Die Auflösung der Judenfrage. Das Bild des Juden im Spielfilm der DDR: Kapitel III

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Dies ist eine unformatierte Version der Magisterarbeit "Die Auflösung der Judenfrage. Das Bild des Juden im Spielfilm der DDR", erforscht und geschrieben von Yoav Sapir an der Hebräischen Universität Jerusalem, 2004-2006. Diese unformatierte Version dient allein der Erschließung durch Google. Wenn Sie sich für die Arbeit interessieren, empfehle ich Ihnen wärmstens, kostenlos die PDF-Version herunterzuladen: Klicken Sie hier.


 

 

 

III. Das Quellenmaterial und nicht behandelte Filme

 
III.a. Liste der Spielfilme und Fernsehmehrteiler[181]

 

1. Ehe im Schatten. Kurt Maetzig. SBZ, DEFA, 1947

2. Affaire Blum. Erich Engel. SBZ, DEFA, 1948

(Der Rat der Götter.[182] Kurt Maetzig. DDR, DEFA, 1949-50)

3. Das Beil von Wandsbek. Falk Harnack. DDR, DEFA, 1950-51[183]

4. Sterne. Konrad Wolf. DDR/Bulgarien, DEFA u. Studio für Spielfilme Sofia, 1958-59

5. Professor Mamlock. Konrad Wolf. DDR, DEFA, 1960-61

6. Nackt unter Wölfen. Frank Beyer. DDR, DEFA, 1962

7. Lebende Ware. Wolfgang Luderer. DDR, DEFA, 1966

(Ich war neunzehn.[184] Konrad Wolf. DDR, DEFA, 1967-68)

8. Die Bilder des Zeugen Schattmann. Kurt Jung-Alsen. DDR, DFF[185], 1971-72

9. Jakob der Lügner. Frank Beyer. DDR, DEFA u. Fernsehen der DDR[186], 1974

10. Levins Mühle. Horst Seemann. DDR, DEFA, 1979-80

11. Hotel Polan und seine Gäste. Horst Seemann. DDR, Fernsehen der DDR, 1980-82

12. Stielke, Heinz, fünfzehn. Michael Kann. DDR, DEFA, 1985-86

13. Die Schauspielerin. Siegfried Kühn. DDR, DEFA, 1987-88

14. Bronsteins Kinder.[187] Jerzy Kawalerowicz. BRD, Novafilm u. ZDF, 1990-91

 
III.b. Klarstellungen und Vorbehalte hinsichtlich der Filmliste

 

1.             Zu den Jahresangaben muss bemerkt werden, dass es eher schwer zu bestimmen ist, welches Jahr einem Film zugeschrieben werden sollte, weil die Herstellung und die Erstaufführung nicht immer in ein und demselben Jahre stattfanden.[188] Deshalb habe ich die meisten der obigen Angaben dem Filmportal.de[189] entnommen, mit denen den Zeitraum vom Anfang der tatsächlichen Dreharbeit bis zur Zensurgenehmigung des jeweiligen Films (auf welche die Uraufführung gewöhnlich, aber nicht immer nach kurzem erfolgt) gemeint ist. Ausnahmen von dieser Regel bilden die beiden Fernsehmehrteiler, die nicht auf Filmportal.de, sondern im Kabel1-Filmlexikon[190] verzeichnet sind, wobei die dort angegebenen Zeiträume immerhin nach ähnlichen, wenn nicht gleichen Kriterien bestimmt zu werden scheinen.

 

2.             Es fällt schon die Lücke zwischen den Jahren 1951-58 auf, in denen keine Filme zum Thema gedreht wurden. Das sind die Jahre der stalinistischen Judenverfolgung im Allgemeinen und in der noch nicht »unabhängigen«[191] DDR im Besonderen (1952-53) sowie deren Folgezeit.[192] Inwiefern das eine mit dem anderen zu tun hat, ist ebenfalls interessant: Womöglich geht diese (Nicht-)Erscheinung auf irgendwelche nach dem Tode Stalins übrig gebliebene Stimmung zurück, die verursachte, dass die Aufarbeitung der ostdeutschen Judenfrage – gerade nach ihren eindrucksvollen Ansätzen – vorläufig zum Schweigen gebracht wurde. Jedoch müssen wir uns hier mit einer bloßen Vermutung begnügen, denn eine ernsthafte Antwort darauf würde unsere gegenwärtige Fragestellung wohl überschreiten.

 

3.             Weiters wäre es hier wohl am Platze, eine kurze Erläuterung dazu zu geben, warum unsere Analyse (wie sowohl aus der obigen Liste als auch aus dem Titel dieser Arbeit ersichtlich wird) auf eine Grundgattung des filmischen Mediums, nämlich auf den Spielfilm, beschränkt ist und andere, sozusagen »sachliche« Gattungen, wie den Dokumentarfilm und die aktuelle Berichterstattung (ob in der Wochenschau oder im Fernsehen), vorerst unbeachtet lässt, obwohl das jüdische Thema auch dort aufgegriffen wurde. Als Erstes möchte ich klarstellen, dass es m. E. keine grundsätzlichen oder wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Grundgattungen gibt. Ganz im Gegenteil: Ein Dokumentarfilm kann ebenso »fiktiv« sein, wie ein Spielfilm »wirklich« sein kann;[193] man denke etwa an den nationalsozialistischen Hetzfilm Der ewige Jude. Dokumentarfilm über das Weltjudentum (Fritz Hippler, 1940) oder – mit Entschuldigung für die scheinbare Gleichsetzung – an Woody Allens (allerdings ganz ernsthaften) Komödienfilm Zelig (USA, 1983), der vollkommen als Dokumentarfilm gestaltet ist.[194] Mein Entschluss, die Herausarbeitung einer jüdischen Gruppenidentität in den sachlichen Gattungen des ostdeutschen Films einem künftigen Forschungswerk vorzubehalten, rührt mithin ausschließlich von der Notwendigkeit her, den Rahmen dieser Arbeit begrenzt zu halten, um sie doch noch als eine Magisterarbeit durchführen zu können.[195] Dasselbe gilt natürlich für andersartige Medien.

