Mit Nicks gegen CAG-Tripletts

Man kann wohl sagen, dass CRISPR/Cas9 die Labore dieser Welt ziemlich aufgemischt hat. Von einer Revolution sprechen wir dann, wenn es eine langfristig erfolgreiche Therapie gibt. Die genaue Anwendung ist mir persönlich dabei erstmal egal. Das wird denjenigen, die an schwerwiegenden Erkrankungen mit eindeutiger genetischer Ursache leiden, allerdings sicher anders gehen. Für Betroffene und Behandelnde muss es sehr frustrierend sein, den Grund für eine Erkrankung zu kennen, aber nur die Symptome und nicht die eigentliche Ursache, also bspw. ein defektes Gen, behandeln zu können. Letze Woche wurde wieder eine neue mögliche Anwendung auf diesem Gebiet veröffentlicht, bei dem mal wieder eine Variante von CRISPR/Cas9 verwendet wurde. Dabei ging es um die mögliche Behandlung von CAG/CTG-Tripletts.

In einigen unheilbaren neurologischen/neuromuskulären Erkrankungen spielen eben diese Tripletts eine besondere Rolle. Hier tragen die dazugehörigen mutierten Gene eine große Abfolge der Tripletts (> 35 Tripletts), die dann in des Protein als Wiederholungen der Aminosäure Glutamin eingebaut werden. Wer Doktor House geschaut hat, wird sich vielleicht noch an die an Chorea Huntington erkrankte Ärztin erinnern. Das hinterhältige bei dieser Krnakheit ist, dass sie mit einer höheren Anzahl an Triplett-Wiederholungen immer früher und schwerer ausbricht, je mehr Tripletts vorhanden sind.  Je mehr Tripletts desto dynamischer werden diese, so dass es mit der Zeit immer mehr werden. Das liegt daran, dass es durch die hohe Zahl von Wiederholungen zu genetischen Instabilitäten kommt. Das ist nicht sofort einsichtig, deswegen folgt eine kurze Erklärung. Es gibt verschiedene Arten, wie die DNA  aufgewunden sein kann. Klar, die Darstellung einer Doppelhelix hat jeder schon mal gesehen. Diese Doppelhelix, kann allerdings auf verschiedene Arten aufgewunden werden. Man unterscheidet dabei prinzipiell drei verschiedene Strukturen, die als A-, B- und Z-DNA, bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich u.a. in der Drehrichtung, und dem Abstand und der Winkel der einzelnen Elemente, aus denen die DNA aufgebaut ist. Das manifestiert sich dann auch in einem anderen Aussehen, wie ihr unten sehen könnt. Normalerweise liegt unsere DNA in der B-Form vor.

Credit: Mauroesguerroto via commons.wikimedia.org, The structures of A-, B-, and Z-DNA.CC BY-SA 4.0 Verschiedene DNA Konformationen. Von links nach Rechts: A-, B-, Z-DNA Verschiedene DNA Konformationen. Von links nach Rechts: A-, B-, Z-DNA

Die DNA besteht ja aus zwei komplementären Einzelsträngen, die aneinander gebunden vorliegen, quasi wie ein Reißverschluss. Wenn die DNA bei der Zellteilung verdoppelt wird, liegen die beiden Stränge einzeln vor. Das ist der Zeitpunkt, wenn die Tripletts innerhalb des DNA-Einzelstrangs Strukturen ausbilden, die nicht mehr der B-Form der DNA entsprechen. Dadurch, dass immer wieder die gleichen drei Basen wiederholt vorliegen, können diese sogenannten Sekundärstrukturen ausbilden. Der Einzelstrang bindet dabei durch Faltungen mit sich selbst und bildet dabei kleine Ausstülpungen, die als Hairpins oder Loops bezeichnet werden. Diese Strukturen werden dann von der Zelle als beschädigte DNA interpretiert und die Zelle versucht diese Stelle zu reparieren. Es gibt dann verschiedene Modelle wie es zu einer Erweiterung der Tripletts kommt. Es werden z.B. verschiedene Mechanismen der DNA-Reparatur oder auch der Vermehrungsprozess der DNA selbst diskutiert. Eine wichtige Rolle scheinen jedenfalls die Loops zu spielen. Bisher gibt es keine mögliche Therapie für Triplett-Erkrankungen wie Chorea Huntington, was zum Teil daran liegt, dass der Mechanismus der Verfielfältigung der Tripletts noch nicht ausreichend gut verstanden wird. Die Wissenschaftler aus der vorliegenden Publikation haben ein Modell entwickelt mit dem sie die Entwicklung der Zahl von CAG-Tripletts sichtbar machen können.

