Supersturm Sandy auf dem Weg nach New York

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Die Hurrikan-Saison im Atlantik ist dieses Jahr fast vorbei, aber zum Abschluss liefert sie ein sehr ungewöhnliches und voraussichtlich sehr zerstörerisches Exemplar dieser Wirbelstürme. Derzeit driftet der Noch-Hurrikan Sandy über den Atlantik und wird etwa Montag Nacht auf die Ostküste der USA treffen. Bisher ist Sandy ein gewöhnlicher Hurrican der Kategorie 1 (und hat in der Karibik bereits 65 Menschenleben gekostet), aber dabei wird es wohl nicht bleiben. Statt beim Ausflug aus den Tropen schwächer zu werden, verwandelt sich der Sturm von einem klassischen Hurrikan in einen Hybrid-Sturm, der eine (für dortige Verhältnisse) gewaltige Flutwelle vor sich herschiebt.

Westlich von Sandy befindet sich ein ausgedehntes Tiefdruckgebiet, das Sandy daran hindert, thermische Energie aus dem ungewöhnlich warmen Wasser des Golfstroms zu ziehen, wie es Hurrikane normalerweise tun. Allerdings führt der Kontakt mit der Front dem Sturm dafür reichlich barokline Energie zu – Energie, die daher rührt, dass warme und kalte Luftmassen in engen Kontakt kommen. Das Ergebnis sieht man schon in diesem Video: Sandy ist kein normaler Wirbelsturm mehr.

Auf jeden Fall dürfte Sandy gerade mitten in so einer Transformation sein, wenn der Sturm in etwa anderthalb Tagen voraussichtlich in der Nähe von New York wieder auf Land trifft. Das macht Vorhersagen über die Stärke des Sturms ausgesprochen schwierig, allerdings sind sich die meisten Beobacher einig, dass der Sturm enorme Schäden anrichten kann und vermutlich wird. Der Grund dafür ist nicht, wie bei einem klassischen Hurrikan, die enorme Windgeschwindigkeit im Zentrum – die wird sich durch den Übergang zum Frontsystem wohl erheblich abschwächen – sondern einerseits die Ausdehnung des Sturms, deren erste Effekte man schon sehen kann, und andererseits die erwarteten starken Niederschläge.

Das große Windfeld von Sandy führt dazu, dass eine viel größere Region von Starkwinden von bis zu 120 Stundenkilometern betroffen ist als bei einem Hurrikan, und da die Bäume noch Laub tragen, rechnen Experten mit ausgedehnten Schäden an Stromnetz und anderer Infrastruktur, eben durch umgewehte Bäume und herabfallende Äste. Stromausfälle sind wohl vorprogrammiert.

Am meisten Sorgen jedoch macht den Katastrophenschützern die drohende Sturmflut. Dank ihrer Größe schiebt Sandy Wasser aus einem wesentlich größeren Meeresgebiet zusammen, so dass die Flut weitaus höher ausfallen dürfte als bei einem Hurrican vergleichbarer Stärke.  Prognosen sprechen von Pegelständen von bis zu drei Metern über dem normalen Wasserstand in einigen Küstenregionen[1]. Plus, wir haben fast Vollmond, so dass die Tide eh stärker ausfällt und die Wahrscheinlichkeit schwerer Überschwemmungen noch einmal steigt. Im schlimmsten Fall trifft die Sturmflut Montag Abend um etwa neun Uhr Ortszeit zusammen mit dem astronomischen Hochwasser ein. In dem Fall muss man man davon ausgehen, dass Manhattan und New York City teilweise geflutet werden.

