Pharmanimals – bunte Hunde und Euterapotheken

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Zugegeben, manch wissenschaftliche Kreation offenbart dem geneigten Laien den tieferen Sinn ihres Daseins nur mit Mühe, tatsächlich braucht es bisweilen einen zweiten oder gar dritten Blick. So ging es mir bisher auch, wenn ich irgendwo die Neuigkeit eines leuchtenden Säugetieres las, welchem ein Quallengen "eingepflanzt" wurde. Ein anderer medialer Coup war chinesischen Wissenschaftlern vor kurzem gelungen, die Kühe "human milk" produzieren ließen. Bei der letzten derartigen Meldung schaute ich dann etwas genauer hin. Dort ging es um einen Beagle, der unter UV-Licht plötzlich grün leuchtet. Während ich auf den Sinn und Zweck eines solchen Tieres gleich komme, möchte ich jetzt schon mal vorweg nehmen, dass es durchaus derlei transgene Tiere gibt, deren Existenz durchaus leichter zu begreifen ist als jene des leuchtenen Beagles.

Die Idee der Veränderung unserer Nutz- und Versuchstiere durch gentechnische Verfahren ist gar nicht mal so neu. Schon in den 1980er Jahren wurden bestimmte Gene in Mäuse eingeführt. Ziel war es, die Anfälligkeit für eine Tumorbildung zu erhöhen. Hier ging es also erstmal um die Entwicklung von Tiermodellen, an denen dann krebserregende Substanzen und Arzneistoffe für die Behandlung von Krebserkrankungen erforscht werden konnten. Hier fällt die Verwendung transgener Tiere also eher in die Grundlagenforschung. Darüber hinaus ist "Gene Pharming" das Stichwort, also die Idee, dass transgene Nutztiere Medikamente in ihrem Körper herstellen. Die Quelle dieser Medikamente sind dabei vorzugsweise die Euter der Tiere, die Männer sind also mal wieder fein raus…Für jene, die sich das spontan nicht so vorstellen können mit den tierisch produzierten Mitteln, gibt es hier mal ein Beispiel: seit 2008 ist das erste aus transgenen Tieren gewonnene Arzneimittel unter anderem in Deutschland im Umlauf – Antithrombin 3. Es hemmt die Blutgerinnung und wird während Operationen von Menschen mit Antithrombinmangel eingesetzt, um sie vor lebensgefährlichen Thrombosen zu schützen. Gewonnen wird dieser Stoff aus den Milchdrüsen von Ziegen.

Die Richtung ist also klar, oder? Tiere sollen gentechnisch so verändert werden, dass sie für uns Menschen Nützliches produzieren. Die Idee dahinter steckt trotz erster Erfolge aber immer noch in den Kinderschuhen. An den Aufbau von Herden zum Beispiel ist bis jetzt kaum zu denken. Dabei ist die Idee, sich für die Behandlung von Krankheiten bei beliebten Nutztieren zu bedienen, gar nicht mal so neu. Eines der bekanntesten Mittel ist wohl Insulin, welches lange Zeit aus Schweinen gewonnen wurde, bevor diese Praxis durch gentechnische Verfahren ersetzt wurde (jetzt kann die Aufgabe der Produktion auch von Tieren übernommen werden, aber diese fallen nun wirklich nicht in meinen Wirkungsbereich).

