Offener Brief an den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Heute habe ich, wie im letzten Text angekündigt, Herrn Dr. Dieter Graumann, den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, den folgenden Brief geschrieben und per E-Mail geschickt:

Sehr geehrter Herr Dr. Graumann,

die Hochschule für Jüdische Studien hat mir, einem ehemaligen Studenten, letzte Woche einen Drohbrief geschickt. Anlass hierfür ist ein von mir geschriebener, teilweise kritischer Text über meine persönlichen Erfahrungen an der HfJS, der auf der Plattform scilogs.de des Verlags »Spektrum der Wissenschaft« erschien, für welchen ich seit 2008 einen “Blog” schreibe.

Obwohl ich meine Erfahrungen mit Dokumenten belegen kann und dies notfalls vor Gericht auch tun werde, droht die Hochschule mit einer Strafanzeige bzw. einem Prozess etc.

Es stellen sich folgende Fragen:

1. Warum hat die Hochschule für Jüdische Studien so viel Angst um ihren Ruf, obwohl es sich hierbei um einen unwichtigen Blog handelt? Kann es sein, dass es gerade deswegen so ist, weil die Hochschulleitung weiß, dass meine Kritik berechtigt ist? Genießt sie dabei die bewusste Unterstützung ihres Trägers, des Zentralrates?

2. Warum versucht die Hochschule gar nicht, ihrem eigenen Bildungsauftrag entsprechend aus der Kritik zu lernen, sondern will diese gleich verschwinden lassen? Halten Sie es als Präsident des Zentralrats für den richtigen Weg, um die dortigen Zustände und somit auch den Ruf der Hochschule zu verbessern?

3. Liegt es im Interesse des Zentralrats als Träger der Hochschule, dass diese Verfolgung eines ehemaligen Studenten durch einen Prozess erst recht an Öffentlichkeit gewinnen würde?

4. Wäre eine solche Prozessführung Ihrer Meinung nach die angemessene Verwendung öffentlicher Gelder, mit denen die Hochschule finanziert wird?

Ich bitte um Ihre Stellungnahme. Dieser Brief erscheint zugleich auch auf der Plattform von »Spektrum der Wissenschaft«.

Mit freundlichen Grüßen
Yoav Sapir

Anhänge:
1. Mein ursprünglicher Text: https://scilogs.spektrum.de/un-zugehoerig/die-hochschule-fuer-juedische-studien-in-heidelberg/
2. Meine Reaktion auf den Drohbrief mit einigen Belegen für meine Kritik: https://scilogs.spektrum.de/un-zugehoerig/die-hochschule-juedische-studien-studenten/

Mal schauen, ob bzw. wie er auf die obigen Fragen antwortet.

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

44 Kommentare

  1. Hallo Yoav,
    nun verstehe ich ehrlich gesagt gar nichts mehr an deiner Argumentation. In vorangegangenen Blogs hast du geschrieben, angeblich gerechtfertigte Kritik am ZdJ während deiner Zeit an der HSJS geäußert zu haben. Dort hat man dir dann einen Maulkorb verpasst… Es ist ja immerhin eine private Hochschule (da ist das dann so eine Sache mit der Nestbeschmutzung)… Und nun bittest du den ZdJ um quasi Schützenhilfe… Na wenn das mal gut geht….

    P.S.: Über alledem steht der deutsche Rechtssaat (nicht der “Schlechteste”), der auch private (Hoch)Schulen finanziert und entsprechende Regeln (für die Finanzierung) aufstellt…

    Schönen Gruß… den Rest kannst du dir selbst zusammenreimen…

    S.H.

  2. Um es aus eigener Lebenserfahrung etwas plastischer auszudrücken:
    Ich habe an einem privaten elitären Gymnasium in der Nähe von München unterrichtet. Dies ist eine Einrichtung der KIG, Katholisch Integrierte Gemeinde, mehr dazu unter http://www.kig-online.de/
    Dort werden Schüler unterrichtet, die aus sehr elitärem Hause kommen, Schulgeld 1000 Euro pro Monat.. Da werden dann gerne mal die Noten per Spendenquittung ausgehandelt…

    Religiöser Dunstkreis auf höchstem Niveau… Shalom

    S.H.

  3. Man kann nur jedem raten seine Bildung (Studium etc.) in Deutschland an einer staatlichen Einrichtung, die unabhängig ist zu absolvieren… Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich diese Freiheit der Bikdung, Lehre und Forschung an staatlichen Bildungseinrichtungen genossen habe!!!
    Dafür würde ich auch jeden Tag für kämpfen, bevor alles des Geldes und der Partikularinteressen den Bach runter geht..

