Angriff der Schreib-Roboter

BLOG: Von Menschen und Mäusen

Wissenschaft einfach erklärt
Von Menschen und Mäusen

Derzeit in aller Munde: die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung wird zu einem Massensterben an Jobs führen (bzw. tut das gerade). Ich hatte zu einem ähnlichen Thema – dem bedingungslosen Grundeinkommen, als quasi auch Automatisierung – mit dem Mann vor ein paar Tagen eine hitzige Diskussion. Argument: Durch das bedingungslose Grundeinkommen wird Bürokratie abgebaut, wodurch es zu fianziellen Einsparungen kommt. Gegenargument: Dadurch werden Arbeitsplätze von Arbeitnehmern in der Verwaltung abgebaut, die dann eventuell keinen anderen Job mehr bekommen. Na die bekommen doch dann das Grundeinkommen. Was sicherlich weniger ist und die sitzen den ganzen Tag zu Hause rum, sehr sozial. Du bist doof. Du auch. Naja, und so weiter eben. Ein sehr bewegendes Thema, aber ich bin ja Wissenschafterlin. Das ist doch viel zu komplex, was ich mache. Über sowas muss ich mir nun wirklich keine Gedanken machen.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen aus dem Roboter

Weit gefehlt. Eine US-amerikanische Firma verkündete gerade die Entwicklung eines Programms, das automatisiert wissenschaftliche Daten in Schriftform gießt. Mein erster Gedanke gilt natürlich SCIgen. Auch hiermit lassen sich automatisierte Paper schreiben – und das sogar ganz ohne Daten. Das Ganze ist natürlich Unsinn, liest sich aber ganz gut. Wenn man sich ein paar Paper-Phrasen aneigenen möchte, kann man sich das mal gönnen. Oder Mama stolz die neueste Publikation präsentieren, damit die sie dann an den Kühlschrank hängen kann. Mom is so poud!Der ManuscriptWriter von sciNotes ist anders. Eine künstliche Intelligenz sucht sich nicht nur die Methodik selbst zusammen, sondern sucht auch Zitate zusammen und organisiert auch die Ergebnisse. Was auch immer das sein soll. Als Ergebnis soll so die Rohfassung eines Manuskripts zur Einrreichung in einem wissenschaftlichen Journal geschaffen werden. Dabei gibt es an erster Stelle ein logistisches Problem, das ziemlich schwer wiegt. Wenn man seine Daten nicht schön ordentlich regelmäßig einem Laborinformationssystem anvertraut, sondern – total Oldschool – in ein Laborbuch schreibt, dann wird das nichts. Dieser Fehler lässt sich einfach umgehen. Der MansucriptWriter ist nämlich ein AddOn des bereits existierenden Electronic Lab Notebook, das ebenfalls von der Firma vertrieben wird. Habe ich natürlich nicht, ich kenne leider auch niemanden der sowas verwendet. Wahrscheinlich ist das in den USA (oder auch komemrzeillen Labors) anders, wo sich spezielle Lab Manangers um solche Dinge kümmern. Bevor ich das Gekritzel aus meinem Laborbuch von verwendeten Lotnummern, den Stand des Mondes (wir alle wissen: PCRs funktionieren nur an Tagen in denen der Mond in der Venus steht. Oder so.) und Volumina, eingesetzte Probenmengen etc. mühsam in ein Programm übertrage, schreibe ich das dann doch lieber selbst.Aber lästig ist es schon irgendwie. Ein Paper zu schreiben ist auch sehr technisch, warum also sollte ich mir das nicht abnehmen lassen? Theoretisch setzt sich zumindest der Ergebnisteil mehr oder weniger aus Satzbausteinen zusammen. Probe xy war im Vergleich zur Kontrolle (signifikant) erhöht, usw. Bei numerischen Werten mag das vielleicht noch gehen. So richtig kann ich mir das aber nicht vorstellen. Eine automatisierte Auswertung eines Blots oder Gelbilds? Ich weiß ja nicht. Aber was man in der Zeit alles machen könnte! Es gibt doch so viele Kooperationen zu pflegen, Webinare zu schauen und Paper zu lesen. Oder übernimmt das zukünftig auch ein Roboter für mich? Muss ich am Ende gar nichts mehr machen, sondern nur noch Laboranten und Studenten überwachen, äh betreuen? Werde ich am Ende doch überflüssig? Ziemlich existenzielle Bedrohungen. Ich gehe erstmal einen Kaffee trinken und mit meinen Kollegen die aktuellen Ergebnisse besprechen – das kann ein Roboter nämlich (noch) nicht.

