Zahlwörter: Ich kapier’s einfach nicht!

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Die Welt ist voller Rätsel
Die Sankore Schriften

Das ist ein Hilferuf an die Sprachwissenschaftler und Mathematiker. Bündelt eure Kräfte um wieder Ordnung in meinen verwirrten Geist zu bringen. Ich zähl auf euch. Es geht um die Bildung der Zahlwörter: Sie ist manchmal inkonsistent und nicht in Übereinstimmung mit den Regeln des Dezimalsystems.  Zählen, Alle tun es aber keiner spricht darüber:

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn.

Warum nicht einszehn, zweizehn, dreizehn? Da weiß man direkt, das die Basis zehn ist, Stattdessen elf und zwölf, die nicht ins Schema passen. Da werden wieder Extrawürste gebraten, die mir gar nicht schmecken. Vor allem zur elf muss ich jetzt meinen Senf dazugeben: Das Zahlwort elf, noch bis ins 19. Jahrhundert eilf, stammt vom althochdeutschen Wort einlif ab, gebildet aus den Wurzeln ein (eins) und lif (übrig). Es bedeutet also ungefähr „Rest eins“. Es beschreibt den Rest, der bleibt, wenn man von elf (mit den Fingern) zehn abgezählt hat. Ähnlich wie das Wort elf ist das Zahlwort für zwölf im Deutschen entstanden. Die althochdeutsche Bildung zwelif mit der Bedeutung „zwei bleibt (übrig)“

Was übrig bleibt? Ich glaub es hakt! Wir sind hier nicht zum Reste essen gekommen, bei uns wird hinzugefügt, also addiert, und zwar zur zehn. Klingt einfach, ist es aber nicht:

Dreizehn bedeutet 13 und dreihundert bedeutet 300, aber nicht 103. Merkt ihr was?

Bei der dreizehn bedeutet drei die Zahl Drei selbst, bei dreihundert steht sie für die Anzahl der Summanden.

300 = 100 + 100+ 100

Hundertdrei bedeutet 103. Warum nicht gleich so? Also zehneins, zehnzwei, zehndrei usw.

Das hätte noch einen praktisch Vorteil wenn man Zahlen übers Telefon durchgibt: Wenn die Verbindung schlecht ist oder es im Hintergrund laut ist versteht man ja meistens die letzte Ziffer nicht. Neunund….Und jetzt? Neunundzwanzig oder neunundneunzig? Der Unterschied kann groß sein. Während bei zwanzigund… der mögliche Fehler nicht ganz so groß ist. Es wird etwas zwischen 21 und 29 sein. Der Fehler ist eine Zehnerpotenz kleiner.

Disclaimer: Jetzt wird’s ganz wild!

Dreihundertsiebzighundertfünfzig

Wenn ich das in Ziffern schreibe fallen mir einige Beispiele ein:

370 100 50

370 150

300 70 100 50

300 70 150

3 100 70 100 50

Überhaupt bin ich dafür, dass die Vielfachen von Hundert und Tausend abgeleitete Zahlwörter bekommen genauso wie die Vielfachen von Zehn. (Vielleicht sollte ich mal einen Namenswettbewerb ausrufen).

Wie wäre es zB. mit 200 = zwond?

Dann könnte man statt

243 = zweihundertdreiundvierzig

243 = zwondvierzigunddrei

sagen.

Seht Ihr, das Leben kann so einfach sein.

Tatsache ist, dass im Deutschen alle Zahlen bis zwölf eigene Namen haben, danach aber die Wörter mit zusammengesetzten Zahlennamen (dreizehn, vierzehn) und abgeleiteten Zahlennamen (zwanzig aus zwei, dreißig aus drei, achtzig aus acht) gebildet werden. Vielleicht ist das ein Hinweis auf ein Duodezimalsystems, einem System basierend auf der Zahl Zwölf, welches vor dem heutigen Dezimalsystem in Gebrauch war.

 

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

23 Kommentare

  1. Zahlwoerter – elf, zwoelf, 13

    Nicht nur im Deutschen

    Englisch – eleven, twelve, thirteen

    Franzoesisch – onze, douze, treize, quatorze, quinze, seize, und dann erst dix-sept (und die machen es ab der 70 noch komplizierter – soixante-dix, quartre-vingts, quatre-vingt-dix – was angeblich urspruenglich septante, huitante und neuftante war, bis es von Napoleon abgeschafft wurde)

  2. @ Dramiga

    Ich finde das alles ganz undramatisch – um ehrlich zu sein: ich finde es sogar wunderschön.

