Atommüll: Endlagerung in Graniten?

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Auf Öko-logisch wird über das leidige Problem des Atommülls diskutiert. Es ist ja auch zum haareausraufen. Selbst wenn wir sofort, also heute in dieser Sekunde, aus der Atomenergie aussteigen, so haben wir doch jede Menge hochradioaktiven Müll bereits produziert, und den müssen wir wohl oder übel irgendwo lagern. Und zwar für eine verdammt lange Zeit. Und es sieht zurzeit auch danach aus, als wenn da noch eine Menge Müll hinzu kommt. Hier in Deutschland wird über eine verlängerte Laufzeit nachgedacht, und weltweit gelten Atomkraftwerke als eine Antwort auf das ebenfalls drängende Problem des Klimawandels und dem Hunger nach bezahlbarer Energie. Dabei ist die Kernenergie, so wie sie heute betrieben wird, nicht nur eine recht heikle Sache (wehe, es geht mal was schief), sie hinterlässt auch eben den besagten hochradioaktiven Müll, den man weltweit noch nirgends (zumindest soweit ich weiß) sicher lagern kann. Und Uran, der Treibstoff der Meiler, ist wie Öl und Kohle eine endliche Ressource. Will man sie strecken, kommt man um weitere heikle Techniken nicht herum, wobei ebenfalls radioaktive Abfälle anfallen.

Nach den Vorkommnissen in der Asse dürften die Chancen von Gorleben als Endlager erneut gesunken sein. Nicht dass ich Gorleben hier propagieren will, aber ich bin durchaus der Meinung, dass Salz ein geeignetes Medium zum endlagern von derartigen Abfällen darstellt. Und dass man die Asse aus verschiedenen Gründen nicht mit Gorleben vergleichen kann. Die Asse ist ein ausgesalztes Bergwerk, das ursprünglich der Salzgewinnung diente. Die Salzschicht, welche die Abfälle vor der Außenwelt schützen sollte, ist zum größten Teil „gegessen“. Das ist bei Gorleben anders, hier wurde kein Salz abgebaut. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man in Gorleben weiterforschen, aber parallel auch (wenn möglich in internationaler Zusammenarbeit) nach alternativen Standorten und auch Speichergesteinen suchen (allerdings sollten dabei nur ernstgemeinte Vorschläge berücksichtigt werden. So etwas jedenfalls ist wohl kaum darunter zu fassen). Erst wenn man alle Daten auch vergleichen kann, hat man eine echte Chance, ein möglichst sicheres Lager zu finden. Dazu gehört aber eine Portion Ehrlichkeit auch den Bürgern gegenüber, welche man im Falle der Asse hat fehlen lassen. Dabei wurde viel Vertrauen verspielt. Das einem jetzt die öffentliche Meinung um die Ohren fliegt, ist eigentlich nur eine logische Konsequenz.

Als kleinen Diskussionsbeitrag möchte ich hier einen älteren Text von mir einstellen, der die Möglichkeit der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle in Graniten behandelt.

Eines der Hauptprobleme bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle, neben der Strahlung, ist die Wärmeproduktion. Darum müssen sowohl die Behälter als auch die Umgebung der Wärme über einen langen Zeitraum stand halten. Um die Wärmeproduktion in überschaubaren Maßen zu halten, werden meist relativ kleine Mengen des radioaktiven Abfalls in großen Behältern verpackt und bei der unterirdischen Endlagerung in sehr großen Volumen an Gesteinsmaterial untergebracht. Hierbei werden oftmals immer noch Temperaturen über 150 °C frei, wodurch die Ansprüche an die Belastbarkeit des Verpackungsmaterials sehr hoch sind. Weil einige der sehr aktiven Wärmeproduzenten wie 134Cs, 137Cs oder 90Sr nur eine kurze Halbwertszeit haben, kann die Erwärmung der Behältnisse durch eine Zwischenlagerung für einige Jahre verringert werden. Allerdings gehören manche der Hitze entwickelnden Nuklide auch zu den Nukliden mit sehr langen Halbwertszeiten. Das bedeutet, dass die Abfälle auch für eine sehr lange Zeit, gewöhnlich einige 100 000 bis Millionen Jahre, sicher von der Biosphäre ferngehalten werden müssen. Ein Zeitraum, über den wir heute noch keinerlei verlässliche Aussagen machen können.

