Über die Bergung einer Wühlmaus

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Die Tage bekam ich einen Hinweis, dass sich da etwas in unserem Keller befände, was da vorher nicht gewesen war. Mehr Informationsgehalt war da nicht. Natürlich ging ich dem Rätsel nach, betrat den Keller und suchte, fand aber nichts – also nichts, was da sonst nicht war. Ich wollte die Fahndung gerade erfolglos abschließen und hatte mich schon fast umgedreht, da hörte ich es knistern, was in diesem Maße wirklich neu war. Ich schaute also erneut hin und fand etwas sehr Interessantes…

Ich habe mich hier in diesem Blog ja schon öfter mit Animal Welfare, also mit der Behandlung und den Bedürfnissen von Tieren in menschlicher Obhut beschäftigt. Jetzt konnte ich dieses Wissen an einem wilden – also nicht domestizierten – Tier überprüfen und anwenden. Die Spannung stieg. Das Tier war recht klein, was immer eine äußerst relative Beschreibung ist. Im Vergleich zu einem Nashorn war dieses Geschöpf geradezu winzig, verglichen mit einer Spitzmaus etwas größer. Ich betrachtete also dieses Tier und dachte scharf nach. Es war also im Grunde klein, hatte also ohnehin schon eine hohe Herzfrequenz, welche sich jetzt im Zuge der Aufregung noch erhöht haben dürfte. "Einfach zupacken und raus damit" wäre natürlich eine sehr schnelle, gar äußerst unkomplizierte Option gewesen, erschien mir angesichts der Situation aber eher unangebracht. Werden derlei kleine Tiere von oben gepackt, mutieren sie in den überwiegenden Fällen zu einer Mahlzeit. Von oben organisierte Rettungen passieren eher selten und waren sicher auch in der Entwicklungsgeschichte so nicht vorgesehen. Einen Herzinfarkt des Gefangenen wollte ich unbedingt vermeiden.

Wie geht man also vor, damit die Aktion möglichst stressfrei über die Bühne geht? Zuerst habe ich einen Eimer aufgetrieben. Dann habe ich gewartet, bis der putzige Kollege ein Stück weit zu mir gelaufen war und stülpte den Eimer darüber. Gefangen! Dann habe ich eine Zeitung besorgt, diese auf den Boden gelegt und den Eimer mit Kollege drunter vorsichtig darüber geschoben. Jetzt hätte ich den Eimer natürlich einfach schnell rumdrehen können, das Tier wäre hineingeplumpst und ich hätte es raustragen können. Ich stellte mir vor, wie mich jemand in einer Ausnahmesituation rumschleudern würde und entschied, dass sich das irgendwie nicht mit Welfare vertrug. Ich entschied also, dem Tier seine Bodenhaftung zu lassen und schob stattdessen eine Pappe unter Zeitung und Eimer und trug das alles nun so nach draußen. Dort stellte ich alles auf der Erde ab, entfernte den Eimer und ließ den Kleinen von der Zeitung rutschen.

Kaum spürte er oder auch sie den feuchten Erdboden unter den kleinen Füßen, begann das große Graben. Anhand des gebuddelten Ganges, welcher nicht der bekannte Fluss ist, konnte ich erkennen, dass ich soeben eine Wühlmaus freigelassen hatte. Damit sie nicht direkt aufgespürt werden konnte, wartete ich noch einen Augenblick, bis ich sie in Sicherheit wähnte. Bei späteren Nachforschungen zu diesem possierlichen Tierchen stellte ich fest, dass Garten- und vor allem Pflanzenliebhaber wohl nicht ganz so erfreut sind, wenn sie eine solche Wühlmaus in ihren Beeten entdecken, fressen sie doch die Wurzeln der dort wachsenden Pflanzen an. Ich pflege zu Pflanzen ein eher pragmatisches Verhältnis. Ich mag sie, weshalb ich keine besitze. Ich möchte sie nicht unnötigen Qualen aussetzen. Und wenn sie nunmal einer Wühlmaus zum Opfer fallen, ist das eben so, denn diese drolligen Pelzträger gehören genauso zur Natur wie Pflanzen. 

