Das Phänomen Zeit

BLOG: Quantenwelt

Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Nachdem ich vollmundig behauptet habe, dass Zeit keine Illusion sei, fühle ich mich verpflichtet, eine positive Aussage zur Zeit zu machen. Was ist Zeit eigentlich physikalisch? Wo tritt sie als Naturphänomen auf? Ich möchte mich hier nicht auf das Glatteis der Metaphysik begeben oder tief in der Erkenntnistheorie schürfen. Statt dessen möchte ich aufzeigen, was an der Zeit messbar und was erklärungsbedürftig ist.

Freier Fall

Wenn ein Apfel reif ist, setzt am Stielansatz ein programmierter Zelltod ein, der dazu führt, dass sich der Apfel ablöst und zu Boden fällt. Er fällt mit einer konstanten Beschleunigung, die großzügig gerundet in unseren Maßeinheiten etwa zehn Meter pro Sekunde pro Sekunde beträgt. Das heißt, die Geschwindigkeit des Apfels nimmt mit der Zeit gleichförmig zu, so dass der Apfel nach einer Sekunde 10 m/s (Meter pro Sekunde), nach zwei Sekunden 20 m/s und nach zehn Sekunden 100 m/s schnell ist. Mathematisch kann man also schreiben:
v=g t
Wobei v für die Geschwindigkeit (velocity), g für die Fallbeschleunigung (g wie Gravitation) und t für die Zeit steht.

Ein Objekt, das mit einer konstanten Geschwindigkeit unterwegs ist, legt eine Strecke zurück, die sich als Produkt aus Geschwindigkeit und Zeit ergibt. Wenn die Geschwindigkeit variabel ist, nimmt man einfach die Durchschnittsgeschwindigkeit. Im Falle des Apfels ist die Durchschnittsgeschwindigkeit einfach zu errechnen. Am Anfang ist seine Geschwindigkeit Null und sie steigt gleichförmig, so dass der bisherige Durchschnitt immer die Hälfte der Endgeschwindigkeit ist. Daher erhält man:
s=½ v t = ½ g t²
Hier ist s die Strecke, der Rest ist bekannt.

Diese Gleichungen gelten nicht nur für Äpfel. Jedes fallende Objekt verhält sich überall auf der Erde so. Und auf anderen Planeten ist nur die Fallbeschleunigung g größer oder kleiner. Der Rest ist gleich. Die Gleichungen sind natürlich Näherungen. Wir sehen vom Luftwiderstand ab und davon, dass g nicht homogen ist, sondern sich mit der Höhe über den Boden leicht ändert und auch auf der Erde nicht überall gleich ist, weil die Erde keine homogene Kugel ist und zudem noch rotiert. Aber die Effekte, die ich hier beiseite gelassen habe, können prinzipiell auch berechnet werden und ändern nichts an der Tatsache, dass wir eine überprüfbare Aussage über Naturvorgänge haben, die die Zeit enthält. Der Fall eines Apfels sagt etwas über die Zeit. Sie vergeht während der Apfel fällt und in gleichen Zeitabschnitten fallen gleiche Äpfel unter gleichen Bedingungen gleich weit.

Das allein ist schon keineswegs selbstverständlich. Nehmen wir an, auf einer Apfelplantage irgendwo im Alten Land südlich von Hamburg lösen sich zwei Äpfel von zwei weit auseinanderstehenden Bäumen gleichzeitig in gleicher Höhe. Woher wissen diese beiden Äpfel nun, dass sie auch gleichzeitig den Boden erreichen müssen? Sie stehen ja in keinerlei Kontakt zueinander. Der eine Apfel weiß nichts von dem anderen und doch führen sie eine konzertierte gemeinsame Bewegung durch. Wie machen die das?

