Magengeschwüre beim Schwein – eine Spurensuche

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Ich hatte vor kurzem darüber berichtet, dass der effektivste Weg einer sinnvollen Reduktion des Antibiotika-Einsatzes darin besteht, dass die Tiere gar nicht erst erkranken. Eine besondere Rolle kam dabei der Stalltechnik zu. Mit einer richtig eingestellten Lüftung lassen sich die häufig auftretenden Lungenerkrankungen gut in den Griff bekommen. Das war natürlich nur ein Aspekt, die Lungen werden später noch wichtig.

Spaltenböden, keine Einstreu oder gar Stroh – ebenso wie die konventionelle Geflügelhaltung (aus anderen Gründen) macht es uns die Schweinehaltung nicht einfach bei dem Versuch sie gut zu finden. Ein weiteres Problem neben Atemwegserkrankungen durch schlecht eingestellte Lüftungen sind immer wieder auftretende Magengeschwüre. Die genauen Ursprünge dieser und was genau da alles mit reinspielt, sind noch nicht völlig klar. Natürlich treffen wir auch hier wieder auf den alten Bekannten Stress, zum Beispiel durch die Belegungsdichte. Nach einigen Studien dazu drängt sich ein Faktor allerdings ganz besonders auf – eine Spurensuche.

Wildschweine verbringen viele Stunden des Tages mit der Suche nach Nahrung. Als Allesfresser vertilgen sie dabei alles von Wurzeln und Knollen über Obst und sogar Aas. Die Nahrung verfügt also über sehr unterschiedliche Strukturen und Konsistenzen (aber keineswegs mehlartig) und gelangt praktisch ständig in den Magen, der somit nie wirklich bzw. nie über einen längeren Zeitraum leer ist. Ganz anders stellt sich die Situation in der Tierhaltung dar. Das Futter ist sehr fein gemahlen, um die Verdaulichkeit zu erhöhen, außerdem steht es nur zu bestimmten Zeitpunkten zur Verfügung. In Kombination mit der einstreulosen Haltung ist es den Tieren also nicht möglich, hier und da mal etwas zu fressen, während der Magen das strukturlose Futter relativ schnell weiterleitet. Das Ergebnis sind lange „Leerzeiten“ des Magens. Und genau diese relativ schnell eintretenden Leerzeiten sind  – zumindest lassen einige Fütterungsstudien in der Vergangenheit diesen Schluss zu – das Problem.

Grundsätzlich ist der Magen durch eine Mucusschicht bedeckt, die die Magenwand vor Angriffen der Magensäure schützt. Ein Teil kommt allerdings nicht in den Genuss dieses Schutzes. Die sogenannte Pars proventricularis umschließt die Kardiaöffnung, entspricht der Größe eines Handtellers und verfügt eben nicht über jene schützende Schicht. Dass es trotzdem nicht zwangsläufig zu Problemen kommen muss, liegt beispielsweise beim Schwein an der Tatsache, dass der proximale Teil des Magens bei Strohhaltung immer mit Strohresten gefüllt ist, deren Fermentation durch Mikroorganismen für eine gewisse Pufferung sorgen und somit die nicht vorhandene Mucusschicht ausgleichen. Und genau da hakt es bei der Fütterung: durch die fehlende Struktur des Futters wird der Magen relativ schnell entleert, während der im Magen zurückbleibende Inhalt sauer ist, teilweise finden sich auch noch Gallensäuren. Durch die fehlende Basis größerer Partikel oder eben Strohresten kommt es dann zu Läsionen, die sich bei wiederholten Angriffen zu Geschwüren entwickeln.

Interessanterweise gab es schon 1967 eine Studie, in der Gamble et al die mittlerweile hinlänglich bekannten Nachteile fein gemahlenen oder pelletierten Futters aufzeigten und ebenfalls zeigten, dass es bei einer konventionellen Fütterung mit Weidegang diese Probleme der Epithelschädigung nicht gäbe.

Erinnert Ihr Euch noch an die Lüftungen und die Folgen einer nicht korrekten Funktion? Lungenerkrankungen sind eines der Hauptprobleme in der Schweinehaltung. Magengeschwüre sind dabei nicht nur ein Tierwohl-Problem und belasten darüber hinaus auch noch die Zunahmen der Tiere, sie können ebenfalls Lungenerkrankungen verursachen, indem Bakterien über die Läsionen der Magenwand ins Blut gelangen und sich dann in den feinen Kapillaren der Lunge sammeln und vermehren. Gerade dann, wenn wir uns über das ernste Thema Antibiotika-Reduktion unterhalten, sollte es uns doch eine der recht simplen Lösungen wie zum Beispiel Stroh wert sein, oder? Gut, jetzt ist Stroh auch nicht immer ganz unproblematisch, man denke dabei nur an diese widerwärtigen Mykotoxis, die sich ebenfalls im Stroh wohlfühlen. Futterautomaten mit Zeitschaltuhr wären auch eine Variante, damit wäre dann sogar noch für Beschäftigung gesorgt.

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Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

4 Kommentare

  1. Was kann man tun?

    Das Problem ist sicher vielfältiger Natur. Und natürlich spielt auch der Stress, wegen dem zu kleinen Platzangebot bei der Schweinemast, eine Rolle. Eine Einstreu wäre natürlich auch wichtig, schon wegen dem Tierwohl. Aber die Ernährung scheint mir doch der springende Punkt zu sein.