  4. Das Problem an der Sache ist nur, dass sich in unser sehr gutes deutches Bildungswesen, welches ich noch genossen habe, immer mehr die Fraze des Neoliberalismus einschleicht bzw. eingeschlichen hat… Lehre und Forschung sind frei an Deutschen Universitäten… Seit diesem Bachelor und Master- Bologna-Prozess ist hier ein Abschluss in Dtld. nichts mehr wert, bzw. wurde massiv abgewertet!!! Das gute alte Diplom hatte noch eine breite und universelle Ausbildung in allen Fachrichtungen zur Basis… Da wusste man noch, was wissenschaftliche Arbeit bedeutet. Heute ist das bestenfalls eine Eintrittskarte für billige Praktikanten in die Wirtschaft…
    Ein Armutszeugnis..

    S.H.

  5. Ich könnte dich jetzt auch Fragen, was dich dazu getrieben hat, Rabbiner zu werden??
    Wenn du dich schon wissenschaftlich mit der deutschen und jüdischen Geschichte auseinandersetzt, bzw. auseinandergesetzt hast, warum hast du dich dann nicht an entsprechende Geschichtsfakultäten eingeschrieben… Wenn du jüdischer Religionslehrer werden willst/ wolltest, dann ist das ein Widerspruch zu deiner grundlegenden Ausrichtung deiner sehr kritischen Grumdhaltung, die ich in all deinen Blogeinträgen herauslese…. Wenn du ein kritischer Wissenschaftler sein willst, dann rate ich dir, deine berufliche Ausrichtung eher in der Szene der Historiker zu suchen… und nicht in der, der Rabbiner… da musst du dann nämlich auf Linie sein mit deiner Religion… Ich hoffe du verstehst, was ich meine, denn ich kenne die Problematik der Selbstfindung im Kontext der gesellschaftlichen und der Partikularinteressen…

    Gruß S. H.

  6. Das Judentum, bzw der Einfluss des Judentums auf die europäischen Gesellschaften (gestern und heute), ist ein interessantes und ganz erstaunliches Thema. Soviel steht mal fest. Ich fürchte, das die offizielle Erzählung nicht so ganz die Realität wiedergibt.

    zur Lektüre empfehle ich u.a. diese Seite. Ich verfolge das seit einiger Zeit, es wird niemals zu Gewalt oder o.ä. aufgerufen, daher hier der link

    [Bitte verlinken Sie nicht auf menschenverachtende Inhalte. Danke. Die Redaktion]

    • Sie wissen aber schon, wer dieser David Duke ist, oder?
      Dass Yoav diesen Link zu einem Nazi und früher führenden Mitglied des Ku Klux Klans auf seinem Blog durchlässt, macht mich noch stutziger.

    • Ham’Se den Ku Klux Klan zitiert oder die US-amerikanische NSDAP oder irgendein Netzwerk sogenannter freier Kräfte?
      MFG
      Dr. W (der es schon ganz gut findet, wenn auch nationale Sozialisten beitragen können, sofern bestimmte Grenzen der Meinungsäußerung (Gewaltaufrufe bspw.) beachtet werden – hier aber keinen Zusammenhang zum Artikel sieht, dieser ist wichtig bzw. sollte gegeben sein, wenn kommentiert wird)

      • Zitat dieses Wendehalses:”Das Judentum, bzw der Einfluss des Judentums auf die europäischen Gesellschaften (gestern und heute), ist ein interessantes und ganz erstaunliches Thema.”
        Es wird niemals zu Gewalt aufgerufen…. Das bezieht sich ja auf die Webseite dieses David Duke, dessen Verschwörungstheorien gegen Juden und die Bemühung für dessen kruden “Weltjudentumstheorien bzw. -praktiken” hier in Deutschland unter die Kategorie Volksverhetzung fallen würden… Dass das in der Konzeption des Judentums liegt, steht auf einem anderen Papier.. Und zum Thema nationaler Sozialismus nur so viel: Stichwort Walther Rathenau und Volksstaat… Walther Rathenau war Jude… deutscher Jude…
        Jetzt erklären Sie mir bitte mal die Schizophrenie die dahinter steht…
        Danke schöne

        S.H.

