Vom Tapir gebissen

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Es müsse darauf geachtet werden, dass immer genügend frisches sauberes Wasser vorhanden ist. Auch das Futter solle weder verschimmelt noch anderweitig verunreinigt sein. Ich glaub, es hakt! Wenn ich einen solchen Hinweis lese, bekomme ich einen Würge-Reflex, aber in beiden Händen. Noch schlimmer wird das Verlangen, wenn ich so was in Broschüren lese, die sich ausschließlich an Fachpublikum richten. (1)

Nicht nur in der Landwirtschaft gibt es Auflagen zur Haltung der dortigen Nutztiere. In Zoos ist das nicht anders. Zudem gibt es einen regelmäßigen Austausch von Erfahrungen, denn die Haltung von Wildtieren ist nochmal etwas anders als jene domestizierter Tiere. Wer also spontan nicht weiß, was ein Tapir alles benötigt, um gesund und zufrieden zu sein, sollte jetzt gut aufpassen.

Tapire sind ulkige Tiere. Mit dem kleinen Rüssel könnte man glauben, dass sie evolutionär auf dem Weg zum Elefanten irgendwo falsch abgebogen seien. Falsch! Tatsächlich sind sie taxonomisch eher mit den Nashörnern verwandt und gehören genau deshalb in dieses Blog. Ihr Lebensraum befindet sich in Südostasien und Mittel- bzw. Südamerika.

Ihre Haltung ist nicht allzu kompliziert. Temperaturen gegenüber sind sie nicht besonders anspruchsvoll, wobei sogar Temperaturen über 35 Grad kein Problem sind, solange diese nicht über längere Zeit andauern. Im Stall sind 18-29 Grad für die Tiere in Ordnung. Da Tapire in der Natur im Wald leben, sollten auch die künstlichen Lebensräume im Zoo über schattige Rückzugsorte verfügen.

Tiere wie Löwen oder Tiger sind gefährlich. Beim Anblick der großen muskulösen Tiere mit ihrem furcht-erregenden Gebiss ahnt man schon, dass eine spontane Schmuse-Aktion keine gute Idee wäre. Dass Tapire ebenfalls fies beißen können und schon den einen oder anderen Pfleger bzw. Tierarzt aufs Korn genommen haben, überraschte mich dann doch. Vom Tapir gebissen wäre ja auch mal ein derber Name für dieses Blog gewesen. Ob bei der Arbeit mit den Tieren nun Vorsicht geboten oder auch mal Streicheln angesagt ist, hängt dabei ganz von den Individuen selbst ab – ebenso die Größe der Gruppe. Manchmal gibt es schon bei zwei Tieren Probleme, anderswo leben dagegen 5 oder 10 Tiere friedlich zusammen. Vorraussetzung dafür sind aber auch Möglichkeiten für die Tiere, einmal ungestört von der Gruppe sein zu können – sei es zum Fressen oder im Falle einer Schwangerschaft. Den Pflegern wird hier dabei der “protected contact” empfohlen. Also Finger weg vom Tapir und es sollten auch immer zwei Pfleger da sein – einer arbeitet und einer passt auf. Nicht weniger überraschend als Tapire in Beiß- Laune war für mich der Hinweis, dass sie auch gern mal 1,20m hohe Mauern bezwingen oder Zäune verbiegen, wenn ihnen danach ist. Tapire außer Rand und Band sozusagen…

Ein Problem bei der Haltung von Tapiren im Zoo sind Darmvorfälle. Die genauen Gründe dafür sind noch unbekannt, allerdings glaubt man das Problem in Form des Futters eingekreist zu haben. Der Verdauungstrakt ähnelt am ehesten dem des Pferdes. Grundsätzlich gilt für die Fütterung:

Ein Futter aus handelsüblichen Pflanzenfresserpellets (15 % Rohprotein, 0.7 % Lysin, 21 % Rohfaser) und Luzerneheu (18 % Rohprotein, 30 % Rohfaser) ergänzt mit handelsüblichen Erzeugnissen und Grünfutter erscheint zur Haltung geeignet zu sein. Bananen und andere sehr wasserhaltige Früchte sind bevorzugte Futtermittel und können als positive Verstärkung fürs Handling (z.B. Kistengewöhnung, Medikamentengabe) verwendet werden.

Um schon erwähnte Darmvorfälle zu vermeiden, sollte auf größere Mengen Obst oder Fertigfutter aber verzichtet werden- zumindest grundsätzlich. Enrichment spielt auch bei Tapiren eine Rolle und schließlich kann Neugier nie schaden.

