Kuhdoping – Wachstumshormone aus der Spritze

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Bis zu 10.000 Liter Milch pro Laktation, gerne auch darüber hinaus, sollte eine Milchkuh aus wirtschaftlichen Gründen schon liefern. Eine individuell abgestimmte Fütterung, gute genetische Vorraussetzungen und der viel gepriesene Kuhkomfort sollen das gewährleisten. In den USA greift man ebenfalls zu diesen Mitteln – aber nicht ausschließlich.

Um rBGH – oder auch recombinant bovine growth hormone – geht es dabei. In noch wachsenden Jungtieren fördert es den Knochen- und Muskelaufbau. Kommt es bei ausgewachsenen Milchkühen zum Einsatz, lässt sich dadurch die Milchleistung verbessern, also steigern. Wichtig dabei: das Hormon muss gespritzt werden, bei oraler Aufnahme würde es von der Magensäure einfach verdaut und in seine Aminosäuren zerlegt ohne seine Wirkung entfalten zu können. Wie der Name schon sagt, ist dieses Wachstumshormon keineswegs fremd für Rinder, sondern wird sogar von ihnen selbst in der Hypophyse produziert. (1)

Die Steigerung der Milchleistung durch die Gabe von rBGH kann bis zu 15% betragen. Damit einhergehend muss natürlich auch die Fütterung verbessert, also intensiviert werden. Passiert das nicht, verpufft die Wirkung der Hormon-Spritze oder die Kuh erkrankt bspw. an einer Ketose, weil sie die für die Milch benötigten Nährstoffe nicht mehr ausreichend bereitstellen kann.

Produziert wird dieses Hormon mithilfe gentechnischer Verfahren (erkennbar am kleinen “r”), ähnlich wie Humaninsulin. Bakterien oder Pilze werden so “programmiert”, dass sie den gewünschten Stoff herstellen. Es folgt eine Reinigung, an deren Ende das reine rBGH steht – fertig zur Verwendung. (2)

Im Gegensatz zu den USA ist die Praxis der Leistungssteigerung durch Wachstumshormone in Deutschland verboten. Dem Verbot liegt dabei die Befürchtung zugrunde, vom Hormon könnten sich noch Somatomedine in der Milch befinden und sich letztlich negativ auf uns Menschen auswirken. Wie schon weiter oben erwähnt, handelt es sich um ein typisches Hormon des Rindes, welches nichts mit der humanen Variante zu tun hat, weshalb uns auch die entsprechenden Rezeptoren fehlen – und ohne passende Rezeptoren gibt es keine Wirkung. Einzig im Darm von Babys gibt es Resorptions-Möglichkeiten, was sich allerdings leicht durch Pasteurisierung lösen lässt, die zu einer Zerstörung/Inaktivierung des Hormons führt.

Wer jetzt trotz allem Angst vor us-amerikanischen Milchprodukten entwickelt hat, dem sei gesagt: auch dort ist es nicht unbedingt alltägliche Regel – möglicherweise sogar umstritten. Dabei hat die FDA hat die Nutzung des rBGH schon 1990 nach einer umfangreichen Auswertung kommerzieller Studien für unbedenklich erklärt. Im selben Jahr kam das unabhängige National Institute of Health zum gleichen Ergebnis. Auf den Markt kam es dann drei Jahre später unter dem Namen Posilac, Hersteller war Monsanto.

Fassen wir zusammen, dass diese Form des Kuhdopings aus Sicht der Kuh eher eine Eigen-Hormon-Behandlung ist und halten fest, dass davon keine Gefahr für die Konsumenten in den USA ausgeht. Trotzdem möchte mir diese Praxis nicht einleuchten, denn der größte Kostenfaktor in der Tierhaltung ist das Futter – und eine erhöhte Effizienz ist hier nicht gegeben. Zudem wurde Prosilac in der EU und einigen anderen Ländern auch verboten, weil es im Verdacht stand, die Kühe verstärkt an Mastitis erkranken zu lassen. Auch Klauen-Probleme werden genannt – Ausfälle, auf die die Landwirte unter ständigem Kostendruck eigentlich keine Lust haben.

Anmerkungen:

  1. Milch ohne dieses Hormon gibt es also nicht, höchstens welche, die nicht mit bzw. durch die Leistungssteigerung produziert wurde.

