Gibt es gute Kriege?
BLOG: un/zugehörig

Aus gegebenem Anlass: Ob es auch gute Kriege geben kann?
Anscheinend nicht, denn es steht doch geschrieben: "Du sollst nicht töten" (Ex. 20:13). Und wie könnte man denn richtig Krieg führen, ohne zu töten?
Sind wir also verdammt, stets die andere Backe darbieten zu müssen?
Gott sei Dank, dass es im Original doch anders heißt:
"Du sollst nicht morden".
"Morden" und eben nicht "töten": Der Mord ist zwar verboten, aber die Tötung ist erlaubt.
Und was ist der Mord, wenn die Handlung des Umbringens doch ein und dieselbe Handlung ist?
Der Mord ist nichts anderes als die illegitime Tötung.
Doch was für Vorbilder gibt es in der Bibel für eine legitime Tötung? Und wie sieht es dabei mit der Backe aus?
"Backe" auf Hebräisch heißt "Lechi".
In der hebräischen Bibel kommt das Wort "Lechi" in einem Zusammenhang vor, der eine andere Botschaft vermittelt, als die christliche (Ma. 5:39, Lu. 6:29; und ob der Spruch wirklich von Jesus stammt, würde ich mal bezweifeln):
"Er [=Simson] fand eine noch frische Lechi [=Unterkiefer] eines Esels, streckte seine Hand aus, nahm sie und erschlug damit tausend Mann [=Philister]." (Ri. 15:15)
Das ist also die andere Backe.
Und ob Simson mit der Lechi wirklich "tausend Mann" erschlug? Vermutlich nicht. Daher ist diese Erzählung nicht wörtlich ("Tausend"), sondern bildlich ("tausend") zu verstehen,
ja vorbildlich.
Nachtrag:
Als angehender Rabbiner besteht meine Aufgabe darin, aus Israels Quellen Inspiration für das heutige Israel herauszuschöpfen. Als angehender Rabbiner in Deutschland obliegt es mir auch, mich dabei mit der Umgebung auseinanderzusetzen, die großteils christlich geprägt ist. Das ist der (aus christlicher Sicht wohl "religiöse") Zusammenhang, in dem die obige Kritik an christlichen Moralvorstellungen steht.
Unter diesem Text ist nun eine Diskussion entstanden, welcher jedoch grundsätzlich andere Fragestellungen zugrunde liegen, die, auch wenn der Blickwinkel des einen oder anderen Teilnehmers etwa unbewusst doch in dieser Problematik verankert sein dürfte, sich weder auf das Verhältnis zwischen dem Christentum und Israel beziehen noch sonstwie an diesen (aus christlicher Sicht wohl "religiösen") Quellen orientieren. Nichtsdestoweniger ist es eine interessante Diskussion.
Na ja, auch Gesellschaften und Kulturen unterliegen der Evolution. Gesellschaften, die nicht in der Lage sind, sich gegen Agressoren zu verteidigen, scheiden aus.
@ adenosine
Ich will mir als Außenstehender kein Urteil zum aktuellen Konflikt erlauben. Aber grundsätzlich finde ich nicht, daß sich menschliche Gesellschaften nach evolutionsbiologischen Prinzipien organisieren bzw. verhalten sollten.
@Thilo: Richtig, als intelligentes und bewusstes Wesen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Welt zu anstrengend und grausam ist, um die eigene Teilname an dem Überlebensspiel zu rechtfertigen, oder Kinder in diese Welt zusetzen. Man könnte also bewusst und freiwillig ausscheiden. Über bleiben allerdings die, die nicht ausscheiden.
Nein, an “gute” Kriege…
…glaube ich nicht. Wenn ein Kriegszug unvermeidlich geworden ist, dann ist dies eine Niederlage der Politik (meist aller Seiten) und weder die Menschen im Gaza-Streifen noch die israelischen Reservisten und ihre Familien werden derzeit wohl das Gefühl haben, “gute” Situationen zu durchleben…
Es ist m.E. abgrundtief traurig, dass wir Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts immer noch Kriege führen, Menschen töten, Abermilliarden für Waffen aufwenden, statt uns gemeinsam den Herausforderungen (wie Hunger, Unfreiheit, Umweltzerstörung, Klimawandel, fehlende Bildung etc.) für eine bessere Welt zu stellen. Stimmen der Vernunft und des Dialoges sind heute weltweit seltener und wichtiger denn je…
Es war einmal ein Kind, das die Mutter fragte: Gelten nach dem Krieg die zehn Gebote wieder? Das zeigt, wie absurd das ganze Theater auf dieser Welt ist. Haben wir nicht die Sprache, um mit WORTen zu fechten? Die Bibel mag das Wort Gottes sein, doch hat denn “Gott” aufgehört zu sprechen? Ich bin mir sicher, daß ER auch in Königsberg dabei war als Kant seine Kritiken schrieb (um nur EIN Beispiel zu nennen). Doch der Mensch vernimmt nur ein Raunen, dabei ist es egal, ob er eine Bibel schreibt oder eine philosophische Abhandlung. Es kann sich also immer nur um eine Annäherung an das WORT handeln. Das WORT hat eine extreme Durchschlagskraft, das darf niemals unterschätzt werden. Deshalb sagt es der Talmud(?) richtig: Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte…Der Rest dürfte bekannt sein.