    Auch Menschen werden krank, wenn sie nur Nahrungsmittel mit hoher Nährstoffdichte zu sich nehmen, die keine Ballaststoffe enthalten. Außerdem nehmen sie an Gewicht zu, was bei Schweinen ja durchaus erwünscht ist. Mais, Weizen und Gerste enthalten relativ wenig Ballaststoffe und führen gerne zu einer Übersäuerung des Magens. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Schweinemäster ihren Tieren oft zu viele Eisenpräparate geben, weil sie dadurch hoffen die Schweine fitter zu bekommen, eine Überdosierung führt jedoch zu Magenblutungen. Außerdem sollte die Tiere ausreichend Wasser zur Verfügung haben, das wird oft vernachlässigt.

    Magengeschwüre treten übrigens nicht nur bei Schweinen auf, auch Pferde sind davon betroffen. Sport und Freizeitpferde sind oft sehr wertvolle Tiere und werden von daher wahrscheinlich eingehender beobachtet und untersucht als Schweine. Deshalb verlinke ich mal diese Seite:
    http://www.tinker-mooshof.de/…-pferden/index.php

  2. Hallo Mona,

    wie gesagt, sämtliche mögliche Faktoren sind da noch nicht belegt, die oben beschriebene Art der Fütterung gehört aber zweifelsfrei dazu und wurde schon in mehreren Studien belegt.

    Die einstreulose Haltung hat dabei schlicht ökonomische Gründe. Die Ställe müssen schnell und effektiv gereinigt werden können. Passiert das nicht, kann das gerade mit Stroh schnell nach hinten losgehen.

    Mal sehen, wie sich das entwickelt.

  3. Junkfood für Schweine

    Eines gleich vorweg, die Schweinefleischerzeugung unterliegt einem enormen Preiskampf. Bei einem bestimmten Diskounter wurden letztes Jahr halbe Schweine, grob zerlegt, schon für 1.99 Euro das Kilo angeboten – einschließlich Tragetaschen. Eigentlich müsste jedem Käufer klar sein, dass sich solche Preise nur mit möglichst schnell und billig gemästeten Schweinen erreichen lassen und der Bauer da kaum mehr was verdient, aber das ist vielen Verbrauchern wurscht, Hauptsache das Fleisch ist billig.

    Du schreibst: “wie gesagt, sämtliche mögliche Faktoren sind da noch nicht belegt, die oben beschriebene Art der Fütterung gehört aber zweifelsfrei dazu und wurde schon in mehreren Studien belegt.”

    Damit Schweine möglichst schnell an Gewicht zulegen, werden sie überwiegend mit hochenergetischen und fein zermahlenen Futtermitteln versorgt. Durch die leichte Verdaulichkeit rutscht das Futter aber förmlich durch und der Magen ist für die restliche Zeit leer, was ein ständiges Hungergefühl zur Folge hat. Das kennt man auch von Menschen, die sich nur von Fastfood ernähren. Bei artgerechter Fütterung hätte der Magen länger Arbeit und würde sich nicht selbst verdauen. Das will man aber in der Mast nicht haben, weil die Tiere möglichst schnell und günstig gemästet werden sollen. Von daher würde es mich interessieren, welche Aspekte man in diesen Studien berücksichtigte. Eine gesunde Ernährung kann man den Schweinen ja gar nicht angedeihen lassen, weil sie möglichst schnell fett werden sollen. Würden sie nicht so schnell geschlachtet werden, dann könnte man an ihnen eine ganze Palette von ernährungsbedingten Krankheiten beobachten, wie man sie auch von stark übergewichtigen Menschen kennt. Dazu kommen dann auch noch die Probleme und Krankheiten, die durch die Enge und die z.T. mangelnde Hygiene in den Schweineställen bedingt sind.
    “Die einstreulose Haltung hat dabei schlicht ökonomische Gründe. Die Ställe müssen schnell und effektiv gereinigt werden können. Passiert das nicht, kann das gerade mit Stroh schnell nach hinten losgehen.”

    Das ist mir schon klar, weil Einstreu etwas kostet und man sie regelmäßig erneuern müsste. Ansonsten wird der Schweinestall schnell zum Saustall. Spaltenböden sind aber für die Tiere nicht angenehm und ihre Reinigung erfordert auch einigen Aufwand, da sollte man sich nicht täuschen lassen.
    http://www.bauernzeitung.at/?id=2500%2C80661%2C%2C

  4. Da hast Du meinen Artikel sehr richtig zusammengefasst. Wichtig ist noch zu ergänzen, dass die Pars proventricularis keine schützende muköse Schicht wie der restliche Magen besitzt. Das ist das Problem. Wenn der Magen jetzt nach schneller Entleerung immer noch angesäuert ist, kommt zu den Läsionen, die dann bei dauerhaften Angriffen des Epithels zu Geschwüren werden.

    Es gab da ja mehrere Studien: zum einen hat man den Einfluss de pH-Wertes untersucht und diesen sogar abgesenkt. Ergebnis war, dass die Läsionen weit seltener auftraten. Außerdem war schon nach 4-wöchiger Haltung auf Stroh eine deutliche Besserung des Problems zu erkennen.

    Ganz genau kann ich Dir das jetzt nicht darstellen, da die Studien alle zusammengefasst waren 😉

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