Von Menschen und Schweinen

BLOG: Von Menschen und Mäusen

Wissenschaft einfach erklärt
Von Menschen und Mäusen

Als die diesjährigen Gewinner des Medizin-Nobelpreises verkündet wurden, war ich schon etwas erleichtert darüber dass es doch nicht die beiden Erfinderinnern des CRISPR/Cas9-Systems geworden sind. Auf der einen Seite ist da der bloße Neid darüber, dass ich selbst mit dem konkurrierenden System der TALE Nukleasen arbeite, das mittlerweile im öffentlichen und schrittweise auch aus dem wissenschaftlichen Bewusstsein zu verschwinden scheint. Auf der anderen Seite hätte ich es einfach für übereilt empfunden, dass knapp 5 Jahre nach den ersten Anwendungen im genome editing ein Nobelpreis verliehen wird. Es gehört natürlich einiges an innovativem Drang dazu aus einem als länger bekannten merkwürdigen Schutzmechanismus von Bakterien ein Toolkit zum genome editing zu bauen, der Einfluss und die finale Bedeutung muss in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aber erst noch betrachtet werden. Schließlich ist das System doch noch ziemlich fehleranfällig, wie die heiß diskutierte Veröffentlichung einer chinesischen Forschergruppe im April gezeigt hat. Der Nobelpreis wird schon noch kommen, die beiden Damen sind auch noch jung und im Schnitt vergehen laut Spiegel durschnittlich mehr als 20 Jahre zwischen Entdeckung und Titelverleihung.

Ein Beitrag von vor zwei Wochen auf einem Treffen zum Thema gene editing der US National Academy of Sciences, lässt mich meine Meinung dazu doch überdenken. Es scheinen sich schon recht schnell bahnbrechende Erfolge unter Verwendung des CRISPR/Cas9-Systems anzukündigen. Die Wissenschaftler der renommierten Harvard Medical School berichteten dort, dass sie 62 verschiedene Sequenzen im Genom von Schweine-Embryonen editiert hätten. Das allein ist eine geradezu unglaubliche Leistung. Ich versuche das mal in Relation zu setzen. Üblicherweise sind das Themen von Doktorarbeiten: schalte Gen xyz in Maus/Zebrafisch/Fruchtfliege aus und untersuche, ob sich daraus eine Veränderung des Phänotyps ergibt. Im Idealfall findet man was total weltbewegend Aufregendes, nach dem Knock-out hat die Maus gekräuseltes Haar oder die Flügel der Fliege sind verkrüppelt. Wenn das nicht so ist, Pech gehabt. Viel Spaß beim Publizieren. Blöd ist auch, wenn der Knock-out lethal ist, am besten in einem frühen Entwicklungsstadium. Das dauert dann nochmal etwas länger um das genauer einzugrenzen, ist am Ende vielleicht aber auch interessanter. Zurück zum Thema! Bevor es CRISPR/Cas9 gab, wurde zum Verändern des Genoms in vielen Fällen gar kein molekulares Hilfsmittel verwendet um den Prozess zu erleichtern, in den letzten Jahrzehnten gab es immerhin die sogenannten Zinkfingernukleasen. Die schneiden ebenfalls wie CRISPR/Cas9 das Genom und erleichtern es so die umliegenden Sequenzen zu verändern. Nur sind sie sehr viel weniger spezifisch (das heißt, sie schneiden gerne auch mal wo sie gar nicht sollen), kontextabhängig (d.h. sie sind schwierig für eine bestimmte Stelle im Genom zu generieren) und leider auch ziemlich toxisch für die Zellen (was das heißt, ist wohl klar). Das ganze dauert dann etwa 5 Jahre, mit Glück, wenn alles glatt läuft, geht es schneller. Aber wann war das schon mal der Fall? 5 Jahre also, für ein mickriges Gen. Im Studium wurde mir immer dringend davon abgeraten “eine Maus zu machen”. Und diese Forschergruppe hat jetzt also in etwa der gleichen Zeit, denn länger gibt es das System noch gar nicht, mal eben 62 verschiedene Sequenzen bearbeitet. Das alleine ist also schon mal ziemlich cool.

