Klimawandel auf dem Acker – ein Ausblick

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von herrschenden klimatischen Bedingungen ist bekannt – Erdbeeren wachsen nicht am Nordpol und Milchviehställe findet Ihr nicht in der Sahara. Grund genug, um sich diesen Komplex mal genauer anzuschauen, was Lederstrumpf freundlicherweise in diesem neuen Gastbeitrag übernommen hat.

Seitdem die Erde existiert, ist sie klimatischen Veränderungen unterworfen. Die Erde entstand vor 4,5 Milliarden Jahren. Die damaligen klimatischen Verhältnisse sind kaum bis wenig bekannt. Seit 1 Milliarde Jahren bis heute wissen wir aufgrund von Klimazeugen (Dünen, Eis, Moore u.a.) schon deutlich mehr.

Verschiedene wissenschaftliche Klimamodelle zeigen, was zukünftig auf uns zukommen könnte. Diese Klimamodelle sind zwar auch immer mit Unsicherheiten behaftet, aber einige Veränderungen sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Dazu gehören höhere Temperaturen, deutlich wärmere Winter, längere Vegetationszeiten, mehr Sommer- und weniger Frosttage, mehr Niederschläge im Winter und weniger im Sommer, mehr Wetterextreme sowie eine höhere CO²-Konzentration in der Luft.
Einige dieser Veränderungen sind für uns heute schon sichtbar, wie zum Beispiel das Abtauen von Gletschern, Hitze- und Dürreperioden und das Auftauchen invasiver Pflanzen- und Tierarten.

Hitzewellen und Ernteausfälle

Die Folgen des Klimawandels sind gut in der Landwirtschaft ablesbar.
Im Sommer 2003 lag die mittlere Tageshöchsttemperatur (Tmax) bei fast 30°C. In den nächsten Jahrzehnten soll sich dieser Messwert manifestieren. Zum Vergleich, von 1961-1990 lag Tmax im Mittel noch bei 23°C (Beniston, 2004). Die Hitzewelle von 2003 hatte in Teilen Westeuropas dramatische Auswirkungen auf die europäische Getreideproduktion. Viele Kulturpflanzen reiften bevor die Kornentwicklung abgeschlossen war oder bildeten ihre Blätter nicht vollständig aus (Battisti et al., 2009).
Ernteausfälle von bis zu 42% in einigen Regionen Deutschlands waren die Folge (Schaller et al., 2007). Die finanziellen (Ernte-)ausfälle des Sommers 2003 durch Hitze, Trockenheit und Waldbrände wurde in Westeuropa insgesamt auf € 13,1 Mrd. geschätzt (Battisti et al., 2009).
2010 verhängte Russland ein Exportstopp für Getreide, aufgrund erheblicher Ertragseinbußen durch schwere Dürre und anhaltende Waldbrände. Dieser Exportstopp traf vor allem arme Länder in Afrika, die sich nicht selbst versorgen können und auf Importe angewiesen sind.

Grobe Abschätzung der landwirtschaftlichen Produktivität bei Temperaturzunahme, geänderten Niederschlägen und CO²-Düngeeffekt (Cline, 2007)
Grobe Abschätzung der landwirtschaftlichen Produktivität bei Temperaturzunahme, geänderten Niederschlägen und CO²-Düngeeffekt (Cline, 2007)
(Bildquelle)

Anstieg von Schadorganismen

Eine weitere Auswirkung des Klimawandels auf die Landwirtschaft wird der Anstieg von Schadorganismen durch wärmere Winter sein. Unkräuter, Schädlinge und Krankheiten könnten dann ungehinderter zuschlagen bzw. sich verbreiten. Insbesondere wärmeliebende Arten und Organismen mit schneller Generationenfolge könnten profitieren.

Eine aktuelle Untersuchung zeigt auf, dass mehr Schädlinge auch den Einsatz von mehr Pflanzenschutzmittel (Pestizide) bedeuten, um das gegenwärtige Ertragsniveau aufrecht zu erhalten (Ziska, 2014). Geschätzt wird eine Zunahme der Ertragsverluste durch Schädlinge von 20% im Jahr 2025 (Freier, 2004).

