Über den feuchten Traum eines Delphins

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Ein erregter Delphin erregte vor einiger Zeit die Wissenschaft. Nicht, dass Delphine in dieser Hinsicht unbeschriebene Blätter wären. Es ist auf Basis von Beobachtungen hinlänglich bekannt, dass männliche Tiere nicht nur ständig geil sind, sondern auch gerne mal auf eine forcierte Art und Weise zum Sex kommen, die unter Menschen schon lange ein Fall für den Staatsanwalt ist. Aber selbst, wenn kein Weibchen greifbar ist und somit herhalten muss und die Flossen leider auch zu kurz sind, stellt das kein Hindernis dar.

Handless Happiness trifft die Art der Strategie wohl am besten. Delphine nutzen Gegenstände oder auch friedlich schwimmende Menschen als Reibungshilfe. Seht das positiv: vor Haien seid Ihr in dem Moment verdammt sicher. Kurios: bei dem von Morisaka zufällig beobachteten und jetzt wissenschaftlich publizierten Ereignis geht es lediglich um Ejakulation – also ohne Hilfsmittel, vermutlich sogar ohne Stimulation.

Wenn ein Lebewesen ohne sichtbare Einflüsse wie zum Beispiel sexuelle Stimulation plötzlich kommt, wird das als spontane Ejakulation bezeichnet. Die Vermutung, dass es sich bei dem beobachteten Ereignis um eine solche handelt, liegt nahe, da sich kein anderer Delfin im Sichtfeld des Protagonisten befand.

Was genau in einem Tier oder hier explizit in dem gefilmten Delphin vor sich gehen muss, damit es zu dieser spontanen Ejakulation kommen kann, ist dabei noch unbekannt. Die Beobachter der intimen Szenerie schilderten, dass in dieser Zeit ein Auge des Tieres geschlossen blieb – vielleicht ein Hinweis auf bilateralen Schlaf. Die Wissenschaftler um Morisaka spekulieren, dass auch diese sehr entspannten Situation einen Beitrag geleistet haben könne.

Sehr schön ist auf jeden Fall dieser Satz am Ende der Tatsachen-Beschreibung:

After the ejaculation, the dolphin gently swam away.

Der war eben unglaublich entspannt…

Vieleicht hatte der Delfin auch einfach nur einen feuchten Traum – das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, wobei wir mit derlei Einordnungen vorsichtig sein sollten.

Ich schrieb schon mal in einem Artikel, dass es wenig Schlimmeres gäbe als falsche Interpretationen und Assoziationen, wenn es um die Frage nach der Intelligenz im Tierreich geht. Auch die Frage, ob und in wie weit Tiere empathisch sind, bietet Massen von Fettnäpfchen, die der Wissenschaft nicht dienlich sind und den Tieren schon mal gar nicht helfen.

Fazit: Die Ejakulationsforschung steht noch ganz am Anfang. Die Herausforderungen sind dabei groß, schließlich passiert so etwas sehr selten, immer spontan hihi und dauert zudem nur wenige Sekunden. Über Sinn und Unsinn lässt sich gerade hier sicher trefflich diskutieren, die Wissenschaftler beenden ihr Paper dazu mit diesen Worten:

Reports of spontaneous ejaculation from various animals are needed to understand this phenomenon, including in human males, and to reveal its evolutionary function. It is difficult to observe spontaneous ejaculation, which only lasts a few seconds in animals; however, collecting such information is important for an understanding the animal basis of spontaneous ejaculation, or “wet dreams” in human males.

Um die Schweinerei in den Betten pubertärer Jungs lückenlos erklären zu können, braucht es also auch die Hilfe von Delphinen – for Science! Ähem.

Delphine sind seltsam – eine gleichermaßen schleichende wie auch harte Erkenntnis. Selbst dann, wenn man sich schon lange vom möglicherweise gar nicht so heilen “Heile-Welt-Image” früherer Flipper-Folgen entfernt und zusätzlich noch realisiert hat, dass Delphine nicht unbedingt ständig bester Laune sind, sondern uns lediglich ihre Gesichtszüge zu diesem Fehlschluss animiert haben.

Gerade deshalb kann man nie genug forschen und Erkenntnisse gewinnen – auch dann nicht, wenn es sich dabei um etwas derart Intimes aus dem Leben eines Delphins handelt.

In diesem Sinne.


Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

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