Was war nun aber das eigentliche Ziel der Arbeit? Schweine sind uns Menschen ziemlich ähnlich. Dabei spreche ich nicht unbedingt von der genetischen Nähe, die ist z.B. bei der Maus höher. Schweine entwickeln allerdings im Alter ähnliche Gebrechen wie wir, vor allem im Bereich der Herz-Kreislauf-Krankheiten. Außerdem ist die Größe ihrer Organe vergleichbar mit denen des Menschen. Das macht sie nicht nur zu einem interessanten Tiermodell, sondern auch zu einer potenziellen Quelle für Ersatzorgane. Nicht umsonst wurde Diabetikern früher Schweine-Insulin verabreicht. Ob so eine Entwicklung insegsamt ethisch vertretbar ist, und ob Schweine damit zum “menschlichen Ersatzteilllager” verkommen, lasse ich unkommentiert. Das darf jeder für sich selbst entscheiden. Ich möchte einfach nur auf diese innovative Entwicklung eingehen. Es stellt sich ja zurecht die Frage, warum nicht seit längerem über die Transplantation von Tiergewebe gesprochen wird, Spenderorgane sind schließlich knapp. Es würde sich in diesem Fall um eine Xenotransplantation handeln. Diese rufen Abwehrmechanismen im Empfänger hervor. Das passiert auch bei einer Allotransplantation (von Mensch auf Mensch), diese fällt aber deutlich geringer aus. Jede Zelle besitzt bestimmte Oberflächenmoleküle, genannt MHC-Moleküle, durch die das eigene Immunsystem körpereigene von körperfremden Zellen unterscheiden kann. Genau das funktioniert bei Autoimmunerkrankungen nicht mehr richtig und das Immunsystem beginnt eigene Zellen zu attackieren, mit teils dramatsichen Folgen. Typische Vertreter sind Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis oder Zöliakie, aber die Liste ist lang. Daher sucht man bei Spenderorganen immer nach möglichst ähnlichen MHC-Molekülen um diese Abwehrreaktionen so gering wie möglich zu halten. Zur Sicherheit muss der Empfänger dennoch immunsupprimiert bleiben, um eine überschießende Immunantwort zu vermeiden. Würde man ein Schweine-Organ transplantieren, fiele diese Reaktion sehr viel heftiger aus. Das liegt vor allem daran, dass sie deutlich schneller als körperfremd erkannt werden. Das liegt an der Anwesenheit von Zuckerketten auf der Oberfläche von Schweine-Zellen, die man auf Primatenzellen nicht findet. Durch natürliche Infektionen mit Bakterien mit ähnlichen Zuckerstrukturen, besitzen wir schon von vornherein Antikörper gegen diese und die Abstoßung des transplantierten Organs geschieht umso schneller. Auf dem Gebiet gab es immer wieder neue Modifikationen des Schweinegenoms umd diese Probleme zu umgehen, z.B. ein Knock-out Schwein ohne besagte Zuckermoleküle.

