Schnitzel – mit Gruß aus der Apotheke

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Die Tierhaltung bringt uns alle um. Eine Aussage, die ich so öfter lese. Meist geht es um die Verwendung von Antibiotika und daraus resultierende Resistenzen (wobei ich mich immer wundere, warum die Humanmedizin dabei so gut weg kommt, ist aber ein anderes Thema). Dabei soll es in diesem Artikel nicht um die deutsche oder europäische Tierhaltung gehen, sondern zur Abwechslung mal um die chinesische. 

ARGs – antibiotic resistance genes – heißen die drei Zauber-Wörter, die uns noch einigen Ärger einbringen werden, sofern das nicht schon längst geschehen ist. Dabei geht es nicht nur um Bakterien, die sich im Kontakt mit Antibiotika als resistent herausstellen, die kleinen miesen Dinger treffen auch gern mal Gleichgesinnte zum gemeinsamen Austausch. Fachlich wird das als horizontaler Gentransfer bezeichnet.

Wenn wir uns hier über die Notwendigkeit antibiotischer Anwendungen bei Schweinen unterhalten, gibt es zwei größere Knackpunkte: die Lüftung im Stall (Zugluft, schlechte Abluft, starke Temperaturschwankungen) und Magengeschwüre (Stress, zu homogenes und unstrukturiertes Futter). Auf das Verbot antibiotischer Leistungsfôrderer weise ich nur nochmal zur Sicherheit hin. In China dagegen sieht das noch ein wenig anders aus:

China is the largest antibiotics producer and consumer in the world. In a 2007 survey, the estimated annual antibiotics pro- duction in China was 210 million kg, and 46.1% were used in livestock industries (13), at least four times the amount used in the US livestock industry in 1999 (14). In China, the use of antibiotics both for animal disease treatment and growth pro- motion is unmonitored, which often leads to high use, reected by the high concentrations of antibiotic residues (hundreds of milligrams of tetracycline per kilogram) that are commonly detected in animal manures (15, 16).

Uff. Da brennt der Baum. Halten wir fest: Antibiotika werden sowohl zur Behandlung von Krankheiten wie auch zur Leistungsförderung verwendet. Wobei mir der Zusammenhang von fehlendem Monitoring und daraus resultierendem hohen AB-Verbrauch nicht ganz einleuchten will. Niemand sollte so wahnsinnig sein und seinen Tieren “nur so” AB zu verabreichen, weil es keiner merkt, kostet ja auch. Vermute eher, dass da Management-Fehler wie Hygienemängel kompensiert werden – oder eben oben genannte Probleme zutreffen.

Antibiotika werden in Tieren nicht sonderlich gut verstoffwechselt und gelangen in großen Mengen in die Umwelt – durch Dünger, denn Scheiße eignet sich ganz hervorragend als Nährstoff-Lieferant für Pflanzen auf Feldern. Und von da aus geht es für die AB dann munter weiter in Flüsse bspw. Die Problematik ist also nicht zu unterschätzen. Es gab dazu auch mal eine Simulations-Studie über AB in Getreide. Dort waren die verabreichten Mengen AB allerdings völlig jenseits von gut und böse und keineswegs realistisch. Es ging dabei nur um den Weg, den AB nehmen, nachdem sie die Tiere verlassen haben (nur falls Ihr dieser Studie begegnen solltet).

Zurück zur Studie: We detected 149 unique ARGs among all of the samples, which is three times more types of ARGs than were found in the control samples.

Drei mal so viele ARGs wie in der Kontroll-Probe. Ächz. Nicht gut. Gar nicht gut. Mit den Samples sind übrigens Kot-Proben gemeint, also Proben, dessen, was letztlich auf dem Feld landet. Und weiter:

Although only three farms are included in this study, regardless of their location (a separation of over 2,000 km), composting technique, or antibiotic dosage, the ARGs’ resistance proles are similar, indicating that similar reservoirs of ARGs are likely common across China and in other countries where management practices are similar.