 
III.c. Statistische Überlegungen

 

Insgesamt hat die DEFA »rund 12.000«[196] Filme, darunter etwa 950 Spielfilme hergestellt. Angesichts dieser Zahlen scheinen die 13[197] Spielfilme, mit denen wir uns befassen werden, recht wenig zu sein – umso mehr, wenn die Juden ja unterm Schatten der drei oben erläuterten Bedeutungsströme stehen sollen. Wir müssen aber den größeren Zusammenhang in Erwägung ziehen, um diese Zahl richtig beurteilen zu können:

 

Erstens bezieht sich Christiane Mückenberger in ihrem Aufsatz »The Anti-Fascist Past in DEFA Films« auf 24 Filme.[198] Dort werden aber auch Filme einbezogen, deren Beziehung zum Antifaschismus eher beschränkt ist; nehmen wir folglich an, dass sie fast alle zur Sache gehörigen Filme aufzählt, so kommen dabei sechs der Filme in Mückenbergers Aufsatz auch in unserer Liste vor – obwohl ich sagen würde, dass sich mindestens 12 der unsrigen in irgendwelcher Weise auf das Thema »(Anti-)Faschismus« beziehen. In einer Liste des »Progress«-Filmverleihs[199] zum Thema »Antifaschismus« sind 21 Spielfilme erfasst – über diejenigen in unserer Liste hinaus, die von vorneherein nicht in dieser Liste aufgeführt worden sind. Also höchstens 34 (und nach Mückenberger 24) Spielfilme beschäftigten sich während mehr als vierzig Jahren mit dem Leitmotiv des ostdeutschen Films, dem Gründungsnarrativ der DDR. Wurde schätzungsweise (und tatsächlich, wie im nachfolgenden Punkt erklärt, mehr als) ein Drittel von ihnen dem jüdischen Thema innerhalb des Gründungsnarratives gewidmet, so macht schon die Zahl der Filme in unserer Liste einen ganz anderen Eindruck.

 

Zweitens werden hier nicht alle Filme berücksichtigt, die sich irgendwie mit dem jüdischen Thema beschäftigen, sondern ausschließlich solche, bei denen jüdische Figuren tatsächlich auf der Bühne bzw. Leinwand stehen. So fallen Filme wie der Rat der Götter[200] oder das zweite Gleis (Hans-Joachim Kunert, 1961-62)[201] aus, die dennoch gänzlich mitgezählt würden, wenn hier das jüdische Thema im Allgemeinen und nicht nur das Bild des Juden im Besonderen analysiert würde. In diesem Sinne könnte man sagen, dass es zweierlei Aufarbeitung in der DDR gab: eine mittelbare (ohne Auseinandersetzung mit dem Anderen, d.h. ohne Vorkommen jüdischer Figuren) und eine unmittelbare (jüdische Figuren treten sozusagen auf die Bühne), wobei die ersteren Spielfilme allerdings nicht zur Beantwortung unserer Leitfrage herangezogen werden können.[202]

 

Drittens stellt sich aus unserer Liste heraus, dass ein Spielfilm mit jüdischer Gegenwart durchschnittlich alle 3,15 Jahre hergestellt und aufgeführt[203] wurde, also viel häufiger als in anderen Ländern (ob im Westen oder im Osten), geschweige denn in der BRD, die mindestens bis zum Jahre 1979, in dem der US-amerikanische Fernsehvierteiler Holocaust (Marvin J. Chomsky, 1978) durch die ARD ausgestrahlt wurde,[204] vom jüdischen Thema abzusehen suchte.[205]

 

Viertens kann über das Gewicht der ostdeutschen Judenfrage erfahren werden, indem man die Zahl der Filme auf unserer Liste, die wie gesagt nicht alle Filme zum jüdischen Thema umfasst, mit der Zahl der ostdeutschen Filme vergleicht, die sich mit der sehr viel größeren sorbischen Minderheit beschäftigten. Damit sind notabene keine Filme gemeint, die nur in sorbischer Sprache hergestellt wurden und dem deutschsprachigen Publikum daher nicht zugedacht waren; diese Filme können von vornherein gar nichts zu diesem Vergleich beitragen, da sie damals ja keine Darstellung des Anderen bildeten. Deutschsprachige Kurzfilme für das Beiprogramm und spätere Fernsehbeiträge über sorbisches Brauchtum u. Ä. spielen hier ebenfalls keine Rolle, denn auch die ostdeutschen Dokumentarfilme zum jüdischen Thema sind hier nicht herangezogen worden.[206] Bei diesem Vergleich suchen wir also nach deutschsprachigen Spielfilmen über die Sorben und insbesondere nach (ebenfalls deutschsprachigen) Spielfilmen mit sorbischer Gegenwart.

 

Eine Suche auf der umfassenden Datenbank der Website Filmportal.de[207] liefert nur einen Film, betitelt Sehnsucht, der – zum Einen – erst 1989 (unter der Regie Jürgen Brauers) hergestellt wurde und sich – zum Zweiten – eher begrenzt auf Sorben (geschweige denn als solche) bezieht.[208] Toni Brucks Übersicht über den »Film bei den Lausitzer Sorben«, die hauptsächlich die DDR-Zeit behandelt (und in welcher Bruck sich sowohl auf Filme über als auch auf Filme für Sorben bezieht), gibt Folgendes an (meine Hervorhebung):[209] »Im DEFA-Studio für Spielfilme in Potsdam-Babelsberg entstand 1953 der bisher einzige Langmetrage-Spielfilm nach einem sorbischen Stoff. Nach dem Roman ›52 Wochen sind ein Jahr‹ von Jurij Brězan kam der Film in der Regie von Richard Groschopp und unter Mitwirkung bekannter deutscher Schauspieler 1955 in die Kinos der DDR.[210] […] Das Fernsehen der DDR hat in diesen Jahren [Ende der sechziger Jahre] Drehbücher Jurij Brězans als Fernsehspiele, ein eigenständiges Genre dieses Mediums, gesendet: ›Die alte Jančowa‹ und ›Musen im Mäuseturm‹. Bei der Jančowa handelte es sich um eine Bearbeitung der gleichnamigen dramatischen Chronik des Autors, ›Musen im Mäuseturm‹ enthielt sorbische Them[en] nicht.« Obwohl die alte Jančowa allem Anschein nach ein Kurzfilm war (da 52 Wochen sind ein Jahr der einzige Langmetrage-Spielfilm war), können wir diesen Spielfilm doch mitzählen, weil er als Fernsehfilm höchstwahrscheinlich für das deutschsprachige Publikum bestimmt war.