Tabelle 1, Witzke et al. 2009
Tabelle 1, Witzke et al. 2009

Die letzte Hungersnot liegt in Deutschland schon eine Weile zurück und hatte auch nichts mit dem Klima zu tun. Eigentlich könnten wir doch ganz entspannt in die Zukunft schauen. Wir sind doch immer gut versorgt gewesen und die 5 Cent mehr für das Brötchen … Hauptsache, das neue Smartphone passt noch ins Budget. Schwieriger könnte es aber auch für uns werden.

Während Hitzewellen in der Vergangenheit nur alle 40-50 Jahre auftraten, wird zukünftig viel häufiger damit zu rechnen sein. Die weltweite Verknappung von Lebensmitteln wird nicht nur saisonale Preisschwankungen zur Folge haben, sondern Preise von Grundnahrungsmitteln werden einen dauerhaften Trend nach oben haben (Tab. 1). Hinzu kommt noch der prognostizierte Bevölkerungsanstieg und der damit einhergehende Mehrbedarf an Nahrungsmitteln. Bestimmte Südfrüchte könnten also in den Supermarktregalen seltener werden. Mitteleuropa wird als sog. Gunststandort bezeichnet. Das heißt, dass die klimatischen Bedingungen günstig sind, damit sich viele Feldfrüchte, ohne großen Aufwand, hier bei uns wohlfühlen. Verhungern werden wir also in den nächsten Jahrzehnten noch nicht. Massive Konsequenzen sollen nicht vor 2050 auftreten, anschaulich dargestellt in der folgenden Grafik:

Impact of climate on food in Europe and the Middle East (Met office, FAO)
Impact of climate on food in Europe and the Middle East (Met office, FAO)

Ausblick

Nicht nur im Hinblick auf die Welternährung werden wir um eine Produktivitätssteigerung mit Hilfe von Technologien und Innovationen nicht herum kommen. „Sich den Buckel auf dem Acker krumm arbeiten“ dürfen zukünftig gern Farmrobots übernehmen (Anonym, 2013). Die Grüne Revolution der 1960er Jahre zeigte eindrucksvoll, dass moderne Getreidesorten Bauern in armen Ländern schnell halfen. Dort wo die neuen Sorten nicht angenommen wurden, stieg die Armut – siehe Afrika. So eine Revolution wird wieder nötig sein, damit die Welt sich mehr Nahrung, Bioenergie, Klimaschutz, Biodiversität und natürliche Lebensräume leisten kann.


Quellen und Literatur

Anonym (2013): Roboter pflücken Erdbeeren

Battisti, Naylor (2009): Historical Warnings of Future Food Insecurity with Unprecedented Seasonal Heat. Climate Change. In: Science, Vol. 323, Page 240-244

Beniston (2004): The 2003 heat wave in Europe: A shape of things to come? An analysis based on Swiss climatological data and model simulations

Cline (2007): Global Warming and Agriculture: Impact Estimates by Country. Washington D.C., USA

Freier (2004): Welche Risiken liegen vor uns und wie bekommen wir sie in den Griff? Landbauforschung Völkenrode, Sonderheft 274, S. 99

Schaller, Weigel (2007): Analyse des Sachstands zu Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die
deutsche Landwirtschaft und Maßnahmen zur Anpassung, Landbauforschung Völkenrode, Sonderheft 316

von Witzke et al. (2009): Global agricultural market trends revisited: The roles of energy prices and biofuel production

Ziska (2014): Increasing Minimum Daily Temperatures Are Associated with Enhanced Pesticide Use in Cultivated Soybean along a Latitudinal Gradient in the Mid-Western United States. Published: June 11, 2014

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

6 Kommentare

  1. Der Artikel differenziert zuwenig, man weiss nicht immer ob von Deutschland, Afrika oder der ganzen Erde die Rede ist.
    Der Klimawandel wird Deutschland jedenfalls mehr landwirtschaftliche Erträge bringen nicht weniger. Deshalb sollten frühere Hungersnöte in Deutschland nicht einmal erwähnt werden.

