Riki Daskal: Ein Geruch von toten Staren hängt in der Luft
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Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus: ein Gedicht der jüdischen Dichterin Riki Daskal, Jg. 1953, Preisträgerin des hebräischen Schriftstellerbundes 2001. In ihrem Werk setzt sie sich oft mit der Geschichte und dem Holocaust, Europa und dem europäischen Erbe aus.
Ein Geruch von toten Staren hängt in der Luft
Ein Geruch von toten Staren hängt in der Luft
Es ist der Geruch ihrer Angstausflüsse
Ich trete auf die kleinen Bäumchenfrüchte
Die Geräusche bei ihrem Auspressen
Und das Blut, das sie herausspritzen:
Durch die Schuhsohlen
Brennen meine Füße
Auch ich vermochte nicht die Dickichtfrüchte zu pflücken
Deren ausgespritztes Blut
Und unheilbare Flecken
Nimmer verschwinden werden
Es werden alle Stare
Tot aus den Dickichtzweigen
Auftauchen
Sie weinen
Und mit hart schallendem Geflatter
Bedecken sie den ohnedies grauen Himmel.
Erschienen 2000 in »Meines Bauches Memoiren«, nachgedichtet von mir
Beklemmend
Danke für dieses Gedicht! Mich hatte vor allem Paul Celan “Todesfuge” bewegt, der ja die Shoa noch selbst durchlebt hatte. Es ist ein schwieriges, buchstäblich “dunkles” Gedicht, lässt aber einiges von dem Grauen ahnen, durch das die Menschen gegangen sind.
” Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
Paul Celan”
Hi Yoav,
in welcher Sprache ist das Gedicht erschienen, dass du es nachdichten musst?
@ Lars
Hebräisch, darum die Auszeichnung durch den Bund hebräischer Schriftsteller (in der Kategorie Dichtung natürlich).
Ah, Danke.
Ich frag extra, weil die offensichtliche Antwort oft falsch ist…