 

Insgesamt gab es also zwei, höchstens (mit Sehnsucht) drei Spielfilme zum sorbischen Thema. Das macht ein Sechstel, höchstens ein Viertel der Zahl der Filme zum jüdischen Thema auf unserer Liste aus,[211] die aber, wie vorhin gesagt, nicht alle Spielfilme zum jüdischen Thema, sondern nur Spielfilme mit jüdischer Gegenwart umfasst. Dabei sollen wir zudem noch bedenken, dass das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den beiden Minderheitsgruppen doch völlig umgekehrt war – ungefähr Hunderte Juden gegenüber Zehntausenden Sorben.[212]

 

Angesichts der obigen vier Tatsachen können wir die vorher gering erscheinende Anzahl der Filme in unserer Liste schon ganz anders betrachten; daraus wird nämlich ersichtlich, dass das jüdische Thema gar nicht verschwiegen, sondern tatsächlich verhältnismäßig häufig im ostdeutschen Film diskutiert wurde, d.h. dass es in der DDR – soweit die Aussagekraft des filmischen Massenmediums in Betracht gezogen wird – tatsächlich keine Entthematisierung des Juden gab.[213] Das heißt aber (wie wir noch sehen werden) natürlich nicht, dass das SED-Regime die nationalsozialistische Thematisierung der Judenfrage fortsetzte.

 
III.d. Die Notwendigkeit jüdischer Gegenwart

 

Was für Filme sollen und können analysiert werden? Um die Frage danach stellen zu können, wie die Figur des Juden dargestellt wird, d.h. worin ihr Jüdischsein zum Ausdruck kommt, muss diese Figur dem Publikum unbedingt als Figur eines Juden vorgestellt werden. Es muss also irgendwann während des Filmes darauf hingewiesen werden, dass diese Figur wenigstens jüdischer Herkunft ist,[214] damit wir in der Lage sind zu fragen, wie das getan wird. Auch um dem Publikum einen völlig assimilierten Juden zu zeigen, der sich durch gar nichts von seiner nichtjüdischen Umgebung unterscheidet, muss doch irgendwie auf ihn als Juden hingewiesen werden. Das ist zum Beispiel mithilfe eines gelben Judensterns zu vollziehen, wodurch sein assimilierter Zustand nicht geschadet wird, weil ihm dieser Fleck von den Nazis aufgezwungen wird. Eine andere Möglichkeit ist, ihn einfach mit einem typisch jüdischen Namen zu versehen, oder dass andere Figuren ihn gegen seinen Willen ausdrücklich als »Juden« (oder bspw. mit »Itzig«) ansprechen. Wie auch immer, muss sein Jüdischsein doch wenigstens angedeutet werden, denn andernfalls würde die ganze Bedeutung verloren gehen, welche die Darstellung dieses gänzlich assimilierten Juden als eines gewöhnlichen Menschen haben kann; es würde dann nur noch ein gewöhnlicher Mensch, also kein Jude als gewöhnlicher Mensch gezeigt.

 

Die Filme, die analysiert werden können und sollen, sind folglich solche, bei denen sich das Publikum dessen zumindest grundsätzlich bewusst ist,[215] dass es sich im Film (unter anderem) um Juden handelt, d.h. dass mindestens eine Figur Jude oder jüdischer Herkunft ist.[216] Filme, die diesem Erfordernis nicht gerecht werden, können nicht in die Analyse einbezogen werden. Der Rat der Götter (Kurz Maetzig, 1949-50), zum Beispiel, der anfangs für die Arbeit gedacht gewesen ist, hat sich somit als unnützlich erwiesen. Er greift den technologisch-finanziellen Aspekt des Vernichtungswesens auf, nämlich die industrielle Herstellung von Zyklon-B in den Fabriken der IG Farben. Es tritt kein einziger Jude während des Filmes hervor, woraufhin der Film von der Arbeit ausgeschlossen werden muss.

 
III.e. Hinter und vor den Kulissen

 

Vielen Filmen im Allgemeinen und den unsrigen im Besonderen ist ein schriftlicher Text zugrunde gelegt, ob ein literarischer oder nicht,[217] ob veröffentlicht oder nicht. Es soll deshalb betont werden, dass hier nicht die filmische Deutung schriftlicher Texte unter der Herrschaft der SED erforscht wird, sondern die Art und Weise, auf welche die jüdische Identität unter dieser Regierung gedeutet wurde. Das heißt, dass unsere Fragestellung erst Anwendung finden kann, nachdem diese Deutungsweise der jüdischen Identität bereits in das Quellenmaterial verwoben, also durch filmische Mittel zum Ausdruck gebracht worden ist. Es soll uns daher ganz egal sein, ob die Verfilmung dem ursprünglichen schriftlichen Text getreu ist. Mit anderen Worten: Der Raum der vorliegenden Forschung liegt nicht hinter, sondern vor den Kulissen. Wir interessieren uns hier nicht für die Entstehungsgeschichte[218] der Texte – warum der »Schriftsteller«[219] den Text gerade so und nicht anders gestaltete, welche Umstände brachten ihn dazu usw. usf. –, sondern ausschließlich für ihre Endfassung, die dem Publikum vorgelegt wurde. Das rührt daher, dass Texte aller Art und Gattung erst ab ihrer Veröffentlichung Einfluss auf das Publikum auszuüben anfangen. Die anderen, ausgelassenen Fragestellungen sind zwar sehr interessant,[220] aber hierbei völlig belanglos, denn sie beziehen sich darauf, was den Zuschauern eben nicht gezeigt wurde.[221]

 

Wenn also eine Figur in einem Film auftritt, auf deren Jüdischsein kein einziger Hinweis zu finden ist, ist sie bzw. der Film für uns völlig nutzlos, selbst wenn wir aus der Entstehungsgeschichte des Filmes wissen, dass die Figur im Film ursprünglich auf einem Juden bzw. einer jüdischen Figur beruht. Ein solcher Fall kann nicht als Judendarstellung zählen, einfach weil es keinen einzigen Juden im Film gibt. Allerdings würde es eine Ausnahme von dieser Regel bilden, wenn der zugrunde liegende Text, in dem die Figur doch als Jude vorkommt, allgemein bekannt wäre; zum Beispiel, wenn das Leben Jesu so verfilmt würde, dass man aus dem Film alleine gar nicht wissen könnte, dass der Protagonist tatsächlich Jude war (d.h. sofern man den Hintergrund nicht bereits vorher kennte). Ein solcher Fall würde wohl als eine Art Judendarstellung zählen, ist mir aber nicht bekannt. Einen Juden in einem allgemein bekannten Text zu einem Nichtjuden im bearbeiteten zu machen, wäre meiner Ansicht nach eine zu starke Abweichung vom Original, was gewöhnlich vermieden wird.