Ein zweiter wichtiger Grund gegen Xenotransplantationen ist die mögliche Übertragung von Tierpathogenen auf menschliche Zellen. Über den Lauf der Zeit haben sich sowohl in das menschliche, als auch in das schweinische Genom sogenannte retrovirale Sequenzen eingeschlichen. Retroviren übertragen ihre DNA in unsere eigene DNA und warten dann bis sie loslegen können. Meist kein Problem, da die entsprechenden Zellen beim Freisetzen sterben und im Idealfall der Virus ausgemerzt wird. Das sind exogene Retroviren (die von außen kommen). Über die Jahrtausende hinweg, haben es aber einige dieser Retroviren geschafft in die Keimbahn einzudringen, d.h. sie werden weiter vererbt. Das sind endogene Retroviren (die schon in uns sind). Zum Glück sind diese Sequenzen in der Regel inaktiv, weil sich Mutationen angehäuft haben, die sie unbrauchbar machen. Schweine haben diese Sequenzen auch, nur eben von Schweine-Viren. Diese Sequenzen werden PERVs genannt (porcine endogenous retrovirus). Anscheinend gab es Fälle, in denen diese Sequenzen auf menschliche Zellen übertragen worden sind. Und dann haben wir eine Chimäre – also ein Organismus mit lebenden Zellen von zwei verschiedenen Spezies. Und das ist vielleicht doch eher etwas für die griechische Mythologie.

Zurück zu der Forschergruppe. Die haben tatsächlich 62 dieser PERVs inaktiviert. Und in einem zweiten Experiment 20 Gene modifiziert, die zu Abstoßungsreaktionen führen könnten. Wenn man die verpaaren würde…

Lassen wir das. Mich interessiert in erster Linie, wie genau sie das angestellt haben. Bisher wurden die editierten Embryonen übrigens noch nicht in Muttertiere implantiert. Generell lässt die Mitteilung viele Fragen offen. Ich erwarte also mit Spannung die Publikation, vielleicht kann ich mir noch was abschauen und steige am Ende doch noch auf CRISPR/Cas9 um.

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

9 Kommentare

  1. Die Erwartungen an CRISPR/Cas9 sind hoch – nicht nur als Forschungsvehikel, sondern auch was die praktischen Anwendungen angeht. Die Lisze ist lang:
    – Xenotransplantation mit “humanisierten” Schweinen als Spender,
    – Auslöschung von Anopheles durch Einbringen eines Unfruchtbarkeits-Gens in männliche Exemplare und Amplifikation dieses Gens über Gene Drive.
    – simpler Knockout von Kulturpflanzengenen, die für die geringe Lagerfähigkeit verantwortlich sind oder Knockout von Pflanzengenen, die für die Entwicklung von toxischen Abbauprodukten verantwortlich sind (z.B Aceton+Blausäure durch Linamarase bei Maniok (Cassava))

    Ich kann mir sogar vorstellen, dass CRISPR/Cas9 irgendwann auch somatische Mutationen ermöglicht – also das Editieren von Genen bei Patienten. Beispielsweise mit der Absicht, Alterskrankheiten zu verhindern oder bestehende Erbkrankheiten zu beheben.

    Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Gene Editing zu Unfällen führt und sich beispielsweise per Gene Drive Gene verbreiten, die sich als gefährlich herausstellen Von daher wäre es für die Forscherinnen, die CRISPR/Cas9 für das Genome Editing entdeckt haben, besser, schon jetzt den Nobelpreis zu erhalten. Jetzt. noch bevor die halbe Menschheit durch einen Unfall beim Gene Editing, ausgelöscht wurde.

    • CRISPR/Cas9 soll 2017 beim Menschen eine vererbte Form von Blindheit heilen. Eine somatische Mutation also. Damit wird das Tor für genetische Verbesserungen beim Menschen weit aufgestossen. Irgendwann werden sich Menschen vielleicht für ein paar Verbesserungen ihrer Hardware frei entscheiden können. Der Mensch 2.0 praktisch in der Hand jedes Einzelnen.
      Im konkreten Fall der Leber congenital amaurosis, die die Firma Editas (ein verheissungsvoller Name), ist das Ziel das Auge, genauer die Retina. Nur dort müssen die Gene verändert werden.

      The treatment will involve injecting into the retina a soup of viruses loaded with the DNA instructions needed to manufacture the components of CRISPR, including a protein that can cut a gene at a precise location. Bosley said in order to treat LCA, the company intends to delete about 1,000 DNA letters from a gene called CEP290 in a patient’s photoreceptor cells.

