Massentierhaltung als Zukunft

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

In den klassischen Staaten der Milchwirtschaft in den USA verschwinden nach und nach die kleinen Betriebe, während größere Betriebe noch größer werden. Eine interessante Tendenz, die uns hier auch schon eine Weile blüht, gerade wenn ich mir das ständige Gerangel um den Milchpreis anschaue, der dann doch wieder ein paar Cent gesunken ist. Die Entwicklung geht laut Situations-Bericht auch in Deutschland in eine ähnliche Richtung. Nicht dass das ein Problem wäre – bis zu 100 Kühe sind in den modernen Ställen gut zu halten (natürlich auch drüber hinaus), wie ich schon selbst überprüft habe.

Die Staaten Vermont und Wisconsin waren früher für ihre Milch-Betriebe bekannt. Doch dieser Ruf schwindet zusehends, denn gerade kleinere Farmen können sinkenden Milchpreisen bei gleichzeitig steigenden Kosten für Futter oder auch Treibstoff einfach nicht mehr standhalten. Interessanterweise bleibt die Zahl der Kühe konstant, die werden von den aufgegebenen Betrieben übernommen, während die Anzahl der Betriebe von 92000 in 2002 auf 70.000 in 2007 gesunken ist. Kleinere Betriebe sind dabei jene, die bis zu 200 Kühe haben, während größere Betriebe mehr als 1000 Tiere besitzen. Zugeben, diese Zahlen stammen aus einem Agrar-Report des Jahres 2007, aber ich habe mir über Twitter (@DairyFuelsMeUp) versichern lassen, dass sich an dieser Tendenz nichts geändert hat. 

Diese Entwicklung weg von kleinen Betrieben und hin zu größeren, die dann den ökonomischen Schwankungen besser widerstehen können, hat mich nachdenklich gestimmt. Nicht zuletzt deshalb, weil wir uns immer mal wieder mit großer Begeisterung an der sogenannten Massentierhaltung abarbeiten. Müssen wir wirklich so viel Fleisch essen – jeden Tag, möglicherweise sogar dreimal an einem solchen? Es wäre doch viel besser, wenn wir weniger äßen und dafür dann etwas mehr Geld in qualitativ hochwertiges Fleisch investierten, welches vielleicht sogar besondere Maßstäbe an das Tierwohl stellte. Überhaupt ließen sich so doch hoffentlich einige unschöne Auswüchse in der Tierhaltung vermeiden. Aber wie stellt sich denn die Situation in Deutschland dar? im Zeitraum von 2007 bis 2010 ging die Zahl tierhaltender Betriebe um 22.300 Betriebe zurück, wobei die Anzahl der gehaltenen Tiere beinahe gleich blieb. Man achte auf die Parallele zu den US-Farmern. Ein Faktor, der diese Entwicklung gewissermaßen noch fördert, ist der Nachwuchsmangel, da eben jene Kinder lieber in die Stadt ziehen und dort arbeiten.

Letztes Jahr hatte ich mit einem Artikel zu einer Petition bezüglich eines Verbotes der Massentierhaltung hier im Blog Reaktionen ausgelöst, die mich schon etwas überrannt haben. Wirklich weiter gebracht hat mich die Diskussion bezüglich eines Verbotes allerdings nicht. Die Angelegenheit krankt schon daran, dass es keine wirkliche Definition für Massentierhaltung gibt, mit der sich arbeiten ließe. Letztes Jahr stieß ich auf einen Artikel zur Schweineproduktion in den USA. Wissenschaftler der Purdue University haben zusammen mit weiteren Kollegen ein Computer-Programm entwickelt, das Schweinehaltern eine wirtschaftlichere Betriebsführung ermöglichen soll. Das wiederum bedeutet nichts anderes als eine Erhöhung der Produktivität bei gleichzeitiger Senkung entstehender Kosten wie Futter beispielsweise. Das liest sich nicht, als stünde hier ein übersichtlicher Betrieb mit 50 Tieren im Vordergrund.

Die Tendenz hin zu größeren Betrieben ist also vorhanden. Das muss erstmal nicht unbedingt ein Problem sein und welche Betriebe nun groß sind und welche klein, das schwankt sehr – je nach dem, ob man sich Milchvieh, Schweine oder Geflügel anschaut. Trotzdem fasziniert mich die Forderung nach einem Verbot der Massentierhaltung doch sehr. Wie sähe das aus? Politiker verbieten sie (wie auch immer) und – ZACK! – schießen kleine niedliche Betriebe wie Spargel aus dem Boden? Strukturwandel gestoppt, Nachwuchsproblem gelöst? Sollten wir nicht lieber die vielen kleinen Mechanismen untersuchen, die den Wandel hin zu größeren Betrieben befördern und dort ansetzen?