 

Dem obigen, hypothetischen Fall Jesu gegenüber ist ich war neunzehn (Konrad Wolf, 1967-68) ein wirkliches Beispiel für einen Film, der diese Prüfung nicht bestanden hat. Er fußt auf dem meines Wissens unveröffentlichten Tagebuche, welches der Regisseur Wolf während des 2. Weltkrieges führte. Sein Vater, der jüdische Kommunist Friedrich Wolf,[222] war 1933 mitsamt der Familie aus Deutschland (schließlich) nach Russland zugewandert bzw. geflohen, und zwar nach Moskau. Der Sohn Konrad, der 1925 geboren wurde und daher schon hauptsächlich in Moskau aufgewachsen war, kam als Soldat in der einmarschierenden Roten Armee nach Deutschland zurück. Seine damaligen Erlebnisse, die er vormals im Tagebuch niedergeschrieben hatte, bereitete er filmisch auf, und zwar im Rahmen dieser DEFA-Produktion, wo der Protagonist Gregor Hecker heißt. Nur wird Konrad Wolfs jüdische Herkunft nirgendwo erwähnt, auch nicht angedeutet.[223] Der Protagonist, d.h. die Figur Gregor Heckers, wird den Zuschauern bloß als »Deutscher«[224] gezeigt, wahrscheinlich weil sich der Regisseur, d.h. Konrad Wolf, als solch einen verstand.[225] Die jüdische Herkunft des Regisseurs wird also mitnichten auf den Protagonisten übertragen. Sie wird den Zuschauern nicht mitgeteilt[226] und liegt mithin ausschließlich hinter den Kulissen. Es gibt also keinen Grund, oder besser gesagt: keine Rechtfertigung dafür, hier die Frage zu stellen, was für eine jüdische Identität (d.h. Vorstellung des Judentums bzw. Charakterisierung der jüdischen Menschengruppe)[227] durch den gerade nichtjüdischen Protagonisten dargestellt wird.[228]

 

Ein weiteres, etwas komplizierteres Beispiel ist das Beil von Wandsbek (Falk Harnack, 1950-51), eine Verfilmung von Arnold Zweigs gleichnamigem Roman. Im Gegensatz zum früheren Beispiel, ist dieser schriftliche Text sehr bekannt. Bei der Bearbeitung muss manches selbstverständlich gekürzt werden, anderes gar wegfallen. Eine dieser Auslassungen betrifft die allerdings begrenzte Rolle, die den jüdischen Figuren im Original zugeschrieben ist. Von Herrn Mengers, seiner Mutter Frau Mengers, Herrn Dr. Kley und Herrn Rabbiner Dr. Plaut bleibt nur der allererste in der gedrehten Fassung bestehen, wo er eine nunmehr verringerte, verhältnismäßig unbedeutende Rolle spielt, indem er ein gekürztes Gespräch mit der nichtjüdischen Ärztin Dr. Käte Neumeier führt. Unter diesen Umständen war es nahezu unmöglich, auf sein Jüdischsein hinzuweisen; ihn aber somit zu einem Nichtjuden werden zu lassen, wäre, wie vorhin gesagt, eine allzu starke Abweichung von der Originalfassung gewesen. Es wird ihm also ein Satz auf die Zunge gesetzt, der nirgendwo im Buch ausfindig zu machen ist[229] und an dem das Jüdischsein des Herrn Mengers ganz deutlich erkennbar wird: »Man sagt uns Juden viel Einfühlungsvermögen nach…« Es ist daher trotz der Schwierigkeit, von einer Judendarstellung in diesem Film zu reden, doch gerechtfertigt, diesen Film mit einzubeziehen, um diesen Vers zu analysieren. Zwar könnte man behaupten, dass der Roman bekannt genug war, damit die Zuschauer in Herrn Mengers einen Juden erblickt hätten, wenn Mengers den Satz auch nicht gesagt hätte; dass ihn Mengers aber doch zu sagen hatte, und zwar als einen seiner recht wenigen und obwohl er nicht im Buch steht, weist darauf hin, dass die Hersteller selbst von keiner solchen Annahme ausgegangen sind.

 

Wie kann es aber sein, dass ein Kommunist, ein Märtyrer im Werden, so etwas über sich selbst sagt? Das ist mit der Notwendigkeit der filmischen Bearbeitung zu erklären. Die Aussage wird zwar namenlosen anderen zugeschrieben, ist also durch deren Vorstellungen des Judentums ermöglicht worden,[230] bildet aber nichtsdestoweniger eine Art Bekenntnis zum Judentum, welches diese kommunistische Figur nur dazu ausspricht, um den Zuschauern somit verständlich zu machen, dass es hier überhaupt um einen Juden geht. Ansonsten kommt sein Jüdischsein in gar nichts zum Ausdruck. Er spricht mit Neumeier, die sich an der verhältnismäßig guten Seite befindet, da sie sich der Hinrichtung entgegensetzt.[231] Aus diesem Grunde kann sie nicht auf ihn als Juden hindeuten und ihm somit das Jüdischsein aufzwingen, denn so etwas tun, wie schon vorher bemerkt,[232] nur Nazis, d.h. die Bösen. Es bleibt also nur Mengers selbst übrig: Hätte er nicht auf sich als Juden hingedeutet, so würde das Fehlen irgendwelcher anderen unterscheidenden Anzeichen jüdischer Gegenwart seine ganze Bedeutung verlieren, denn dann wäre Mengers schlicht und einfach Nichtjude.

