Geo-Video: Wanderung radioaktiver Stoffe im Gestein

BLOG: Mente et Malleo

Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
Mente et Malleo

Wie verhalten sich radioaktive Stoffe im Endlager im Laufe geologischer Zeiträume? Das ist bei der Lagerung der radioaktiver Abfälle die entscheidende Frage. Und während wir Menschen uns über die Sicherheit und die Vorhersagbarkeit dieser Dinge streiten, hat uns die Natur längst vorgemacht, wie es geht. Wir müssen uns dafür schlicht die Lagerstätten anschauen, aus denen die Kernbrennstoffe ursprünglich stammten. Die Prozesse verstehen, die zu ihrer Bildung führten. Es könnte helfen, die erhitzten Gemüter abzukühlen und manchen Debatten ein wenig Schärfe nehmen. Etwas weniger Emotion, dafür etwas mehr geologisches Wissen könnte eben auch hier helfen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

9 Kommentare

  1. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

    Natürliche chemische Prozesse können also selbst bei Wasserzutritt zu radioaktiven Endlagern den Abtransport der radioaktiven Stoffe stark einschränken. Das ist sicher eine gute Nachricht. Allerdings kann man daraus wohl nicht allzu viel folgern. Denn es hängt von den spezifschen chemischen Prozessen ab, die ablaufen und die können wohl verschieden sein, je nachdem welche radioaktiven Elemente involviert sind. Und in einem Endlager für radioaktive Stoffe gibt es wohl eine Vielzahl chemisch recht unterschiedlicher Elemente.
    Es gibt übrigens auch andere Untersuchungen zur Migration von radioaktiven Elementen durch ein Wirtsgestein. hier wurde die Diffusion von plutionium- und neptuniumhaltigen Wasser durch Opalinuston untersucht – ebenfalls mit dem Resultat, dass der Ton eine gute Barriere darstellt. Persönlich bin ich aber der Meinung, dass man sich auf solche günstig verlaufenden Experimente nicht verlassen sollte. Meiner Meinung nach sollte man eben nicht nur eine Trennung in schwach- mittel- und hochradioaktiven Abfall vornehmen, sondern zusätzlich eine Auftrennung in langlebige und kurzlebige radioaktive Stoffe. Die wirklich langlebigen mit einer Halbwertszeit von mehreren tausend Jahren sollte man in besonders sichere Endlager verbringen. Das könnten beispielsweise Bohrlöcher von 6000 und mehr Kilometer Tiefe sein (siehe Deep Borehole Disposal). Denkbar wäre auch die Transmutation oder Wiederverwendung in Brütern dieser langlebigen radioaktiven Stoffe, die meist zu den Aktiniden gehören. Auch Barry Brooks von Brave New Climate – ein eifriger Verfechter der Nuklearenergie – hält es für nötig, die langlebigen Aktiniden vom übrigen radioaktiven Abfall zu trennen und sie in Brütern wiederzuverwenden (was auch eine Transmutation mit sich bringen würde). Ich möchte noch die entscheidende Stelle aus Barry Brooks Artikel wiedergeben, die begründet warum Aktiniden anders behandelt werden sollten als die übrigen radioaktiven Stoffe: For all practical purposes, the radiological toxicity due to the fission product portion of the waste decays with (approximately) a 30 year half-life, due to the dominance of strontium and cesium isotopes. It drops below the natural uranium ore level in about 300 years, and becomes harmless in well under 1,000 years. On the other hand, the radiotoxicity level associated with the actinide portion stays far above that of natural uranium ore for a very long time, and remains at least three orders of magnitude higher than that for the fission products for hundreds of thousands of years.

  2. Langzeitsicherheit

    Schicker Artikel, mal wieder 😀

    Ich glaube nicht, dass die Trenung in lang- oder kurzlebige Nuklide Sinn machen würde. Günstiger ist es, die langlebigen als Maßstab zu nehmen und dann ein Endlager bauen, das alles abdeckt. Letztes Endes wurde mit der Wahl eines Isolationszeitraumes von einer Mio Jahre für alle Endlager für radioaktiven Abfall genau das gemacht.