Den Tipp, den Tieren in wärmeren Regionen doch einen Pool zur Verfügung zu stellen, sehe ich eher kritisch. Tatsächlich erleichtern sich Tapire gerne mal darin. Um eine tägliche Reinigung kommt man da kaum herum. Sehr aufwändig.

Beim Stöbern in der Broschüre stieß ich dann noch auf folgendes Schmankerl:

Tapire haben allgemein betrachtet wenig Gesundheitsprobleme. Die häufigsten gesundheitlichen Beschwerden bei Tapiren in Zoos sind die Entwicklung von Geschwüren und Fußinfektionen, Erkrankungen der Atmungsorgane, Darmvorfälle, Augen- und Hautprobleme, Kieferschwellungen, Zahnleiden und Parasitenbefall. Tuberkulose ist bei vielen Tieren festgestellt worden.

Stilistisch sehr gut gemacht. Eigentlich alles super, aber…Tatsächlich ist das alles aber weit weniger dramatisch als es sich anhört, denn gerade das Wissen darüber ermöglicht es, diese Probleme effektiv zu vermeiden – durch Fütterung, gutes Stallklima und hygienische Bedingungen.

Ach, und dann wäre da noch was: nicht nur Tapir-Halter – also Zoos – müssen einiges beachten, auch Besucher. “Bitte Abstand halten. Tapir spritzt” Schilder dieser Art waren mir schon länger bekannt. Als ich dann das Internet zu erforschen begann, musste ich eines Abends plötzlich wieder an Tapire denken. Der Kontext der Situation hätte kaum unpassender sein können, trotzdem recherchierte ich nochmal etwas genauer. Seitdem weiß ich jetzt drei Dinge:

In der Haltungsempfehlung ist ein Mindestabstand zwischen Gehege und Zoo-Besucher von 90 cm angegeben. Tapire schaffen beim Spritzen aber locker drei Meter. Solltet Ihr also beim nächsten Zoo-Besuch bemerken, dass ein Tapir gefährlich nah an das Gitter kommt, geht besser auf Abstand. Es wird vermutet, dass Tapir-Männchen mit dieser Methode ihr Revier markieren – oder eben auch Besucher verjagen, weil sie diese als Eindringlinge ansehen.

Fazit: Tapire sind super. Denkt da bitte dran, wenn Ihr das nächste Mal im Zoo welche seht!

(1) Den kleinen Rant konnte ich mit nicht mehr verkneifen. Ich bin schon fast geneigt, mich mal etwas grundsätzlicher mit dem Thema seltsamer Hinweise aus der Tierhaltung zu beschäftigen…


Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

25 Kommentare

  1. Schön

    Ja .. sehr schön geschrieben. Doch plane ich nach wie vor nicht, mir einen Tapir zu halten.

    Die Viecher verdienen eine ästhetische Würdigung. Sie sind unter den Säugetieren (zumindest denen an Land) irgendwie: Bauhaus. Oder Art Deco. Straffe, klare Formen. Farblicher Minimimalismus (beim Schabrackentapir). Kein Schmuck, kein Gehörn, kein Zierrat, kein sehnig-nervöses Pferdewesen, kein faltiges Rhinozerosdasein. Form. Rund. Kraftvoll. Prall.

    Schweine mag ich auch.

  2. Smooth n clean

    Hallo Helmut,

    ich denke, das ist auch besser so. Wie ich der Haltungsempfehlung entnommen habe, ist das auch gar nicht so einfach. Tapire sind eben keine Tiere für den Vorgarten 😉

    Zu Deiner Beschreibung des Tapir-Körpers möchte ich noch etwas ergänzen: im US-Car-Bereich, dem ich mich persönlich zumindest in meinen Träumen sehr verbunden fühle, ist oft von cleanen Karosserien die Rede. Kein Schnick-Schnack, da zottelt kein Fell oder Unrat, Tapire sehen einfach mal richtig smooth aus, um den einen Anglizismus nicht ganz allein zu lassen 😉

    Ja, sie brauchen wirklich eine eigene Würdigung. (So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Danke für diese Perspektive)

  3. @ Sören

    Weit hergeholt –

    aber guck Dir mal Bilder von Tamara de Lempicka an: diese Geometrisierung bei gleichzeitiger Rundung der Form .. Picasso geht auch. Eine Würdigung des Tapirs im Sinne des Kubismus/Voluminismus?

    Genau – “Voluminismus” ist das Wort (neu erfunden): der Tapir als straffes Volumen.