 
III.e.1. Das geringe Gewicht des geschichtlichen Hintergrunds der Filmhandlungen

 

In diesem Zusammenhang der wesentlichen Unterscheidung zwischen hinter und vor den Kulissen sollen wir unser Augenmerk auch auf eine andere Art Text richten, nämlich auf die Geschichte, d.h. auf den geschichtlichen Hintergrund der einzelnen Filmhandlungen. Laut den Zwischentiteln an den Filmanfängen liege den meisten eine wahre Geschichte, also »Tatsachen« zugrunde.[233] Anachronistisch gesagt, mögen diese Filme somit der Gattung der »Historiophoty« gehören: ein 1988 von Hayden White geprägter Ausdruck, unter welchem »the representation of history and our thought about it in visual images and filmic discourse« zu verstehen ist.[234] Diese Hintergrundinformationen – ob Tatsachen oder Fingiertes – wiegen für uns ebenso wenig wie die vorerwähnten schriftlichen Texte, denn wir gehen von einer nicht unbegründeten Verallgemeinerung aus, dass die Zuschauerschaft größtenteils aus keinen Historikern bzw. Literaturforschern bestand und das Anschauen der filmischen Vergangenheitsdarstellung folglich rein als solches (also als kein Forschungsvorhaben) zu genießen suchte. Von uns aus, dürfen alle (Spiel)filme auf unserer Liste reine Fiktion gewesen sein und sollen auch als solche betrachtet werden, denn zur Beantwortung unserer Frage ist es völlig belanglos, ob sich die jeweilige Handlung wirklich auf Tatsachen zurückführen lässt oder diesen nur zugeschrieben wurde. Wichtig ist nur, dass das Publikum – im Groben und Ganzen – diese Filme als eine Art Vergangenheitsdarstellung (und gewissermaßen unbewusst: Judendarstellung) erlebte,[235] wenn das jeweilige Stück Vergangenheit bzw. Geschichte auch falsch dargestellt worden oder gar fingiert gewesen sein mag. Mit anderen Worten: Das dem ostdeutschen Publikum vorgestellte Bild des Juden wurde durch anspruchsvoll historiographische bzw. »historiophotische« Filme als das echte, tatsächliche Bild des Juden gezeigt. Diese Tatsache ist für uns schon von gewisser Bedeutung; inwiefern diesem Anspruch gerecht wurde, ist hingegen eine irrelevante Frage, die zwar hochinteressant ist, aber nichts zur Beantwortung unserer dreifachen Fragestellung beitragen kann.[236]

 

[181] Handlungsabrisse stehen auf den Websites der DEFA-Stiftung (im Nachstehenden: DEFA-Stiftung.de), des deutschen Filmportals (im Nachstehenden: Filmportal.de) sowie im Kabel1-Filmlexikon (auf: http://www.kabel1.de/film/filmlexikon) zur Verfügung, weshalb sie hier nicht wiederholt zu werden brauchen. Zusätzliche Auskünfte und Erläuterungen werden hierbei also nur im einschlägigen Zusammenhang gegeben.

[182] Aus der Liste entfernt, siehe in Kap. ‎III.d, »Die Notwendigkeit jüdischer Gegenwart«, auf S. 46

[183] 1951 verboten, 1962 freigegeben (s. in Anm. 15, auf S. 3).

[184] Aus der Liste entfernt, siehe in Kap. ‎III.e, »Hinter und vor den Kulissen«, auf S. 47 ff.

[185] Zum Namenwechsel des ostdeutschen Fernsehsenders siehe in Anm. 17 auf S. 4

[186] Also ein und dieselbe Einrichtung, die vormals »Deutscher Fernsehfunk« hieß (siehe vorige Anmerkung).

[187] Eine bundesdeutsche Herstellung durch Dienstleistungen der DEFA, zum Vergleich herangezogen (siehe in Kap. ‎VI.f, »Vergleich mit der Wendezeit: Bronsteins Kinder (1990-91)«, auf S. 93 ff.).

[188] Geschweige denn, wenn man noch früher, etwa bis zur Drehbuchverfassung zurückgreift.

[189] Laut Angaben auf Filmportal.de wird dieses Projekt des Deutschen Filminstituts u. a. auch vom Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien sowie von der bundesdeutschen Filmförderungsanstalt unterstützt. Nach meiner Erfahrung kann es für zuverlässig erachtet werden. Siehe auch: Gereon Blaseio, Rezension zu: Filmportal.de – Internet-Portal zum Deutschen Film, in: H-Soz-u-Kult, 25.02.2006, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=109&type=rezwww. In dem Fazit meint Blaseio, »dass sich filmportal.de in kürzester Zeit zu einem nicht mehr wegzudenkenden Arbeitsmittel für Filmwissenschaftler entwickelt hat.«

[190] Auf: http://www.kabel1.de/film/filmlexikon

[191] Was das im Ostblock auch immer bedeuten mochte. Auf die Unterzeichnung der Pariser Verträge am 23. Oktober 1954, laut denen das westdeutsche Besatzungsstatut am 5. Mai 1955 aufgehoben wurde, und die Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955, der am 27. Juli 1955 in Kraft trat, erfolgte am 20. September desselben Jahres der Freundschaftsvertrag zwischen der DDR und der Sowjetunion, in dem die Letztere die angeblich »volle Souveränität« der Ersteren bestätigte (aus: dhm.de, aeiou.at und einer Chronik der DDR, in: Ralf Hirsch (Hrsg.), 40 Jahre DDR – …und die Bürger melden sich zu Wort (Berlin und Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 1989), S. 12-20, hier 15).

[192] Zu den Erscheinungen der stalinschen Judenverfolgung in der DDR siehe in Kap. ‎II.b.1, »Ostdeutsche Gesamtzahlen gegenüber dem jüdischen Bevölkerungsanteil«, auf S. 31 ff.

[193] Zum Verhältnis von »Wirklichkeit« und »Fiktion« (wenigstens wie ich es im Rahmen dieser Arbeit meine), siehe in Kap. ‎I.b.1, ›Politisch-ideologische »Wirklichkeit« gegenüber filmischer »Fiktion«‹, auf S. 6 f.

[194] Dasselbe gilt übrigens für alle Texte; die späterhin entwickelte Forschungsmethode ist dementsprechend keineswegs auf die Filmkunst beschränkt, sondern soll für Texte jeglicher Art und Gattung gültig sein.

[195] Es wäre zweifelsohne sehr interessant zu erfahren, inwieweit die daraus entstandenen Resultate den unsrigen ähneln bzw. wodurch sie sich von den unsrigen unterscheiden, um somit darauf schließen zu können, wie das SED-Regime den (angeblichen) Unterschied zwischen den beiden Grundgattungen verstand und wie dieses Verständnis in die Tat umgesetzt wurde (darauf wird auch in Kap. ‎VIII, »Vorschläge für künftige Forschungen«, auf S. 114 f. bezogen).