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Voraussichtliche Höhe der Sturmflut am Montag Abend um 19 Uhr Ostküstenzeit. Bild: NOAA, via Paul Douglas

Das Wasser kommt allerdings auch von der anderen Seite, aus dem Hinterland. Sandy wird reichlich Regen bringen, dank der feuchten, warmen Luft – dem Erbe des Hurrikans. Und die Fronten sorgen dann eben so wie die bergige Topographie in der Treffergegend dafür, dass die Feuchtigkeit auch auf dem Boden landet. Die Flut kommt nicht nur an der Küste, sondern auch an den Flussufern. Letztes Jahr im August traf der tropische Sturm Irene die Ostküste der USA und zerlegte mit heftigen Regenfällen Brücken und Straßen im Nordosten der USA, im Bundesstaat Vermont war das die schlimmste Katastrophe seit 1927 (Vermont scheint eine eher ruhige Ecke zu sein).

In der Summe addieren sich die Effekte des ungewöhnlichen Hybridsturms zu einer echten Bedrohung, und Experten rechnen schon jetzt mit außergewöhnlichen Schäden – Jeff Masters beziffert den potenziellen Schaden auf mindestens zwei Milliarden Dollar, womit dieser Sturm schon in die Riege der teuersten Naturkatastrophen überhaupt vorstößt. Der Orkan Lothar verursachte sechs Milliarden Dollar Schaden. Und darin ist noch nicht mal die sehr reale Möglichkeit eingerechnet, dass Sandy mit ihrer Sturmflut die New Yorker U-Bahn vollaufen lässt. Wenn das passiert, ist die Kacke richtig am dampfen. Experten Rechnen dann mit Folgekosten von über 50 Milliarden Euro – allein in New York.

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[1] Nordsee-Anwohner werden jetzt milde lächeln, die Sturmflut von 1976 erreichte bis zu sechseinhalb Meter über Normalnull. Aber die Nordseeküste ist auch komplett 14 Meter hoch eingedeicht. Die Ostküste der USA nicht.

7 Kommentare

  1. soso!

    …”und da die Bäume noch Laub tragen, rechnen Experten mit ausgedehnten Schäden an Stromnetz und anderer Infrastruktur, eben durch umgewehte Bäume und herabfallende Äste….”

    haha 🙂

    Auch schön:
    “Allerdings führt der Kontakt mit der Front dem Sturm dafür reichlich barokline Energie zu – Energie, die daher rührt, dass warme und kalte Luftmassen in engen Kontakt kommen.”

    jaja, die gute alte barokline Energie, die erklärt alles 🙂

    Nichts für ungut, lieber Herr Fischer!

  2. schreiben, aber nichts erklären

    Lieber Herr Fischer,

    Sie haben sich offenbar bei den US-Websites kundig gemacht. Aber ihre Erklärungen bleiben in diesem Fall leider sehr oberflächlich. Die Vereinigung beider Wettersysteme haben sie z.B nicht erläutert (nicht verstanden?). Sie nennen Ihren Blog “Wissenschaft für alle”, dann müssten Sie aber auch “für alle” verständlich erklären (und zunächst für sich verstehen….)

    Bis zum nächsten Mal!
    K.P.

  3. Der perfekte Sturm

    Da gabs doch mal vor ein paar Jahren ein Buch von Sebastian Jungerüber einen ähnlichen Fall, wo ein alternder Tropensturm sich an einem arktischen Tiefdruckgebiet labte. Und einem Fischerboot mittendrin. Wurde iirc von Wolfgang Petersen verfilmt.

  4. Rückblick

    Da soll noch einmal jemand über schlechte Wettervorhersagen schimpfen. Der Pfad von Sandy wurde ja mit erstaunlicher Präzision vorhergesagt. Die Sturmflut war stellenweise sogar noch höher als die hier angegebenen 10 Fuß. Die Stromausfälle und vollgelaufenen Tunnel wurden auch richtig vorhergesagt.
    Mein Eindruck ist auch, dass die Behörden und die Bevölkerung recht gut vorbereitet waren. Ohne zynisch sein zu wollen, finde ich rund 70 Tote (das ist der aktuelle Stand) bei der Größe des Sturms in solch einem dichtbesiedelten Gebiet eine eher kleine Menge. Es ist kaum auszumalen, was passiert wäre, wäre der Sturm völlig unerwartet eingetroffen.

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