wenn es um das Thema Macht in einer Organisation geht?
    Wenn in Zukunft mehr Dezentralisierung in einer Firma vorkommt, will dann auch nicht jeder auch Mitspracherechte bekommen?
    Setzt das auch nicht einen ganz anderen Menschentyp voraus?
    MfG