Wirkt auf mich, der auf sich gerade etwas mehr in den ökonomischen Bereich einarbeitet, deutlich sinnvoller.


Ein kleiner Artikel über die Situation der Milchfarmer, der mich zu diesem Beitrag bewegt hat, im Situations-Bericht der deutschen Landwirtschaft gibt es einen Haufen Zahlen für alles mögliche und auch das Programm zur Optimierung schweine-haltender Betriebe habe ich mir nicht ausgedacht.

Man möge mir die Verwendung des M-Wortes verzeihen. 

 

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

26 Kommentare

  1. Kleinere Betriebe haben mehr Probleme, die immer strengeren behördlichen Forderungen zum Beispiel in Bezug auf die Hygiene zu erfüllen. Auch das ist ein Grund für den Rückgang. Je kleiner der Betrieb, desto mehr fallen Anschaffungs- und Betriebskosten zum Beispiel von Kühlanlagen ins Gewicht. Wenn dann die Molkereien die Abholintervalle von zweimal täglich noch vor eingen Jahren auf nur einmal alle drei Tage verlängern, muss die finanzielle Last für größere Tank- und Kühlanlagen von den Bauern getragen werden.

  2. Jetzt und später.

    Hallo Frau Bambach,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Ja, das sind noch weitere Details, die es den Betrieben hier schwer machen, auch mit recht kleinen Tierzahlen noch zu bestehen. Obwohl man natürlich nicht vergessen darf, dass eine durchschnittliche Größe von ungefähr 46 Tieren momentan bei Milchvieh nicht wirklich groß ist – für meine Begriffe. Aber das wird sicher nicht so bleiben.

  3. Hallo Sören,
    vielleicht hast du in der Vorarbeit zu deinem neuen Artikel auch diese Broschüre studiert http://www.dafa.de/…osch-DAFA-FFNutztiereWeb.pdf
    Wenn nicht, kannst du mal einen Blick hineinwerfen. Dort steht einiges zur Entwicklung von Betriebsgrößen in den letzten Jahren.
    Viele Grüße

  4. Hallo Reuben C,

    die Broschüre ist ja ganz neu. Grandios! Und nein, ich kannte sie nicht. Deshalb vielen Dank dafür!

  5. Dairy’s mit 10’000 Kühen geplant

    In der Wikipedia findet man unter Dairy Farming eine eindrückliche Schilderung des Trends zur Größe:
    For example, in the San Joaquin Valley of California a number of dairies have been established on a very large scale. Each dairy consists of several modern milking parlor set-ups operated as a single enterprise. Each milking parlor is surrounded by a set of 3 or 4 loafing barns housing 1,500 or 2,000 cattle. Some of the larger dairies have planned 10 or more series of loafing barns and milking parlors in this arrangement, so that the total operation may include as many as 15,000 or 20,000 cows.

  6. Hallo Herr Holzherr,

    Kalifornien ist tatsächlich eine der Gegenden, die plötzlich dick im Milch-Geschäft sind, während oben genannte Staaten immer mehr ins Hintertreffen geraten. Ich habe zwar hier im Blog in etlichen Artikeln erwähnt, dass Tierwohl und Betriebsgröße nicht zwangsläufig zusammenhängen, aber bei den von Ihnen zitierten Zahlen würde ich mich zu gerne mal selbst vom Ablauf überzeugen…

  7. Fleischverzehr

    Ich möchte anknüpfen an die Frage ‘Müssen wir wirklich so viel Fleisch essen’. Bei jeder Produktion entschärft eine Reduktion der Nachfrage die Missstände. Leider wird meistens nur betrachtet wie ich besser produzieren kann und teilweiser oder ganzer Verzicht auf das Produkt wird nicht untersucht. Ganz im Gegenteil, die entsprechende Industrie wirbt was das Zeug hält. Der Umsatz an Fleisch wird durch intensive Werbung und extrem niedrigen Preis angekurbelt. Während z.B. der Preis für Nudel enorm gestiegen ist, bleibt Fleisch billig und Wurst ist inzwischen fast der billigste Brotbelag. Ich finde, dass ein geringer persönlicher Fleischkonsum der eigenen Gesundheit dient und die Missstände in der Massentierhaltung verringert. Die über 6 Millionen Hunde in Deutschland und etwas weniger Katzen heizen Fleichkonsum ebenfalls an, mit entsprechender Wirkung auf die Massentierhaltung. Die Haltung von Haustieren, die in erheblichen Mengen Fleisch verzehren, sollte nicht unbegrenzt erlaubt sein.