        P.S.: Vielleicht sollte es man bei jeglichen ideologischen -ismen ‘mal mit Sozialisation über künstliche Grenzen hinaus versuchen und sich nicht an künstlichen Konstrukten festklammern… Der Mensch ist ja lernfähig

        • Abgesehen von dieser seltsamen Diskussion, die mich nichts angeht, möchte ich auf deine Frage “Jetzt erklären Sie mir bitte mal die Schizophrenie die dahinter steht…” mit einem Hinweis auf Peter Gay (geb. Fröhlich), “Freud, Juden und andere Deutsche” antworten. Da findest du reichlich Erklärungen.

          PS mir sind extrovertierte Antisemiten wesentlich lieber als latente.

          • Lieber Yoav,
            mit dem Wort Antisemit (Sem=Abstammung Abrahams von Sem als ältester Sohn Noachs) habe ich eh ein Problem…Ich habe mit religiösen Stammbäumen generell ein Problem… Zu diesen Stammbäumen gehören auch jüdische Stammbäume… Wobei wir dann wieder beim gleichen Thema wären… ein perpetuum mobile… Aber den Link zu David Duke hast du ja gelöscht…

            S.H.

          • Antisemitismus gibt es seit dem 19. Jahrhundert, der Bezug zur Bibel war von Anfang an höchst metaphorisch.

            Nicht ich habe gelöscht…

          • Es ging, Yoav, um die Äußerung nationaler Sozialismus…
            Es geht mir darum, zu verdeutlichen, dass gerade Juden im damaligen Deutschland vor der nationalsozialistischen Herrschaft sich eben auch als zur deutschen Nation bzw. zum deutschen Volk zugehörig fühlten, bzw. schlichtweg dazugehörten… Dann kam die Ausgrenzung der “Juden”, weil irgendwelche Zionisten eben auch die Juden als Volk und Nation und religiöse Minderheit im christlichen Europa als Fremdkörper sahen… (Allgemeiner Nationalismus in Europa)… Die Schizophrenie, die ich angesprochen habe, liegt darin, dass sich eben ein Walther Rathenau, wie auch viele andere deutsche Juden NICHT als eigenes Volk sahen, sondern als Deutsche…
            Mein Urgroßvater war 1941 “nur noch Jude” im völkischen “antisemitischen” Sinn. Und 1944 wurde er deportiert nach Theresienstadt.. Man hat aus der völkischen Idee des Germanentums die völkische Idee des Judentums gemacht… obwohl die Juden in Mitteleuropa (Deutschland etc.) dort seit 1700 Jahren lebten und sich in die Bevölkerung quasi assimiliert hatten…
            Aber sie hatten ja “alle ihre Wurzeln im gelobten Land laut Bibel”… was völliger Blödsinn ist.. Das einzige was überliefert war, war die Thora… sonst nichts…
            Mein Großvater war ungarischer Jude… Mischehen, Khasaren, Konvertiten, Missionierung etc. p.p. Das Judentum ist in erster Linie eine Religion… Hier mit der Herkunfts- und damit der Antisemitenkeule zu kommen ist ein Schlag ins Gesicht meiner jüdisch-gläubigen Vorfahren, die jeden Freitag an Shabbat die Menora angezündet haben und das Schma Jisrael gebetet haben…was meine jüdische Familie in USA als reformierte amerikanische Juden immer noch tun und regelmäßig in den “Temple” gehen…
            Wenn wir uns alle auf die Herkunft berufen würden, dann müssten ja auch alle Christen ihre Heimat in Israel haben, ihr jüdischer Befreier ans Kreuz genagelt wurde… Was soll dieser Herkunftsmist?

            P.S. Freud, Juden und andere Deutsche Freud=Jude=Deutscher, Nix mit nationaler Jude…. Das haben die Zionisten erfunden, bzw. war ein Vorwand die deutschen Juden am besten wieder dahin zu schicken, wo sie nach biblischer Überlieferung hingehören.. Das wollten die meisten aber gar nicht.. Und das wollen bis heute die 6 Mio. jüdischen US-Bürger auch nicht..

            S.H.

          • Ich habe kein Problem damit, dass du die Vergangenheit so interpretieren, ja für dich konstruieren willst. Nur mit den Tatsachen hat es nicht viel zu tun, aber ich sage ja selber, dass Geschichte ein subjektives Konstrukt ist.

          • Zitat: “PS mir sind extrovertierte Antisemiten wesentlich lieber als latente.”

            So, so: Mit anderen Worten: Mir sind extrovertierte Nazis auch lieber als latente linke Antifaschisten und Pazifisten….Ich habe verstanden… Ich richte ein Gebet an meinen Urgroßvater….