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Claudia Davenport hat in Potsdam und Hannover Biochemie studiert und promoviert mittlerweile über Insulin-produziernende Surrogatzellen aus embryonalen Stammzellen zur Behandlung des Diabetes Typ 1. Wenn sie gerade mal nicht im Labor am Durchbruch arbeitet, der die Welt verändern wird, ist sie gerne im Grünen, radelt durch die Gegend oder geht Kaffee trinken.

14 Kommentare

  1. Wenn es schon Programme gibt, die Publikationen schreiben, möchte ich ENDLICH einen Roboter, der mir meine Hemden bügelt. Ich will die Wäsche zerknautscht und dreckig in einen Trichter werfen und in ein paar Stunden frische glatte Hemden und Hosen aus der Ablage nehmen können; natürlich bei richtiger Temperatur gewaschen und gebügelt, mit der korrekten Falzung und ohne Versengen von Kragenknöpfen.

    Als Gelegenheits-Programmierer habe ich mir einmal überlegt, wie denn ein selbständig waschendes und bügelndes System aussehen müsste. Resultat: Es wäre einem Menschen VERDAMMT ähnlich, und es steht zu befürchten, dass das, was bisher großspurig als “KI” bezeichnet wird und vor allem aus Sensoren und Mustererkennung, gekoppelt an ein Neuronales Netz mit einem Backpropagation-Lernalgorithmus besteht, selbst nach dem Verbrennen von Myriaden Perlmuttplastikimitatknöpfen und dem Bügeln fettglänzender Knitterfalten in Quantillionen von Seiden- und Leinenhemden keine anziehbare Wäsche liefern könnte – prinzipbedingt.

    Die taktile Komponente unseres Tuns ist sehr wahrscheinlich mit Leistungen unseres Gehirns verknüpft, die auf ein anderes physikalisches Prinzip Rückgriff nehmen als die Digitalrechnerei neuronaler Netze. Bis das bekannt ist, so meine Propgnose, wierd es auch keine Bügelmaschinen geben – und auch keine originellen automatischen Publikationen.

    • Nein, waschen und akkurat Bügeln unter Berücksichtung aller denkbaren Spezialfälle wäre heute softwaremässig (in einer Simulation) basierend auf neuronalen Netzen prinzipiell möglich, wenn die Software mit tausenden von Beispielen trainiert würde. Nicht bezahlbar aber wäre die Hardware mit all den nötigen Sensoren und ungemein präzisen Manipulatoren. Sogar gewöhnliche Industrieroboter mit ihren wenigen Sensoren und Motoren sind heute so teuer, dass sich das ein Privater nicht leisten kann – es sei denn er gehöre zu den oberen 10’000.
      Es ist also kein Zufall, dass heutige AI-Systeme vor allem Papier und Sätze ausspucken und in der Robotik noch kaum eingesetzt werden.

      • Ist das wirklich so? Ist bei Hausarbeiten so viel Akuratesse erforderlich? Okay, beim Bügeln ist das vielleicht noch der Fall. Aber was ist mit z.B. mit Kochen? Sachen Schnippeln in ein Gefäß überführen, umrühren… das sollte doch machbar sein. Vielleicht nicht vollautomatisch, aber einige Schritte können doch manuell ausgeführt werden. Das Ergebnis kann kaum schlechter sein, als das was hier in der Mensa serviert wird.

        • Doch, das ist so. Ohne Geschmackssensoren macht der Kochcomputer Mahlzeiten, die auf dem gleichen Niveau sind wie Mensafood. Eine gute Mahlzeit ist eben nicht einfach zusammengerührt, sondern abgeschmeckt.