    Das ganze Thema Langzeitsicherheit habe ich auch mal in einer dreiteiligen Serie abgehandelt, dabei bin ich auch auf diese eine Millionen Jahre eingegangen:
    http://www.kerngedanken.de/…d-ein-blick-zurueck/

    Btw: seit den 1970er Jahren wird in Deutschland an mittlerweile vier Stellen Endlagerung betrieben, hier ist die Forderung aber nicht für einen Zeitraum von einer Mio Jahre sondern für immer:
    http://www.kerngedanken.de/…ierende-endlagerung/

  3. @Jan G Langzeitsicherheit rad. Abfalls

    Ich glaube nicht, dass die Trenung in lang- oder kurzlebige Nuklide Sinn machen würde. Günstiger ist es, die langlebigen als Maßstab zu nehmen und dann ein Endlager bauen, das alles abdeckt.

    Es bräuchte keine spezielle Lager für langlebige Abfälle, wenn die geplanten Endlager für 1 Million Jahre sicher sind, da haben sie recht. Doch es gibt nur sehr wenige solche Endlager und die sind teuer. In ihrem verlinkten Beiträgen zu Endlagern in Salzstöcken (z.B. Gorleben?) haben sie folgendes nicht berücksichtigt:
    – Nur weil eine geologische Schicht sich in der vergangenen 1 Million Jahre nicht verändert hat, können sie nicht schliessen, dass das auch in der nächsten Million Jahre der Fall sein wird
    – Der Mensch kann – gerade bei Salzstöcken – durch Anbohren oder Grundwasserspiegelbeeinflussung den Zugang von Wasser wieder ermöglichen
    – Ein Lager für radioaktive Abfälle könnte in einer fernen Zukunft sogar als Waffe eingesetzt werden (schmutzige Bombe), da die Radioaktiviät so schön konzentriert vorliegt

    Meiner Ansicht nach muss langlebiger radioaktiver Abfall vollkommen und irreversibel von der Biosphäre getrennt werden. Ideal wäre die Versenkung im Erdmantel durch Einbringen in eine Subduktionszone. Wahrscheinlich genügt aber schon die Endlagerung in sehr tiefen Bohrlöchern (mehrere tausend Kilometer tief), das sogenannte Deep Borehole Disposal .
    Lösungen dagegen, die vorsehen, dass man spezielle Markierungen um das Endlager anbringt, damit zukünftige Generationen gewarnt sind, sind schon vom Ansatz her irrig. Denn wer sagt uns, dass zukünftige Generationen die endgelagerte Radioaktivität meiden wollen. Ebenso gut könnte es sein, dass eine Gruppe von Menschen sie einmal als Waffe benutzen will.

    Eine Alternative zur speziellen Endlagerung von langlebigen Radionukliden ist deren Transmutation oder ihre Wiederverwendung in nuklearen Brutreaktoren.

    Vieles spricht dafür, langlebige Radionuklide anders zu behandeln als radioaktive Abfälle mit einer Halbwertszeit von einigen Jahrzehnten, zum Beispiel folgendes Szenario: Stellen sie sich vor, ein Endlager, zum Beispiel Gorleben – beginnt nach der Korrosion der Behälter (in vielleicht 100 Jahren) zu lecken – obwohl von allen zuständigen Stellen behauptet wurde, das sei nicht möglich. Als einzige mögliche Massnahme bleibt die Evakuation der umliegenden Zone also vielleicht im Umkreis von 20 Kilometern. Falls es sich nur um Radionuklide mit einer Halbwertszeit von Jahrzehnten handelt, bleibt somit die Aussicht, dass schon die nächste oder übernächste Generation die Sperrzone wieder aufheben kann. Hat es jedoch genügend Aktivität von langlebigen Radionukliden, kann die Sperrzone nie mehr aufgehoben werden.
    Ein Zeitraum von 300 Jahren ist in menschlichen Masstäben überschaubar. Nach Abtrennung aller langlebigen Radionuklide (der Aktiniden) dauert es etwa 300 Jahre bis der radioaktive Müll wieder so wenig strahlt wie Uranerz in einer Uranmine. Ohne diese Abtrennung kommen für radioaktive Abfälle nur noch sehr sichere Endlager in Frage – und Gorleben gehört nicht dazu.

  4. Langzeitsicherheit

    @Martin

    Vernünftige Argumente die Sie da bringen. Das Thema Mensch habe ich übrigens auch im dritten Teil abgehandelt: dieser ist ein Unsicherheitsfaktor.

    Und ich möchte dennoch widersprechen: aus dem Verhalten eines so trägen Systems wie einer Kontinentalplatte kann mit einer recht großen Sicherheit auf die zukünftigen Bewegungen schließen. So wie man bei einem Tanker auf hoher See für eine gewisse Strecke das kann eben weil es sich um ein sehr träges System handelt.

