Riki Daskal: Trotz des drohenden Nebels
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In ihrer trostlosen, anklagenden Dichtung, die mit der Sprache oft bar jeglicher Empathie umgeht, widmet sich Daskal immer wieder dem von ihr bereisten Deutschland.
Trotz des drohenden Nebels
Trotz des drohenden Nebels
Und der Bäume, die aussehen
Wie weit verzweigte Blutgefäße in der durchsichtigen Haut toter Salamander
Trotz der Pferdebremsen, die im verbleichten Haar der Einheimischen schlüpfen
Der Messer, die noch in deren Augen stecken
Und der Pflastersteine, die wackeln
Gleichsam der Schatten, geworfen von des Reiches des Bösen Fahnen
Trotz des majestätischen, doppelschwänzigen Löwen samt emporragender Zunge
Trotz des sanierten Kirchenbaus
Mit dessen Glücksbringer- und Gebräudüften
Trotz der Menschen Schweißes, der immer wieder die roten Wände durchdringt
Und der blutsabbernden Lebkuchen
Trotz der Wunden der Zeit, die sich tiefer denn je
Bei jedem Anblick ringsum widerspiegeln
Auch trotz Abscheu und Ekel
Ertönt das Gezwitscher in Heidelberg
Mit derselben Freude wie überall
Auf dem Marktplatz
Über der glühenden Asche der Hexen vom Heiligenberg
Vertreiben blonde Mädchen den bösen Winter
Und tanzen beim Lenzkult mal wieder
Und das Menetekel
Obwohl schon getilgt
Ist mühelos im Himmel zu lesen