    Der ETH-Klimablog-Beirtrag Klimaschutz entschärft künftige Ernhährungsprobleme von Bernard Lehmann macht sehr konkrete Voraussagen und sieht die Folgen des Klimawandels sehr ungleich über die Erde verteilt (Zitat)

    Die Resultate zeigen, dass die Bodenfruchtbarkeit in 40 bis 60 Jahren auf Breitengraden nördlich des Mittelmeers zwischen 5 und 25% zunehmen und südlich des Mittelmeeres um 5 bis über 25% abnehmen wird. Der Schwerpunkt der Produktion von Nahrungsmitteln wird sich somit von den südlichen in die nördlichen Breitengrade verschieben.

    Er erwähnt auch die Bevölkerungsentwicklung, die hier eine wichtige Rolle spielt. Den grössten Zuwachs muss Afrika bewältigen.

    Die Bevölkerungsentwicklung und die Ernährungsgewohnheiten werden dazu führen, dass Afrika in 40 Jahren 400% mehr, Asien 150% Mal mehr und Südamerika 60% mehr Nahrungsmittel benötigen wird. Die Nachfrage in Nordamerika und Europa wird um 20% ansteigen. Der Schwerpunkt der Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird sich tendenziell in die durch den Klimawandel beeinträchtigten Regionen verlagern.

    Die WHO-Bevölkerungsprognosen erwarten 2.4 Milliarden Afrikaner im Jahr 2050 (heute 1.2) und Nigeria wird allein schon 450 Millionen Einwohner haben im Jahr 2050. Das muss für Afrika aber keine Ernährungskatastrophe bedeuten, denn die Anbaupraktiken in Afrika sind noch gewaltig verbesserbar. Zudem ist heute der Markt für Grundnahrungsmittel global. Schon heute ist Reis bei vielen Afrikanern das Grundnahrungsmittel. Nur der kleinere Teil davon wird in Afrika angebaut, das meiste wird importiert. Man liest:

    The West African region depends on international imports for some 40% of its rice supply.
    Thailand, and, increasingly, Vietnam, are the region’s main rice suppliers.
    The main importing are Benin/Nigeria, Senegal and Côte d’Ivoire. West Africa imports some 5m tons of rice, some 20% of rice traded internationally

    • Der Artikel differenziert mit Absicht zu wenig. Mein Anliegen ist es landwirtschaftsinteressierten Menschen, auch ohne naturwissenschaftliche Ausbildung, einen Überblick zu verschaffen. Dieser nicht bis ins letzte Detail durchgekaute Überblick lässt bewußt Fragestellungen offen, um die Fantasie anzuregen, und damit vielleicht auch zum weiterrecherchieren. Klimatologen sollten lieber im neuesten Climate Journal nach Befriedigung suchen 😉

  2. Der entscheidende und beweisbare Faktor des “Klimawandels” ist die Verstärkung der Sonnenstrahlung mittels der reflektierenden Kondensstreifen und Wolken des Flugverkehrs. Durch diese Erhöhung der Wärme- bzw. Hitzephasen verdunstet mehr Wasser, auch wenn die Durchschnittstemperatur nicht ansteigt, was einerseits zu Dürren und andererseits zu ergiebigeren bzw. häufigeren Niederschlägen führt. Eine Folge ist der Pilzbefall, der trotz Chemieeinsatz Ernteausfälle nach sich zieht.
    Die genannte Einwirkung umfasst das gesamte Strahlungsspektrum, auch die UV-Strahlung, sodass die Landwirte und überhaupt alle im Freien Beschäftigten direkt betroffen sind.
    Zu erwähnen sind auch die daraus resultierenden größeren Temperaturschwankungen, die in der kalten Jahreszeit zum Tod der Bienen führen, weil sie in den verfrühten Wärmephasen zur Auflösung der Traube oder zum Ausflug ins Freie veranlasst werden und die darauffolgenden relativen Temperaturstürze durch Wolkenbeschattung mit ihrer geringen Körpermasse nicht ausgleichen können.

