Tierhalter – die unterschätzte Rolle
BLOG: Vom Hai gebissen

Reden wir über Landwirtschaft, sind diese Debatten oft sehr technisch dominiert. Es geht um moderne Landwirtschaft, um computergesteuerte Anlagen, um Melk-Roboter. Gleichzeitig ist die Entfernung des Menschen von der Landwirtschaft – auch innerhalb dieser – eine zentrale Sorge, schon seit die ersten Melk-Anlagen auftauchten. Allerdings ist das Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier nicht per se gut. Damit es das wird und bleibt, braucht es Eigenschaften des Tierhalters wie auch Kenntnisse. Tatsächlich wurde auch schon versucht herauszufinden wie der ideale “Cowman” zu sein hat.
Stockmanship – also die Kenntnis über Fluchtzonen, Blickwinkel und Wissen über das Verhalten der Tiere – ist mittlerweile auch hier im Blog bekannt. Das funktioniert nicht nur draußen auf der Weide, sondern selbstverständlich auch in einem Stall mit Milchkühen. J. L. Albright hatte vor einigen Jahren ein Review mit unserem Wissen über eine bestmögliche Milchvieh-Haltung zusammengestellt. Dort erwähnt sie zum Thema Mensch-Kuh-Beziehungen zum Beispiel Seabrook:
The highest-performance cowmen, in terms of milk yield for a given level of input, have the following traits: self-reliant; considerate; patient; independent; persevering; difficult to get on with; forceful; confident; suspicious of change; not easygoing; unadaptable; not neat; not modest; not a worrier; not talkative (quiet); uncooperative; and non-sociable (‘grumpy’)
Schriebe man das über sich in eine Bewerbung, hätte man wohl absehbar in fast allen Bereichen der Berufswelt sehr viel Freizeit. Ganz anders bei Kühen, die stehen drauf, wenn Du keine Oper quatscht und Dich auch sonst eher bedeckt hälst, sie dafür aber gut verstehst und mit ihnen umzugehen weißt – auch dann, wenn die Tiere vielleicht mal einen schlechten Tag haben.
Menschen, deren Charakter diesem Idealbild entspricht, erreichen dann auch die höchsten Erträge bei der Milchleistung, weil die Tiere weniger gestresst sind, was den Milchfluss hemmt. Einer der ersten, der auf einen Zusammenhang zwischen Stress/Handling und Milchleistung verwiesen hat, war vermutlich William Dempster Hoard.
Dass es in der Tierhaltung für gesunde Tiere und gute Leistungen also um weit mehr geht als nur um den obligatorischen Zugang zu Wasser und Futter, ist kein neuer Gedanke. Stellt sich jetzt die Frage, warum die Rolle der Tierhalter immer etwas hinten ansteht. Genauer gesagt fragt sich das Paul Hemsworth.
Kleiner Exkurs nach Deutschland: wer hier Tiere halten darf, ist laut Tierschutzgesetz, Paragraf 2, so geregelt:
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Trocken, klar, kann man auch nach richten – allerdings praktisch auch unglaublich viel. Hinzu kommt noch die Tierschutznutztierhaltungs-VO, in der die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere noch viel präziser geregelt ist. Womit wir jetzt endlich zu Hemsworth kommen. Der hat diesem Thema, also dem Zusammenspiel von Mensch und Tier mit Fokus auf den Menschen in der Landwirtschaft nämlich mittlerweile schon ein zweites Buch gewidmet, schließlich lastet hier eine große Verantwortung auf den Schultern der Tierhalter, Landwirte und auch den Mitarbeitern in den Betrieben. Schon zu Beginn verdeutlicht Hemsworth, was mit dem simplen Absatz im Tierschutz-Gesetz praktisch gemeint ist.
Kenntnisse über den Umgang mit Tieren sind das eine, allerdings “funktionieren” Tiere nicht wie Autos. Fluchtzonen können variieren. Zudem obliegt es dem Tierhalter Krankheiten rechtzeitig zu erkennen, um dann den Tierarzt einzuschalten. Bei Kühen gilt es Geburten zu erkenenn, sprich. geht alles glatt, braucht die Kuh Hilfe oder gar einen Tierarzt? Falsche Entscheidungen können da leicht schwere Folgen haben.
Die Herausforderung ist also nicht die Ausnahme, sondern der Alltag – und die Rolle der Menschen in landwirtschaftlichen Betrieben sehr wichtig. Temple Grandin formulierte es in einem ihrer zahlreichen Vorträge sehr schön: in jungen Jahren glaubte sie alles durch neue und bessere Technologien lösen zu können, mittlerweile weiß sie, dass es eher ein 50/50-Verhältnis ist, also 50% Technologie und 50% Management. Bingo!
Ich werde mir also mal ansehen, was die Wissenschaft zur anderen Seite der Tierhaltung zu sagen hat und demnächst drüber berichten.
Human-Livestock Interactions
Paul Hemsworth
Interessant finde ich, dass es gleichzeitig verdeutlicht, dass eine Vermenschlichung von Tieren fehl am Platz ist, sondern Tierwohl bedeutet, von den wirklichen Bedürfnissen der Tiere aus zu gehen.
Sie schreiben ja auch immer, dass eine stressfreie Umgebung auch (oder gerade) in ökonomischer Hinsicht wichtig sei, also Ökonomie und Tierwohl sich eher ergänzen als sich entgegen stehen müssen.
Hallo Kathrin,
das stimmt. Eine Vermenschlichung ist nie gut. Trotzdem haben Tiere durchaus ihre eigenen Prsönlichkeiten, die die Tierhalter und Mitarbeiter erkennen und sich darauf einstellen müssen. was dann letztlich bedeutet, dass sie auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen.
Es stimmt auch, dass sich Tierwohl und Ökonomie nicht ausschließen müssen. Trotzdem kommt es da immer wieder gewissermaßen zu Engpässen bzgl. Tierwohl in einzelnen Systemen. Das liegt natürlich daran, dass am Ende die gesamte Ökonomie entscheidet, wenn Produkte mit mehr Tierwohl auch mehr kosten.
Das Umweltbundesamt bezieht in einer Broschüre vom März 2015 Stellung für den Ökolandbau und gegen die intensive Landwirtschaft (Zitat): “Die intensive Landwirtschaft verursacht eine Reihe an Umweltproblemen. “
Hier möchte ich ein paar Abschnitte aus der Broschüre zitieren, die sich mit der Tierzucht beschäftigen um eine Diskussion anzustossen und um die Berechtigung für die Empfehlung des Bundesamtes bis zu 20% aller landwirtschaftlichen Flächen auf Ökolandbau umzustellen, zu hinterfragen.
Ein wichtiges Argument des BMU für den Ökolandbau ist die behauptete grössere Biodiversität im Ökolandbau. Etwas, was mich etwas ratlos macht, denn dort wo der Mensch Landwirtschaft betreibt wächst normalerweise nur was angebaut wird – alles andere ist Unkraut. Doch das BMU sieht es anders:
Interessanterweise ist die Beurteilung der Umweltbilanz des Ökolandbaus in der Wikipedia weit weniger positiv als in der Broschüre des Umweltministeriums. In der Wikipedia liest man