    Es ist, sozusagen, die Rache des Wortes an der Zahl (denn insgeheim glaube ich immer noch, dass Sprache und Mathematik im Krieg liegen – zumindest in meinem Kopf).

    Das Dutzend, das Schock, das Gross, das Teufelsdutzend, des Tieres Zahl – die Worte lehren mich, die Zahlen zu mögen, die mir sonst als nackerte 12, 60, 144, 13 und 666 ganz fremd blieben.

    Und haben nicht auch die Mathematiker einen ganzen Zoo von wohlklingenden Namen für einzelne Zahlen?

  3. Zahlenwörter

    Zahlen sind ein logische Sache und so sollten sie auch vom Verstand gebildet werden. Hier ein vorschlag:
    sythetische Zahlenworte
    10^0 10^1 10^2
    a o i
    0 nu
    1 b
    2 z
    3 d
    4 w
    5 f
    6 s
    7 l
    8 t
    9 k

    5 = fa
    70 = lo
    300 = di

    257 = zifola

    die tausender, Millionen, Millarden wird ausgedrückt durch den Exponenten mit einem angehänkten x,
    1000 = ba dax (oder nur dax)
    7000 = la dax
    17000 = bola dax
    692.731 = sikoza dax lidoba
    70.102.013= lo sax biza dax boda

    10^16 = bisax

  4. Das 10er-System…

    … ist ja eher willkürlich, und auch gar nicht besonders praktisch. Wir haben es nur, weil wir 10 Finger haben.
    Das 12er-System war für die breiten Massen bis vor kurzem (historisch betrachtet) viel verbreiteter, 12 Stunden, 12 Monate, … deshalb die extra-Namen dafür. Und mathematisch Beschäftigte speichern Zahlen soundso als Zahlen und nicht also Worte…

    As an aside… Ich las vor kurzem Jane Austen, und dort (bzw. damals) verwendeten alle noch die ungekehrte Zehner-Notation, die auch wir im Deutschen verwenden: one-and-twenty (also auch ein-und-zwanzig) statt twenty-one, wie es heute und mathematisch richtiger verwendet wird.

    Es besteht also Hoffnung, wenn mathematische Sprachpuristen anfangen, zwanzigeins zu sagen, vielleicht wird das auch in 200 Jahren Standard, wie es bei den Engländern funktioniert hat.

  5. Das einzige…

    …was mich stört ist, dass die Benennung des Zehners immer zuletzt erfolgt.

    354 – dreihundertvierundfünfzig

    Warum nicht wie im Englischen: three hundred fifty four
    auf deutsch dann: drei hundert fünfzig vier .

  6. Ist immer unterschiedlich

    Tja, Zahlwörter aus dem Kroatischen gehen sogar bis 20 – d.h. für die ersten 20 Zahlen (mit Null als Zahlt sogar 21) gibt es keine Systematik, erst mit der Zahl 21 wird eine Systematik beibehalten.

    Kann man nix machen, da ist die Historie wesentlich an der Namensgebung beteiligt 😛

    Stell dir mal vor, man hätte den Zahlen bestimmte Laute zugewiesen, z.B. 5x klatschen oder so 😉

  7. Verein Zwanzigeins

    Die Idee, die Zahlen-Aussprache zu reformieren, ist nicht neu, vgl. http://www.verein-zwanzigeins.de/.

    Ich persönlich bin dafür, die Aussprache der Zahlen 21 bis 99 zu reformieren.
    Das ist relativ leicht einzuführen und würde einiges an volkswirtschaftlichem Nutzen einbringen, alleine durch vermiedene Zahlendreher.

    Ob weitergehende Reformen praxistauglich sind, sollte genau geprüft werden.

  8. Zahlen

    Für die meisten alltäglichen Situationen sind die Zahlwörter viel zu genau. Kaum jemand kann doch die Anzahl von mehr als sechs oder acht Objekten noch auf einem Blick erfassen.

    Ich plädiere also dafür, die Zahlworte über acht komplett abzuschaffen. Alle Zahlen von 9 bis 15 würde ich dann als ein Duzend bezeichen und alles über 15 ist schlicht “viel”.