Verschiedene DNA-Loops

Credit: Current Opinion in Genetics & Development: Lee and McMurray. 2014, DOI: 10.1016/j.gde.2014.07.003, CC BY-NC-SA

Zu diesem Zweck wird eine Modifikation des grün-fluoreszierenden GFP-Gens verwendet. Gene bestehen ja aus alternierenden Exons und Introns, wobei das zugehörige Protein aus den Exons gebildet wird und die dazwischen liegenden Introns vorher herausgeschnitten werden. Das wird Splicing genannt. In diese Introns wurden dann zusätzlich 101 CAG-Tripletts eingefügt. Mit zunehmder Zahl von Tripletts wird das korrekte Splicing ineffizienter und es wird weniger GFP gebildet, die Zellen leuchten also weniger stark. Dieses modifizierte Gen wurde dann in ganz normale humane Zellkulturen eingebracht, so dass es jeweils ein Mal im Genom der Zellen verankert ist. Da nicht nur Triplett Verlängerungen, sondern auch Verkürzungen untersucht werden sollten, musste zunächst gezeigt werden, dass dies mit dem Modell überhaupt möglich ist. Dazu wurden die ursprünglichen Zellen mit 101 CAG-Tripletts untersucht, in denen sich die Anzahl der Tripletts in der Zwischenzeit verändert haben müssten. Dazu wurden die 1% hellsten und 1% dunkelsten Zellen aus der großen Masse raussortiert und die Anzahl der CAG-Tripletts per Sequenzanalyse bestimmt. Und siehe da, die hellsten Zellen hatten mittlerweile bis zu 258 Tripletts und die dunkelsten Zellen nur noch bis zu 33 Tripletts. Das Modell funktioniert also wie gewünscht.

Nun sollte untersucht werden, wie sich verschiedene DNA-Reparaturmechanismen auf die Entwicklung der Tripletts auswirkt. Als erstes wurden die Auswirkungen von Doppelstrangbrüchen untersucht. Dazu wurden programmierbare Nukleasen verwendet, allerdings nicht CRISPR/Cas9 sondern ganz oldschoolig Zink-Finger-Nukleasen. Quasi das Nokia 3310 unter den Nukleasen. Geht wohl noch, hat aber weniger Funktionen und ist deutlich uncooler. Zunächst wurde einfach das Eingangsexperiment gemeinsam mit den Nukleasen wiederholt. Dabei konnten zunächst nur Triplettverlängerungen, aber keine -verkürzungen beobachtet werden. Verlängerte man allerdings die Dauer des Experiments, so wurde beobachtet, dass die durchschnittliche GFP-Intensität soweit erhöht wurde, dass dadurch eine zweite GFP-Population demaskiert wurde. Sehen kann man das in dem Bild unten. Wir sehen hier folgendes: gemessen wird die Intensität von GFP in ganz vielen Einzelzellen. Die Kontrollzellen, die nicht mit den Nukleasen behandelt wurden, tragen alle 101 CAG-Tripletts und leuchten deshalb einheitlich grün. Das GFP leuchtet hier mit der gleichen Intensität (auf der x-Achse). Da alle Events (also alle gemessenen Zellen) aufsummiert werden, bildet sich hier ein Peak (in schwarz) heraus, da alle Events an derselben Stelle gemessen werdem. Nach Behandlung mit den Nukleasen verändert sich die Anzahl der CAG-Tripletts und damit auch die Intensität des GFPs, dargestellt in rot. Dadurch bildet sich eine zweite Population mit höherer Intensität, deshalb weiter rechts auf der x-Achse heraus, aber in viel geringerer Anzahl und folglich viel kleinerem Ausschlag auf der y-Achse. Wenn man dort reinzoomt, sieht man aber, dass es im Vergleich zur Kontrolle dort durchaus weitere kleine Ausschläge gibt. Der Großteil der Zellen behält allerdings die durchschnittliche Triplett-Anzahl bei, weshalb der Hauptpeak auch immer noch sehr gut sichtbar bleibt. Wenn man das Experiment zeitlich ein bisschen verändert, sieht man dann auch tatsächlich eine zweite kleine Population linker Hand des Hauptpeaks, also Zellen mit verringerter GFP-Intensität und folglich weniger als 101 CAG-Tripletts. Siese Population sieht man vorher nicht, weil sie sich quasi unter dem Hauptpeak versteckt, da hier so viele Events ankommen und der Peak daher sehr breit wird. Die tatsächliche Entwicklung der Tripletts wurde dann auch noch im Anschluss bestätigt und außerdem auch noch mit CRISPR/Cas9 anstatt der Zinkfingernukleasen wiederholt. Als Ergebnis können wir festhalten, dass DNA-Doppelstrangbrüche ungefähr geich viele Triplett-Verlängerungen wie -verkürzungen hervorrufen.