[196] Aus: DEFA-Stiftung.de, der Website des Urheberrechtsinhabers. »Die DEFA-Stiftung ist eine rechtsfähige, gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Sie wurde von der Bundesregierung Deutschland am 15. Dezember 1998 errichtet. Als Stiftungsvermögen wurde ihr der DEFA-Filmstock übertragen, der Teil des nationalen Kulturerbes ist. Ziel der Stiftung ist es, die DEFA-Filme zu erhalten und für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen sowie die deutsche Filmkultur und Filmkunst zu fördern.« (Aus derselben Website)

[197] Wie bereits früher gesagt, sind zwei der mitgezählten Werke Fernsehmehrteiler; Bronsteins Kinder, der zum Vergleich dient, wurde zur Wendezeit hergestellt und wird bei den hiesigen »statistischen Überlegungen« daher nicht mitgezählt.

[198] Christiane Mückenberger, »The Anti-Fascist Past in DEFA Films«, in: Seán Allan and John Sandford (Eds.), DEFA: East German Cinema, 1946-1992 (New York and Oxford: Berghahn, 1999), pp. 58-76 (siehe dazu übrigens auch in Anm. 15, auf S. 3)

[199] »Der PROGRESS Film-Verleih nimmt die weltweite gewerbliche und nicht gewerbliche Auswertung des DEFA-Filmstocks vor und vergibt Lizenzen für die Aufführung von DEFA-Filmen in Kino und Fernsehen.« (Aus der Website der DEFA-Stiftung). Diese Liste hat mir Frau Miriam Reisner, eine Angestellte von »Progress«, in einem E-Mail-Schreiben vom 7. Juli 2005 zukommen lassen.

[200] Siehe dazu im Nachstehenden.

[201] »Brock, Fahrtdienstleiter auf einem Güterbahnhof, erkennt in dem nächtlichen Dieb Runge jenen Mann, der im zweiten Weltkrieg einen jüdischen Flüchtling erschoss. Brocks damaliges schuldhaftes Schweigen scheint sich in der Gegenwart zu wiederholen. Erst als ein neuer Mord geschieht, bekennt er sich zur ganzen Wahrheit.« (Aus der oben, in Anm. 199 erwähnten Liste, die mir Frau Reisner vom Progress-Filmverleih per E-Mail hat zukommen lassen.)

[202] Siehe Weiteres dazu unten, in Kap. ‎III.d, »Die Notwendigkeit jüdischer Gegenwart«, auf S. 46 f.

[203] Mit der etwaigen Ausnahme des über ein Jahrzehnt lang verbotenen Beils von Wandsbek (s. in Anm. 15, auf S. 3).

[204] Vgl. Anton Kaes, »History and Film: Public Memory in the Age of Electronic Dissemination«, in: Bruce A. Murray and Christopher J. Wickham (Eds.), Framing the Past: The Historiography of German Cinema and Television (Carbondale and Edwardsville: Southern Illinois University Press, 1992), pp. 308-323, here 311: »[T]he American television series Holocaust in 1979 […] broke through thirty years of silence […]«. Vgl. auch Berliner Morgenpost, Extraausgabe vom 27. April 2005, »1945-2005: Zwischen Krieg und Frieden«, eine Veröffentlichung der Redaktion Sonderthemen für die Berliner Morgenpost in Kooperation mit dem Museumspädagogischen Dienst Berlin, S. VII, ohne Angabe des hierzu gehörigen Autornamens: »Die Serie offenbarte, daß eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Völkermord bis zu diesem Zeitpunkt [der Ausstrahlung des amerikanischen Vierteilers] nicht stattgefunden hatte.« Weiteres dazu in Kap. ‎VI.g, »Holocaust-Sinnbilder als jüdische Zeichen?«, auf S. 95 ff.

[205] Auf den Verschweigungsdrang in der BRD weist auch Zohar Shavit hin; s. Zohar Shavit, A Past without Shadow: Constructing the past in German books for children; translated from the Hebrew by Aaron Jaffe and Atarah Jaffe (New York: Routledge, 2005). Die hebräische Originalfassung: זהר שביט, עבר בלא צל: בניית תמונת העבר ב״סיפור״ הגרמני לילדים (תל־אביב: עם עובד, תש״ס). Allerdings ist der Buchtitel etwas irreführend, denn Shavit hat ausschließlich bundesdeutsche Kinderbücher erforscht. Auf S. 344 in der Originalfassung stellt sie fest:

״הקורא שאינו גרמני […] תוהה לאן נעלמו התיאורים של רדיפות היהודים ושל מיעוטים אחרים בידי הנאצים; היכן מחנות השבויים, רצח האזרחים, אימת הגסטפו, ההתעללות בילדים חסרי הגנה, הברוטליות של הגסטפו ואנשי האס.אס., תיאורי האובדן, הטרנספורטים, מחנות ההשמדה ורצח העם. לקורא שאינו גרמני קשה שלא להבחין בהיעלמותם המוחלטת כמעט של כל אלה מן ׳הסיפור׳ הגרמני.״

(Meine eigene Übersetzung ins Deutsche: »Der nichtdeutsche Leser fragt sich, wohin die Schilderungen der nationalsozialistischen Verfolgungen der Juden und sonstiger Minderheiten verschwunden sind; wo sich die Gefangenenlager, der Zivilistenmord, die Furcht vor der Gestapo, die Peinigung wehrloser Kinder, die Brutalität der Gestapo- und SS-Leute, die Verlustsbeschreibungen, die Abtransporte, die Vernichtungslager und der Völkermord befinden. Dem nichtdeutschen Leser fällt es [nämlich] schwer, das fast völlige Verschwinden von all diesem aus der deutschen ›Geschichte‹ nicht zu bemerken.«)

[206] Siehe dazu in Kap. ‎III.b, »Klarstellungen und Vorbehalte hinsichtlich der Filmliste«, auf S. 41 f.