Schwingungen

Zeit regiert nicht nur Fallvorgänge. Nehmen wir den Harmonischen Oszillator: Man kann sich einen Eisstock vorstellen, der von zwei Seiten durch Federn oder Gummibändern auf seiner Position gehalten wird. So vermeiden wir, dass wieder die Schwerkraft im Spiel ist. Die Reibung zwischen Eisdecke und Stock sei zu vernachlässigen, weil das Eis eben ist und sich eine dünne Wasserschicht zwischen Stock und Eisfläche gebildet hat. Lenkt man den Eisstock nun ein wenig aus, so dass die eine Feder etwas gespannt, die andere etwas entspannt ist, beide aber weder herunterhängen noch überspannt werden, so wirkt eine Kraft von beiden Federn auf den Eisstock, die bei genügend kleinen Spannungen proportional zur Auslenkung ist. Hier die Gleichung:
F= -k x
F ist hier die Kraft (F wie force), x ist die Auslenkung (in Feder-Richtung, die Richtung quer zur Feder nennen wir dann y und nach oben z) und k ist schließlich nichts weiter als eine Konstante Zahl mit einer Kraft-pro-Weg-Einheit (meist Newton pro Meter, was man nicht mit Newtonmeter verwechseln sollte). Das Minuszeichen kommt daher, dass die Kraft der Auslenkung entgegen steht. F=-k x ist das Hooke’sche Gesetz und gilt fast immer näherungsweise und fast nie exakt.

Wenn wir den Stock jetzt loslassen, wissen wir, dass die Kraft eine Beschleunigung nach Newtons Gesetzen bewirkt. Diese Beschleunigung ist proportional zur trägen Masse und wird als Formel geschrieben als:
a m = F = -k x
a ist hier also die Beschleunigung und m die objektabhängige Trägheitskonstante (träge Masse). Man kann nun direkt die Bewegungsgleichung hinschreiben, die traditionell so formuliert wird, dass auf einer Seite Null steht:
a m + k x = 0
Beschleunigung ist hier das selbe, wie beim Apfel, also die Änderung der Geschwindigkeit in der Zeit. Und die Geschwindigkeit ist die Änderung der Auslenkung x in der Zeit. Wir haben hier also den Fall, dass die Änderung der Änderung der Auslenkung proportional zur Auslenkung selbst ist.

Die Änderung einer Größe mit der Zeit schreibt man in der Physik meist als Differentialquotienten:
v = dx / dt
a = d( dx / dt ) / dt = d²x / dt²
Eine deutlichere Schreibweise von a m + k x = 0 ist damit:
d²x / dt² + k / m x = 0
Das ist eine Differentialgleichung und lässt sich als harmonische Schwingung lösen:
x=A sin(w t + p)
A ist die Auslenkung der Schwingung, also der maximale Wert, den x annehmen kann, w soll eigentlich der kleine griechische Buchstabe Omega sein und wird Kreisfrequenz genannt. p ist eine Konstante, die festlegt, wie die Auslenkung zum Zeitpunkt t=0 war. Die Schwingungsdauer, also die Zeit, zwischen zwei maximalen Auslenkungen des Eisstocks in eine Richtung, hängt nur von der Federkonstante und der Trägheit ab. Sie ist unabhängig davon, wie die Schwingung zustande kam.

Die Gleichung x=A sin(w t + p) ist sehr universell einsetzbar. Hier haben wir es mit einem Federpendel zu tun. Die selbe Bewegung macht aber auch ein Fadenpendel bei kleinen Auslenkungen. Dort ist die Schwerkraft anstatt einer Feder treibend. Bei einem physikalischen Pendel (zum Beispiel in einer Pendeluhr) muss man die Auslenkung gegen einen Auslenkwinkel, die Masse durch ein Trägheitsmoment und die Kraft durch ein Drehmoment ersetzen und kommt ebenfalls auf die gleiche Bewegungsform. Schließlich gibt es ganz andersartige schwingfähige Systeme, sogar solche, an denen gar keine Materie beteiligt ist. Ein Beispiel dafür sind elektromagnetische Schwingungen im Mikrowellen- oder Laserresonator.