  8. Hallo Reinhard,

    ursprünglich sollte der Artikel in Deine angesprochene Richtung gehen, allerdings verlor ich dann ein wenig den argumentativen Faden, deshalb freut es mich, dass Du es ansprichst.

    Natürlich ist Fleisch bei uns ziemlich billig, aber ebenso kann man – wenn man denn wirklich will – auch ein paar Euro mehr auf den Tisch legen. Faktisch findet aber gerade das billige Fleisch reißenden Absatz. Dass Produkte stark beworben werden, ist ein Teil des Marketings und findet sich in allen anderen Bereichen unseres Lebens ganz genau so, davon sollte man sich nicht verrückt machen lassen.
    Damit eine Verringerung des Fleischkonsums auch möglichst schnell eine positive Wirkung zeigt, müsste diese aber gerade im billigen Segment stattfinden. Es ist schließlich wenig sinnvoll, tierische Produkte aus tierwohl-orientierter Haltung zu meiden, während Eier oder Fleisch aus dem unteren Regal weiter laufen. Dann dürfte sich der Wandel nicht wirklich vollziehen…

  9. Vor dem Hintergrund des Anstiegs der Weltbevölkerung über einen geringeren Fleischkonsum zu sprechen, ist etwas absurd. Bei Luxusgütern kommt die Forderung nach Verzicht nicht, obwohl von einem I-Phone oder einem HD-Fernseher noch niemand satt geworden ist. Fleisch ist allerdings ein, von den meisten Menschen, sehr geschätztes Nahrungsmittel, welches der ausgewogenen Ernährung und Gesunderhaltung dient.

  10. Verzicht

    Hallo Reuben,
    selbstverständlich sollte man auch bei den genannten Luxusgütern, und nicht nur dort, über Verzicht reden. Ich finde es unverständlich, wenn man Atomkraft abschalten will und sich keine Gedanken darüber macht auf was man verzichtet um entsprechend Strom zu sparen. In diesem Blog ist das Thema aber nun mal Massentierhaltung.

  11. Hallo Reuben C,

    dass Fleisch ein von vielen Menschen geschätztes Nahrungsmittel ist, steht völlig außer Frage. Aber muss ich denn wirklich bei jedem Stadtfest/Schulfest eine Grillwurst haben? Geht es mir ernährungstechnisch schlechter, wenn ich keine bekomme? Ich denke nicht. Meine Hoffnung besteht bei darin, die Haltungsformen weiter in Richtung Tierwohl verschieben zu können. Ich plädiere ja nicht für einen veganen oder auch vegetarischen Lebensstil.

    Die Frage ist jetzt natürlich, WIE sich eine Verringerung des Fleischkonsums direkt auswirken würde, wenn schon die Peripherie der Betriebe (Futter, Sprit, Nachwuchs) zu einer Vergrößerung führt.

  12. Schulfest

    Hi Sören,
    die Besucher erwarten bei einem Schulfest ein bestimmtes Essen.
    Gibt es davon Abweichungen, kann das Fest in die Hose gehen.

    Durfte ich gestern erst noch erfahren.

  13. Hallo Maexchen1,

    ich vermute mal, Du hast gerade auf Twitter mitgelesen, wo ich die sehr günstigen Würstchen kritisiert habe…

    Aber genau das ist doch massiv ärgerlich. Keine Bratwurst, kein Fest – das kann es doch echt nicht sein. So sehr mich diese Skandal-Reportagen aus der Landwirtschaft ärgern, der Effekt des Nachdenkens dauert eben immer nur ein paar Tage…

  14. Sören Schewe

    Klar ist das mit den günstigen Würstchen nicht so toll.
    Aber bei einem Fest geht es nur noch um zusätzlich Geld zu machen.
    Die Gemeinden geben nichts mehr.
    Schüler oder die vom Förderverein streichen mittlerweile die Klassen.

    Ein Schulfest so wie du es vielleicht noch kanntest gibt es schon lange nicht mehr.

    Eine günstige Wurst bedeutet dann mehr Gewinn.

    Durch das letzte Fest konnten wir neue Computer für die Grundschule kaufen die 586 ersetzten…..