    Gruss
    Helmut

  4. Tapire im Zoo

    Hallo Daniel,

    vielen Dank für den Link. Im Zoo Dortmund leben auch Tapire zusammen mit den Orang-Utans. Passt ganz gut, die Tapire unten, die Affen meist oben 😉

  5. Auch

    der Schreiber dieser Zeilen bekommt regelmäßig Appetit bei WebLog-Einträgen dieser Art. Der Tapir sieht nämlich nicht schlecht aus.

    Auch wenn man mal in die Wikipedia schaut: Es steht nie dabei wie das Tier schmeckt und Rezeptvorschläge gibt es auch nicht.

    MFG
    Dr. W

  6. Tapire sind nichts für Gourmets

    “Tapire werden in einigen Regionen wegen ihres Fleisches gejagt, das ähnlich wie Rindfleisch schmecken soll. Eine Delikatesse sind sie nicht gerade. Ihre Größe macht sie jedoch für die einheimische Bevölkerung zu einer lohnenden Beute: ein Tier kann eine ganze Familie … ernähren. Offiziell ist die Bejagung verboten.”
    Quelle: http://www.4tapirs.de/…e=index&catid=35.html

  7. Tapir-Schnitzel

    Hallo Mona,

    vielen Dank für den Link, hatte das mit den Rezepten bisher nur für einen Witz gehalten und falle gerade ein Stück weit vom Glauben ab…

  8. Ihr WebLog

    dreht sich eben oft um angemessene Tierhaltung vor dem Hintergrund möglichst ethisch angemessenen Verzehrs.

    Der Appetit fängt dann irgendwann an mitzulesen, haben Sie das nicht antizipiert?

    MFG
    Dr. W

  9. @Webbaer: Verzehr

    Das hast Du schon ganz richtig erkannt. Es dreht sich hier *oft* um angemessene Tierhaltung vor dem Hintergrund ethisch vertretbaren Verzehrs. Aber eben nicht *immer*

    Aber Du hast recht: eigentlich sollte ich mich dran gewöhnt haben, dass Menschen alles essen, was laufen, schwimmen oder fliegen kann…

  10. Der die

    besonders artgerecht scheinende Nutztierhaltung Bewerbende wird sicherlich

    Es dreht sich hier *oft* um angemessene Tierhaltung vor dem Hintergrund ethisch vertretbaren Verzehrs. Aber eben nicht *immer*

    …Nachsicht pflegen können mit denjenigen, die sich mal einen Spaß erlauben mit den Verzehrmöglichkeiten noch für die Küche weitgehend unerschlossener Tierkollegen.

    Schuld hat hier womöglich Herr Wicht mit seinem ersten zumindest interpretierbaren uneindeutigen Kommentar.

    MFG
    Dr. W

  11. @Webbaer: Spaß

    Spaß akzeptiert. Den Rest erlaube ich mir wiederum ein Stück gerade zu rücken.

    1) Ich bewerbe die Tierhaltung nicht, sondern sage, wenn sich etwas positives tut wie auch, wenn ich negative Entwicklungen früher oder heute beobachte.

    2) Tierhaltung ist nie art-, sondern höchstens tiergerecht.

    Das nur als Hinweis für weniger informierte Leser.

  12. Art- vs. tiergerecht /@Sören Schewe

    »2) Tierhaltung ist nie art-, sondern höchstens tiergerecht.

    Das nur als Hinweis für weniger informierte Leser. «

    Da fühle ich mich doch glatt angesprochen. Ich bin nämlich der Meinung, dass jedes Tier mindestens einer Art (Biospezies) angehört und dass darum eine tiergerechte Haltung zugleich eine artgerechte Haltung ist.

    Mehr ist ja gar nicht gefordert. „Artgerechte Haltung“ kann nicht „Leben wie in freier Natur“ bedeuten, dann wär’s ja keine Haltung.

    »Tapire sind ulkige Tiere.«

    Balanidae auch… 😉

  13. Herr Schewe

    1) Ich bewerbe die Tierhaltung nicht, sondern sage, wenn sich etwas positives tut wie auch, wenn ich negative Entwicklungen früher oder heute beobachte.

    Da stand, dass jemand für die ‘besonders artgerecht scheinende Nutztierhaltung’ wirbt. Der Schreiber dieser Zeilen sieht im Moment nicht, dass das hier derart geleistet wird.

    2) Tierhaltung ist nie art-, sondern höchstens tiergerecht.