            S.H.

            P.S.: Wenn du den Sermon dieses David Duke auch noch gut heißt, dann… dann ist ja alles gesagt…

            Du unterstellst mir latenten Antisemitismus!

            Ich verweise auf die Ausführungen von Shlomo Sand… dann klappt das irgend wann mit der Idee von “Staat” “Volk” und “Religion”…. hat in Europa lange genug gedauert…..

            Shalom

          • Ich unterstelle dir gar nix. Der Vergleich erfolgt nicht mit dir, sondern mit (deutschen) “Gutmenschen” à la HC Ströbele.

            Ich habe (wohl im Ggs. zu dir) die ganze Trilogie von Sand gelesen und finde seine Hypothesen wirklich interessant. Seine Schwäche ist der Versuch, aus seiner subjektiven Sichtweise allgemeine Regeln abzuleiten. “Für mich gibt es kein jüdisches/deutsches/polnisches Volk” ist eine vollkommen nachvollziehbare und legitime Aussage. Weniger legitim, sondern eher größenwahnsinnig, wird es bei der Aussage “Für mich gibt es kein … Volk und deswegen gibt es so etwas auch für alle anderen Menschen nicht”.

          • Wenn das nicht gegen mich war, was den latenten Antisemitismus betraf, dann entschuldige ich mich hiermit… Die Bücher von Shlomo Sand habe ich gelesen… Zum Thema Volk (ungleich Ethnie) insbesondere was das jüdische Volk betrifft (englisch genauer mit dem Begriff “people” als “Leute” zu übersetzen) verweise ich auf den Theologen Hans Küng.

            S.H.

          • P.S.: Ein Volk definiert sich zu allerest durch eine gemeinsame Sprache… (im Übrigen momentan die Problematik in der Ukraine, auch wenn das ukrainische sehr stark mit dem russischen als slawische Sprache verwandt ist)…
            Zur Sprache kommt die daraus hervorgehende Kultur…
            im Falle des jüdischen in Europa eben auch das jiddische… (ein deutscher Dialekt)… Mitnichten ist das Judentum nur eine religiöse Frömmelei, sondern auch eine kulturelle Identität…. Ein Volk im Sinne einer Nation ist es hingegen nicht….. Das gilt übrigens für den gesamten Kontinent Europa… Deswegen bin ich so vehement gegen “Nationalismus”…. Israel hat seine eigene (wiedergefundene) Sprache, hebräisch, von typisch jüdischer Kultur kann keine Rede sein (teilweise auch nicht, was die Sprache betrifft)… Und zu alledem kommt noch die jüdische Religion hinzu, als Grundlage des “Jüdischen”… Ein Gemengelage mit viel Sprengstofff… Bis heute gibt es keine Zivilehe im größtenteils säkularen Israel…

            S.H.

          • “Ein Volk im Sinne einer Nation ist es hingegen nicht…” – für dich nicht, was mir ganz recht ist, wie Millionen anderer Juden auch, für die es sehr wohl eine Nation ist.

          • PS mir sind extrovertierte Antisemiten wesentlich lieber als latente.

            Interessante Anmerkung, haben Sie dazu schon mal was geschrieben?
            MFG
            Dr. W

          • Ist jedenfalls eine interessante Fragestellung.
            Wenn Ihnen mal bei Gelegenheit etwas dazu einfällt…
            MFG
            Dr. W (der sich am Rande immer mal wieder mit dem zeitgenössischen Antisemitismus beschäftigt)

          • Hallo Yoav,
            mit deiner Antwort kann ich mangels Differnziertheit nichts anfangen:

            Den Unterschied zwischen juristischer und sozialer Emanzipation kenne ich nicht. Ich habe noch nie etwas von juristischer Emanzipation gehört… Ich kenne “jüdische Emanzipation” aber nicht juristische. Soziale Emanzipation kenne ich auch nicht, ich kenne Emanzipation nur im Verhältnis zu den Geschlechtern und im Verhältnis zu Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz…

            Ein bisschen mehr Substanz (Kritik/ Gegenargumete) zu meinen Ausführungen wären da schon angebracht.. im Zeitalter der Wissenschaften und der Aufklärung… auf der Suche nach der Objektivität.

            S.H.

          • Entweder suchst du nach einer “objektiven” Wirklichkeit, die von subjektiven Fantasien abhängig ist, oder du lässt auch die subjektiven Fantasien als Teil der Wirklichkeit gelten – mit dem Ergebnis, dass man dann vor zahlreichen persönlichen Wirklichkeiten sprechen und den Glauben an eine einzige “Objektivität” aufgeben muss. Beides zusammen ist ein Widerspruch in sich.

