Das Leben ist kein Ponyhof #3 Kraken und Schildkröten

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Über die erstaunlichen Fähigkeiten der Oktopusse oder Kraken habe ich hier ja schon berichtet. Auch dass diese Tiere durchaus veritable Räuber sind, die es ohne Probleme auch mit Haien aufnehmen können, wie die Dornhaie im Aquarium von Seattle leidvoll erfahren durften. Unsere achtarmigen Freunde könne sich aber nicht nur exzellent tarnen, um ihren Feinden zu entwischen oder ihrer Beute aufzulauern, manche von ihnen besitzen auch ein ziemlich tödliches Gift. Darunter die recht hübschen Kraken der Gattung der Blaugeringelten Kraken (Hapalochlaena).

 

 

Diese Kraken sind normalerweise unscheinbar braun bis beige gefärbt, sie verlassen sich meist auf ihre Tarnung. Aber wenn sie bedroht werden, zeigen sie deutlich sichtbare blaue Streifen oder Ringe. Und das ist eine deutliche Warnung, denn die kleinen Kopffüßer sind schwer bewaffnet, mit Tetrodotoxin, einem hoch wirksamen Nervengift, das auch der Kugelfisch einsetzt. Schon 0,5 Milligramm können einen Menschen umbringen, und ein einzelner blaugeringelter Krake hat genug für 25. Das Gift wird nicht von den Tieren (auch einige Schnecken und Frösche besitzen es) hergestellt, sondern von (symbiotischen) Bakterien.Nicht die Muskelprotze sind die Herrscher der Meere, es sind die kleinen Giftmischer. Und das durfte auch eine Suppenschildkröte leidvoll erfahren.

Die Suppenschildkröte war, wie es ihr Name verrät, eine beliebte Delikatesse, und in vielen Gegenden wie Asien und in der Karibik ist sie es immer noch. Das führt zusammen mit der Zerstörung der Brutgebiete durch beispielsweise touristische Nutzung und zunehmend auch durch die Vermüllung der Ozeane zu einer deutlichen Gefährdung der Art. Kathy Townsend erforscht unter anderem, wie unsere diversen Abfälle, die so in das Meer gekippt werden, auf das Verdauungssystem der Seeschildkröten wirken. Zu diesem Zweck werden tot angespülte Meeresschildkröten obduziert.

Am 11. Oktober 2008 wurde jedoch eine Schildkröte gefunden, die auf den ersten Blick einen ziemlich gesunden Eindruck hinterließ. Sie war unverletzt und es gab auch keinerlei Hinweise auf eine Krankheit. Die Obduktion ergab, dass sowohl das Muskelgewebe als auch der Fettgehalt des Tieres absolut normal waren. Leber, Herz und innere Organe waren unauffällig Trotzdem war es tot angespült worden. Im Magen des Tieres fand sich die unverdaute letzte Mahlzeit, ein großer Ballen Seegras. Nun sind Suppenschildkröten in ihrer Jugend durchaus Fleischfresser, die unter anderem auch gerne Kalmare zu sich nehmen. Mit zunehmenden Alter neigen sie aber mehr einer vegetarischen Lebensweise zu und weiden mit Vorliebe Seegraswiesen ab. Und hier fand sich das Geheimnis des offensichtlich raschen Todes: ein winziger Blaugestreifter Oktopus (Hapalochlaena fasciata). Ein schneller Test ergab, dass die Schildkröte an Terodotoxin gestorben war. Vermutlich hatte sie unbemerkt mit dem Seegras auch den kleinen Kraken verschluckt, der, in höchster Not, zurück gebissen hat. Der Bis der blaugeringelten Kraken aber überträgt das Gift auf den Angreifer.
Tetrodotoxin blockiert die spannungsaktivierte Natriumkanäle in den Nervenzellen und verhindert so die Auslösung von Aktionspotentialen. das bedeutet, das jegliche Nerven- aber eben auch Muskelerregung unmöglich wird. damit werden eben auch diejenigen Muskeln betroffen, welche für die Atmung zuständig sind. Der Tod durch Erstickung ist die Folge. Und dieses Schicksal traf eben auch die Suppenschildkröte. Das Gift des Kraken lähmte die Schildkröte und machte es ihr unmöglich, zu atmen, geschweige denn, die Meeresoberfläche zu erreichen. Sie ertrank und nahm auf diesem Wege auch den kleinen Kraken mit sich. Damit hatte Kathy Townsend den ersten Fall dokumentiert, bei dem ein blaugeringelter Krake ein anderes Meereslebewesen tötete. Mittlerweile sind mehrere Fälle bekannt, so dass das versehentliche Verschlucken eines blaugeringelten Kraken wohl durchaus zu einem gewissen Risiko grasender Suppenschildkröten gehört.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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