Riki Daskal: Das tägliche Opfer

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Judentum heißt nicht nur Nation, sondern auch Kult; nicht nur Geschichte, sondern auch Mythologie, die uns, wie der Kult, bis in die Gegenwart begleitet. So auch im folgenden Gedicht der bibelkundigen, anklagenden Dichterin Riki Daskal.

 

Das tägliche Opfer

Mäusen glichen wir in den eitrigen Augen des Allmächtigen
Unmöglich konnte er unser vergoss’nes Blut
Gleichsam Straßen und Gassen strömen sehen
Auch nicht unser Kopfhaar, abgeschlagen wie das Schaubrot
Und nicht unser Kleid, abgerissen samt der Haut
Und als der Fettduft aus den Schornsteinen emporstieg
In seine sich weit öffnenden Nasenlöcher hinein
Wurde er ruhig
Und die Erde blutete still

 

 

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www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

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