  2. Momentan ist es ja schwer im Trend, uns Käse ohne Gentechnik zu verkaufen. Das kann nur zwei Gründe haben. Damit aus Milch überhaupt Käse werden kann, braucht es Chymosin, ein Enzym, das früher aus Kälbermägen gewonnen wurde und heute wie Insulin oder rBGH gentechnisch hergestellt wird. Der andere Punkt könnte der sein, dass die Tiere nicht mit GM-Pflanzen gefüttert wurden. Zu diesem Thema komme ich aber später in einem eigenen Artikel.

  3. Der Begriff Kuhdoping ist mir vor kurzem das erste Mal in einem anderen Zusammenhang begegnet. Was es damit auf sich hat, muss ich aber erst noch genauer herausfinden.


Quellen

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

17 Kommentare

  1. Die Milchkuh ist nur Mittel zum Zweck

    Hätte dieses bovine Wachstumshormon keine negativen Wirkungen wäre eigentlich nicht gegen seinen Einsatz einzuwenden.
    Doch dass man den Milchertrag pro Laktation auf über 10’000 Liter, ja am liebsten wohl unbegrenzt steigern möchte, zeigt auch, dass die Kuh nur Mittel zum Zweck ist. Könnte man Milch direkt im Bioreaktor, vielleicht mittels einiger genmanipulierter Mikroorganismen erzeugen, wäre man dem Ziel der kostengünstigen Produktion noch näher und müsste Tiere zudem nicht als Milchproduzenten zweckentfremden.
    Andererseits hätten viele Milchkonsumenten – also Menschen- Mühe mit der wegrationalisierten Kuh. Irgendwie wird die Milch ja nur über die Kuh natürlich. Obwohl solch eine Milchkuh mit ihrem einstmals frei lebenden Vorfahr wohl nur noch wenig gemeinsam hat.

  2. Milch-Substitute

    gibt es schon, also auch typische Lebensmittel ohne Kuhmitarbeit.

    BTW: Wann werden Milchkühe geschlachtet und wie ist die Fleischqualität?

    MFG
    Dr. W

  3. Hallo Herr Holzherr,

    das mit der Milchleistung ist recht kurios, denn Tiere, die über 10.000 Liter Milch geben, sind gar nicht mehr so selten. Wozu also eine solche Leistungssteigerung, die nicht mal effizienter ist? Preis- und Kostendruck sind mittlerweile die alles beherrschenden Faktoren. Deshalb müssen die Landwirte immer mehr Milch produzieren, mit Versorgung hat das nicht mehr viel zu tun.

  4. Guten Morgen Webbear,

    die Nutzungsdauer beträgt 2 bis 3 Jahre, durchschnittlich werden Kühe 4 bis 5 Jahre alt.

    Natürlich wird aus dem Fleisch der Tiere kein Steak produziert, die gehen eher in die Wurstverarbeitung.

  5. Milch-Substitute

    Ja, guten Morgen, Herr Schewe, wissen Sie zufällig noch, wie weit man bei den Milch-Substituten ist? – So-o schwierig scheint der näherungsweise, aber für die Primaten zufriedenstellende Nachbau ja nicht zu sein, oder?

    MFG + weiterhin viel Erfolg!
    Dr. W

  6. Ehrlich gesagt habe ich mich damit noch nicht beschäftigt und ich sehe da momentan auch keinen Bedarf. Der Milchvieh-Bereich ist jener mit dem größten Tierwohl-Spektrum auch oder gerade im konventionellen Bereich.
    Die Probleme, die sich letztlich auch auf die Kuh auswirken, liegen eher im ökonomischen Bereich wie bspw. der Globalisierung.

  7. Dilemmata

    Ja, interessante Dilemmata: Wird die Milchkuh nicht mehr benötigt, so benötigt es auch keine deren ‘Tierwohl-Spektrum’ Feststellendem, so wie der Wachhund, der in seinem Eisengitter saß, auf Grund moderner Alarmsysteme nicht mehr benötigt wird, auch wenn dessen ‘Tierwohl-Spektrum’, er durfte oft auch nachts herumlaufen, anzunehmenderweise OK war.

    Die Milchkuh verdankt ihre Existenz dem Nichtvorhandensein von Substituten, faszinierend, oder?, faszinierend.

    MFG
    Dr. W (der sich nun ausklinkt)

  8. Maximierung ?

    Hi,

    mal ganz naiv gefragt. Kann es nicht einfach sein das man Hormone gibt, um die Schwankungen der Milchleistung der Tiere gering zu halten, so dass praktisch immer nahe dem Maximum Milch gegeben wird ?