    -> http://www.duden.de/rechtschreibung/artgerecht

    MFG
    Dr. W (der’s nicht vertiefen muss, noch ein schönes Rest-WE wünschend)

  14. @Balanus: Tiergerecht

    Dass “artgerechte Haltunng” nicht draußen oder in freier Natur bedeutet, kann man so oder so sehen. Zumindest ist das Leben der Tiere in freier Natur ein deutlich anderes als in menschlicher Obhut – und auch die Anforderungen sind andere. Und genau darum geht es. Wie lassen sich die seitens der Menschen an die Tiere gestellten Anforderungen so mit den Tieren vereinbaren, dass es diesen trotzdem noch gut geht. Dabei hat sich dann eben der Begriff tiergerecht etabliert. Btw: bei Zootieren wäre ich mit Dir sofort einverstanden 😉

  15. Wobei

    die artgerechte Nutztierhaltung oder Tierhaltung allgemein, auch für zoologische Gärten betreffend, sehr nachvollziehbar ist. Nicht aber die ‘tiergerechte’ Haltung, die auf das Herunterbrechen auf das Wohlbefinden des einzelnen Tiers herunterzubrechen und dementsprechend zu ideologisieren scheint.

    MFG
    Dr. W

  16. Wobei

    die artgerechte Nutztierhaltung oder Tierhaltung allgemein, auch zoologische Gärten betreffend, sehr nachvollziehbar ist. Nicht aber die ‘tiergerechte’ Haltung, die das Herunterbrechen auf das Wohlbefinden des einzelnen Tiers zu meinen und dementsprechend zu ideologisieren scheint.

    MFG
    Dr. W (dem diese Version lieber ist, der nichts gegen die Löschung der letzten sprachlich verkorksten Nachricht hätte)

  17. Herr Schewe

    Wenn das die Essenz aus meinen Artikeln ist, hat du nicht viel verstanden.

    Es lag eine kleine kommentarische Reflektion zu den Begriffen ‘artgerecht’ und ‘tiergerecht’ vor.

    Der Schreiber dieser Zeilen würde sich hüten Ihre Artikel zusammenzufassen, jedenfalls ganz sicher nicht so wie projiziert.

    MFG
    Dr. W

  18. @Webbaer: Verzehr

    Ok, ein Versuch noch: tiergerecht ist die Haltung dann, wenn sie die Ansprüche des Tieres (auch oder gerade hinsichtlich Tierwohl) und gesetzliche Auflagen (Lebensmittelrecht, Umweltauflagen) vereinen kann.
    Das ist der Unterschied zwischen Zoo- und Nutztieren. Zootiere werden – zumindest hier – nicht gegessen und benötigen für die Haltung weniger Auflagen als Nutztiere.

  19. Herr Schewe

    ‘Tierhaltung ist nie art-, sondern höchstens tiergerecht.’ war Ihr Hinweis weiter oben für ‘weniger informierte Leser’.

    Dieser womöglich wenig informierte Leser möchte nun gerne von Ihnen wissen, warum die Tierhaltung I.E. grundsätzlich nicht artgerecht sein kann.

    MFG
    Dr. W

  20. @Webbaer

    Tut mir leid, da hatte ich den Faden verloren.
    Tiere machen in freier Natur gar nicht so viel anderes als Menschen. Sie suchen Nahrung und sie pflanzen sich fort (suchen Partner, ziehen Kinder groß). Dazwischen sind sie mit “leben” beschäftigt, entweder allein oder in Gruppen.
    Im Zoo oder auch in der Landwirtschaft fallen so essentielle Bestandteile weg. Futter kommt frei Haus, Partner ebenfalls und Fressfeine gibt es auch nicht. Die Unterschiede zu draußen sind also enorm.

    Trotzdem kann man schauen, dass es den Tieren trotz gesetzlicher Zwänge und Limitierungen gut geht, wobei Zootiere davon bei weitem nicht so sehr betroffen sind wie Nutztiere, wir hier also mehr Luft in Richtung einer artgerechten Haltung haben (die trotzdem in Grenzen und mit zivilisatorischen Errungenschaften wie Tiermedizin stattfindet).

  21. Ja, gut,

    somit gilt die artgerechte Haltung hiermit wohl als rehabilitiert.

    Die artgerechte Haltung meint rein semantisch die Richtigkeit, die ethische Richtigkeit die Haltung betreffend, sie bricht nicht auf den Einzelfall herunter.

    MFG
    Dr. W (der mit der individuellen Tiergerechtigkeit, mit der Einzelschweingerechtigkeit sozusagen, seine Probleme trägt, auch vom guten Tier sozusagen Anpassung verlangt)

Schreibe einen Kommentar