Die Elektronenhülle eines Atoms reagiert auf gewisse Anregungen ebenfalls mit mehr oder weniger komplizierten Schwingungen. Die Elektronenwolke verformt sich in elektrischen Feldern ein wenig und das Atom strebt, wenn man das Feld dann wieder abschaltet, ähnlich wie eine Feder um den Ausgangszustand. Solch eine Schwingung kann man beispielsweise mit Mikrowellen in einem Cäsium-Atom anregen. Unsere moderne Einheit Sekunde ist durch 9.192.631.770 Schwingungsdauern einer bestimmten Cäsiumanregung definiert.

Wachstum und Zerfall

Ein drittes Beispiel für eine weite Klasse von physikalischen Vorgängen, die das Phänomen Zeit beinhalten, sind exponentielle Wachtums- und Zerfallsprozesse. Oft kommt es vor, dass die Veränderung einer Größe genau proportional zur Größe selber ist. Das ist zum Beispiel eine gute Annahme, wenn man eine große Menge an Bakterien in einer Petrischale mit ausreichend Nährstoffen und Platzangebot hat. Da die Bakterien alle etwa gleich sind und ihre große Anzahl erlaubt, Statistik zuverlässig anzuwenden, kann man davon ausgehen, dass sich in jeder Zeiteinheit etwa ein gleich großer Anteil der Bakterien teilt. Viel genauer stimmt die Annahme beim Zerfall radioaktiver Elemente. Atomkerne lassen sich mit chemischen oder alltagsphysikalischen Mitteln gar nicht beeinflussen. Wann ein einzelner Atomkern zerfällt, ist von seiner Umgebung völlig unabhängig. Und auch das kleinste Körnchen Materie enthält Unmengen von Atomen. Deshalb stimmt es sehr genau, dass der Anteil von Zerfallenden Atomkernen in jedem gleichen Zeitintervall gleich ist. Die Änderung der Anzahl nicht zerfallener Atomkerne ist genau proportional zur Anzahl selbst. Als Differentialgleichung ausgedrückt lautet diese Regel:
dN / dt – k N = 0
Dabei ist N die Anzahl der Bakterien im ersten und die Anzahl nicht zerfallener Atome im zweiten Beispiel. k ist eine Konstante, die für die Bakterien positiv, für die Atomkerne negativ ist.

Die Lösung dieser Gleichung ist:
N = M exp(k t)
M ist dabei einfach die Anzahl zum Zeitpunkt t=0 und exp() ist die Exponentialfunktion, die einzige mathematische Funktion, deren Ableitung die Funktion selber ist. (Sinus- und Kosinus-Funktionen sind übrigens Funktionen, deren vierte Ableitung sie selber sind.)

Zeit und Uhren

Es fällt auf, dass in all den Gleichungen,
s = ½ g t²,
x=A sin(w t + p)
und
N = M exp(k t)
die selbe Zeit vorkommt, obwohl zum Teil sehr unterschiedliche Vorgänge beschrieben werden. Das ist seit Jahrhunderten so gut bekannt, dass sich kaum jemand darüber wundert. Und doch ist es ein besonderes Naturphänomen. Die Natur ist geordnet und alle Vorgänge laufen nach einer gemeinsamen Zeit ab. Man kann eine nach einer atomaren Schwingung geeichte Sekunde als Einheit hernehmen und damit die verschiedensten physikalischen Abläufe beschreiben. Man kann die selben Abläufe auch mit anderen Einheiten, zum Beipiel mit einem Einheitspendel, einem radioaktiven Zerfall, einem sorgfältig definierten und durchgeführten Steinwurf vergleichen und bekommt die gleichen Gesetzmäßigkeiten. (Nur vermutlich nicht mit der selben Messgenauigkeit.)

Jeden Prozess, dessen physikalische Beschreibung den Zeitparameter enthält, kann man im Prinzip zur Zeitmessung verwenden. Fast alle Uhren verwenden Schwingungen zur Zeitmessung und zählen Schwingungsperioden. Pendeluhren und mechanische Armbanduhren nutzen ein Getriebe um die Schwingungen eines physikalischen Pendels zu zählen. Elektronische Uhren zählen die Schwingungen eines elektrischen Schwingkreises, der oft mit einem Quarzkristall stabilisiert wird. Atomuhren zählen die Schwingungen einer Mikrowelle, die mit einem Atom in Resonanz ist.