Zurück zu unserem Beagle, der unter UV-Licht so grün leuchtet wie ein Baumsteigerfrosch bei Tageslicht. Gut, das kann ungeheuer praktisch sein, wenn sich ein solcher Hund beim Abend-Spaziergang ins Gebüsch verdrückt. Den Besitz einer UV-Lampe vorausgesetzt ist der Strolch schnell gefunden. Auch im Club wird so ein schimmernder Beagle sicher die Herzen aller tanz-freudigen Frauen erobern. Spaß beiseite: wie funktioniert das? Nun, grob gesagt in fünf Schritten: zuerst wird ein DNA-Fragment, welches für die Expression des grünen "Leuchtgens" verantwortlich ist, in Hundezellen eingesetzt. Dann wird die DNA aus einer Oocyte extrahiert und dafür die modifizierten Zellen "hineingestopft". Durch einen somatischen Zelltransfer wurde dann ein Embryo generiert (ich vermute mal, dass an dieser Stelle noch ein Impuls für die weitere Entwicklung nötig ist), der in eine Leihmutter eingepflanzt wurde. Nach einer Tragezeit von 60 Tagen kam dann der kleine Tegon zur Welt – ein leuchtender Beagle. Allerdings gibt es da noch eine kleine Einschränkung: Tegon leuchtet nicht einfach so unter UV-Licht, sondern benötigt noch ein bestimmtes Antibiotikum. Ok, das funktioniert also. Aber wofür das alles? Natürlich für uns Menschen. Die Idee dahinter besteht in der Markierung von Genen, die bestimmte Krankheiten auslösen, welche sich auf diese Art verfolgen lassen. So können dann womöglich auch weitere Behandlungsansätze erforscht werden.

Interessant wäre es auch mal herauszufinden, wo die Potentiale derartiger gentechnischer Verfahren für unsere Nutztiere in ihrer eigentlichen Funktion liegen könnten, also Fleisch, Milch, Legeleistung und so weiter.  Ach, und an die Idee einer kommerziellen Nutzung, also dass es bald leuchtende Haustiere für eine zahlungskräftige Kundschaft gebe, mag ich noch gar nicht denken. Völlig unrealistisch ist dieses Szenario allerdings nicht…


Hier gibt es den Ursprungs-Artikel über den leuchtenden Beagle und hier findet man bei transgen.de viele weitere Informationen zum Thema.

 

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Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

10 Kommentare

  1. Vom Schmerz zur Würde

    Nur ein kurzer Schwenk zur Tierethik: Am Beispiel der “leuchtenden” Tiere wird nämlich wunderbar klar, warum sich diese Disziplin in den letzten Jahrzehnten so entwickelt hat in ihren Kriterien und Schwerpunkten, wie sie es eben tat.

    Die ethische Reflexion der Mensch-Tier-Beziehung begann mit dem berühmten Perspektivwechsel durch Bentham: Wir sollten die Weite unserer moralischen Gemeinschaft nicht an der Frage ausrichten, wer Vernunft besitzt und wer nicht, sondern wer leiden kann. Wer Leid empfinden kann, der ist für uns moralisch relevant. Der Imperativ lautet dabei: Füge diesem Wesen nach Möglichkeit kein Leid zu.

    Damit ist man auch gut gefahren. Aber nun kommen die leuchtenden Hunde. Ob ein Hund leuchtet oder nicht, ist – vorausgesetzt, es würd zu keiner chronischen Bindehautentzündung – für sein Schmerzempfinden unerheblich. Und dennoch regt sich bei vielen Menschen ein Gefühl der Empörung: “Das darf man doch nicht tun. Da überschreiten wir doch eine Grenze.” Dieses Gefühl kann man philosophisch mit der Kategorie der “Würde” oder der “Integrität” einholen: Mache ich einen Hund leuchtend, füge ich ihm vielleicht keinen Schmerz zu, aber verletze ich dabei seine Würde? So lautet die neue Fragestellung.

    Damit beziehe ich nicht die Position, dass leuchtende Hunde ethisch zu verbieten sind. Ich wollte nur kurz – weil es sich anbot – klarmachen, dass genau diese Anwendungen, wie hier beschrieben, zurzeit intensiv in der Tierethik diskutiert werden.

