Angstblüte vor dem Burnout
BLOG: WILD DUECK BLOG

„Angstblüte, so nennt man das letzte, vielleicht verzweifelte, oft prachtvolle Aufblühen eines alten Baumes, bevor er abstirbt.“ So beginnt eine Besprechung des Romans Angstblüte von Martin Walser. Bei Amazon heißt es zum Buch: „Angstblüte nennt sich, was die Natur bedrohten Gewächsen mitgegeben hat. Naht der Tod, steigen noch einmal die Lebenssäfte, der schönste Schein wird produziert.“
Ich habe das in unserem Garten erlebt. Hier in Waldhilsbach grassiert ein Baumpilz. Nebenan beim Nachbarn war eine Eberesche furchtbar befallen. Sie blühte dabei im letzten Jahr so schön wie nie, sie ächzte dann fast unter den herrlich roten Vogelbeeren – die leuchteten so wunderbar, weil die Blätter so klein waren. Der Baum war ein einziges Rot, ohne viel Grün – das Zeichen der Krankheit. In diesem Jahr aber trieb die Eberesche kein einziges Blatt mehr. Dürr, trocken, tot.
Da kommen mir fast Worte wie die eines Pfarrers in den Sinn. „Was sagt uns dieses Gleichnis aus? Was können wir daraus lernen?“
Sie merken es ja selbst: Die Blätter sind ein Zeichen des Lebens, die Früchte sind der Ertrag des Lebens, aber nicht das Leben selbst – das Leben ist grün. Und das Nachhaltige ist das Grüne, das Rote kommt dann schon nach… Aber wenn der Baum das Sterben fühlt, presst er sich noch einmal ganz aus, um für Nachkommen zu sorgen.
Manchmal trauere ich beim Anblick von Menschen, die viel Leistung zeigen und dabei rot glühen, aber sie haben nur noch kleine Blätter.
Der Burnout ist aus dieser Perspektive oft schon zu sehen. Sie blühen nur und wachsen nicht. Die Last der Früchte bricht den schon trockenen Ast.
Wie mag sich das von innen anfühlen? Dass man im Hamsterrad strampelt und leistet und leistet und leistet – und wie man fühlt, dass man sich nicht mehr weiterentwickelt? Dass man nicht mehr lange noch mehr und immer noch mehr leisten kann? Man sagt doch seit alters her: „Grün ist die Hoffnung.“ Ist Hoffnung das Grün des Menschen? Kann es sein, dass Menschen vor dem Burnout die Hoffnung verlieren, sich dann noch einmal zu einer Angstblüte aufschwingen und dann implodieren?
Ich habe einige im Arbeitsleben gekannt, die plötzlich lange krankgeschrieben waren. Manchen hatte ich gesagt, dass sie zu schnell sein wollten, zu schnell erfolgreich, zu schnell anerkannt. „Übe geduldig deine 10.000 Stunden, die man für die Meisterschaft braucht.“ Das hatten sie nicht hören wollen. „Du verstehst mich nicht“, hatten sie gesagt und hofften auf rasches Vorankommen.
Der mit der Angstblüte aber versteht sich nicht, er schaut auf die Früchte und vergisst seine Blätter.
ja, so ist das – hier in Versen:
Ast im Schnee
Sieh mich als einen großen Ast.
Voll bedeckt mit weißem Schnee,
Wirkt verzaubert von Märchenfee
Umtost vom Schneesturm in großer Hast.
Von Ferne glänzt die leuchtend Pracht,
Schillernd blinken viel’ Kriställchen
Doch wenn Du näher kommst, gib Acht!
Sie könnten dich schlagen als Schneebällchen.
Auch wirst Du aus der Nähe sehen:
Das funkelnde Kleid ist Äußerlichkeit
Kann nur eiseskalt bestehen.
Schmilzt’s dahin, bleibt Kümmerlichkeit.
Was Du siehst: Ein grauer Ast.
Noch hält er, was ihm aufgetragen!
Doch schleppt er schwer an seiner Last,
Und ächzt schon, fürchtend zu versagen.
(Dalena,2004)