Wäre etwas Anderes denkbar?

Selbstverständlich.

Man könnte sich eine Welt vorstellen, in der verschiedene Prozesse unterschiedlichen Zeitabläufen folgen. Ein Radioisotop würde noch immer exponentiell zerfallen und ein Stein quadratisch in der Zeit fallen, aber das Verhältnis der beiden Vorgänge zu einer atomaren Schwingung könnte im Prinzip unvorhersehbar sein. Verschiedene Bauarten von Uhren könnten in solch einem Universum nicht miteinander synchronisiert werden. Den Fall eines Apfels könnte man mit dem Fall eines anderen Apfels vergleichen und noch immer die Regel aufstellen, dass der Apfel in der doppelten Zeit den vierfachen Weg zurücklegt. Den radioaktiven Zerfall eines Isotops könnte man mit dem Zerfall eines anderen nur dann vergleichen, wenn der selbe Mechanismus zugrunde liegt.

Man könnte sich auch eine Welt vorstellen, in der die Zeit unvorhersagbar vom Ort abhängt. In der Uhren also in San Francisco ganz anders gehen als in Köln und das nicht mit einer einfachen Symmetrie, die die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt, erklärt werden werden kann.

Man könnte sich auch, mit sehr viel Phantasie, eine Welt vorstellen, in der alles völlig chaotisch zugeht. In der man gar keine Physik betreiben kann.

Dass alle Naturvorgänge mit dem selben Parameter Zeit beschrieben werden können, dass man also mit Uhren reproduzierbare Messergebnisse in allen Teilbereichen der Physik bekommen kann, ist keine Illusion. Das ist ein exerimentell überprüfbares Phänomen. Jede Theorie, die die Grundlegende Struktur des Universums beschreiben soll, muss Zeit explizit oder implizit enthalten.

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Veröffentlicht von

www.quantenwelt.de/

Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

20 Kommentare

  1. Connes u. Rovellis “Forget time”:

    Alain Connes hat ein paar sich sehr interessant anhörende Bemerkungen zum automatischen Auftauchen von “Zeit” in den von ihm untersuchten Algebren gemacht. Bisher hab ich mir das noch nicht genauer angeschaut (ich interessiere mich eigentlich mehr für Zahlentheorie), bei der Gelegenhait Ihrer schönen Übersicht aber gerade ein paar links zusammengestellt. “Forget Time” (“I summarize here this point of view, explaining why I think that in a fundamental description of nature we must “forget time”, and how this can be done in the classical and in the quantum theory.” (Buch, Interview),Connes zu seinen Ideen (mehr), eine verm. gute semi-pop. Aufsatzsammlung.

  2. Buddhismus

    Dass in unserem Universum alle Vorgänge nach gleichartigen Regeln ablaufen ist unbestritten. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob Zeit existiert oder was Zeit ist. Im physikalischen Sinne ist Zeit lediglich ein nützliches Hilfsmittel zur Berechnung periodischer Aktivitäten.

    Im Buddhismus gibt es z.B. die Idee der zeitlosen Gegenwart: Gegenwart hat keine zeitliche Ausdehnung und ist daher zeitlos.

  3. Zeit

    Hallo,
    natürlich ist die Zeit ein nützliches Hilfsmittel der Physik und kommt in fast allen grundlegenden Beziehungen vor, wie die Geschwindigkeit als Ableitung der Auslenkung nach der Zeit.
    Aber es läuft doch im Endeffekt darauf hinaus, dass die Zeit wirklich so ist wie wir sie kennen oder das sie aus einem übergeordnetem Raum abgeleitet werdem kann, indem sie schon impliziet vorhanden ist, den wir aber (noch) nicht kennen.