@ adenosine
Als intelligentes und bewußtes Wesen könnte man auch zu dem Schluß kommen, daß man Intelligenz und Bewußtsein benutzen kann, um eben nicht blind irgendwelchen “Naturgesetzen” zu folgen. Eben um besser zu überleben.
@Thilo:Ich sehe da keinen Widerspruch. Wenn eine effektivere Maßnahmen zur Abwehr einer Aggression gefunden wird, als eine Armee, dann wird sich diese intelligente Lösung sofort durchsetzen, weil man sich dann die Ressourcen für das Militär sparen kann. Eine bereits bekannte aber teure Möglichkeit ist das Zahlen von Tribut oder Schutzgeld.
bellum iustum?
Zweiffellos das Versagen der Politik doch gleichfalls mit dieser Aussage immer noch gerechtfertigt, ist es doch nur der Versuch die Politik mit anderen Mitteln zum Erfolg zu bringen, womit wir doch wieder bei Clausewitz sind.
Kann es den gerechten Krieg geben? In Europa nicht mehr, außer vielleicht wenn “der Iwan” weiter am Gashahn dreht. Da ist mit dem Europäer nicht zu spaßen. betrachten wir die Kriegsmüdigkeit nicht als evolutionäre Entwicklung (an dessen Ende nicht zufällig wir stehen) sondern als psychische Erholungsphase, werden auch wir bald wieder gerecht Krieg führen. Zum Beispiel gegen Fischer, deren Fische von uns weg gefischt wurden und jetzt lieber Boote angeln.
Das es den Menschen noch nie so schlecht ging in Gaza, wie seit dem Beginn der Spaltung zwischen Hamas und Fatah und der daraus resultierenden politischen Isolation des Gazastreifens, hat vo kurzem erst die Flüchtlingsbeautragte der UN gezeigt. Ist es ein gerechtes Ziel wenn ich die Gruppe bekämpfe, die ich als Ursache für diesen Zustand imaginiere? die Frage lässt sich auch andersherum stellen.
Der Krieg kann gar nicht gerecht sein, weil für die Köpfe der Hamas oder der IDF oder Shin Beit, die man ausschalten könnte, immer ein Zivilist zu viel stirbt. Manche versuchen es dann nicht mal mehr zu vermeiden sondern konzentrieren sich nur auf Zivilisten mit Bulldozern und Kashemraketen.
Wem nützt es?
Nicht gerechtfertigt, sondern…
an und für sich gut und zuträglich.
Eine funktionierende Gesellschaft darf keine Doppelmoral zulassen. Wenn sie ihre Werte draußen wegverhandelt, verliert ihr Wertsystem auch drinnen an Bedeutung. So steht etwa die zunehmende Gewalt unter Jugendlichen in Israel in sehr engem Zusammenhang mit der zunehmenden Toleranz gegenüber der islamischen Gewalt von außen.
Mehr dazu im folgenden Beitrag vom Februar 2007 (in meinem alten Blog):
http://ein-jude-in-deutschland.blogspot.com/…tml
@ Yoav Sapir
Rache? Moral? Wertesystem? Hatten wir alles schon! Gibt es sonst noch was Neues -unter der Sonne? Schlag der Hydra den Kopf ab und siehe: es wächst ein neuer nach! Moral hat Mitgefühl stets behindert statt gefördert. Hier sind nicht Staaten und Gesellschaften gefragt, sondern der Einzelne, der nicht nach dem Papa schreit, sondern die Regierung im eigenem Kopf besitzt!
@ Dietmar
Auch die Vorstellung vom souveränen Individuum kann nur in einer *Gesellschaft* existieren, der ein zumindest gewissermaßen freiheitliches Wertesystem zugrunde liegt. Und so ist deine Freiheit als Einzelgänger von der Bereitschaft der dich umgebenden Gesellschaft abhängig, diese Freiheit zu verteidigen. Wenn du den wertmäßigen Zusammenhalt dieser Gesellschaft unterminierst, schadest du u. a. auch dir bzw. deiner eigenen Möglichkeit, als Individuum einen freiheitlichen Lebensstil zu führen. Das kannst du auch am bisherigen Versagen westeuropäischer Gesellschaften (etwa in Frankreich, den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen) erkennen, sich selbst als wehrhafte Demokratien vor der allmählichen Islamisierung zu schützen.