Au weia. Da muss dringend was passieren – so das wenig überraschende Fazit der Wissenschaftler. Antibiotika-Monitoring? Um Schwachstellen in der Tierhaltung auszumachen, braucht es das aber nicht. Langfristig aber vielleicht keine schlechte Idee.Und was hat das mit uns zu tun? Sicher, jetzt könnten wir uns hier zurücklehnen und konstatieren, dass China weit weg sei und es hier ja zum Glück anders liefe. Dazu gibt es leider keinen Grund. 

1) Wie in der Studie zu lesen ist, haben wir es hier keineswegs mit einem lokalen Phänomen zu tun, nicht mal mit einem chinesischen, das ist global.

2) Die nahezu ständige Verfügbarkeit aller erdenklichen Lebensmittel zu jeder Zeit hat dazu geführt, dass diese Güter quer über den gesamten Globus geschossen werden – was zur Folge hat, dass China plötzlich nicht mehr weit weg, sondern verdammt nah dran ist.

An dieser Stelle möchte ich dann auch gleich nochmal eine Aussage aus meinem letzten Artikel zitieren: Den Preiskampf nach unten werden wir global verlieren. Das können andere Länder “besser”, die vor 10 Jahren noch niemand auf dem Schirm hatte. In Osteuropa tut sich einiges, aber auch Indien, das Land der heiligen Kühe, ist mittlerweile an sechster Stelle weltweit beim (Rind)Fleischexport. 

Und China mischt eben auch mit. Damit erscheinen die Bemühungen zur AB-Reduktion in unserem Umfeld gleich viel weniger bedeutend, wenn resistente Keime nicht oder nur selten aus dem heimischen Stall kommen und stattdessen eben vom nächsten Flug- oder Schiffshafen über uns herfallen – womit die Eingangsthese gar nicht mehr so utopisch wirkt. 

This article contains supporting information online at www.pnas.org/lookup/suppl/doi:10. 1073/pnas.1222743110/-/DCSupplemental.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

14 Kommentare

  1. Hallo Sören,

    die Hauptursache des übermäßigen Einsatzes von AB sehe ich in dem raschen Anstieg der Nutztierbestände der letzten zwei Dekaden in China und den nicht im gleichen Maße fortschreitenden Hygienestandards. So ähnlich hast du das auch schon angesprochen.

    Siehe Link, China erzeugte 2007 über 50% des Gesamtvolumens an Schweinefleisch weltweit: https://twitter.com/FortBeaverCreek/status/308540059727060994/photo/1

    Interessant ist, dass es in China keine Marken für Fleischerzeugnisse gibt. Das Fleisch wird meist direkt vom Bauern oder auf dem Markt gekauft. Der chinesische Markt beinhaltet also noch riesige Potentiale hinsichtlich Marketing und Vertrieb.

  2. Anstieg der Fleischproduktion

    Hallo Lederstrumpf,

    die Tabelle habe ich mir gerade schon auf Twitter angeschaut – ist in gewisser Weise überwältigend 😉

    Das bestätigt dann auch nochmal meine These, dass der hohe AB-Verbrauch nicht nur an einem fehlenden Monitoring liegt.

    Große Potentiale bei Marketing und Vertrieb? Joa, und beim Management im Stall…

    Danke für Deinen Kommentar!

  3. Hallo Herr Christen,

    eben das erwähnte ich in meinem letzten Artikel, der hier auch verlinkt ist. Da sind also so einige Länder bei der Fleischproduktion auf dem Vormarsch. Das müssen wir hier im Auge behalten – und über legen, ob wir mit diesen Ländern einen Preiskampf starten wollen.