        • Ok, Yaov, der Unterschied zwischen “Volk” und “Nation”:
          http://de.wikipedia.org/wiki/Nation (Sprache, Sitten, Kultur, Abstammung)
          http://de.wikipedia.org/wiki/Volk (Angehörige gleicher Sprache und Kultur)

          Ich verweise noch einmal auf Hans Küng:

          http://de.pluspedia.org/wiki/Judentum

          desweiteren:

          http://de.wikipedia.org/wiki/Weltethos

          Desweiteren:

          http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3043

          DIe Tatsache, dass man aus dem Judentum einen völkischen und nationalen Begriff gemacht hat, ist den Herren “Nationalisten” des letzten Jahrhunderts geschuldet… Diese Denke hat ein Großteil meiner Familie mit dem Leben bezaht…
          Der einzige der überlebt hat, väterlicherseits, war mein Urgroßvater und mein Großvater… die waren plötzlich “nur noch Juden”

        • Zum Verhätnis Volk-Nation-Staat-Religion noch eine Anmerkung, auch wenn nicht direkt mit deinem Blogeintrag zusammenhängend:

          1. Eie wichtige Unterscheidung, was das Judentum der Neuzeit betrifft, liegt in der Entwicklung des Ost- und des Westjudentums im 18. und 19. Jahrhundert. Während sich das Ostjudentum (Polen, Russland etc.) weiterhin seiner religiös-traditionellen Überlieferung des/r Talmud/ Thora verbunden fühlte (Stichwort Schtetl, Chassidismus), konnte/ hatte sich das Westjudentum durch die Emanzipationsbewegung und der erhaltenen Bürgerrechte in die westeuropäischen Staaten integrieren/t. Mit der Trennung von Kirche und Staat durch die Französische Revolution wurden Bürger der einzelnen europäischen Nationen/ Völker zu Staatsbürgern. Die Entwicklung im russischen Zarenreich verlief bekanntlich anders. Hier wurden Juden weiterhin pogromartig ausgegrenzt und verfolgt.

          2. Aus 1. folgend hat sich die Geschichte der Westjuden auch anders entwickelt, als die der Ostjuden. Damit ist auch zu erklären, dass sich eben deutsche oder auch französische Juden als (Staats-)Bürger ihrer jeweiligen “Heimatländer” begriffen, also Deutsche, Franzosen, Niederländer, Belgier, Ungarn/ Österreicher etc. waren. also Teil einer Vielvölkergemeinschaft/ Nation.

          3. Der eigentliche jüdische Nationalismus (Zionismus) ist ein sozialisitscher Zionismus, der sich vornehmlich aus der emanzipatorischen Bewegung des Ostjudentums speist. (z. B. Wladimir Jabotinsky)

          Quintessenz: “DIE” jüdische Nation von der du ausgehst ist eher eine Entwicklung die sich im Ostjudentum vollzogen hat, nachdem hier die Integration der Juden in die zaristisch-russische Gesellschaft durch offensichtliche antisemitische Ausgrenzung gescheitert ist, da eine Assimilierung und Trennung von Bürger, Staat und Religion nicht stattfand. (Da wurde den Juden und allen anderen (christlichen) Bürgern die Religion (als Kulturgut) durch den Sozialismus einfach ausgetrieben)

          Fakt ist demnach auch, dass das heutige Israel eben genau aus diesen ostjüdischen Kräften politisch besteht.

          Erstaunlich ist zudem, dass sich gerade aus dieser ostjüdischen Strömung ein latenter Nationalismus entwickelt hat, in welchen das Westjudentum einfach mal, ohne es zu wollen mit reingeraten ist… Der Nationalsozialismus hat dann “Tabula Rasa” gemacht und ungeachtet der unterschiedlichen Sozialisation der vor-nationalistischen Zeit in Europa alles über einen Kamm geschoren…

          S.H.

          P.S.: Dass Israel seinen eigenen Staat zurück hat und damit, als durch politischen Willen eine eigene Nation bildet steht außer Frage…. Ob es allerdings an dem Willen aller Juden gebunden ist, die diesen “Judentstaat” als solchen betrachten steht auf einem ganz anderen Papier…. Das Dilemma liegt im Schicksal des Judentums als (ethnisches) Volk und Religion, welches untrennbar miteinander verbunden ist selbst… Nur eine Trennung zwischen Volk, Staatszugehörigkeit und Religion nach dem Vorbild der westlichen Aufklärung kann aus diesem Dilemma herausführen.
          Und nichts anderes hat Shlomo Sand im Prinzip gesagt, unabhängig von seiner sehr kruden Vorstellung, dass es keine Völker gäbe…

          • Dir fehlt nach wie vor an Differenzierungsvermögen: zwischen juristischer und sozialer Emanzipation, Theorie und Praxis, Fantasie und Realität.

