Das Leben ist kein Ponyhof #6 – Auch im Jura nicht (Flugsaurier und Fische)

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Man stelle sich einfach einmal vor, man sei ein kleiner Flugsaurier zur Zeit des Jura. Während das Land von den Dinosauriern beherrscht wird, schwingt man sich in die Lüfte und fliegt hinaus auf das Meer, wo man sich einen leckeren Fischimbiss einverleiben möchte. Und kaum hat man einen leckeren kleinen Happen ergattert, springt einen so ein großer Raubfisch an und reißt einen in das Meer. Genau das sehen wir hier quasi in Stein gemeißelt. Ein Rhamphorhynchus und ein Raubfisch der Gattung Aspidorhynchus (der mit seinem spitzen Maul ungefähr einem heutigen Hornhecht ähnlich sah) sind vereint im Tod.

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Ein Rhamphorhynchus und ein Aspidorhynchus im Tode vereint. B zeigt einen vergrößerten Ausschnitt, C den selben Ausschnitt unter UV-Licht. Der Pfeil weist auf Fischreste im Magen des Flugsauriers. Frey & Tischlinger. 2012.

Was auf der ersten Blick vielleicht so aussieht, als wenn der Raubfisch den Flugsaurier angegriffen hat, könnte sich bei näherer Betrachtung als bedauerlicher Unfall herausstellen. Eberhard Frey and Helmut Tischlinger haben fünf fossile Rhamphorhynchus der Lagerstätte Solnhofen untersucht, die sich nahe bei einem fossilen Aspidorhynchus befanden. bei jedem befand sich ein Flügel zwischen den Kiefern des Raubfisches, allerdings hätte der Fisch auch einen bereits toten und auf dem Meer treibenden Flugsaurier anknabbern können.

Bei dem vorliegenden Exemplar war das etwas anders, denn als sich die Autoren den Flugsaurier genauer ansahen, fanden sie nicht nur Fischreste in seinem Magen, ein Fisch steckte noch in seinem Rachen. Und dank der hervorragenden Erhaltung des Fisches konnte man erkennen, dass er noch keine Spuren der Verdauung zeigte. Ganz offensichtlich hatte unser unglücklicher Rhamphorhynchus kurz vor seinem Tod noch einen erfolgreichen Fischzug durchgeführt und einen kleinen Fisch mit dem Kopf voran verschluckt, als der Aspidorhynchus zuschlug und beide in den Tod riss.

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Der Jäger und seine Beute. Ein kleiner Fisch im Rachen des Flugsauriers, den dieser kurz vor dem tödlichen Unfall herunter schluckte. Gegen ein im Todeskampf hervorwürgen würden die Rückenflossen des Fischchens sprechen. Sie sind angelegt, so dass er den Schlund zwar hinunter, aber nicht rückwärts herauf rutschen würde. B zeigt eine Zeichnung des Ausschnitts. C den kleinen Beutesfisch im UV-Licht. 1 deutet auf die Schwanzflosse, 2 auf die oberen Dornfortsätze und 3 auf die Wirbelsäule des Fischchens. Frey & Tischlinger. 2012.

Der Aspidorhynchus kam von vorne und zog den Flugsaurier unter die Wasseroberfläche, wo er wahrscheinlich schnell ertrank. Warum nun aber auch der angreifende Aspidorhynchus starb, ist nicht ganz so leicht zu klären. Auf jeden fall konnte er den Flugsaurier nicht verschlucken, dazu war das Tier mit seinen Flügeln und dem langen Schwanz wohl zu sperrig. Raubfische wie unser Aspidorhynchus konnten mit guter Wahrscheinlichkeit ihren Kopf nicht so bewegen, um eine ungewollte Beute, die sich zwischen den Kiefern verhakt hatte, wieder loszuwerden. Er vollführte rasche Drehmanöver, um sich die zähen Flugmembranen des Flugsauriers wieder von seinen Zähnen zu lösen. Davon zeugt die verdrehte Stellung des Flugfingers des linken Flügels, während der Rest des Flugsauriers noch in natürlicher Stellung liegt. Unfähig, sich zu lösen geriet er immer tiefer in die anoxischen Bereiche des Eichstätter Beckens, wo schließlich erstickte und in trauter Zweisamkeit mit dem Rhamphorhynchus bis in unsere Tage erhalten blieb.

Rhamph DB

Rekonstruktion eines Rhamphorhynchus im Flug beim Fischen. Public Domain ru. Autor.

Warum aber hatte der Raubfisch nach dem Flugsaurier geschnappt? Denn auch wenn es einige fossile Funde gibt, die einen Rhamphorhynchus und einen Aspidorhynchus gemeinsam im Tod zeigen, nicht in einem einzigen Fall hat man Flugsaurierteile im Magen eines dieser Fische gefunden. Wenn man Eberhard Frey und Helmut Tischlinger folgt, dann war der Flugsaurier auch nicht das Angriffsziel des Fisches. Beide, sowohl der Flugsaurier als auch der Raubfisch waren möglicherweise hinter der selben Beute her. Der Flugsaurier flog dicht über der Wasseroberfläche, von wo er aus der Luft kleine Fischen abschöpfte, während sein Unterkiefer durch das Wasser pflügte. Die dabei entstehenden Turbulenzen mögen eventuell die Aufmerksamkeit unseres Raubfisches angezogen haben, der in der Nähe ebenfalls nach den kleinen Fischen jagte. Alles was Aspidorhynchus zu tun hatte, war den Kopf über die Wasseroberfläche zu heben, und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Frey E , Tischlinger H , 2012 The Late Jurassic Pterosaur Rhamphorhynchus, a Frequent Victim of the Ganoid Fish Aspidorhynchus? PLoS ONE 7(3): e31945. doi:10.1371/journal.pone.0031945

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Hallo herr tischlinger, habe einen fingerknochen ramphorynchus aus den vellerats beds reuchenette pery. Haben sie interesse gruss a. Luethi

  2. Pingback:Leptolepides sprattiformis – Fossil des Jahres 2016 › Mente et Malleo › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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