Etwas einfacher würde die Endlagerung von z.B. abgebrannten Brennstäben, wenn man die gefährlichen langlebigen Wärme produzierenden Nuklide vom Rest der Abfälle abtrennen könnte. So ließe sich Uran in Form von UO2 relativ problemlos lagern, auch wenn Uran selber radioaktiv und langlebig ist. UO2, als Mineral Uraninit bzw. als Pechblende bekannt, ist sehr wenig wasserlöslich, wie man an verschiedenen Uranlagerstätten wie der von Oklo / Gabun, sieht, und damit selbst in geologischen Zeitmaßen als immobil anzusehen.

Um die langlebigen Wärme produzierenden Nuklide sicher zu lagern, schlug Fergus Gibb von der Universität Sheffield (Geological Soc. London Journal, v. 157, p. 27 – 36.) ein 4-5 km tiefes Bohrloch in kontinentaler Kruste vor. Hier sei der Abfall fern von jeglichem bodennahem Grundwasser und das für eine ausreichend lange Zeit. Dabei sollte die durch die Radioaktivität der Abfälle produzierte Wärme einen Teil des umgebenden Granits zum Schmelzen bringen, um das Bohrloch sicher zu versiegeln. Die Frage dabei war nur; Würde die Wärme durch die Nuklide ausreichen, um genügend Granit aufzuschmelzen? Würden die Behälter mit dem Abfall diese Wärmeentwicklung überstehen? Und schließlich: Würde die Schmelze bei abnehmender Wärmeproduktion wieder auskristallisieren, um den Abfall zu versiegeln? Gibb nahm an, das es rund 60 bis 70 Tage dauern würde, bis das umgebende Gestein eine Temperatur von 850 °C erreicht. In den folgenden rund 2,5 Jahren würde die Temperatur von 850 auf gut 600 °C abkühlen.

Bislang konnte die Zeit, die eine granitische Schmelze benötigt um zu kristallisieren, nur abgeschätzt werden. Daher wurden jetzt von Gibb zusammen mit Philipp Attrill, Schmelz- und Abkühlversuche an einem Granitpulver unter einem Druck von 0,15 GPa vorgenommen, wie er in etwa einer Tiefe von 4 bis 5 km entspricht (Geology, v. 31, p. 657 – 660). Dabei hat sich gezeigt, dass die Aufschmelzung bereits ab 700 °C beginnt. Wurde das Gesteinspulver rund 570 Stunden auf 800 °C erhitzt, schmolzen 60 Vol% des Gesteins. Bei einem soliden Bohrkern aus demselben Granit wurden unter diesen Bedingungen nur 40 Vol% aufgeschmolzen. Die äußere Schicht des Bohrkernes schmolz und die Schmelze drang teilweise in das Gestein ein. Dieses Eindringen der Schmelze im Zeitrahmen des Experiments ist von einiger Bedeutung. Beim Abkühlen nutzt die Schmelze die dort vorhandenen Kristalle als Keime und versiegelt kleine Spalten fest. Das würde die Abfälle zuverlässig von der Umgebung abschließen. Bislang nahm man an, dass die Schmelze eine spröde glasartige Schicht bilden würde, was nicht als ideal angesehen wurde. Die auskristallisierte Schmelze bildet jedoch eine sehr widerstandsfähige Schicht.

Die Temperatur der Kristallisierung ist tiefer als die der Aufschmelzung und ist vom Wassergehalt der Schmelze und der Abkühlungsgeschwindigkeit abhängig. Bei Abkühlung vom 0,1 ° pro Stunde und 1,5 Gew.-% Wassergehalt der Schmelze erfolgte die endgültige Erstarrung bei 640 °C und bei 2,5 Gew.-% Wasser sogar erst bei 560°C.