GFP-Intensität mit und ohne Nukleasebehandlung
GFP-Intensität mit und ohne Nukleasebehandlung

Credit: Nature Communications: Cinesi 2016 et al., DOI: 10.1038/ncomms13272. CC BY 4.0

In einem zweiten Experiment wurden keine DNA-Doppelstrangbrüche, sondern DNA-Einzelstrangbrüche eingefügt, sogenannte Nicks. Und hier kommt wieder CRISPR/Cas9 ins Spiel, bzw. eine Variante davon, nämlich nicht die Nuklease, sondern die Nickase. Hier wurde beobachtet, dass nach dem Einbringen von DNA-Nicks zwar auch Triplett-Verlängerungen auftreten, aber in viel geringerer Anzahl als die Verkürzungen beobachtet wurden. Um diesen Effekt weiter zu untersuchen, wurden Zellen mit verschiedener einheitlicher Zahl an CAG-Tripletts verwendet, die vom “gesunden” Bereich (18 Tripletts) bis zum “krankhaften” Bereich (270 Tripletts) reichten. Dabei konnte gezeigt werden, dass die normalen Tripletts durch die Behandlung mit der Nickase unbeeinflusst blieben, dass bei zunehmender Anzahl der Tripletts die genetische Instabilität aber weiter zunahm. Einzel- und Doppelstrangbrüche haben also unterschiedlichen Einfluss auf die genetische Instabilität. Aber wie kommt es dazu? Die simpelste Erklärung wäre die, dass die DNA-Nicks selbst zur genetischen Instabilität beitragen.

Um es kurz zu machen, am Ende konnte ein involvierter DNA-Reparaturmechanismus bestimmt werden. Aber warum es diese Grenze von 35 CAG-Tripletts gibt, konnte auch nicht geklärt werden. Viel wichtiger ist allerdings die mögliche Bedeutung für die Klinik. Nukleasen sind schon seit einer Weile im Gespräch um CAG-Tripletts zu verkürzen und so eine mögliche Heilungschance, z.B. bei Chorea Huntington. zu bieten. Die Experimente hier zeigen allerdings, dass Nukleasen mit äußerster Vorsicht zu betrachten sind, da sie eben auch zur Verlängerung der Tripletts führen können. Die Nickasen andererseits verkürzen besonders lange Triplett-Wiederholungen und lassen die normalen Tripletts in Ruhe, was ja ziemlich genau das ist, was gewünscht wäre. Dazu muss man wissen, dass die Symptome von Chorea Huntington zumindest teilweise reversibel sind. Eine kleine Forschergruppe hält die Fahne der Hoffnung hoch, während hier alle im Missmut versinken. Manchmal hilft ein bisschen Optimismus, zumindest um den Tag schöner zu machen.