Wer jetzt glaubt, dass ich was am Kopf habe, weil ich eine derartige Anekdote hier aufschreibe, hat da möglicherweise nicht ganz unrecht. Völlig grundlos war das aber nicht. Ich hatte mal vor einiger Zeit einen Artikel zum Tag der bedrohten Arten geschrieben. Neben ethischen Argumenten oder der Tatsache, dass es einfach ziemlich schade wäre, wenn Arten einfach so aussterben, gibt es aber durchaus auch rationale Argumente für einen bedächtigen Umgang. Alte Haustierrassen werden zum Beispiel erhalten – oder sollten erhalten werden – weil sie Merkmale besitzen, die möglicherweise nochmal wichtig werden könnten, wenn zum Beispiel neue Haltungssysteme entwickelt werden. So hat ja auch das ungarische Mangalitza-Schwein wieder eine Zukunft, kann es doch auch problemlos draußen leben. Außerhalb des landwirtschaftlichen Bereiches wird eher mit dem Erhalt der reibungslosen Funktion einzelner Ökosysteme argumentiert.

Eine Wühlmaus ist zwar nicht groß, stellt aber dennoch ein kleines Mosaik-Steinchen im hiesigen Ökosystem dar. Und deshalb ging es für sie raus in die Freiheit, wo sie vielleicht schon verspeist wurde… 


Hier geht es zu der Seite der Bundesregierung, wo einige Argumente für Artenschutz erläutert werden. Etwas sprunghaft, aber durchaus ein netter Überblick. Und hier geht es zu meinem Artikel zu Ehren des Tages der bedrohten Arten.

 

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

9 Kommentare

  1. @Mona und Joe

    Hallo Joe, nein ich würde sie nicht verstecken, sondern dafür sorgen, dass sie zum Gut Aiderbichl kommt, wo schon ein Platz für sie reserviert ist wie ich Monas Links (wie immer vielen Dank an Dich Mona für die Updates) entnommen habe…

  2. mit der Hand fangen

    wäre keine gute Idee gewesen. Ich habe das auch einmal versucht und die Wühlmaus hat böse zugebissen. Wenigstens übertragen Nager keine Tollwut. Allerdings könnte man sich heutzutage in einigen Regionen Deutschlands mit Hantaviren infizieren. Eine Maus die sich in den Keller verirrt hat würde ich auch wieder frei lassen, eine Wühlmaus im Garten wird mit der Bayerischen Drahtfalle erledigt. Sorry!

  3. Hallo Carl,

    an den Aspekt des Beißens habe ich gar nicht gedacht. So bin ich völlig ahnungslos und allein durch meine Absicht einer möglichst schonenden Rettung diesem Schicksal entgangen – im Gegensatz zu Dir^^

    Was Wühlmäuse und andere Tiere (aber auch so tolle Sachen wie Unkraut) angeht, sehe ich das natürlich anders. So ein Garten ist ein Ökosystem und jedes dort lebende Tier trägt zur Funktion dieses Systems bei. Mögliche Folgen für mir persönlich wichtige Pflanzen nehme ich dann gerne in Kauf, aber zum Glück hab ichs ja nicht so mit denen^^

    Schönes Wochenende
    Sören

  4. Schöner Beitrag

    Hallo Sören!

    Schöner Artikel, wird mir sehr helfen, wenn ich nächsten Donnerstag meine Debatte habe, aber hast du vielleicht auch genaue Zahlen, wie viele m² die Massentierhealtung (Massentierhaltung ist ja definiert als ein Ladwirtschaftlicher Betreib, der 10 Großvieheinheiten pro Hektar betrieblicher landwirtschaftlicher Nutzfläche übersteigt.)

    Grüße,
    Jasmin

  5. Schöner Beitrag 2

    sorry, Satz nicht beendet. Ich wollte fragen, ob du weiß, wie viele m² die Massentierhaltung deutschlandweit, oder in einem speziellen Bundesland, einnimmt?

  6. Ein paar Fragen

    Hallo Jasmin,

    vielen Dank für Deinen Kommentar, allerdings beschleicht mich gerade das Gefühl, dass Du Dich möglicherweise im Artikel geirrt hast. Könnte das sein?

    Worum soll es denn in Deiner Debatte gehen? Immerhin ist das mit dem Wort Massentierhaltung so eine Sache, ich weiß, wovon ich rede^^

    Üblichweise spricht man bei Flächenverbrauch eher von Hektar denn von Quadratmetern…

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