          • Hallo Yoav,
            mit deiner Antwort kann ich mangels Differnziertheit nichts anfangen:

            Den Unterschied zwischen juristischer und sozialer Emanzipation kenne ich nicht. Ich habe noch nie etwas von juristischer Emanzipation gehört… Ich kenne “jüdische Emanzipation” aber nicht juristische. Soziale Emanzipation kenne ich auch nicht, ich kenne Emanzipation nur im Verhältnis zu den Geschlechtern und im Verhältnis zu Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz…

            Ein bisschen mehr Substanz (Kritik/ Gegenargumete) zu meinen Ausführungen wären da schon angebracht.. im Zeitalter der Wissenschaften und der Aufklärung… auf der Suche nach der Objektivität.

            S.H.

          • Juristische Emanzipation: Gleichberechtigung für Juden/Schwarze/etc. auf dem Papier eines Gesetzes. Ob die Verlautbarung des Gesetzes auch in der breiten Gesellschaft (soziale Emanzipation) respektiert wird, ist eine ganz andere Frage.

          • Als Wissenschaftler sollte man nicht zwischen Ph(F)antasie und Realität unterscheiden, da die Fantasie die man sich so zusammenreimt teil der Realität ist/ wird. Das hat in diesem Europa lange genug gedauert..
            Wie gesagt, den Unterschied zwischen juristischer und sozialer Emanzipation kenne ich nicht… Ich kenne nur die Emanzipation des Menschen von ideologischen Überzeugungen (Einstein und sein Verhältnis zu seiner “Volkszugehörigkeit und seiner Reigion”) und der allgemeinen Freiheit des Einzelnen ungeachtet seiner Weltanschauung… Dazu gehört eben auch das Judentum, genauso wie das Christenum, der Islam und sonstige Frömmeleien, die man mit ein bisschen Menschenverstand auf ein paar Worte reduzieren kann… Da braucht man nicht ein ganzes Sammelsurium an “Gesetzen”….
            Da genügt das Konzept der Menschenrechte (Weltethos) und die Gleichheit eines jeden Menschen vor den Errugenschaften des (jüdisch-christlichen) Humanismus.. Der menschliche Betonkopf, ob jüdisch, christlich, islamisch, buddhistisch, hinduistisch etc… unterscheidet sich im Prinzip in keinster Weise…. allen ist der Humanismus immanent…. nur eines haben wohl alle nicht gemein: den gleichen ethnischen Ursprung, auch wenn alle ein Konzept der Spiritualität (Über-Ich) vereint… daran krankt die Welt…

          • Richtig, auch die Fantasie gehört zur menschlichen Realität. Aber dann hat “Objektivität” keine Geltung mehr. Es muss also heißen: Die Realität in der Fantasie von X, Y, Z… Freilich wollten Juden in Deutschland als Deutsche anerkannt werden und pflegten entsprechende Fantasien. Aber wie verhielt es sich bei den anderen? War diese Vorstellung je ein Konsens?

          • /Zitat/: juristische Emanzipation: Gleichberechtigung für Juden/Schwarze/etc. auf dem Papier eines Gesetzes. Ob die Verlautbarung des Gesetzes auch in der breiten Gesellschaft (soziale Emanzipation) respektiert wird, ist eine ganz andere Frage. /Zitatende/

            Ok, eine Konkretisierung anhand eines Beispieles hilft bei wissenschaftlichen Begriffen ungemein. Damit kann ich nun was anfangen.

            Beim Thema Emanzipation stellt sich immer die Frage:”Wer emanzipiert sich vor was oder wem?” Emanzipation steht also im Spannungsfeld von Mehrheit/ Minderheit bzw. was du wahrscheinlich meinst, die Auto-Emanzipation im Sinne von “Einfordern von Respekt” vor dem “vermeintlich Anderen”, nicht der Mehrheit zugehörig. Hautfarbe, Religion, sexuelle Ausrichtung etc.