@ Yoav Sapir
“Und so ist deine Freiheit als Einzelgänger von der Bereitschaft der dich umgebenden Gesellschaft abhängig, diese Freiheit zu verteidigen.”
Nein! Meine Freiheit ist eine Freiheit, die auch in äußerer Gefangenschaft existiert. Freiheit muß also immer im Innersten errungen werden -das kann mir niemand abnehmen. Marx hat sich geirrt, denn der Mensch ändert sich nicht durch die Veränderung der Gesellschaft, sondern umgekehrt.
“Das kannst du etwa am bisherigen Versagen europäischer Gesellschaften erkennen, sich selbst als wehrhafte Demokratien vor der allmählichen Islamisierung zu verteidigen.”
Wo geistiges Vakuum des Einzelnen ist, da erst wird die “Islamisierung” zum Problem. Es ist also die geistige Genügsamkeit des Einzelnen in der “westlichen Welt”, die gen Himmel stinkt!
Im Englischen
Es ist jedoch merkwürdig, dass im Englischen wiederum ganz klar “You shall not kill” und nicht “You shall not murder” steht und damit die Theorie vom legitimen Töten durch die Bibel eigentlich wiederlegt sein müsste. Ich frage mich jedoch, wie es im Original heißt.
Allgemein bin ich jedoch auch dafür zu sagen, dass es keine gerechtfertigten Kriege gibt, sondern alles auf dem Scheitern der Kommunikation beruht. Es gibt kein äußeres oder inneres Wertesystem, das mit harter Hand für alle erkämpft werden müsste. Es gibt nur fehlende Toleranz, die eigentlich durch die verschiedenen Lehren verhindert werden müsste, sich aber trotzdem in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat.
@ Henry
1. Die Übertragung von Ex. 20:13 mit “töten” ist ein Fehler, der sich in fast allen christlichen Übersetzungen wiederholt. Wie es im Original heißt, steht doch schon im obigen Beitrag geschrieben.
2. Nicht “für alle” muss man sein Wertesystem erkämpfen, sondern für sich selbst, damit die eigene Gesellschaft zusammenhält.
3. Toleranz kann nur existieren, solange man beim Umgang mit den Intoleranten gegenüber keine falsche Toleranz erweist. Sonst besteht weder hüben noch drüben Toleranz und die Opfer der Intoleranten in den eigenen Reihen haben auch kein Vorbild mehr. Die erhoffte Verbreitung der Toleranz setzt also die Anwendung von Intoleranz denjenigen gegenüber voraus, die Intoleranz verbreiten.
Wir sind nicht schuld …
Vielleicht muß man sich, wenn man sich den hier angedachten Unterschied zwischen Töten und Morden klar gemacht hat, gar nicht mehr Gedanken darüber machen, daß eine Politikerin wie Angela Merkel als Schuldigen an diesem Krieg nur einen einen einzigen sieht: die Hamas.
Das wird man doch wohl schon sehr auffällig finden dürfen. Wann hätten Historiker je von einem Krieg gesagt, daß es für diesen nur einen Schuldigen gegeben hätte? Die Politiker aber, die Kriege verhindern hätten KÖNNEN (nach Ansicht der Historiker), denen war es zu Anfang von Kriegen OFT – oder wohl sogar IMMER – sehr wichtig, genau zu wissen, wer an ihnen schuld ist und wer nicht. (Klar, meistens waren es nicht sie selbst …)
Da neuerdings der deutsche BND sogar beim Ausbruch des Irak-Krieges so einiges “mitgemauschelt” hat (von den Reisen des BND ins Kriegsgebiet Tschetschenien gar nicht zu reden …), glaube ich denen da oben GAR nichts mehr. GAR nichts.
Und das wird das Gesündeste sein, was man tun kann.
Was “legitim” ist…
…bestimmen immer die Sieger.
Ich bin wirklich entsetzt! Mit dumpfer Religiosität wird in diesem Blogbeitrag das Töten von Menschen gerechtfertigt. “Gott sei Dank” darf man also töten, solange es nicht Mord ist… Unglaublich! Soldaten sind Mörder. Dies zu sagen, ist in Deutschland immer noch erlaubt.
Dieser Blogbeitrag kann übrigens genauso zur Rechtfertigung von terroristischen Taten herangezogen werden. Auch bei diesen “legitimieren” die Täter sich immer wieder auf Basis ihrer religiösen Ansichten.