  3. Auf den Getreideanbau (wichtigste Kalorienquelle) haben CO2-Zunahme und Temeperaturzunahmen wohl folgende Wirkungen
    1) Mehr Extremwetterereignisse – vor allem längere und extremere Dürreperioden und intensivere Niederschläge – werden in der Zukunft die landwirtschaftlichen Erträge in häufiger werdenden “Katastrophenjahren” stärker schwanken lassen
    2) Global gesehen im Süden weniger Erträge, im Norden mehr, mit Verlust von Anbaufähigkeit in einzelnen Ländern während Sibirien und Nordkanada überhaupt erst Getreide anbauen können
    3) Schnellers Getreidewachstum bei höherer Temperatur (kann aber die Qualität verringern) und höheren CO2-Werten. Eine Verdoppelung des CO2 kann den Ertrag um 30% steigern.
    4) Mehr Unkräuter, Schädlinge und Krankheiten wegen wärmeren Temperaturen

    Was hat das global für Konsequenzen:
    1) Der Getreide-Welthandel wird wichtiger
    a) weil es mehr Ausfälle regional in Katastrophenjahren gibt
    b) weil die Erträge dort sinken wo heute viele Menschen wohnen, in fast menschenleeren Gegenden aber steigen (im Norden)
    2) Getreidesorten müssen stresstoleranter werden, also längere Dürren und Überflutungen (Reis) überstehen können
    3) Sauerere Ozeane und Überfischung sollten mit Aquakulturen und halbkontrollierten Bedingungen aufgefangen werden

  4. Verschiedene wissenschaftliche Klimamodelle zeigen, was zukünftig auf uns zukommen könnte. Diese Klimamodelle sind zwar auch immer mit Unsicherheiten behaftet, aber einige Veränderungen sind so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Das Amen in der Kirche ist hier vielleicht nicht der beste Vergleich; die relevanten Klima-Daten des Goddard Institute for Space Studies (NASA) sind hier in tabellarischer Form abzulesen:
    -> http://data.giss.nasa.gov/gistemp/tabledata_v3/GLB.Ts+dSST.txt (gerne vielleicht auch einmal visualisieren lassen mit entsprechenden Tools)

    Zudem könnte es in einigen Regionen wärmer werden und in anderen kühler, als Folge der Gesamtentwicklung, die absehbarerweise erwärmend ist.

    Zu den im Artikel angedeuteten ‘Extremwetterereignissen’ hat dankenswerterweise Herr Dr. Rahmstorf vor Kurzem erklärt:
    ‘Wenn das Klima sich stark verändert gibt es mehr Extreme, egal in welche Richtung es sich ändert. Denn extrem ist ja das, was früher selten oder gar nicht vorkam. Darin besteht ja auch die negative Auswirkung auf Gesellschaft oder Ökosysteme, weil Ereignisse passieren, an die diese nicht angepasst sind.’ (Quelle)

    Das soll nicht heißen, dass es keine Umstellungen geben wird [2], abär es mangelt nachweislich an Klarheit politische und vielleicht landwirtschaftliche Entscheidungen betreffend.

    Man kommt hier auf eine evidenzbasierte Steigerungsrate von ca. + 0,06 K / Dekade (GISS) und diese darf mit der prognostizierten in Höhe von ca. + 0,30 K / Dekade (bis 2100) verglichen werden. [1]

    HTH
    Dr. W

    [1] hier ist wahlfrei ein Querschnitt der IPCC-Szenarien gebildet worden, den letzten sogenannten Assessment Report des IPCC, der AR5 betreffend
    [2] zudem auch nicht, dass der Schreiber dieser Zeilen ein “durchgeknallter” Klimaspektiker ist – ganz im Gegenteil, er begleitet das klimatologistische Vorhaben, dass er als sehr groß einschätzt, skepti(zisti)sch im versucht besten Sinne und seit ca. 2006 (mit recht deutlichem Interesse wie Aufwand)

  5. Also die Theorie ist die, dass sich das Klima seit Milliarden immer geändert hat. Und nun hat es sich in den 70ern und 80ern genau auf das ideale Klima für die Landwirtschaft eingestellt. Ab jetzt ist jede Änderung zwangsläufig negativ für die Landwirtschaft. Logisch.

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