  4. Verständnisstufe 1 erreicht

    Hallo Joachim

    Das sind alles schöne Beispiele, von denen einige gut mit der alltäglichen Erfahrung nachvollziehbar sind. Allerdings könnte man als Leser dieser Beispiele den Eindruck bekommen, dass das Phänomen Zeit etwas objektiv Erfahrbares und etwas Absolutes ist. Beides ist aber nicht der Fall, wie mit den Erkenntnissen aus Relativitätstheorie und Quantentheorie abgeleitet – und mittlerweile auch gemessen! – werden kann. Ausgehend von Deiner Beschreibung würde sich anbieten, nun auf das nächste Verständnisniveau einer subjektiven (nämlich beobachterabhängigen) und relativen Zeit abzuheben, was eine Anregung für einen nächsten Blog post sein könnte.

    Beste Grüße von nebenan,
    Andreas

  5. Zeitdefinition – kein Widerspruch

    Hallo Joachim Schulz,
    in Ihrem Beitrag kann ich keine Aussage finden, die meiner funktionalen Definition der Zeit widerspricht. Und Sie haben natürlich völlig recht, wenn Sie sagen, dass es ohne die Zeit, also die Beschreibung der Bewegung in der Physik nicht geht.
    Ein ganz anderes Thema: Sie beziehen sich in Ihrem Beitrag u. a. auf Vorgänge, die im Zusammenhang mit dem stehen, was man herkömmlich als Gravitation bezeichnet. Erwin Kohaut und Walter Weiss haben in Ihrem Buch „Das Rätsel Gravitation“ ganz konkret ausgesagt, dass kein Physiker weiß, wie Gravitation funktioniert. Nicht umsonst sucht man in CERN nach dem Graviton. Der Funktionalistiker kann erklären, wie Trägheit und Schwere quantenphysikalisch funktioniert. Und eigentlich ist das ja auch ganz einfach. Da wir ja hier unter uns sind, will ich Ihnen noch ein kleines Geheimnis verraten: Die Kenntnis über die Quantenphysik von Trägheit und Schwere ist die Grundlage für Entwicklung einer neuen Generation von Antrieben für die Raumfahrt.
    Joachim Blechle

  6. Ob Zeit existiert

    Hallo KRichard,

    Sie schreiben:
    “Dass in unserem Universum alle Vorgänge nach gleichartigen Regeln ablaufen ist unbestritten. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob Zeit existiert oder was Zeit ist.”

    Ja und nein. Tatsächlich wissen wir nicht, was Zeit ist und wodurch sie realisiert wird. Aber wir wissen, dass man Uhren verschiedenster Bauart synchronisieren kann und wir haben damit eine Messgröße. Diese Messgröße nennen wir Zeit.

    Es ist nicht so, dass wir beliebig definieren können, ob und wie Uhren synchronisierbar sind. Gäbe es keine Zeit, so könnten wir sie auch nicht konstruieren. Das merkt man, wenn man sich einmal die Relativitätstheorie ansieht. Aber ich denke, ich werde Andreas’ Anregung aufgreifen und hierzu etwas schreiben.

  7. @adenosine: Strahlenuniversum

    Wer sollte solch ein Universum beschreiben 🙂

    Im Ernst: Erkenntnistheoretisch könnte man sich darüber streiten, ob ein unbeobachtetes Universum überhaupt einen Sinn macht, aber deine Frage Zielt wohl mehr darauf ab, wie es mit einem Universum in thermischen Gleichgewicht wäre. Man hätte an jedem Punkt zu jeder Zeit von allen Seiten die gleiche Strahlung. Mäße man nun an einem Punkt die elektrische Feldstärke, so hätte man ein rauschen, das aber ein für die Temperatur typisches Frequenzspektrum zeigen würde. Auch hier gäbe es also im Chaos typische Zeitabläufe.

    Im Gewissen Sinne hätte auch solch ein Universum eine Zeit.

  8. @Joachim Schulz

    In summa ist Ihre Argumentation doch etwa wie folgt: Zeit ist observabel (mit Uhren), folglich existiert die Zeit (als unverzichtbares physikalisches Konzept).