  9. Dass Zahlen 11-19 größtenteils eigene Naman haben, ist in allen großen europäischen Sprachen so.
    Dass im Deutschen auch bei Zahlen 21-99 erst die Einer- Stelle und dann die Zehnerstelle, wie ein-und-zwanzig gesagt wird, ist die Ausnahme und führ m.E. oft zu Verwirrungen. Ich bin schon lange dafür, dass auf Deutsch ach zwanzig-eins gesagt werden solle. Soweit ich weiß, gab es bis in die 1950er in den skandinavischen Sprachen dasselbe, bis es dort so verändert wurde.

  10. Zwölf

    Hallo Joe,

    ich bin weder Linguist noch Mathematiker, aber hier ist wohl doch eine Erklärung fällig.
    Zum Ersten ist diese Zahlenfolge nicht nur im Deutschen üblich (eleven, twelf), es gibt auch noch mehr Sprachen in denen das so ist.
    Zum Zweiten ist wohl meine Generation die erste, die so richtig im Dezimalsystem angekommen ist. Selbst wir lernten noch Dutzend, Schock, Mandel, Gros usw. als Zähleinheiten, für meine Großeltern waren diese die Norm.
    Die große Frage ist, wie ist der Mensch zur Zwölferreihe gekommen? Abgesehen von fantasy-Thesen über sechsfingerige Menschen, bevorzuge ich eigentlich die These, dass die Menschen früher (vor Erfindung der Zahlworte) zählten, in dem sie die Finger nahmen, also eins bis fünf, und als “Zusatzzahl” die Faust, das wäre dann die Sechs. Dann haben wir mit zwei Händen die Zwölf und mit Händen und Füssen die Vierundzwanzig.
    Kulturgeschichtlich ist die Zwölf auch für die Bezeichnung der Kindheit (die ersten zwölf Lebensjahre) wichtig. Du fragst auch nicht, warum wir zwölf Monate oder Tierkreiszeichen haben.
    Aber sieh es mal so, das Zwölfer war einmal das vorherrschende Zählsystem, Das Zehner ist das neuere System.

  11. Zwölf

    Ein weiteres Merkmal der Zwölf ist, dass sich mit ihr besser rechnen lässt, weil sie mehr Teiler hat.

    Die Zehn hat die Primfaktorenzerlegung 2*5,
    die Zwölf 2*2*3.
    Damit ist es im Zwölfersystem ohne Rest möglich durch 1, 2, 3, 4 und 6 zu teilen. Im Zehnersystem gehen nur 1 und 5.

    Hiervon machen wir Gebrauch im täglichen Leben, wo wir sogar mit Minute und Sekunde 5*12 also 60 Teileinheiten nehmen. Damit ist es einfach eine halbe, viertel, sechstel Stunde anzugeben, ohne von Dezimalbrüchen Gebrauch machen zu müssen.

  12. Zahlwörter

    Die heute üblichen Zahlwörter, auch die, die wie zehn, hundert und tausend gut ins Dezimalsystem passen, sind bestimmt deutlich älter als das Dezimalsystem / Stellenwertsystem zur Basis 10. “Früher” konnte man mit (Dezimal-) Brüchen wie 0,5 oder 0,3333 oder 0,25 nicht einfach hantieren. Deshalb wurden (und werden?) Zählmaße wie Dutzend (12), Schock (60) oder Gros (144) mit den vielen ganzzahligen Teilern gerne genutzt.

  13. Also die weit verbreitete 60 (5×12) legt einerseits nahe, dass anthropomorph gedacht wurde (5).

    Die 12 glaube(!) ich kommt aber eher von seiner Teilbarkeit. Das mit dem “5 Kinder plus eine Faust” kommt mir etwas konstruiert vor. Basketballschiris nehmen ja auch eine Faust, aber ich glaube für “10”.

    Und woher die Basis 12 kommt (oben wurde ja nach den Aposteln gefragt, über deren Zahl sich keiner wundere), da scheint mir Wiki gut zu liegen: 12 Mondumläufe hat das Jahr. Die gute Teilbarkeit ist wohl später aufgefallen. Oder weiß jemand was Besseres?

  14. Die Zwölf und anderes

    Zuerst einmal herzlichen Dank für den tollen Artikel. Ich musste manchmal herzhaft lachen; aber so unlogisch zeigen sich nun mal Sprachen an verschiedensten Stellen. Zum Beispiel geht ja die Sonne immer noch selber auf, obwohl sie’s seit Kopernikus besser wissen müsste.
    Zur Zwölf, das hat nichts mit neuzeitlichen Überlegungen zu tun. Meines Wissens kommt das von den altbabylonischen, vielleicht auch sumerischen Kalendermachern: Die 12 Mondumläufe im Jahr. Dazu dann die Einteilung der Stunden des Tages – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang 12 Stunden. Die andern 12 Stunden der Nacht wurden etwas gröber unterteilt (vier “Nachtwachen” zu je drei Stunden?), müsste ich/müsste man nachsehen. Ich schaue jetzt mal absichtlich nicht in einem Online-Lexikon oder sonstwo nach.