            Gleichberechtigung Juden/ Schwarze…. verstehe ich wiederum nicht, so weit ich weiß gibt es auch schwarze Juden 🙂 oder ist mir da was entgangen

          • Zitat: “Richtig, auch die Fantasie gehört zur menschlichen Realität. Aber dann hat “Objektivität” keine Geltung mehr. Es muss also heißen: Die Realität in der Fantasie von X, Y, Z… Freilich wollten Juden in Deutschland als Deutsche anerkannt werden und pflegten entsprechende Fantasien. Aber wie verhielt es sich bei den anderen? War diese Vorstellung je ein Konsens?”

            Ich glaube nicht, dass mein Urgroßvater irgend welche Fantasien hegte, als er noch im ersten Weltkrieg als Deutscher diente und später ausgezeichnet wurde, wie übrigens viele deutsche Juden… Die “Fantasie” der deutschen Juden einfach Bürger ihres Landes zu sein wurde mit der Machtergreifung und der schleichenden “Arisierung” des deutschen Reiches diesen Menschen einfach weggenommen… In der Ideologie des Nazismus gab es keinen Konsens… Dieser Abschaum der Menschlichkeit (nicht nur gegen Juden sondern auch gegen Andersdenkende, Krüppel, psychisch Kranke etc. Stichwort Eutanasie) kannte keine Gnade….. Dieser Abschaum kannte nur eins: reine Selektion…. und das perverse an diesem System war, dass ein paar wenige die Massen dahingehend manipulieren konnte… Wer das durchschaut hat, ein bisschen Menschlichkeit in sich trug und die Mittel hatte, hat sich schleunigst vom Acker gemacht (Marlene Dietrich)
            Über Reni Riefenstahl wird bis heute leidenschaftlich diskutiert, was ihre Einstellung zum Naziregime betraf…

          • ” Ich glaube nicht, dass mein Urgroßvater irgend welche Fantasien hegte, als er noch im ersten Weltkrieg als Deutscher diente und später ausgezeichnet wurde, wie übrigens viele deutsche Juden…” – lies z. B. “süß und ehrenvoll”, um zu verstehen, warum diese Sichtweise schon damals eine Fantasie war, und zwar eine für die Juden ganz verheerende.

          • /Zitat:/ lies z. B. “süß und ehrenvoll”, um zu verstehen, warum diese Sichtweise schon damals eine Fantasie war, und zwar eine für die Juden ganz verheerende. /Zitatende/

            Du sprichst immer wieder von der sog. “Wahrheit” im Kontext der Geschichte, also das “Hineinversetzen können” in die jeweilige Zeit.

            Hierzu einige sehr private Anmerkungen:

            Mein Urgroßvater hat 1911 eine Christin geheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor (geboren 1913 und 1916), eine, meine Großmutter. Christlich erzogen, allerdings mit enger Bindung auch zum jüdischen Glauben.
            Die Tatsache, dass die Ehe und auch die Geburt vor dem Reichsbürgergesetz 1935 war, hat nicht nur meiner Großmutter als quasi “Halbjüdin”, sondern auch ihrem Vater den Weg in die Gaskammer erspart. Meine Großmutter und ihre Schwester konnten ihren Vater bis 1944 vor den Nazis in Berlin “verstecken”, ehe er ins “Vorzeigelager” Theresienstadt deportiert wurde. Alle sechs Geschwister meines Urgroßvaters wurden schon viel früher nach Ausschwitz deportiert und vergast.

            Zum Begriff “Geltungsjude”, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Geltungsjude

            Ich pflichte dir voll bei, dass die Assimilierung der Juden in (West-)Europa mit Sicherheit für viele Juden ein großes Problem der “Identität” bedeutete, nicht für alle…. Den Buchtipp nehme ich auf und werde mir den Roman kaufen. Klingt in der Rezeption sehr ergreifend… Danke.

            S.H.

          • Es gab viele wie dein Urgroßvater. Und du hast vollkommen Recht, wenn du sagst, dass auch er und seinesgleichen ihre eigene, gefühlte Wahrheit hatten, die als Fantasie, genauso wie Hitlers späterer Rassenwahn, ein Teil der damaligen Realität war, aber eben nur ein Teil.

            Wenn ich den Nazis ihre Wahrheit “gönne”, heißt es nicht, dass ich der Meinung wäre, die Juden wären damals wirklich eine Gefahr für die Welt gewesen. Es heißt nur, dass ich die Welt *auch* aus der damaligen Perspektive der Nazis zu betrachten versuche. Und so verhält es sich auch mit Juden wie deinem Urgroßvater: Wir sollten versuchen, ihre Handlungen und ihr Denken aus ihrer (annähernd nachgezeichneten) Perspektive zu betrachten, was aber nicht heißt, dass wir die Inhalte ihrer Fantasien mit der damaligen Realität gleichsetzen.