  4. Ja, das it absurd und idiotisch. Regionale Gesetzesregelungen/Einschränkungen nutzen in globalisierten Systemen nichts mehr. Sie dienen nur noch einem gutem Gewissen, das sich aber auch kaum rechtfertigen lässt – sich einzubilden, man täte mehr (und besseres) als alle anderen. Aber dann eben doch den Weltmarkt ins Land lassen, damit man irgendwie fortschrittlich scheint.

    Und dem Kunden die “Entscheidung” über eine Herkunft (und somit über die Produktionweise) zu überlassen, ist, wie wir durchaus wissen können, keine sichre Löung. Denn dem Kunden bleibt dabei im Zweifel auch nur das gute Gewissen (weil er nicht weiß, dass die Ware falsch etikettiert ist und das Fleisch doch aus China oder sonstwoher kommt und nicht in Grenzwertregulierter Gesetzgebung nach heimishcen Bekanntheitsgrad gemässtet wurde. Dem Fleisch kann das nicht angesehen werden. Und der Verpackung auch nicht – wie wir seit dem Pferdefleisch-problem wieder unverdrängbar wissen können.

  5. Hallo schrittmacherm,

    Du hast natürlich so ein bisschen recht, so ähnlich habe ich das ja auch geschrieben. Mit einer Einschränkung: auch den Chinesen sollte eigentlich an sicheren Lebensmitteln, die die Umwelt nicht unnötig belasten, gelegen sein. Oder? Aber wie Lederstrumpf oben schon schrieb: die Menge des produzierten Fleisches stieg in den letzten Jahren möglicherweise schneller als die Fortschritte bei Hygiene-Standards. Da muss nachgebessert werden.

  6. Gifttest für zuhause

    “…auch den Chinesen sollte eigentlich an sicheren Lebensmitteln, die die Umwelt nicht unnötig belasten, gelegen sein.”

    Anscheinend wollen sie bei der Lebensmittelkontrolle anfangen. Denn schon bald werden neben den Essstäbchen nun auch Teststäbchen am Tisch liegen, damit der Konsument checken kann, ob er nach der Mahlzeit noch bei guter Gesundheit sein wird. Wer jetzt denkt ich scherze, der sollte diesen Artikel lesen:
    http://www.sueddeutsche.de/…dann-essen-1.1599075

  7. Gifttest

    Hallo Mona,

    wenn das Fleisch erst auf dem Küchentisch getestet wird, ist es ja eigentlich schon zu spät. Es geht mir eher um den ganzen Teil davor, gerade bei AB.
    Wobei mir diese Teststäbchen auch eher als fixe Idee erscheinen…

  8. Auch wenns irgendwie “blöd” klingt:

    Star Trek macht es uns vor. Es gibt ein kleines handliches Gerät, dass alles per (?) herrausfindet.

    Was heute wohl noch schrankartige Kästen sein müssen / sind (Massenpektrometer o.ä….) geht auch in klein – rein theoretisch.

    Und das Testen reicht, wenn man es im Supermarkt macht.

    Oder eben davor in der Produktionkette. Aber der Kunde mag sich manchmal auch gerne selbst überzeugen wollen (in letzter Konsequenz).

  9. Hallo schrittmacherm,

    in der Produktionskette wird auch jetzt schon kontrolliert. Nicht mit so kleinen handlichen Geräten (teilweise braucht es auch einfach mehrere Schritte, die eine Weile dauern, Stichwort: Bakterien-Kulturen), aber eben mit größeren.

    Bzgl. eines Verbraucher-Tests: die Frage ist dabei natürlich, wie empfindlich die sind und ob es dann auch irgendwo Erläuterungen gibt, was die Werte zu bedeuten haben. Mykotoxine wirst Du zum Beispiel immer irgendwie finden.