[207] Siehe dazu oben, in Anm. 189 (auf S. 41)

[208] Aus der Website der DEFA-Stiftung.de bzw. Ralf Schenk (Red.), Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946-1992. Herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam (Berlin: Henschel, 1994): »Ena, eine junge Bäuerin, lebt auf einem abgelegenen Gehöft in der Lausitz. Sie ist mit dem Bauern Mathias verlobt. In einer Gewitternacht erscheint der mit seinem Auto steckengebliebene Wasserbauingenieur Sieghart bei ihr. Die beiden verlieben sich, doch Ena entscheidet sich für die Ehe mit Mathias. Dieser, dem ihre Gefühle für Sieghart nicht verborgen bleiben, zwingt die beiden am Polterabend zu einer mörderischen Kutschfahrt, die im See endet. Mathias bleibt verschollen. Ena heiratet Sieghart und geht mit ihm nach Paris, als er an ein Internationales Wasserbau-Institut berufen wird. Aber die Erinnerung an Mathias holt sie ein, sie findet keine Ruhe. Schließlich flieht sie zurück zu jenem See – in der Hoffnung, von Mathias loszukommen.«

[209] Toni Bruk, »Der Film bei den Lausitzer Sorben«, unter folgender Webadresse verfügbar: http://www.rastko.org.yu/rastko-lu/uvod/tbruk-film_ger.html. Dieser Aufsatz ist anscheinend nur im Internet veröffentlicht worden. Dr. Toni Bruk ist Leiter der DEFA-Produktionsgruppe »Sorbischer Film« gewesen und leitet heutzutage das »Sorabia«-Filmstudio in Bautzen, welches nach der Wende aus der vorerwähnten Produktionsgruppe entstanden ist. Abgedruckte Literatur zum sorbischen Film oder zu Sorben im Film habe ich übrigens nach mehreren Recherchen leider nicht finden können. Allerdings scheint dieses Thema kaum erforscht worden zu sein, selbst nicht auf Sorbisch (Veröffentlichungen in sorbischer Sprache werden nämlich ebenfalls durch die Deutsche Bibliothek katalogisiert und thematisch eingeordnet).

[210] Toni Bruk, ebd.: »Vor dem Hintergrund kollektiver Arbeit in der Landwirtschaft geht es um eine junge Liebe, um Politik, Sabotage und ein Happy-End beim sorbischen Hochzeitsfest in einem Oberlausitzer Dorf. Ein Film, dem wenig Publikumserfolg vergönnt war, weil er plakativ Klischees der Epoche mit sorbischem Stoff nachahmte.«

[211] Abgesehen vom Beil von Wandsbek, welches bzw. welcher eher der Kommunisten- als der Judenverfolgung gewidmet ist, und von Bronsteins Kindern, der eine bundesdeutsche Produktion durch Dienstleistungen der DEFA ist und in dieser Arbeit zum Vergleich herangezogen wird, stehen zwölf Spielfilme zum jüdischen Thema auf unserer Liste.

[212] Siehe dazu in Kap. ‎II.b.1, »Ostdeutsche Gesamtzahlen gegenüber dem jüdischen Bevölkerungsanteil«, auf S. 31 ff. sowie in Kap. ‎II.b.3, »Exkurs: Vergleich mit der sorbischen Minderheit«, auf S. 36 ff.

[213] Die Begriffe werden in Kap. ‎I.b.5, ›»Thematisierung«, »Entthematisierung«, »Umthematisierung«‹, auf S. 15 f. erläutert.

[214] Siehe oben in Kap. ‎I.b.4, »Zur angemessenen Definition des Judenbegriffs«, auf S. 13 ff.

[215] Es taucht nun die Frage auf, ob die verschiedenen Zuschauer im Allgemeinen und ich als Jude aus dem Lande Israels, also als kein (Ost)deutscher im Besonderen immer verstehen können bzw. kann, was die Filmhersteller gemeint haben. Die Antwort darauf lautet selbstverständlich: Nein. Auf diese Frage wird in Kap. ‎V.c, »Der kulturelle Raum«, auf S. 72 f. eingegangen. Allerdings soll die späterhin dargelegte empirische Forschungsmethode die Abstände zwischen Herstellern und Konsumenten verringern.

[216] Siehe dazu in Kap. ‎I.b.4, »Zur angemessenen Definition des Judenbegriffs«, auf S. 13 ff.

[217] Nichtliterarische Texte können z. B. Protokolle u. andere historische Dokumente; Tagebücher, Autobiographien oder bloß niedergeschriebene persönliche Erinnerungen; und andersartige Quellen sowie schlichtweg historiographische Literatur sein. Eigentlich gehen die meisten literarischen Werke, deren filmische Bearbeitungen in unserer Liste stehen, auf tatsächliche Ereignisse zurück. Weiteres dazu unten, in Kap. ‎III.e.1, »Das geringe Gewicht des geschichtlichen Hintergrunds der Filmhandlungen«, auf S. 50 f., wo diese Problematik von einem ähnlichen Gesichtspunkt aus betrachtet wird.

[218] Siehe dazu in Kap. ‎I.a.3, »Die Forschungsmöglichkeiten«, auf S. 4

[219] Damit werden alle an der Filmherstellung beteiligten Künstler gemeint, also Regisseure, Schauspieler, Techniker usw., deren Lebensläufe hinter den Kulissen hingehören und zu unserer Forschung nichts beitragen können. Und ohnehin dürfen wir gar nicht davon ausgehen, dass solche Hintergrundinformationen der Zuschauerschaft überhaupt bekannt waren.

[220] Siehe weiteres dazu in Kap. ‎VIII, »Vorschläge für künftige Forschungen«, auf S. 114 f.

[221] Die methodologische Pflicht, sich tunlichst in die Lage der Zuschauer zu versetzen und folglich alles, was nicht in den Spielfilmen vorhanden ist, bei der Analyse des Quellenmaterials zu meiden, bildet Teil der empirischen Grundlage dieser Arbeit, wie später, in Kap. ‎V, »Die Forschungsmethode«, auf S. 56 ff., ausführlich erklärt wird.

[222] Für biographische und sonstige Angaben siehe: http://www.friedrich-wolf-gedenkstaette.de. Friedrich Wolf hat unter anderem das Trauerspiel Professor Mamlock (erste Veröffentlichung im Jahre 1935 bei der Moskauer »Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter« unter dem Titel »Doktor Mamlocks Ausweg«) verfasst, welches als Vorlage für den gleichnamigen, 1960-61 unter der Regie seines Sohnes Konrad Wolf hergestellten und in unsere Analyse mit einbezogenen Spielfilm diente. Im Gegensatz zu ich war neunzehn lässt sich aber in Professor Mamlock ganz deutlich erkennen (es wird zum Beispiel wörtlich angegeben), dass der Protagonist Jude ist (zumindest im nationalsozialistischen Sinne). Zusammen mit Phillipp Gecht hat er übrigens auch das Drehbuch für den oben erwähnten Rat der Götter (1949-50) verfasst.