    Zu guter Letzt: die Transmutation mag ein gangbarer Weg sein, aber das Verbringen in tausend Kilometer tiefe Löcher ist unrealistisch. Das tiefste Loch, das die Menschheit je gebuddelt hat, war auf der Halbinsel Kola und etwa 15 km tief. Die Forderung nach einem hundertmal tieferen Loch ist beim derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik einfach Unfug. Wenn wir je soweit sein sollten, dass wir das schaffen, dann haben wir bis dahin auch die Technik, den Müll in die Sonne zu schießen. Und das wäre die sauberste Variante.

  5. @Jan G: Deep Borehole Disposal

    …das Verbringen in tausend Kilometer tiefe Löcher ist unrealistisch

    Da haben sie recht. Das war eine falsche Wiedergabe von mir und ich meinte wohl tausende von Metern tiefer Löcher. Beim Deep Borehole Disposal sind die vorgesehenen Tiefen 5 km. Das ist immer noch weniger tief als einige Ölfelder liegen. Deim Tupi-Feld vor Rio-de-Janeiro liegt das Öl in 7000 m Tiefe. Es ist also nicht unrealistisch radioaktiven Abfall in 5000 m Tiefe zu entsorgen.

  6. @Martin: Deep Borehole

    Ach so, das ist in der Tat mehr im Bereich des Möglichen.

    Ich gebe zu, dass ich, obwohl im Bereich Endlagerforschung schon länger tätig, diese deep-borehole-sache noch nie so recht beachtet habe. Ich werde mich aber mal damit beschäftigen. In diesem Sinne auch vielen Dank für die Infos.

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    vielleicht kommt ja demnächst was dazu auf meinem Blog 😉
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  7. @ Martin

    Ich denke schon, dass man aus dem verhalten natürlicher Lagerstätten auf das Verhalten künstlicher Lagerstätten schließen kann. So unterschiedlich ist das Inventar an radioaktiven Stoffen auch wieder nicht. Schauen wir uns doch nur einmal an, wie sich die natürlichen Reaktoren und deren “Atommüll” verhalten hat. https://scilogs.spektrum.de/…uerliche-reaktor-von-oklo
    Über den Vorschlag von Fergus Gibb hatte ich auch schon einmal gebloggt

    https://scilogs.spektrum.de/…l-endlagerung-in-graniten

  8. Deep Borehole Disposal wird nun auch von DOE (USA) vorgeschlagen, Zitat:Deep Borehole Disposal uses a combination of the natural properties of deep crustal rocks plus engineered barriers like asphalt, bentonite and concrete to isolate waste for geologic time. At these depths, you’re so deep in the crust that the overlying rocks don’t matter. The water table doesn’t matter. The climate doesn’t matter. Human activities don’t matter. Because of its size, it will take more technological advances for most of our nuclear waste, but some waste is small and perfect for this approach

    Das 5000 Meter tiefe Bohloch für den hochradioaktiven Abfall wäre also oben mit Beton, dann Asphalt verschlossen und der radioaktive Abfall wäre von Bentonit umschlossen. Die grosse Tiefe, bedeutet,dass nichts mehr als Lösung aufsteigen kann, denn Wasser in dieser Tiefe ist stark salzig. Auch eine Vergletscherung im Rahmen einer Eiszeit oder andere massive geologische Veränderungen würden das Lager nicht betreffen.

  9. Der Artikel Deep borehole disposal suitable for ERDO countries, study shows auf der Website World Nuclear News hält fest, dass die Lagerung von radioaktivem Material in tiefen Bohrlöchern in Europa kostengünstig und praktikabel ist.
    Zitat:

    Die Tiefenlagerung in Bohrlöchern ist laut einer Machbarkeitsstudie von Deep Isolation eine praktikable und kostengünstige Lösung für alle mittel- und hochradioaktiven langlebigen radioaktiven Abfälle (ILW/HAA), die von fünf europäischen Ländern zwischengelagert werden. Die Studie wurde von Norwegian Nuclear Decommissioning (NND) im Auftrag der European Repository Development Organization (ERDO) in Auftrag gegeben, einer multinationalen Gruppe, die 2021 gegründet wurde, um die Herausforderungen der sicheren Entsorgung langlebiger radioaktiver Abfälle entweder getrennt oder in einem kombinierten Bergwerkslager anzugehen.

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