    Ich stelle mir vor, dass bei einer Sonnenuhr mit einer Einteilung in 12 Teile auch leichter zu arbeiten ist als mit einer Einteilung in 10 Teile. Überhaupt bei allen kreisförmigen Einteilungen.
    Parallel dazu wurden Einteilungen in 12-er Gruppen etabliert- oder die Konstruktion eines Zwölferverbunds wie auch bei den “12 Stämmen Israels” (Wegen diesen dann die “12 Apostel”) da muss ich mich ja etwas auskennen ;-). Und bei den Brezeln und bei Kaffeegeschirr hat sich’s ähnlich erhalten.

    Gerade so “vernünftig” ist es aber beim Rechnen, dass das 10-er System sich durchsetzte – kann man ja leichter an den Händen abzählen. Die ersten als selbständige Zahlzeichen benützten Buchstaben gingen dann auch vom 10er-System aus. In den drei alten Sprachen, die ich kenne, Hebräisch-Griech-Lateinisch – haben die ersten beiden einfach unterschiedslos das Alphabet durchgezählt (etwa A=1, i=10 ia=11, bis etwa S=600 Si=610). Die Römer dachten praktischer. Z.B. deren V bedeutet eine Hand und deren X zwei Hände). Das war dann doch nicht so praktisch, weil nicht jede Zahl unterhalb der Zehn ein wirklich eigenes selbständiges Zeichen hatte, schließlich haben deshalb die Zahlzeichen der Araber das Rennen gewonnen. Und damit für die mathematische Logik eindeutig das 10er-System.
    Aber die Sprachen haben eben nicht alles mitgemacht. Veränderte Sprechweise durch Regierungsverordnung wie bei Napoleon? Wäre nicht mein Geschmack. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man bei naturwissenschaftlichen Angaben betont umformuliert (zwanzig-eins). Ähnlich, meine ich, war es schon bei der Durchsage der Wasserstände für die Binnenschifffahrt im Rundfunk – da dabei unterstellt wurde, dass der Empfang auf den Schiffen manchmal entsprechend gestört ist.
    Vielleicht setzt sich dann so was durch. Aber ich darf weiter so zählen wie bisher…

  15. @A.S.

    Ein sehr schöner Artikel, der anschaulich den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken zeigt. Also nachdem ich nun deine Beispiele aus dem Chinesischen und dem Französischen gelesen habe,würde es mich interessieren wie denn die geografische Verbreitung der Stellensysteme mit der geografischen Verbreitung der Sprachfamilien überlappt. Weißt Du da was?

  16. @Harald Weiche

    Deine synthetischen Zahlwörter sind mathematisch überzeugend. Du erinnerst mich an J.R.R Tolkien der mit dem Elbischen eine fiktive Sprachfamilie schuf mit einer gemeinsamen Ursprache, die er das Ur-Elbische nannte. Damit konnte er Wortwurzeln ersinnen und Wörter daraus ableiten.

  17. @Martin Huhn

    Also ein Audiofile von Graf Zahl das wäre was Feines 😉 Obwohl mit der schaurigen Stimme und dem Donner am Schluss bekommen die Kinder noch Angst vorm Zählen…..

  18. In einem Land, in dem die Masse allenfalls bis zwanzig zählen kann weil Bierkästen nicht mehr fassen – in Ausnahmefällen bis 25, da ein Zementsack heuer so viel wiegt wäre ich nicht so kleinlich.

    Sprachen haben Eigenheiten und die Deutsche Dachsprache nicht weniger als jede beliebige andere Sprache 🙂
    Sollen erst einmal die Amis ihre foot/inch abschaffen damit die Marssonden nicht mehr zerditschen und dann die drei restlichen Länder von Links- auf Rechtsverkehr umbasteln (was im Fall von England sogar die marode Wirtschaft ordentlich ankurbeln könnte); danach, wenn noch Zeit ist, kümmert man sich um so etwas hier – aber elfundneunzig prozentig! 🙂

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