Pressen bis die Luft raus ist

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Das Jahr neigt sich dem Ende. Mais-Silage oder Gras-Silage – in Deutschland wie auch den USA bringen Landwirte die letzten Ernte-Durchgänge in die Silos. Ein passender Zeitpunkt für mich, um dieses ominöse Zeug mal etwas genauer zu erklären. Was passiert eigentlich bei der Herstellung? Und noch etwas: vielleicht wird sich die Vielfalt der Silagen noch ins Tierische erweitern…

Zuletzt erwähnte ich Silage als Tierfutter in meinem Artikel zur Grünlandwirtschaft, denn Gras kann nicht nur frisch von bzw. auf der Weide gefressen werden, sondern steht meist in silierter Form ganzjährig als Teil des Grundfutters zur Verfügung und bietet so eine konstante Versorgung ohne große Umstellungen für die Tiere. Damit das Gras bei der Lagerung nicht gammelig wird, kommt jetzt der Silier-Vorgang ins Spiel.
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Sind Euch in ländlichen Gegenden schon mal diese mit weißer Plane und Autoreifen bedecken Hügel begegnet? Das ist eine der vielen Formen zur Herstellung und Lagerung dieses Futtermittels. Vorher gibt es aber noch ein großes Spektakel, wenn schwere Traktoren mit Gewichten ausgerüstet diese grünen Hügel hochfahren. Sie pressen das Gras zusammen, damit möglichst wenig Sauerstoff zurückbleibt, wird später noch wichtig. Das sieht nicht nur beeindruckend aus, sondern ist auch sehr wichtig für das Gelingen der Silage. Ein Beispiel-Video:

Nach dem Abdecken und Verdichten können viele verschiedene Gärungen im Futterstock ablaufen – wirklich erwünscht ist aber nur die Milchsäure-Gärung, ermöglicht sie doch gleichermaßen eine optimale Haltbarkeit und einen guten Geschmack für die Tiere. Die für die Gärung verantwortlichen Bakterien – die sich entweder schon auf den Pflanzen befinden oder nachher zugegeben werden – setzen den Zucker des Zellsaftes dann in Milch- und Kohlensäure um. Eine schnelle Senkung des ph-Wertes ist die Folge. Nach ca. drei Wochen ist die Silage dann fertig und sollte optimalerweise einen ph-Wert im Bereich von 4,0 – 4,8 aufweisen. Das ist wichtig, denn nur so können Gärungsschädlinge wie Schimmel oder Hefen unterdrückt werden, brauchen diese zur freien Entfaltung doch hohe pH-Werte.

Überhaupt sind Gärungsschädlinge oder auch Fehlgärungen, die die Umgebung für die Schädlinge “verbessern”, ein großes Problem.
Eine Buttersäure-Gärung ist extrem unangenehm, das stinkt wie die Hölle, die Silage wird ungenießbar. Dagegen ist die Essigsäure-Gärung zwar zur Konservierung erwünscht, ein zu hoher Gehalt verringert allerdings die Energie-Menge.
Da die Menge der enthaltenen Essigsäure mit dem verbliebenden Sauerstoff-Gehalt einhergeht, ist eine gute Verdichtung so wichtig.

Silier-Mittel sollen das Gelingen einer Silage gewährleisten oder zumindest unterstützen. Milchsäure-Bakterien als Unterstützung der erwünschten Gärung hatte ich schon erwähnt, diese gelten als biologische Silier-Mittel. Daneben gibt es aber auch noch chemische Varianten wie zum Beispiel Natriumnitrat oder Hexamin, die in der Silage als Gegenspieler für Clostridien oder auch Listerien agieren.
Die unerwünschte Tätigkeit von Hefen und Schimmelpilzen äußert sich in einer Erwärmung. Hier helfen Natriumbenzoat und Kaliumsorbat. (2)

Bisher sind alle Silagen das Ergebnis pflanzlicher Gärung. Das könnte sich aber vielleicht bald ändern. An der Lincoln Universität  forschen Wissenschaftler momentan an einer Fisch-Silage für den Milchvieh-Bereich. Sollte diese Silage auf den Markt kommen, wird es spannend. Schließlich wurden Tiermehle im Zuge des BSE-Skandals aus der Tierhaltung verbannt…

Anmerkungen:

  1. Natürlich gibt es auch noch Mais- oder Getreide-Silagen. Ich bleibe hier beim Gras.
  2. Zu den grundlegenden Regeln des Silierens gehört unter anderem das Verwenden sauberen Futters, Erde ist bei der Silierung nicht erwünscht. Gelangt sie trotzdem hinein, lässt sich die Silage durch Zusätze dennoch retten.