[223] Das hat Frau Miriam Reisner, die beim Progress Film-Verleih arbeitet, in einem an mich gerichteten E-Mail-Schreiben vom 23. Mai 2005 bestätigt (meine Hervorhebungen): »[D]ie Hauptfigur in ›[i]ch war neunzehn‹ ist kein Jude. Im Film wird er nur als Deutscher dargestellt.« Erwähnenswert wird Gregor Hecker auch in keinem der mir bekannten Nachschlagewerke, die einen Beitrag über ich war neunzehn enthalten, als Jude beschrieben, selbst wenn seine Figur dabei auf Konrad Wolf zurückgeführt wird; s. etwa Filmportal.de, DEFA-Stiftung.de, Lexikon Filme im Fernsehen (von Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz; 2., erweiterte Auflage; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990) und Metzler-Film-Lexikon (herausgegeben von Michael Töteberg; Stuttgart und Weimar: Metzler, 1995). Den zuletzt erwähnten Beitrag im Metzler-Film-Lexikon hat übrigens Rudolf Jürschik verfasst, der bei DEFA gearbeitet hat und sich sehr gut mit DEFA-Produktionen auskennt (weitere Auskunft über ihn wird in Kap. ‎VI.f, »Vergleich mit der Wendezeit: Bronsteins Kinder (1990-91)«, auf S. 93 ff., angegeben). Auch das einzige Lexikon, in dem auf das Jüdischsein Friedrich Wolfs hingewiesen wird, nämlich 111 Meisterwerke des Films. Das Video-Privatmuseum (herausgegeben von Günter Engelhard; Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1989), lässt nicht verstehen, dass diese Hintergrundinformation irgendwie für Gregor Hecker gilt.

[224] Anfang des Films ruft Gregor Hecker über Lautsprecher aus: »Hört mich an! Habt Vertrauen! Ich bin Deutscher!« Als Deutscher wird er auch in den oben erwähnten Nachschlagewerken geschildert. Damit meine ich wohl nicht, dass die Bezeichnung »Deutscher« an sich das Jüdischsein einer Figur oder eines Menschen ausschließen kann, sondern nur, dass er nirgends (mit einer einzigen Ausnahme; s. in Anm. 228) als »deutscher Jude« oder »jüdischer Deutscher« beschrieben, d.h. verstanden wird.

[225] Das lässt sich im Übrigen auch daran erkennen, dass mehrere Nachschlagewerke, die Beiträge zu Konrad Wolf enthalten, seine anscheinend als belanglos erachtete (oder aber gar nicht zur Kenntnis genommene) jüdische Herkunft nicht angeben, wie etwa Filmportal.de, die deutsch- sowie englischsprachige Wikipedia (Wikipedia.org), das DDR-Lexikon (DDR-Wissen.de) oder Reclams Filmführer (von Dieter Krusche, unter Mitarbeit von Jürgen Labenski; 10., neu bearbeitete Auflage; Stuttgart: Reclam, 1996). Die »fehlende« Auskunft ist dann nur aus der Angabe, dass er der Sohn Friedrich Wolfs war, abzuleiten.

[226] Eigentlich taucht hier die Frage auf, was hier überhaupt mitzuteilen gewesen wäre, wenn die Figur des Gregor Hecker ja gezielt als Nichtjude gestaltet wurde.

[227] Siehe dazu in Kap. ‎I.b.2, ›Was heißt hier »Identität«?‹, auf S. 7 ff.

[228] Trotzdem wird Gregor Hecker anderwärts so behandelt, als wäre er doch Jude, und zwar in einer Abhandlung des Beer-Schewaer Prof. Dr. Frank Stern (siehe unten, in Kap. ‎IV.a, »Einschlägige Literatur zum Thema«, auf S. 51 ff.).

[229] Das Gespräch befindet sich auf Seiten 102-106 in der neuen Aufbau-Ausgabe vom Jahre 2002. Es wurden große Stücke durch andere, kürzere ersetzt, höchstwahrscheinlich weil dort nicht nur die Hoffnung auf die Sowjetunion gesetzt wird, sondern die UdSSR auch gewissermaßen kritisiert wird.

[230] Das heißt, dass der Satz so formuliert ist, dass Mengers damit nur zugibt, Jude zu sein, während er aber eben somit den Eindruck gibt, dass er, der »aufgeklärte« Kommunist, solche Vorstellungen vom Judentum als solchem nicht gutheißt.

[231] Dass die Rolle der wirklich guten Kommunisten eher minimalisiert wurde und Zwischentöne auftauchen durften, war wenigstens einer der Gründe für das Verbot, wenn nicht der wesentlichste (siehe Anm. 15 auf S. 3). Allerdings gibt es in fast allen anderen Spielfilmen auf unserer Liste, die nie verboten wurden, noch weniger Kommunisten (mit noch kleineren Rollen) oder auch gar keine – selbst in den Filmen, die wie das Beil von Wandsbek in den ersten Jahren der DDR (oder sogar zur Zeit der SBZ) hergestellt wurden.

[232] Siehe in Kap. ‎I.a.5, »Die Hypothese«, auf S. 5 f.

[233] Es besteht hier kein Widerspruch zur früheren Konstatierung, dass vielen Filmen ein schriftlicher Text zugrunde liegt, denn selbst die jeweiligen schriftlichen Texte beziehen sich schließlich in irgendwelcher Weise auf die Geschichte bzw. auf tatsächliche Ereignisse (siehe auch Anm. 217 auf S. 45). Die hiesige Bemerkung zum geschichtlichen Hintergrund der Filmhandlungen bildet sohin vielmehr eine nähere Ergänzung zur früheren Bemerkung bezüglich der allgemeinen »Kulissen«-Problematik.

[234] Siehe: Hayden White, »Historiography and Historiophoty«, in: The American Historical Review, Vol. 93, No. 5 (Dec. 1988), pp. 1193-1199, here 1193. Weiteres dazu in Kap. ‎VI.e, ›DEFA-Spielfilme als »Historiophoty«‹, auf S. 91 ff.

[235] In diesem Sinne ist auch die Fiktion Jakobs des Lügners eine Art Vergangenheitsdarstellung.

[236] Weil dieser Aspekt jedoch Licht auf unser Forschungsthema an sich zu werfen vermag, habe ich dem Leser meine dazu gehörigen Überlegungen trotzdem mitgeteilt, und zwar in Kap. ‎VI.e, ›DEFA-Spielfilme als »Historiophoty«‹, auf S. 91 ff.

 

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Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

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