    Im Gegensatz dazu, die Proponenten der Zeitlosigkeit wie Julian Barbour und Carlo Rovelli sind bekennende Relationalisten. Nach deren Auffassung sind Zeit und Raum nur Hilfskonstruktionen zur Beschreibung von wechselseitigen Beziehungen zwischen Objekten. Kurz gesagt, Zeit wird hier nicht als eine Voraussetzung für sondern als ein Effekt von Dynamik angesehen.

    Der Streit um die Zeit ist letztlich die Fortsetzung einer Kontroverse, die schon zwischen Newton und Leibniz ausgefochten wurde und sich seither wie ein roter Faden durch die Geschichte der Physik zieht. John Earman hat das in einer Monographie einmal ausführlich analysiert. (Der Titel fällt mir leider gerade nicht ein, müsste ich suchen.)

  9. @Chrys: Kein Gegensatz

    Eigentlich sehe ich in meiner Argumentation nicht einmal einen Gegensatz zur relationistischen Auffassung. Ich stimme vollkommen zu:
    Zeit ist eine Konstruktion zur Beschreibung von wechselseitigen Beziehungen physikalischer Abläufe.

    Nur ist mein Punkt eben: Diese Beziehungen existieren, sonst könnte man sie nicht beschreiben. Und sie sind nicht beliebig definierbar. Dass sich Fallvorgänge mit Atomuhren reproduzierbar messen lassen, ist eine nicht-triviale Beobachtung. Es könnte auch anders sein. Ich glaube nicht, dass mir die Vertreter der “Zeitlosigkeit” in dem Punkt widersprechen würden.

    Ob Zeit tatsächlich mehr ist, als nur die Beschreibung einer Beziehung, möchte ich hier offen lassen. Ich wollte mich ja bewusst auf das Beobachtbare beschränken und philosophische Spekulationen unterlassen.

  10. @Joachim Schulz

    Dass man Uhren bauen kann, das werden die Freunde der Zeitlosigkeit gewiss nicht bestreiten wollen. Aber eine Uhr ist eben auch Manifestation eines dynamischen Vorgangs, etwas muss sich dabei bewegen. Und damit stellt sich die Grundsatzfrage:
    Ist die Existenz von Zeit eine konzeptionelle Voraussetzung für Bewegung, oder ist umgekehrt die Existenz von Bewegung eine notwendige Vorbedingung für das Pänomen Zeit?

    Letzteres ist die relationale Sichtweise. Wenn man die akzeptiert, dann verliert aber die Zeit ihre fundamentale Bedeutung, denn das impliziert ja die hypothetische Möglichkeit, eine fundamentale Beschreibung von Bewegung finden zu können, wo der Begriff Zeit gar nicht mehr aufscheint. Und das ist genau das, worauf u.a. Barbour und Rovelli hinarbeiten.

  11. @Chrys: Verhältnis

    Natürlich gibt es das Phänomen Zeit nicht ohne Bewegung. Aber es ist eben nicht mit Bewegung identisch. Das Phänomen Zeit ist, dass ganz verschiedene Formen von Bewegungen auf einen gemeinsame Parameter bezogen werden können.

    Das eine statische Welt keine Zeit kennt, ist trivial. Nicht trivial ist die Beobachtung, dass man nur einen Parameter t braucht, der alle oben genannten Klassen von Bewegungen beschreibt. Diesen Parameter nennen wir Zeit.

    “Ist die Existenz von Zeit eine konzeptionelle Voraussetzung für Bewegung, oder ist umgekehrt die Existenz von Bewegung eine notwendige Vorbedingung für das Pänomen Zeit?”

    Ich würde sagen, dass beides korrekt ist. Zeit nennen wir das Konzept, mit dem wir Bewegungen beschreiben. Gäbe es keine Bewegung, so wäre nichts zu beschreiben und es gäbe somit auch keine Zeit.

    Ich bin offenbar auch Relationist 😉

  12. Zeitlosigkeit

    Der Hinweis auf die buddhistische Sicht der Zeit widerspricht nicht der Möglichkeit Uhren zu bauen. Denn eine Uhr ist nichts anderes als ein Zählwerk, in dem z.B. Schwingungen gezählt werden.

