SpaceX: Patentgefecht mit Blue Origin

Tagebücher der Wissenschaft

Tagebücher der Wissenschaft

Unterschiedlicher könnten die Positionen mal wieder nicht sein. Auf der einen Seite SpaceX, das Unternehmen von Elon Musk. Auf der anderen Seite Blue Origin, die Privat-Weltraumagentur von Amazon-Eigentümer Jeff Bezos. Space X hat schon eine ganze Reihe von Erfolgen zu verzeichnen und mausert sich mehr und mehr zum Platzhirschen in der Szene der privaten Raumfahrt. Blue Origin muss seine Fähigkeiten erst noch unter Beweis stellen.

Das Landeverfahren, das Blue Origin sich patentieren lassen hat, stammt womöglich gar nicht von Blue Origin.
Das Landeverfahren, das Blue Origin sich patentieren lassen hat, stammt womöglich gar nicht von Blue Origin.

Dieses Mal geht es um Patente. SpaceX verzichtet bewusst auf jegliche Patentanmeldung und lädt die Konkurrenz sogar noch ein, die von ihnen entwickelten Verfahren und technischen Lösungen selbst zu verwenden, und zwar kostenfrei. Das tut SpaceX natürlich nicht wegen seiner karitativen Gesinnung, sondern einfach deswegen, um damit den Markt zu öffnen. Eine möglichst breite Anwendung kostengünstiger Raumtransportverfahren, so ist sich Elon Musk sicher, wird automatisch auch bei ihm zu Zuwächsen im Raumtransport-Business sorgen. Vor allen Dingen, wenn man die Konkurrenz soweit abgehängt hat, wie er.

Blue Origin steht dagegen auf dem exakt gegensätzlichen Standpunkt. Jeff Bezos versucht die erhoffte künftige Marktherrschaft unter anderem dadurch zu gewinnen, dass er selbst noch das trivialste vermeintlich von ihm und seinen Ingenieuren entwickelte Verfahren zum Patent anmeldet. Und genau darüber ist nun ein Streit zwischen Musk und Bezos entstanden.

Es ist keineswegs das erste Mal, dass SpaceX und Blue Origin einen hitzigen Disput ausfechten. Im letzten Jahr versuchte Jeff Bezos Elon Musk daran zu hindern, die ehemalige Shuttle- (und Apollo-) Startanlage 39A am Kennedy Space Center von der NASA zu übernehmen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, erhob Blue Origin damals eine Klage beim U.S. Government Accountability Office (GAO). Das sollte der NASA verbieten, Musk die alleinigen Nutzungsrechte an der Startanlage zu vergeben. Bezos kam damals damit allerdings nicht durch. Elon Musk unterstellte Blue Origin daraufhin indirekt böswillige Absichten. Er argumentierte, dass Bezos‘ Firma überhaupt nicht in der Lage sei, den Startplatz in absehbarer Zukunft zu verwenden. Ganz im Gegensatz zu SpaceX, das die Anlage ab 2015 für die Starts der Falcon 9 „Heavy“ von Cape Canaveral aus nutzen will. Musk höhnte damals: … ich halte es für erheblich wahrscheinlicher, im Flammenschacht der Startanlage 39A tanzende Einhörner zu finden, als dass Blue Origin diese Anlage innerhalb der nächsten fünf Jahre tatsächlich nutzen könnte…

Im aktuellen Fall, und damit kommen wir zur Sache, geht es um ein Landeverfahren für wiederverwendbare Erststufen von Trägerraketen. Die Idee dabei ist, dass nach dem Start eines mehrstufigen Vehikels, nach erfolgter Stufentrennung, die erste Stufe in einem gesteuerten Flug mit dem Heck voraus auf einer im Meer verankerten Plattform niedergeht. Dieses Landeverfahren hat sich Blue Origin im Jahre 2011 unter der U.S. Patentnummer 8678321 patentieren lassen. Man kann jetzt spekulieren, welcher Teufel die U.S.-Patentanwälte überhaupt geritten hat, eine derart triviale Skizze und eine sehr allgemein ausgeführten Idee überhaupt als gestandenes Patent durchgehen zu lassen.

Aber man muss sich ohnehin fragen, was für ein bescheuertes Rechtssystem in den Staaten existiert, wenn man nur mal den aktuellen Fall von Red Bull betrachtet. Das Unternehmen wurde kürzlich zu einer Strafe von 14 Millionen Dollar verdonnert, weil ihre Koffeinbrause den Leuten nicht – wie in der Werbung angekündigt – Flügel wachsen lässt.

Wie auch immer: Blue Origin ist tatsächlich noch viele Jahre davon entfernt, dieses von ihnen patentierte Verfahren auch tatsächlich anwenden zu können. Ganz im Gegensatz zu SpaceX. Elon Musk will schon in den nächsten Wochen exakt diese Prozedur erproben. Als Interimslösung, bis das Unternehmen genug Sicherheit gewonnen hat, um ihre Erststufen auf Land und möglichst in der Nähe des Startplatzes wieder zum Boden zu bringen.

Für SpaceX gilt es jetzt also, dieses alberne Patent zu Fall zu bringen, will man nicht ausgerechnet an den Rivalen Blue Origin Lizenzgebühren zahlen. Und da wurde SpaceX überraschend schnell fündig. Es stellte sich heraus, dass ein japanischer Ingenieur namens Yoshiyuki Ishijima dieses Landeverfahren schon elf Jahre vor Blue Origin in einem wissenschaftlichen Papier unter dem Titel „Re-entry and Terminal Guidance for Vertical Landing TSTO (Two Stage to Orbit)“  im Journal des „American Institute of Aeronautics and Astronautics publiziert hatte“. Ohne gleich auf die abwegige Idee zu kommen, wegen dieser vagen Idee ein Patent einzureichen.

Sollte sich herausstellen, das Blue Origin von dieser früheren Idee wusste, oder sie womöglich sogar einfach kopiert hat, könnte das Patent sogar im ziemlich byzantinischen US-Rechtssystem angefochten werden. Schau mer mal, was daraus wird.

  • Veröffentlicht in: Allgemein
Avatar-Foto

Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

Schreibe einen Kommentar