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

6 Kommentare

  1. Aus der obigen Beschreibung habe ich geschlossen, dass bei Chorea Huntington und anderen neurologischen Erkrankungen mit CAG/CTG Wiederholungen jeder Kranke Veränderungen an etwas anderen Stellen seiner DNA hat oder aber, dass die Veränderung zwar an einer spezifischen Stelle geschieht aber der Umfang der Veränderung (die Anzahl der Wiederholungen) von Fall zu Fall verschieden ist.
    Eine Therapie mit CRISPR/Cas9 wird dementsprechend die DNA von Patient zu Patient unterschiedlich verändern/therapieren. Gefühlsmässig verbinde ich das mit einem gewissen Risiko, dass die Therapie mit CRISPR/Cas9 auch DNA-Stellen verändert, die eigentlich nicht verändert werden sollten.
    Ich würde beim Menschen CRISPR/Cas9 zuerst bei Erbrankheiten einsetzen, wo der DNA-Defekt eindeutiger und klarer definiert ist. Es gibt übrigens bereits eine Reihe von Erbrankheiten, die nicht nur bei Labortieren, sondern beim Menschen mit CRISPR/Cas9 therapiert werden sollen. Und das im Jahr 2017. Dazu gehören die Leber Congenital Amaurosis oder die Beta-Thalassämie wie die Pipeline-Seite der Firma Editas aufzeigt.

    • Soweit ich weiß, sitzen die CAG-Tripletts am Ende der codierenden Sequenz des Proteins. Man würde dann also immer die vorangehende und die nachfolgende Sequenz kennen. Die ursprüngliche Idee war, dass man innerhalb der CAG-Wiederholungen schneidet und sich durch günstige homologe Rekombination dann die Tripletts selbst verkürzen. Eine andere Möglichkeit wäre es zwei verschiedene Nukleasen zu verwenden, die jeweils vor und hinter den CAG-Tripletts schneiden würden.

  2. Inhaltlich super verständlich geschrieben, danke dafür Etwas weniger Umgangssprache (das ständige “ja”, die “ihr”-Anrede usw.) und eine weitere Rechtsschreib- und Zeichensetzungskorrektur würden dem Artikel aber sehr gut tun. Alleine die häufigen Buchstabendreher (z.B mehrfach”r” an zweiter statt dritter Stelle des Wortes) und fehlenden Kommas stören den Lesefluss doch ziemlich.

  3. Die hier beschriebenen experimentellen Genmodifikationen wurden an Humanzellen durchgeführt. Kann man bei Erfolg die gleichen Genmodifikationen an Erkrkrankten durchführen? Ich tendiere zu Nein. Man müsste wohl zuerst schon ein Tiermodel einsetzen, denn nur so könnte man allfällige Nebenwirkungen einer solchen in vivo Gentherapei finden. Es scheint inzwischen Tiermodelle bei Maus und Schaf, ja sogar beim Rhesus-Affen zu geben.
    Wobei Mäuse natürlicherweise nicht an Chorea Huntington erkranken. Vielmehr wurden Chorea Huntington-Mäuse durch genetische Modifikation erzeugt (Zitat)

    ‘Animal models’ are what we call animals that have been genetically altered to include a mutant disease gene that produces human disease symptoms.

  4. Sich wiederholende CAG-Tripletts spielen in der Zellaggregation und der neuronalen Entwicklung eine wichtige Rolle. Menschen, die mehr CAG-Wiederholungen im Gen für das Protein Huntingtin haben, zeigen in Tests bessere Wahrnehmungsleistungen und bessere motorische Leistungen – ausser der Betroffene hat mehr als 36 CAG-Tripletts, denn dann entwickelt er irgendwann in seinem Leben die neurodegenerative Krankheit Chorea Huntington.
    Bei der Chorea Huntington handelt es sich also nicht um eine klassische Erbkrankheit, bei der ein Gen defekt ist, sondern um ein zuviel an Wiederholungen in einem für die embryonale und neuronale Entwicklung wichtigen Gen. Darüber wird auch in Die zwei Gesichter des Huntington-Gens im Spektrum der Wissenschaft vom Dezember 2016 berichtet.

    Der eben verlinkte Spektrum-Artikel bedeutet im Zusammenhang mit der hier besprochenen CRISPR/Cas9-Gentherapie von Chorea Huntington, dass eine optimale Behandlung die Anzahl der CAG-Tripletts im Gen, das für Huntingtin codiert, reduzieren würde, daber nicht stark reduzieren würde sondern nur so, dass weniger als 36 Tripletts übrigbleiben. Denn die Wiederholungen der CAG-Tripletts sind an und für sich eine gute Sache. Sie dürfen sich nur nicht mehr als 36 Mal wiederholen.

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