    Aber wenn man in der Lage ist, zu zählen, kann man damit noch lange nicht erklären, was das Wesen der Zeit ist.

    Wenn man von der Urknalltheorie ausgeht, dann müsste Zeit wie der Rest des Univerums aus Energie bestehen, eine Energieform oder unterschiedliche Energieniveaus darstellen

  13. Oh, oh / @Joachim Schulz

    Ich bin offenbar auch Relationist 😉

    Ob das ansteckend ist? Ich glaube, bei Craig Callender hat das auch so ähnlich angefangen…

  14. @Chrys: “Zeit ist …?”

    Solche Fragen lassen sich allenfalls in Spätphasen einer Wissenschaft halbwegs sinnvoll stellen. Deshalb weist Rovelli ja auch auf Anaximander als wiss. Pionier hin, der den Gegenstand solcher Fragen als “Apeiron” bezeichnend, solche Fragen “kurzschloss” und zum “Wie geschieht …?” als Ausgangsfragestellung hinlenkte. Man vergleiche damit z.B. Parmenides’ Lehrgedicht, der erstmal das Universum als grosses und Ganzes, dann dessen Erkennbarkeit und schliesslich warum es von den meisten “verkannt” wird, erklären musste, bevor er zu Einzelfragen kommen konnte. Newtons Fortschritt bestand ja auch nicht darin, etwa gegenüber Descartes’ Wirbeltheorie eine alternative Wesenserklärung von Gravitation zu finden, Maxwells mechanische Modelle seiner E.-dynamik waren deshalb etwas, wovon sich die Physik befreien musste. Genauso ist es mit “Zeit”, Wesensfragen hierzu zu stellen halte ich für irrelevant. Ich würde dir vorschlagen, dir (wenn dich Physik wirklich interessiert) lieber ein Grundverständnis anzueignen. Falls du uns deine Vorkenntnisse mitteilst (z.B. ob du schon weißt, was Vektoren und Ableitungen sind, welche Klassenstufe du besuchst), lassen sich sicher geeignete Lektüretips zusammenstellen.

  15. Aharonov zu “Zeit u. QM”:

    Hier ein Interview von Aharonov (der vom Aharonov-Bohm Effekt)zu “Zeit und QM”: “It suggests perhaps in some future physics, some future theory, we have now an approach to time where the present is described not only by things that happened in the past, (but things that) come back like the movie, Back to the Future — come back to affect the present. That’s a real change in our understanding of time.” Interessant, nicht wahr?