  2. Bei manchen Kommentaren habe ich das Gefühl, das schon einmal gelesen zu haben ,mit kleinen Variationen. Vielleicht sind die Roboter schon unter uns.
    Als nächstes kommen dann die Leseroboter, die mehrer Abschnitte auf einen Satz reduzieren können. Das wird lustig.

  3. Ein bedingungsloses Grundeinkommen nähme auch den Druck von den Löhnen und würde damit zu einer Belebung der Binnennachfrage führen, was wiederum neue Jobs schaffen würde.

    • “Ein bedingungsloses Grundeinkommen nähme auch den Druck von den Löhnen und würde damit zu einer Belebung der Binnennachfrage führen, was wiederum neue Jobs schaffen würde.”

      Das ist eine sehr einseitige Betrachtungsweise. Das bedingungslose Grundeinkommen (nachfolgenden mit bG abgekürzt) muss erst einmal erwirtschaftet werden. Letztendlich von den Steuereinahmen des auszahlenden Staates.
      Die Grundfrage des bG lautet, wie sich Menschen, die dieses Einkommen beziehen verhalten werden.
      Es ist wahrscheinlich dass viele Menschen das bG dazu nutzen werden, produktiver zu werden. Etwa weil Sie sich trauen mit dem bG im Rücken mehr Risiken einzugehen, oder einen besseren Bildungsweg einzuschlagen. Viele Menschen studieren z.B. nicht, weil Sie Angst vor den finanziellen Belastungen und Risiken haben.
      Auf der anderen Seite könnte es aber auch viele Menschen geben, die sich entscheiden gar nichts mehr zu tun.
      Das größte Problem wäre wohl die Gruppe von Menschen, die sich entschließen “das für die Volkswirtschaft falsche” zu tun. Etwa durch Selbstverwirklichung. So könnten Sie dann von einem produktiven aber gelangweiltem Wirtschaftssubjekt, zu einem erfülltem, aber weniger Produktiven Mitglied der Gesellschaft werden. Vielleicht weil Sie eine eigene Praxis/Restaurant/Schreinerei usw. eröffnen wollen, sich diversen Künsten widmen möchten um z.B. Bilder zu malen, die kaum ein Mensch kauft.
      Vielleicht nutzen Sie auch das Geld um einfach einen Tag in der Woche weniger zu Arbeiten. Den Lohnverzicht gleicht man ja durch das bG aus.
      Vielleicht fangen auch viele Menschen an, ihr in Deutschland bezogenes bG verstärkt in anderen Ländern auszugeben, weil dort das Leben günstiger ist.

      Mit dem bG hebt man ein Stück weit das Prinzip von Angebot und Nachfrage auf, denn es schafft möglicherweise den falschen Anreiz etwas zu produzieren, zu Studieren oder einer Tätigkeit nachzugehen, für die kein entsprechender Markt existiert.
      Und es schafft einen Anreiz einer produktiven Tätigkeit nicht mehr, oder nur noch eingeschränkt nachzugehen.

      Wenn die Menschen unter dem Strich, durch das bG unproduktiver werden sollten, dann leiden darunter auch die Steuereinahmen des Staates, was wiederum einen Einfluss auf die langfristige Finanzierbarkeit des bG haben dürfte.

      MfG

      • @M.J.Groenewald

        Der Effekt der geringeren Tätigkeit wäre ausdrücklich erwünscht. Der bedingungslose, erzwungene Fleiß unserer Tage zerstört sowohl die menschlichen als auch die ökologischen Ressourcen.
        Die Frage, wie man dazu kommt, wieviel und welche Arbeit tatsächlich volkswirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvoll wäre, ist völlig ungelöst, der status quo kann diese überlebenswichtige Frage nicht lösen. Ein bG ist da nicht der einzig denkbare Weg, ob er der beste ist, ist eine spannende Frage.
        Arbeitszwang zerstört aber auf jeden Fall die Freiheit und damit auch die Volkswirtschaft, siehe auch die erste Hälfte des 20.Jhd.

        “Mit dem bG hebt man ein Stück weit das Prinzip von Angebot und Nachfrage auf,”
        Sehe ich nicht so, das Vorhandensein eines bG führt nicht zur besseren oder schlechteren Attraktivität eines Produkts oder einer Dienstleistung.