    So würde man zumindest ökonomisch noch was rausholen. An 100 Kühen die ~10k L/Jahr geben verdient man halt mehr als an 100 Kühen, die 8-10L/Jahr geben.

  9. Hallo para,

    Schwankungen in der Milchleistung können viele Faktoren haben. Die momentan warmen und feuchten Temperaturen zum Beispiel senken den Appetit der Tiere. Würdest Du jetzt versuchen, mehr Leistung aus den Tieren trotz geringerer Futteraufnahme zu holen, wären sie krank. Ausfälle über mehrere Tage wären die Folge.
    Zudem schrieb ich ja schon im Artikel, dass eine solche Leistungssteigerung nur mit mehr Futter funktioniert, was der größte Kostenfaktor ist.
    Außerdem: Wir schaffen die hohen Milchleistungen ja auch so.

  10. Ergänzend angemerkt:

    Die Milchkuh befindet sich in einem für Säugetiere unnatürlichen Zustand, der sich durch permanente Milchproduktion, unabhängig von Nachwuchs, und vermehrte Nahrungsaufnahme auszeichnet und -wie einige meinen- zu einem permanenten Stresszustand wird.

    MFG
    Dr. W (der auch ein wenig züchtet, wenn auch keine Rinder)

  11. Ach Webbaer…

    Kühe produzieren Milch unabhängig vom Nachwuchs? Warum weiß das in der Landwirtschaft keiner?

    Stünden die Tiere tatsächlich permanent unter Stress (wie von Dir postuliert), gäbe es überhaupt keine Milch. Den Hintergrund erklärte ich im letzten Artikel…

  12. Es schien schon erwähnendwert und

    Kühe produzieren Milch unabhängig vom Nachwuchs? Warum weiß das in der Landwirtschaft keiner?

    … darum hat sich Ihr Kommentatorenfreund eben noch einmal kurz gemeldet. Im Rahmen der Domestifizierung wurde herausgefunden, dass Säugetiere als Nutztiere die Milchproduktion fortsetzen, auch wenn sie dem Nachwuchs entbunden weiterhin gemelkt werden.

    Ungemelkte Tiere leiden demzufolge in einer Übergangsphase, die aber bei ruckartige Absetzen auch schwerwiegende Folgen für das Tier haben kann.

    Es entsteht übrigens auch und gerade durch die Milchproduktion die Bindung von Muttertier und in diesem Fall: Kalb.

    MFG
    Dr. W (der’s nur vollständigkeitshalber erwähnte)

  13. Kuh bereits optimaler Bioreaktor?

    Könnte es sein, dass die heutigen Milchkühe bereits die optimalen Biorektoren für die Produktion von Milch sind und dass es an ein Wunder grenzt, dass diese Milchmaschinen trotzdem noch frei herumlaufen können und noch Tiere sind für die das Tierwohl wichtig ist. Wenn man den Preis von Milch mit dem von Coca-Cola vergleicht könnte man auf diese Idee kommen, denn der Literpreis unterscheidet sich kaum obwohl Cola zur Hauptsache aus Wasser und Zucker(-Ersatz) besteht.
    Wenn das so ist, wäre die Cola-Kuh vielleicht ein lohnendes Zukunftsprojekt.

  14. Oder für

    Kommentare

    Wenn das so ist, wäre die Cola-Kuh vielleicht ein lohnendes Zukunftsprojekt.

    .. die Holzherr-Kuh.

    MFG
    Dr. W (der nun aber wirklich…)

  15. Ob Kühe als Bioreaktoren eingesetzt werden können, halte ich für fraglich – die berühmte Kostenfrage. Deshalb spielen GMO-Tiere im Gegensatz zu Pflanzen auch praktisch keine Rolle, sie sind zu teuer.

    Der Milchpreis ist tatsächlich eine Unverschämtheit, gemessen an den Auflagen und ständig wechselnden Forderungen seitens der Politik.

  16. Artikel zu Verfuetterung von GM-Pflanzen

    Aufden bin ich schon gespannt; denn man muss ja immer gewappnet sein mit Argumenten – wenn man versehentlich oder absichtlich am Arbeitsplatz ein Milchprodukt in den Kühlschrank stellt, bei dessen Erzeugung GM-Pflanzen im Kuhmagen landeten. Das ‘gehtjagarnicht’………auch wenn es – wie ich erwarte – nicht die geringste Rolle spielt.

  17. Hallo Kathrin,

    Du liegst mit Deiner Vermutung schon ziemlich richtig, mehr verrate ich aber noch nicht 😉

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