  2. Glowfish

    Hallo Christian,

    Danke für diese Ergänzung. Den Bereich der Ethik finde ich dabei auch immer sehr interessant. Hier habe ich ja gewisse Bedenken, dass diese Möglichkeiten irgendwann auch mal in Massen kommerzialisiert werden können. Da gibt es ja schon in der konventionellen Zucht genügend ethisch Zweifelhaftes. Über Twitter wurde ich schon auf leuchtende Fische hingewiesen, die es wohl auch schon in Laienaquarien geschafft haben…

  3. bei Transgen gestöbert: Umweltschweine

    Bereits seit über zehn Jahren forschen Wissenschaftler der Universität von Guelph in Kanada an der Entwicklung von umweltfreundlichen Schweinen. Sie fügten Gensequenzen aus dem Darmbakterium Escherichia coli und der Maus in das Genom des Schweins ein. Infolgedessen produziert das “Enviropig” in der Speicheldrüse das Enzym Phytase.

    Die Phytase wird dem Futter beim Kauen mit dem Speichel beigemischt und entfaltet im sauren Milieu des Magens seine Wirkung.

    Inzwischen ist das neue Merkmal über acht Generationen stabil vererbt worden, berichten die Forscher. Die Entwicklung senke nicht nur die Futtermittel-Kosten der Landwirte, sondern habe auch Vorteile für die Umwelt. Abhängig vom Alter und dem Futter enthalten die Ausscheidungen des “Enviropigs” im Vergleich zu anderen Schweinen 30 bis 65 Prozent weniger Phosphor.

    http://www.transgen.de/aktuell/1169.doku.html

    Klingt interessant und klug, ist aber wegen der Bedenkenträger sicher nix für Europa.

  4. Koinzidenz

    Na sowas!

    Ich schreib’ gerade an der Laudatio für den, der die ersten transgenen Mäuse gemacht hat: Prof. Dr. Rudolf Jänisch, Jahrgang 1942, in Schlesien geboren, jetzt am MIT. Im November bekommt er die Ehrendoktorwürde unseres Fachbereichs.

    Die ersten transgenen Mäuse hat er schon in der 70er Jahren gemacht. Das PNAS-Paper – in dem das Wort “transgen” aber nicht auftaucht – datiert von 1974.

    Aber Du hast recht – er hat SV40 Viren in Blastocysten injiziert, weil er wissen wollte, ob die Mäuse dann auch Adenome, und nicht nur Sarkome bekommen.

    Momentan arbeitet er an induzierten pluripotenten Stammzellen.

  5. Viele Ideen

    Hallo cohen,

    Transgen ist immer einen Blick wert. Natürlich hätte auch noch nährstoff-optimierte Milch bei Kühen erwähnen können. An Ideen mangelt es ja nicht. Mal schauen, was es da an potentiell nützlichen Entwicklungen geben wird…

  6. Hallo Helmut,

    Das ist doch wirklich ein schöner Zufall. Wenn Du ihn siehst, bitte ihn doch mal um Beeilung bei den induzierten pluripotenten Stammzellen. Da erahne ich noch einiges an Potential für bedrohte Arten, Du weißt schon – die Nashörner…

  7. @ Sören

    Kannst ja zu unserem Dies academicus kommen, angelegentlich dessen die Ehrendoktorwürde verliehen wird, und Dein Anliegen dem Herrn Jänisch vortragen.

    Ich verspreche Dir – das wird eine LAUNIGE Laudatio. Ich hab’ sie geschrieben und meine Frau hat sie bebildert. Solche transgenen Wesen wie in dieser Laudatio (egenartig mutierte Dekane und sonstige Würdenträger) hast Du sicher noch nie gesehen.

    Grüße
    Helmut

  8. Dies academicus FB Medizin

    14. November 2011, 14.00 Uhr, Campus Niederrad, Paul Ehrlich Hörsaal.

    Sex and Drugs and Rock’n’Roll. Doch. Das heisst: naja. Es gibt hinterher Flaschenbier und Matjeshering (den hat sich der Jänisch gewünscht, auf’m Flaschenbier hab’ ich bestanden). Und anderes gibts auch.

  9. @Helmut:

    Hm, da bin ich wieder im wilden Osten. Vielleicht lässt es sich dennoch einrichten. Mal schauen, was sich machen lässt. Danke schon mal für die Infos!

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