Weiterführender Link:

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

11 Kommentare

  1. “Bisher sind alle Silagen das Ergebnis pflanzlicher Gärung. Das könnte sich aber vielleicht bald ändern. An der Lincoln Universität forschen Wissenschaftler momentan an einer Fisch-Silage für den Milchvieh-Bereich. Sollte diese Silage auf den Markt kommen, wird es spannend. Schließlich wurden Tiermehle im Zuge des BSE-Skandals aus der Tierhaltung verbannt…”

    Ich sehe bei der Fermentierung von Fisch ein anderes Übel, nämlich den Gestank. In Schweden mag “Surströmming” (Faulfisch) ja eine Delikatesse sein, aber ob die Kühe das auch so sehen.
    http://kuirejo.de/2008/02/faulfisch/

    • Hallo Mona,

      das mit dem Gestank ist tatsächlich ein Argument, dass mir auch durch den Kopf ging – wobei für einige Menschen auch Silage stinkt, also auch die ohne Buttersäure…

      Ich hatte das nur deshalb im obigen Kontext gebracht, weil seit einiger Zeit eine Lockerung des Tiermehl-Verbotes wieder diskutiert wird. Mal sehen, in welche Richtung das alles geht…

  2. Seltsamer Artikel,

    wenn sich im September/Oktober das ‘Jahr zu Ende neigt’ und bereits die Spekulatius mangels Milchsäuregärung im Regal vergammeln, wird nicht Gras sondern Mais im monströsen Ausmaßen siliert.

    Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Kühe, die gewohnt waren, nach dem sommerlichen Weidegang, im Stall mit Zuckerrübenschnitzeln, Kraftfutter und Heu gefüttert zu werden, sich sehr schwer taten, plötzlich mit Maissilage vorlieb nehmen zu müssen.

    Und auch wir Verbraucher merkten, dass die Trink-Milch im Herbst plötzlich einen unangenehm säuerlichen Geschmack bekam.

    Ja, vielleicht bin ich wieder einmal zu romantisch, aber dafür bist Du mir erheblich zu pragmatisch, d. h. Du akzeptierst wenig bist unhinterfragt die Faktäzität des Gegebenen.

    • Hallo Geoman,

      ich gehe die Abschnitte mal der Reihe nach durch.

      1) Deshalb erwähnte ich ja auch Gras- und Mais-Silage gleichermaßen.

      2) Es gibt durchaus Landwirte, die durchgehend eine Kombination aus Gras- und Mais-Silage füttern, gerade deshalb, weil so eine Futter-Umstellung immer problematisch ist. Und was Weidegang oder nicht angeht, siehe den Artikel davor.

      3) Ich akzeptiere zu viel? Das hier ist ein Grundlagen-Artikel, die streue ich immer mal wieder ein und da halte ich meine Meinung bewusst raus.

  3. Moin,

    Grassilage wird das ganz Jahr produziert. Wie bereits erwähnt, was jetzt mit großen Traktoren durch die Gegend brummt ist überwiegend Maissilage. Natürlich leidet die Milchqualität unter einer durchschnittlichen Silage, ganz zu schweigen von schlechter Silage. Gerade beim Verkäsen macht sich schlechte Silage bemerkbar. Für UHT-Milch oder Tilsiter aus der Plastepackung aber völlig ausreichend.
    Sehr kritisch sehe ich den Ansatz des Fischmehls. Unsere Meere sind jetzt schon überfischt. Alles was in den Netzen landet und den Verbraucher so nicht angeboten wird, wird zu Fischmehl verarbeitet (darüberhinaus wird auch extra danach gefischt). Dieses Fischmehl bekommen dann wieder Lachse in Aquakulturen zum Fressen und wir bekommen diese dann im Supermarkt. Anstelle auf tierisches Eiweiß auszuweichen sollte mehr getan werden um die heimischen Eiweißträger voranzubringen. Da wären Lupine, Luzerne und Ackerbohne zu nennen.