    Essen und Trinken geht halt immer.

  15. Hallo Sören,
    mein obiger Kommentar war als Antwort an Reinhard gedacht, habe ich vergessen hinzuschreiben. Nur damit keine Mißverständnisse aufkommen

  16. Nabend Reuben C,

    da hätte ich eigentlich auch drauf kommen können, aber vielen Dank für die Ergänzung. So ist es tatsächlich leichter 😉

  17. Vergleich

    Irgendwie muss ich bei dem Thema an die Energiewirtschaft denken. Vor 20-30 Jahren waren Großanlagen das Maß aller Dinge. Heute gibt es intelligente Micro-Anlagen im Bereich PV, Windanlagen werden geschrumpft, die Erzeugung zunehmend regionalisiert. Ich finde den Ansatz interessant, zumal wir in Europa gegen die Produktionskosten der Südamerikaner nie ankommen werden.

  18. Hallo Tobias,

    Ob es in der Landwirtschaft auch wieder da hingeht, bleibt abzuwarten. Kinder, die nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten möchten, sondern lieber in die Stadt gehen, Landwirte, die auf Bio-Energie setzen und ökonomische Zwänge sind keine Kleinigkeiten. Die Tendenz ist momentan jedenfalls noch eine andere.

  19. Hallo alle zusammen,
    also generell glaube ich nicht, dass die Betriebe in Deutschland solche Dimensionen annehmen werden wie z. B. in den USA od. China. Wir haben gar nicht die riesigen Flächenressourcen. Die USA exportieren auch fasst 5-mal mehr Fleisch als die EU. China hat den Druck durch 1,3 Milliarden Einwohner die auch alle versorgt werden wollen und zu allem “Übel” steigen auch noch deren Einkommen, was sich in vermehrtem Konsum tierischer Produkte ausdrückt. Genauso wie in allen anderen Schwellenländern ist da Wachstum vorprogrammiert. Da sind unsere Grillwürste die wir weniger in D. essen nur ein Tropfen auf den heißen Stein und vernichten bei Nicht-Konsum sogar noch regionale Arbeitsplätze. Oder wenn ich die Grillwurst nicht esse, esse ich eben was anderes, wo ist der Unterschied. Es ist also schwierig Parallelen zwischen D. und Amerika od. Asien zu ziehen. Und wenn ich mir überlege welche umfangreichen Genehmigungsverfahren bei Stallvergrößerungen oder -neubauten auf den Tierhalter in D. jetzt schon warten, wird es noch schwieriger.

  20. @Reuben C: Fleischkonsum

    Dass wir in Deutschland keine chinesischen oder US-amerikanischen Verhältnisse haben und auch nicht bekommen werden, steht wohl außer Frage.
    Du hast vollkommen recht, dass in den Schwellenländern noch so einiges an Potential bzgl. Fleischkonsum lauert. Wenn ich mich dazu äußere, geht es mir meistens eher um den Tierwohl-Aspekt und die Frage, wie sich dieser angesichts der Zukunft umsetzen lässt.

  21. Schlachthof Tötung

    Zu Reuben
    Der richtige Link heißt: http://www.zeit.de/…hof-toetung-bundesregierung. Dort findet man noch mehr interessante oder besser grausige Artikel. Mir tun die Tiere in den Mastbetrieben am meisten leid, wahrscheinlich auch deshalb, weil ich in der Kindheit die Nutztiere noch in der Natur erlebt habe, z.B. die Schweine auf der Weide. Grundsatzlich gilt die psychologische Weisheit, das die Häufigkeit und Nähe das Kontakts das Mitgefühl mit dem Tier bestimmt. Der Normalbürger, der seine Bratwurts ißt oder Hundefutter kauft, hat nun mal keinen Kontakt zum Mastvieh. Ich fürchte, das man wenig daran ändern kann.

  22. @Reuben C und Reinhard

    Also Reuben Cs Link war schon der richtige. Und ja, Schlachthöfe bergen tatsächlich noch einige Fehler, die es zu kritisieren gäbe. Ein Artikel wäre da durchaus denkbar, aber ich will ja nix mehr versprechen…

    Zu Deiner Ansicht Reinhard, dass der Kontakt zu Tieren auch das Mitgefühl für sie bestimmt: da hast Du sicher recht, den Landwirten, die die Tiere halten, geht es dabei nicht viel anders, auch wenn die die Masttiere nicht besonders lange “haben”.

  23. Pingback:Konsum – die falsche Geißel? › Vom Hai gebissen › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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