      • Wenn die Menschen unter dem Strich, durch das bG unproduktiver werden sollten, dann leiden darunter auch die Steuereinahmen des Staates, was wiederum einen Einfluss auf die langfristige Finanzierbarkeit des bG haben dürfte.

        Ein sogenanntes bedingungslosen Grundeinkommen ist idealer- bis notwendigerweise so angelegt, dass es Eigeninitiative, auch wirtschaftlich individuelles Handeln durch auf diesem Einkommen aufgesetzte niedrige Steuersätze, inklusive niedrige Abgaben, deutlich belohnt.

        Der Schreiber dieser Zeilen kennt die üblichen Gegenargumente gegen das „BDG“; Sie hätten recht, wenn Sie vermuten würden, dass es hier zu einer Falschanlage und zu evoziertem Missbrauch kommen könnte.
        Im schlimmsten Fall könnte so ein besonderes Proletariat geschaffen werden, was es tunlichst zu vermeiden gilt.


        An sich wäre es abär für derart sozial entwickelte Gesellschaften an der Zeit aufzuhören unzureichend die individuelle Bedürftigkeit zu prüfen – und, hey!, die Leutz in den aufklärerisch aufgestellten Gesellschaftssystemen wollen doch nicht privaten Wohltätigen das Feld überlassen, oder?
        Der dbzgl. Sozialprüfer darf weg.

        Vielen Dank für Ihre Argumente, Herr Groenewold,
        MFG
        Dr. Webbaer

  4. “wir alle wissen: PCRs funktionieren nur an Tagen in denen der Mond in der Venus steht. Oder so.”

    Endlich weiß ich warum meine PCR manchmal geklappt haben und meistens nicht (ganz). Danke für diese späte Erkenntnis 😉

  5. Sehr geehrte Frau Davenport,

    sehen Sie es einmal von der anderen Seite. Wenn viele Tätigkeiten überflüssig werden und entsprechend viele Menschen dadurch ihren Job verlieren, dann sinkt Volkswirtschaftlich betrachtet natürlich das zur Verfügung stehende Einkommen.

    Das dürfte dazu führen, dass die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen entsprechend sinkt. Wer weniger verdient, kann logischerweise weniger Ausgeben.

    Egal wie die Zukunft auch aussehen mag, irgendeine Lösung wird es geben. Für eine Gesellschaft die kein Geld für den Konsum ausgeben kann, macht eine Automatisierung und eine damit einhergehende Steigerung des Angebots von Waren und Dienstleistungen schlicht keinen Sinn.

    Die angebotsorientierte Sichtweise dominiert beim Thema Digitalisierung und technischem Fortschritt. Was leider nicht untypisch ist, bei vielen ökonomischen Fragen.
    Dabei wird gerne die nachfrageorientierte Sichtweise vergessen. Wir sollten entsprechend alle etwas selbstbewusster mit dem Thema umgehen.
    Fand Ihren Artikel auch deshalb entsprechend lesenswert.

    MfG

  6. Muss ich am Ende gar nichts mehr machen, sondern nur noch Laboranten und Studenten überwachen, äh betreuen? Werde ich am Ende doch überflüssig?

    Irgendwelche Daten und und Studien wird ein Algorithmus womöglich „zusammenpappen“ können, womöglich als Vorlage oder Template.
    Sie, werte Frau Davenport, werden allerdings weiterhin benötigt bleiben, gute Arbeit btw, vielen Dank!

    Zu dieser Sache mit dem bedingungslosen Grundeinkommen: Dieses ist aus liberaler Sicht deutlich wünschenswert. – Denn die individuelle Bedürftigkeit kann vom Sozialapparat kaum sinnhaft bearbeitet werden.
    Wenn insofern noch wenig produktive Kräfte im Sozialapparat sozusagen weggehauen werden können, um so besser.

    MFG + weiterhin viel Erfolg,
    Dr. Webbaer (der allerdings ordoliberal ist, soziale Marktwirtschaft und so, klassische Liberale sozusagen sehen diese Problematik anders)

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