    Warum wird überhaupt siliert? Oder hattest du die Qualitätsunterschiede zu Heu in einem vorherigen Artikel erwähnt?

    Liebe Grüße,

    Norman

    • Hi Norman,

      die Qualitätsunterschiede zu Heu habe ich bisher tatsächlich nicht explizit erklärt. Silage hat gegenüber Heu natürlich den Vorteil, dass Nährstoffe besser erhalten bleiben, die sich im Heu durch Trocknung verflüchtigen.

      Was pflanzliche Eiweiß-Lieferanten angeht, hast Du natürlich recht, ich hatte das in meinem Grünland-Artikel (oben verlinkt) schon mal erläutert. Der Bewuchs der Grünflächen lässt sich durch die Intensität der Düngung ja recht gut steuern.

    • Hallo Norman. Ich verstehe den Zusammenhang von Silage-Fütterung und Deiner Aussage “Gerade beim Verkäsen macht sich schlechte Silage bemerkbar. Für UHT-Milch oder Tilsiter aus der Plastepackung aber völlig ausreichend.” nicht.

      Minderwertiges Silo und das Problem von Clostridien bei der Hartkäseherstellung (also lange Reifung) sehe ich (siehe meinen Kommentar weiter unten) – was hat UHT-Milch und Plastpackung aber damit zu tun?

  4. @ Sören Scheve

    Normans Kommentar verdeutlicht, was mich an Deinen neutralen “Grundsatzsartikeln” stört. In dem Du auf Grundlage der Faktitizät des Gegebenen argumentierst, gerät bei Dir die historische Entwicklung aus dem Blickfeld. Und das bedeutet z. B., dass Du gar nicht registrierst, dass sich eine Änderung der Wirtschaftsweise z. B. in Qualitätsunterschieden bei den erzeugten Produkten niederschlägt.

    Off Topic: Die angebotenen Captcha’s sind so unleserlich, dass Kommentare sehr aufwändig bis kaum mehr möglich (Smartphone) abzusenden sind. Ich bitte, dieses Problem auf Eurer internen Bloggerplattform anzusprechen.

    • Ehrlich gesagt verstehe ich Deinen Punkt immer noch nicht. Norman schreibt, dass sich eine durschnittliche bis schlechte Silage auf die Qualität der Lebensmittel auswirkt. Richtig, aber nicht nur das: darunter leidet auch die Futter-Aufnahme der Tiere, was wiederum Erkrankungen hervorruft bzw. begünstigt. Das habe ich jetzt vielleicht nicht explizit HIER erwähnt, sicherlich aber schon in Artikeln zuvor.

      Statt mir also mal direkt etwas zu unterstellen, könntest Du auch mal nachfragen oder es gleich für spätere Leserinnen und Leser hier ergänzen.

      Ganz easy.

  5. Der Titel ist sehr beeinDRUCKEND und so gut gewählt, um “anaerob” bildlich näher zu bringen 🙂
    Da ich Siloherstellung nicht kenne, fände ich noch folgende Details aus mikrobiologischer Sicht interessant bzw. starte ich mit einem Änderungsvorschlag:

    1) pH Bereich für Schimmelpilze und Hefen
    Der pH scheint ein wichtiges Kriterium für die Siloherstellung bzw Konservierung zu sein, um dem gewünschten Mikroorganismus (in seinem Wachstum oder seiner Produktion von gewissen Stoffen?) einen Vorteil zu geben. Du schreibst: “Das ist wichtig, denn nur so können Gärungsschädlinge wie Schimmel oder Hefen unterdrückt werden, brauchen diese zur freien Entfaltung doch hohe pH-Werte.” Hohe pH-Werte” ist sehr relativ auf diesen Zusammenhang gemeint, nehme ich an. In der Lebensmittel-Mikrobiologie gehören Schimmel und Hefe ja genau zu denen, die es sauer mögen.
    Vorschlag, um hier Missverständnissen vorzubeugen: Ein paar absolute Zahlen / Bereiche zum optimalen pH-Bereich für das Wachstum von Schimmelpilzen und Hefen wäre an dieser Stelle aussagekräftiger…. oder eine Umformulierung wie z.B.:”Das ist wichtig, denn nur so können Gärungsschädlinge wie Schimmel oder Hefen unterdrückt werden, brauchen diese zur freien Entfaltung doch höhere pH-Werte.”?