  16. Das Phänomän Zeit

    Zeit

    Ich frage mich ernsthaft wie man den Begriff Zeit so verzerren kann dass dieser dem Sinne nach verloren geht!
    Die Wissenschaft hat auch im Bereich Zeit die Grundlagen verloren bzw. nie verstanden.
    Die Zeit entspringt den Kreissystemen, genauer gesagt den Orbit-Bahnen der Planeten um ihr Zentralgestirn.
    Zeit ist nicht Ursprünglich der Umlauf eines Zeigers der Uhr oder die Schwingungen von kleinen Atomen.
    All diese Methoden sind lediglich analoge Messgleichungen die sich möglichst genau an dem Umlauf orientieren, aber nicht die Zeit selbst.
    Jeder Planet hat seine eigene Zeit und diese Planeten-Zeiten unterscheiden sich gravierend voneinander.
    Selbst die Erden-Zeit ist nicht jedes Jahr haargenau die gleiche, sie weicht mit den Umläufen von Jahr zu Jahr ein wenig ab, wo gegen Atom-Uhren da eher weniger Abweichungen zeigen.
    Doch Ausgangspunkt für alle Uhren ist der vollendete Orbit und dieser richtet sich nicht nach den Uhren, sondern folgt anderen physikalischen Ereignissen!
    Wenn etwas der Zeit folgen muss dann sind es die Uhren und nicht umgekehrt!
    Im Grunde gibt es in Kreissystemen keine Zeit, sondern lediglich 360° Umdrehungen, wobei mit dem 360° auf 0° Durchlauf alles wieder von vorne beginnt.
    Nur wir Menschen, als einzige Spezies, benötigen überhaupt eine Zeiteinteilung aus bekannten Gründen.
    Die Zeit ist überall auf der Erde von diesem Grundsatz geprägt und selbst die Erdrotation, die zwar im Einklang mit dem Orbit steht, hat im Grunde nichts mit der Zeit zu tun.
    Wenn man es genau nimmt, müsste das Jahr 360 Tage haben, genauso wie die Anzahl der Gradeinteilungen.
    Dann hätte der Tag zwar etwas mehr als 24 Stunden aber wir könnten auf Schaltjahre etc. verzichten und hätten 12 Monate a 30 Tage.
    Zeit ist physikalisch für uns wichtig z.B. wenn wir bestimmte Vorgänge pro Zeiteinheit klassifizieren wollen.
    Ob es sich dabei um Schwingungen, um Zerfallsprozesse, chemische Reaktionen oder um eine zurückgelegte Strecke in einer bestimmten Zeit handelt, die uns dann Auskunft über die Geschwindigkeit oder Durchschnittsgeschwindigkeit liefern.
    Alles was zwischen der Zeit an Vorgängen oder Wiederholungen liegt, ist von der Konstante Zeit abhängig und niemals umgekehrt!
    Die Lichtgeschwindigkeit ist die zurückgelegte Strecke in einer bestimmten Zeit, ist aber nicht die Zeit!!!
    Wenn alle elektromagnetischen Wellen mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind aber unterschiedliche Frequenzen haben, verlängern sich die Wege auf der Strecke von A nach B z.B. von der Sonne zur Erde mit der Frequenzerhöhung.
    Wenn die elektromagnetischen Wellen trotzdem alle die gleiche Zeit zur Erde benötigen, dann müssen die höheren Frequenzen eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen als die niederen Frequenzen wenn sie zur gleichen Zeit die Erde erreichen.
    Deshalb kann es auch keine unterschiedlichen Zeiten bezogen auf uns Menschen geben wenn wir z.B. mit Lichtgeschwindigkeit reisen könnten, dann würde der Reisende genauso altern wie der Wartende, nicht Reisende.
    Zeitreisen sind absolut nicht möglich!
    Wenn jemand mit Lichtgeschwindigkeit zu einem anderen Planeten unterwegs wäre und für die Hinstrecke 10 Minuten benötigte wie auch für den Rückweg, dann hätte der Reisende zwar in 20 Minuten eine riesige Entfernung zurückgelegt und er wäre 20 Minuten gealtert, aber der Wartende und nicht Reisende auch!
    Wenn man chemische Reaktionen beobachtet und Vorgänge zählt, dann gibt es lediglich mehr oder weniger Vorgänge in einer Zeit, aber die Zeit hängt nicht von den Vorgängen ab!
    Selbst der Erdanziehung folgende fallende Äpfel haben nichts mit der Zeit zu tun, sie benötigen lediglich für eine Strecke eine bestimmte Zeit.
    Ob sich die Geschwindigkeit während des Falles verändert oder nicht ist zwar interessant aber wichtig ist die Zeit vom Loslassen bis zum Auftreffen auf die Erde und diese Zeitspanne beschreibt die Durchschnittsgeschwindigkeit von A nach B!
    Selbst der Alterungsprozess ist ein chemischer Vorgang in dem der Zellzerfall schneller von Statten geht als der Zellaufbau.
    Wir können lediglich diesen Prozess in das Verhältnis zu unserer Erden-zeit setzen, aber dieser Vorgang bestimmt nicht die Zeit.
    Wir können diesen Alterungsprozess beschleunigen oder verringern, dieses bedeutet aber lediglich das wir z.B. mit 60 Erden-Jahren älter oder jünger aussehen bzw. organisch auch sind.
    Wir können aber nicht darauf schließen wenn jemand mit 60 so aussieht wie mit 80, das tatsächlich auch 80 Jahre vergangen sind!
    Ich denke der Beispiele ist nun genug, wer es jetzt noch nicht verstanden hat der wird es auch dann nicht begreifen.

    Bernd Hartmann

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