Demnach, so schließen Gibb & Attrill, stellen Granite durchaus eine sichere Alternative zur Endlagerung Hitze produzierender und langlebiger radioaktiver Abfälle dar. Sie lassen sich bei Temperaturen unter 1000°C aufschmelzen und diese Schmelze dringt in die feinen Risse des Gesteins ein um es anschließend zu versiegeln. Gegebenenfalls kann sowohl die Aufschmelzung als vor allem auch die Abkühlung durch eine elektrische Heizvorrichtung im Bohrloch kontrolliert und gesteuert werden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

5 Kommentare

  1. Alternativen zum Salz

    Vielen Dank für Ihren informativen Beitrag.

    Hat man sich nicht in Skandinavien auch für genau diese Lösung der Lagerung in Graniten entschieden? Und woher kommt es eigentlich, dass die Deutschen hierbei so auf Steinsalz fixiert sind? Praktikable (oder zumindest diskutable) Alternativen a priori zu ignorieren ist nicht gerade sehr vernünftig.

  2. Salz ist eigentlich kein schlechtes Gestein. Es reagiert plastisch. Das bedeutet, es verschließt entstandene Risse von alleine. Granite haben oft viele Spalten und Risse, darum war man da wohl etwas skeptisch.

  3. Granit entscheidend oder Bohrlochtiefe?

    Sehr informativer Artikel, den ich gern gelesen habe, der aber für mich noch eine Frage offen lässt:

    Die letzten Abschnitte ihres Artikels lassen den Leser schliessen, dass der Einschluss von radioaktivem Material in Granit der entscheidende Punkt ist.

    Andererseits scheint der Vorschlag, radioaktiven Abfall in einem 5 km tiefen Bohrloch zu entsorgen, mehr Wert auf die Distanz zur Biosphäre Wert zu legen (siehe http://en.wikipedia.org/…/Deep_borehole_disposal und http://www.lut.ac.uk/…us%20Gibb%20(Sheffield%20U).pdf).

    In Tiefen ab 3000m scheint auch das Wasser sehr salzhaltig zu sein, so dass ein Aufsteigen von radioaktiver Lake unwahrscheinlich wird. Ob das Bohrloch in Granit endet scheint gar nicht so entscheidend und auch die Behälter in denen das radioaktive Material eingeschlossen ist, sind ziemlich unwichtig. Bei Lagerzeiten von Tausenden von Jahren können Behälter letzlich keine Rückhaltefunktion garantieren.

    Soviel ich weiss, ist der Vorschlag uralt, wurde früher aber aus finanziellen Gründen abgelehnt. Erst in letzter Zeit sind solche Tiefbohrungen gar nicht mehr so teuer.

  4. Salz vs Granit

    Ein guter Artikel, sehr schön mal was zu lesen was nicht so emotional diskutiert wird.

    Ich selber arbeite als Physiker seit einiger Zeit in der Endlagerforschung und denke schon, dass Salz so ziemlich das Beste darstellt was es gibt. Es ist die in einem der Kommentare erwähnte Konvergenzeigenschaft die alle Risse wieder zu schließen vermag. Das geht bei Granit nicht. Ein Erdbeben in 1.000 Jahren und es bilden sich winzige Risse durch die Wasser gehen kann. Damit gibt es bei der Lagerung in Granit keine geologische Barriere.

    Aber zum Beispiel in Schweden gibt es keine andere Möglichkeit, die müssen nunmal das nehmen was sie haben. Aber hier in Deutschland jetzt zu fordern, auch Granit zu nehmen halte ich für schwierig. Das Problem ist, dass die einzigen würdigen Vorkommen im Süden Deutschlands liegen wo auch ein erhöhtes seismisches Risiko existiert.

    Eine ganz andere Sache auf die ich an dieser Stelle aber mal hinweisen möchte sind nicht die radioaktiven Abfälle sondern die chemisch-toxischen. Die werden aktuell endgelagert, umfassen mittlerweile ein mehr als hundertmal größeres Volumen und sind für immer gefährlich. Aber kein Mensch demonstriert zum Beispiel in Herfa-Neurode.

    Zu dieser Problematik habe ich einen Artikel geschrieben: “Funktionierende Endlagerung” auf meinem Blog kerngedanken.wordpress.com

    Ansonsten nochmal ein großes Lob für den Artikel, auch für den Blog als solchen, lese ich sehr gerne.

    Schönes Wochenende,
    der Jan

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