      Schwieriger würde es sicherlich, wenn man Gene des Gehirns ändern will. Doch in den nächsten Jahrzehnten wird den Forschern sicherlich noch einiges einfallen, um unsere Hardware fast überall zu verändern, zu verbessern. Daran zweifle ich nicht.

    • Toll. Es erwartet uns tatsächlich eine Welt voller biologischer Wunder. Wenn die Menschen von Technologie sprechen meinen sie meist die Welt der Maschinen. Doch die grössten denkbaren Fortschritte sind im biologischen und medizinischen Bereich. Nur schon eine Erhöhung der gesunden Lebensspanne (Healthy Life Years) um 20 Jahre wäre ein riesiger Fortschritt. Davon würden die meisten Leute aber zuerst gar nicht viel merken. Sie würden das Länger- Gesund-Bleiben vielleicht als völlig Normal empfinden. So wie wir es heute als normal empfinden älter als 60 Jahre zu werden obwohl das vor 100 Jahren die Ausnahme war.

      Die Anti-Malaria-Anopheles Mücke kann ebenfalls zu einem Lebensretter werden, denn 600’00 Menschen sterben jedes Jahr daran und viele mehr erkranken und sind dadurch geschwächt. Auch HIV/Aids, Tuberkulose und einige andere Infektionskrankheiten könnten bald schon vom Genom Editing profitieren.

  2. Zumindest für den Laien sehr interessant: ‘endogene Retroviren’, ‘Chimären’ & natürlich: “Schweine sind uns Menschen ziemlich ähnlich.”

    MFG
    Dr. W (der allerdings bei Gen-Manipulationen zurückhaltend ist, denn die Gendatenhaltung kann per se nur näherungsweise, ausschnittsartig und an die Interessen der Forschenden gebunden verstanden werden)

  3. Jennifer Doudnas (Miterfinderin von CRISPR) TED-Talk: We can now edit our DNA. But let’s do it wisely vermittelt die CRISPR/Cas9-Technologie und den grossen Fortschritt, den sie für das Genom-Editing gebracht hat, sehr gut. CRISPR/Cas9 habe bildlich gesprochen den Editiervorgang für Gene von einem Neuverdrahten für jedes neue Projekt zum simplen Austausch von Software gebracht. Genmanipulationebn an Pflanzen geschähen mit CRISPR/Cas9 schon heute und Gentherapien beim Menschen sind in den nächsten 10 Jahren zu erwarten.

  4. Auch TALEN rettet Leben (nicht nur CRISPR/Cas9) Gene editing saves girl dying from leukaemia in world first lieset man in NewScientist.

    Gerettet wurde ein einjähriges Mädchen mit Akuter Lymphathischer Leukämie nach erfolgloser Chemotherapie und erflogloser Knochenmarktransplantation. Dieses Mädchen erhielt T-Zellen von einem Nicht-Verwandten, die durch Gen-Editing so modifziert wurden, dass sie die Körperzellen des Mädchens nicht mehr angreifen konnten. Es musste zudem ein weiteres Gen verändert werrden, um zu verhindern, dass die fremden T-Zellen von Anktikörpern im Mädchen angegriffen wurden. Es funktionierte und die fremden T-Zellen zerstörten die Krebszellen durch Angriff auf das Oberflächenprotein CD19. Später erhielt das Mädchen erfolgreich eine Knochentransplantation. Vor dieser Knochentransplantation wurden alle Lymphozyten, auch die gespendeten eliminiert. Das Mädchen hat nun also keine genmodifizierten T-Zellen mehr in seinem Körper. Einer von bis jetzt nur 2 Fällen bei denen genmodifizierte Zellen beim Menschen wirksam eingesetzt wurde.

    • Naja, vielleicht etwas übertrieben. Im Labormaßstab sicher richtig, es sind ja schon massenhaft Gene “zerstört” worden. Und die Wissenschaftler sind dann auch noch stolz darauf 😉

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