Sperma, Blut und Tränen – Nashorngeschichten im Context

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Ich muss mich korrigieren, habe ich doch in meinem ersten Nashorn-Artikel überhaupt in diesem Blog über das Sabah-Nashorn den Eindruck erweckt, dass diese Nashorn-Art die erste ist, bei der Zuchtmethoden aus dem Nutztier-Bereich zum Einsatz kommen. Damit gemeint ist eine künstliche Sperma-Gewinnung, gefolgt von einer ebensolchen Besamung. Mag sein, dass das niemand anderem außer mir aufgefallen ist, aber mittlerweile habe ich ja schon einen recht geschulten Blick auf diesem Gebiet…Lange Einleitung, kurzer Sinn: ich muss das noch mal etwas besser einordnen. Außerdem komme ich nochmal auf Nikki zu sprechen, das schwangere Panzernashorn, welches schon mal in diesem Blog aufgetaucht ist. Da gab es tatsächlich einige Premieren. Leider ist ihre Geschichte nicht so verlaufen, wie ich mir das gewünscht hätte…

Es war eine Geschichte, die wohl alle im Cincinnato Zoo und darüber hinaus gefesselt hat. Zugegeben, ich gehörte dazu. Nikki war das erste künstlich besamte Panzernashorn, womit wir die erste Premiere hätten. Aber Vorsicht: Panzernashorn. Warum das wichtig ist, lest Ihr gleich…Die zweite Premiere war, dass Nikki mit gefrorenem Sperma eines Bullen befruchtet wurde, der sich vermutlich schon nicht mehr daran erinnern kann, liegt die Entsamung doch schon 5 Jahre zurück. Und die dritte Premiere war eine Meldung, die ich im Laufe des 26. Oktobers über Facebook entdeckte und sehr begeistert war. Nikki hatte morgens das weltweit erste durch eine künstliche Besamung gezeugte lebendige Baby zur Welt gebracht. Es freute mich natürlich sehr, dass jetzt ein weiteres Nashorn diesen Planeten bereicherte. Viel spannender fand ich aber die Möglichkeit, das Leben des kleinen Nashorns und seiner Mutter über den vorbildlich geführten Blog des Zoos zu verfolgen. Doch die Freude hielt nicht lange an. Schon in der ersten Nachricht war zu lesen, dass das Kleine sehr schwach war. Aber immerhin lebte es. Aufgrund der Zeitverschiebung gab es das nächste Update für mich dann erst am nächsten Morgen und verdarb mir erstmal ziemlich den Tag. Das Baby war noch am Abend seines Geburtstages verstorben. Was ich zudem Zeitpunkt noch nicht wusste und erst aus der Meldung auf der Homepage entnehmen konnte, war die Tatsache, dass Nikki tatsächlich das erste künstlich befruchtete Nashorn war. Dies war allerdings schon der zweite Versuch. Bereits vor drei Jahren wurde Nikki künstlich befruchtet mithilfe gefrorenen Spermas, erlitt dann aber nach einer vollständigen Schwangerschaft eine Totgeburt.

Insgesamt also keine besonders erfreulichen Nachrichten. Besonders bitter liest sich der letzte Teil der Meldung, schwingt dort doch noch die Begeisterung mit gefolgt von Spekulationen, was diese erfolgreiche Geburt für den Erhalt der verbliebenen Panzernashörner bedeutet. Momentan leben 60 dieser Tiere in Nord-Amerika, zwei davon sind die Weibchen Nikki und Manjula im Cicinnati Zoo. Insgesamt wird die Population auf 2.500 Tiere in der Wildnis geschätzt.

Wer hat´s erfunden? Die Ungarn!

Das erste Nashorn überhaupt, das durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurde und lebendig zur Welt kam, heißt Layla, heute drei Jahre alt und ist ein südliches Breitmaulnashorn, das im Budapester Zoo lebt. Dort habe ich sie vor ein paar Wochen besucht und konnte mich somit überzeugen, dass es zumindest diesem Nashorn blendend geht. Natürlich auch ihrer Mutter Lulu, die während meines Besuches einen der beiden Zoo-Tierärzte am Ohr hatte, dessen Aufgabe darin bestand, Lulu eine Blutprobe aus der Ohr-Vene zu entnehmen, während ein Tierpfleger einen stattlichen Eimer Obst oral in das Nashorn stopfte. Und dann war da noch Easyboy, ein stattlicher Nashorn-Bulle, der sich so schnell nichts sagen lässt – zumindest nicht von penetranten Straußen-Vögeln. So erzählte mir der Tierarzt, dass sich eben diese nicht ganz so cleveren Exemplare mal das Gehege mit den Nashörnern teilten und es wohl für eine tolle Gaudi hielten den Bullen zu ärgern. Dieser sah das allerdings etwas anders und hat das Problem kurzerhand behoben. Seitdem gibt es keine Strauße mehr…Aber kommen wir noch mal kurz auf Layla zurück. In meinem Artikel über das Sabah-Nashorn erwähnte ich auch das IZW, das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtier-Forschung, das für den medizinischen Teil der Rettung verantwortlich ist. Aber auch Layla ist dank ihres Engagements so "entstanden". Wissenschaftler des IZW waren es auch, die ein bestimmtes Instrument für die künstliche Befruchtung entwickelt haben, speziell angepasst an die weibliche Nashorn-Anatomie. Leider konnte ich Layla während meines Besuches nicht bildlich oder filmisch festhalten, weil alles etwas stressig war, aber das werde ich sicher noch nachholen. Es gibt allerdings ein Video über sie, "ihren" Tierarzt, der mir auch alles erklärt hat und natürlich die Pfleger:

 

Zu den nördlichen Breitmaulnashörnern könnte ich jetzt auch noch etwas schreiben, aber da wird noch eine Art Gesamtwerk kommen…

Spannende neue Entwicklungen in Sabah

Nach diesem kleinen Überblick wird vielleicht deutlich, was ich oben mit einer besseren Einordnung meinte. Das Sabah-Nashorn ist also keineswegs das erste Wildtier, dass Wissenschaftler durch Methoden aus dem Nutztier-Bereich zu erhalten versuchen. Ob das dann aber auch funktioniert, hängt letztlich auch noch von anderen Faktoren ab. Denn was bringt die gesündeste Population, wenn der angestammte Lebensraum verschwunden ist? Aber auch hier besteht seit Anfang November Hoffnung für das kleinste Nashorn der Welt. Zwischen dem Sabah Forestry Department und der deutschen NGO Rhino and Forest Fund wurde ein Langzeit-Projekt zur Wiederaufforstung Sabahs verabschiedet, um so die durch Brandrodungen für Palmölplantagen entstandenen Flächen zu verkleinern. Eben jene Plantagen sind dafür das verantwortlich, dass die Nashörner den Kontakt zu Artgenossen verloren haben und sich so nicht mehr fortpflanzen konnten. Starten soll das Projekt bereits im Januar 2011. 

 


Mein erster Nashorn-Artikel über das Sabah-Nashorn, gute Neunigkeiten für seinen Lebensraum, mein Artikel über Nikki

Außerdem an dieser Stelle mal ein großes Dankeschön an Viktor Molnar und Petra Kretzschmar, die mir immer alle Fragen beantworten, derer ich zuletzt so einige hatte!

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Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

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