    *2) “Freie Entfaltung” ist in diesem Fall Wachstum oder ein Bestimmter Abbau/Produktion/Pathway/Reaktion (wie immer es hier genannt werden soll)?

    *3) “Dagegen ist die Essigsäure-Gärung zwar zur Konservierung erwünscht, ein zu hoher Gehalt verringert allerdings die Energie-Menge.” Wie ist das gemeint? Je mehr Essig gegärt wurde, desto weniger Zucker (höherer Energiespeicher) ist zurückgeblieben?

    *4) “Erde ist bei der Silierung nicht erwünscht” Wegen den darin gelagerten Bakteriensporen von Clostridium?

    *5) Du pH und Zusatzstoffe als Unterstützung der richtigen Gärung erwähnt, Du hast Gärungsprodukte als Konservierungsmittel erwähnt. Wie sieht es mit Temperaturen, Wasserentzug oder anderen Parametern aus? Spielen die in der praktischen Silage keine Rolle?

    Zur Leser-Diskussion: Ob Silo oder traditionelle Winterfütterung, das wäre ein eigener Artikel in Bezug auf Milch, Fleisch und Käse wert! Wie wärs? Hier ein paar Ansätze:

    *A) Fisch(oder-was-davon-übrig-bleibt)Verfütterung – wäre das auch für Tiere in der Milchproduktion? Würde die Milch anders als gewohnt schmecken? (zB für den Milch-Export nach Asien geeingt? – Diese letzte Asia-Frage meine ich etwas ironisch, wenn ich an das aktuelle Milchgeschäft denke – bitte nicht aufregen, dann lieber die Klammer ignorieren).
    Wie sieht es bei der “Fischsilage” für den Fleischgeschmack (andere Qualitäten aus?

    *B) Und weil Norman kommentiert hat: “Gerade beim Verkäsen macht sich schlechte Silage bemerkbar. Für UHT-Milch oder Tilsiter aus der Plastepackung aber völlig ausreichend.” möchte ich doch noch was bereits hier als Kommentar anhängen, denn ich finde seine Aussage zu wenig differenziert und dümmsten Fall missverständlich für uns Laien, die dank diesem Artikel endlich Silage kennenlernen wollen:
    Einen Käse aus Milch von mit Silo gefütterten Kühen könnte ich nicht von einem Käse aus Milch von Heu gefütterten Kühen unterscheiden. Dazu sind die Ausprägung der Aromen bei der Käsereifung, denen ich total verfallen bin, sicherlich zu stark. Eigentlich würde ich auch für jeden fade schmeckenden Frischkäse Silomilch nehmen.

    Für Hartkäse würde ich allerdings die Finger von Milch lassen, die aus Kuhställen mit Silofütterung (insbesondere nicht Grassilage) kommt.
    Warum?
    In minderwertigem Gras-Silo gibt es sehr viele Clostridiensporen (Das sind Bakteriensporen, die extrem dauerhaft sind – eine Dauerform des Bakteriums, das Trockenheit und Erhitzung übersteht).
    Wenn beim Melken nicht sauber gearbeitet würde, könnten diese Clostridiensporen (Clostridium tyrobutyricum?) aus dem Silo (über Stallluft, Tier, Mensch, Kot…) in die Milch und so in meinen Käsekessel gelangen. Die Sporen von diesem Bakterium überdauern den Käseprozess problemlos. Ich würde meinen Käse etwa ein Jahr lang im Keller pflegen, ohne dass ihm was anzusehen ist, bis er er eines Tages bläht – weil die Sporen im tiefen innern ausgekeimt sind und als Bakterien durch Gärung Gas gebildet haben. Diese Spätblähung (inklusive der bereits oben diskutierten stinkenden Buttersäure, die Clostridium mir auch noch als seine besondere Note vermitteln würde …) vernichtet also auch die monatelange Arbeit rund um die Käsereifung. (Während alle anderen Fehlgärungen beim Käsen relativ schnell erkennbar sind, der Schaden sich eindämmen liesse.)

    Letzterer Punkt ist als Differenzierung zu Normans Kommentar und auch als Ansporn für einen weiteren Artikel zu Silage-Fütterung und Auswirkung auf Milch / Milchprodukte gemeint 😉 Bitte!!!

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