          • P.S.: Als meine Großmutter vor zwei Jahren starb, hat mein Vater und mein Onkel im Speicher ihres Hauses Feldpost meines Urgroßvaters gefunden. Auch die Auszeichnung “Eisernes Verdienstkreuz”…. Die Parallelen zum Roman sind unverkennbar.. Weder meine Großmutter, geschweige denn mein Urgroßvater, nach seiner Befreiung aus Theresienstadt, haben je über die tragische Zeit gesprochen. Mein Urgroßvater hat kein Wort mehr über die schreckliche Zeit verloren… Auch mein Großvater väterlicherseits hat über seine jüdischen Wurzeln nie ein Wort verloren….. Mein Vater spricht überhaupt nicht über seine Herkunft, er hält nicht viel davon… S.H.

          • Der Kommentar ist verrutscht:

            Mein Urgroßvater war stolzer Jude, die ganze Familie Bettmann waren stolze Juden…. ein Teil ist schon um 1900 nach USA ausgewandert, ein anderer Teil nach Großbritanien… Noch heute (wieder, nach der Nazizeit) wird die “Bettmannsäge” im Bayerischen Wald nach einem Verwandten meines Urgroßvaters bezeichnet, auch Siegfried Bettman (Triumph) gehört zu dieser Frankfurter und Nürnberger jüdischen Familie…

            http://regiowiki.pnp.de/index.php/Bettmanns%C3%A4ge
            http://de.wikipedia.org/wiki/Triumph_%28Auto%29

            S.H.

          • Schreib doch mal einen längeren Text mit dieser Geschichte – sagen wir mal: anlässlich des 100. Jahrestag des 1. Weltkrieges – und ich veröffentliche ihn hier als Gastbeitrag.

  7. Und Yoav, ich verstehe sehr gut was es heißt, dem jüdischen Volk anzugehören… Es ist eine spirituelle, kulturelle und religiöse Einmaligkeit auf der Welt… Die sollte sich diese Volk auch bewahren, ungeachtet jeglicher territorialer Grenzen… So wie es Gott dem jüdischen Volke prophezeit hat.. Bis zum Tage des jüngsten Gerichtes… Genau das macht das Jüdische aus…
    S.H.

    • Der Schreiber dieser Zeilen hat sich politisch nie so blamiert wie bei einem Israel-Besuch vor ca. 30 Jahren und ähnliche Themen anschneidend, obwohl nie “antizionistisch”, aber doch irgendwie medial-politisch verhunzt.
      Keine Ahnung wie alt Sie sind, aber Sie müssen sich da mal ein wenig locker machen und in Betracht ziehen einiges nicht verstanden zu haben.
      MFG
      Dr. W

      • …einiges nicht verstanden zu haben?…. Das Judentum in seiner Gesamtheit zu verstehen ist mehr als schwierig, damit haben viele Juden eh auch selbst ihre Schwierigkeiten… Ich habe an anderer Stelle schon mal geschrieben, dass man hier durchaus die unterschiedlichen Strömungen des Judentums betrachten muss…
        Wenn Sie schreiben, Sie hätten es da mal in Israel “medial-politisch verhunzt”, sind aber nicht antizionistisch (was ja für viele auf die die Stufe mit antisemitisch gestellt wird), dann würde mich mal interessieren, was da schief gelaufen ist. Ich bin da übrigens ganz locker, da ich der Religionsgemeinschaft der Juden nicht angehöre und mich genetisch nicht auf meine jüdischen Vorfahren berufe…

        P.S.: Wenn man es übrigens mit den Ideologien des Zionismus/ Nationalismus wörtlich nehmen würde, dann wären demzufolge die (ultra) othodoxen Juden ja alle Antisemiten, da sie im Grunde genommen der Überlieferung Ihrer Bibel nach den Staat Israel ablehnen (=eigentlich Antizionisten). Dass sie allerdings kein Problem damit haben, fleissig Siedlungen auf ihrem heiligen Land jenseits der UNO-Grenzen zu bauen bzw. sich mit fremdem Geld bauen lassen, passt dann wiederum auch nicht zusammen… Jeder konstruiert sich eben seine Wahrheit so, wie er sie gerne haben möchte, ungeachtet jeglicher anderer Interessen…

        S.H.

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