  10. Forschung nach besseren Analysemethoden

    “Wobei mir diese Teststäbchen auch eher als fixe Idee erscheinen…”

    Der Ruf nach besseren Analysemethoden scheint mir keine “fixe Idee” zu sein. Nachdem in China sechs Babys starben und hunderttausende erkrankten, weil die Milch mit Melamin gestreckt war, machte man sich weltweit Gedanken über bessere Testmethoden. Vor allem kleine, handliche Geräte mit einer möglichst kurzen Analysezeit sollen Entlastung bringen.
    http://www.ethlife.ethz.ch/…Zenobi_Melanin/index

  11. Hallo Mona,

    dass sechs Babys gestorben sind, lag ja nicht an fehlenden Analyse-Methoden für den Privat-Gebrauch. Die hätten das (vielleicht) verhindern können. Aber: Das ist ein grundsätzliches Problem in der Herstellung der Nahrungsmittel. Und da scheint es dann doch etwas an funktionierenden Kontrollen zu fehlen. Genau die müssen aber das Ziel ein. Solange das nicht funktioniert, braucht es dann aber wohl die Stäbchen…

  12. Zitat schewe:

    “Aber: Das ist ein grundsätzliches Problem in der Herstellung der Nahrungsmittel.

    -> Naja, nicht nur be Nahrungsmitteln. Aber man kann ich in diesem Bezugssystem die idiotischen Systematiken zur Bescheisserei und ihre Folgen gut ansehen und klar machen.

    Gab es doch damals in etwa vergleichbar mit der Milchangelegenheit das Problem mit dem Glykolwein…

    Im Grunde handelt es sich in der Systematik um eine potenziel ausgeübten Mordanschlag. Eine Vergiftung, die man nicht mehr aus ökonomischen Perspektiven betrachten kann, (weil ja eben immer auch Geld “die” Rolle spielt).

    Psychologisch betrachtet ist hier zu fragen, warum ein Mensch hier überhaupt Handlungsalternativen solcher Art zu denken in der Lage ist. Ob er vielleicht gewissen unbewussten Zwängen unterliegt – das Resultat daraus immer sei: sich selbst der Nächste (und Beste) zu sein, was andere unweigerlich zu Schaden kommen lässt.

    Vom Metabolimus der Nahrungverwertung abgesehen; besteht diese Systematik in allen Bereichen des Lebens – grundsätzlich aber gerechtfertigt durch das kapitalistische / marktwirtschaftliche konkurenzbildende System, denen sich alle unterwerfen müssen.
    Wenn ich mir einrede, ich sei gezwungen, den untauglichen chrott aus meinem Regal zu verkaufen und dazu alle Mittel und Wege aus dem “Regal” der legalen (und illegalen) Methoden zur Zweckerfüllung der Umsatzzwänge anzuwenden, dann endet es so, wie man sich es in den Shopping-Kanälen im TV ansehen kann. Der größte Müll und qualitativ mieeste Dreck wird als Superlativ vertickt, als ob es nichts besseres auf der Welt gäbe.
    Das dabei kein Menschenleben direkt zu Schaden kommt, macht es absolut nicht legaler/besser.

    Ich meine, es braucht keine “Stäbchen” zur Kontrolle, sondern eine unanzweifelbare Redlichkeit und Umgangsethik.
    Aber solnage es diesen Konkurenzdruck gibt, solange wird es diese Suggestionen und den indierekten Betrug geben – und eben auch diese Mordanschläge per Vergiftung durch Nahrungmittel.

    Das ist das Problem der Szenarien: diee 100 % Kontrolle kann es nicht geben, weil es die Effeizienz der Systeme vernichtet.

    Schlage vor eine Todesstrafe für solche Fehlleistungen gesetzlich zu manifestieren. Das mit dem “Auge um Auge” ist letztlich noch die effektivste Strategie, um die Selbstkontrolle zu stimmulieren.

    Aber bitte; man kann es auch übertreiben und bei den medialen Empörungswellen belassen und so tun, als ob man reaktiv irgendwelche Kontrollinstrumente wirkungsvoll installieren würde (oder es tut und die Wirksamkeit heldenhaft überhöht darstellt).

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