Für mich als Atheisten eine weitere Bestätigung dafür, dass Religionen jedweder Couleur und Ausrichtung aus Politik und Gesellschaft verbannt werden müssen. Die zunehmende Radikalisierung aller Glaubensrichtungen beobachte ich mit wachsender Sorge. Bewegen wir uns auf ein neues Mittelalter zu? Ich hoffe zwar auf ein neues Zeitalter der Aufklärung, fürchte aber, es wird noch einige Zeit dauern, bis wir soweit sind.
Textverständnis
Bei allem Respekt davor, was manche hier unbedingt (wenn auch grundlos) reininterpretieren möchten:
Hier wird nichts “gerechtfertigt”. Denn rechtfertigen kann man nur das, was man negativ bewertet.
Vielmehr geht es hier darum, zu zeigen, dass freiheitliche Werte eben nichts mit Pazifismus zu tun haben. Sie gebieten zwar die andere Backe, doch nicht jene des Christentums, sondern diejenige der Bibel. Und wer den Krieg bereits als solchen für rechtfertigungsbedürftig hält, unterminiert – ob bewusst oder nicht – das Wertesystem, das ihm überhaupt die Freiheit gewährt, sich – ob explizit oder implizit – zum Pazifismus zu bekennen.
@ Yoav Sapir
Ich weiß nicht recht, was man darauf antworten soll. Vielleicht nur soviel: es gibt nicht nur schwarz und weiß. Und Bibelzitate kann man meist auf verschiedene Weise interpretieren.
Eine andere Frage: warum hast Du (oben unter dem Artikel) als ‘Ähnlichen Artikel’ den Text zum Holocaustkult aufgeführt?
@ Thilo
1. Dem ersten Absatz stimme ich natürlich zu, zumal die Aussage bzgl. der Interpretationsfreiheit nicht nur auf die Bibel zutrifft, sondern auf jeden Text, wie etwa das Grundgesetz der BRD (eben deswegen gibt es Einrichtungen, die das Monopol auf die legitime Interpretation haben, wie etwa das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe). Allerdings darf man Probleme nicht wegdifferenzieren. Das heißt: Irgendwo muss man Grenzen setzen, jenseits deren die Situation für extrem genug gehalten wird, damit es nicht mehr auf die eine oder andere Einzelheit ankommt und das Dunkelgraue wie Schwarz behandelt wird.
2. Das mit den “ähnlichen Artikeln” wird automatisch von der Plattform erstellt, anscheinend richtet sich die Wahl nach Stichwörtern im Textkörper der Beiträge.
@ Christian
Alle Kommentare werden einer redaktionellen Prüfung unterzogen. Jene Kommentare, die diesem virtuellen Raum sowie dessen Teilnehmern Respektlosigkeit erweisen, halten dieser Prüfung nicht stand. Du kannst uns aber gerne erzählen, wie du dich zu den Geisteswissenschaften verhältst bzw. was du davon hältst.
Sind etwa die Schriften der (sogar für eine “Sozialwissenschaftlerin” gehaltenen) Hannah Arendt als “Wissenschaft” oder eher als “Stammtischgerede” zu erachten? Dabei kommt es natürlich darauf an, was man sich jew. unter “Wissenschaft” vorstellt. Einerseits sind ihre politisch-theoretischen Überlegungen intersubjektiv nachvollziehbar; andererseits führt die Wiederholung des “Experiments”, also der Fragestellung, im Kopf eines anderen Menschen nicht unbedingt zum selben Ergebnis, sodass man von keinem empirischen Wissen sprechen kann.
Dieselben Schwächen weisen zugegebenermaßen auch die eher politisch-theologischen Überlegungen im hiesigen bzw. obigen Beitrag auf. Wenn du also der Meinung bist, dass die Bezeichnung von Fachbereichen, in denen – wie etwa in der Geschichtswissenschaft, der Literaturwissenschaft oder in der Theologie – oft nur interpretiert wird und von empirischem Wissen kaum die Rede sein kann, als “Wissenschaft” nicht unproblematisch ist, gebe ich dir Recht. Nichtsdestoweniger sind sie als akademische Fachbereiche staatlich anerkannt.
@ alle
Nach wiederholtem Missbrauch der Kommentarfunktion werden die Kommentare bis auf weiteres nicht, wie es bislang der Fall gewesen ist, erst im Nachhinein, sondern nunmehr im Vorhinein redaktionell geprüft. Auf der Website erscheinen sie also erst, nachdem sie freigeschaltet worden sind.
@ Yoav Sapir
Oh, es gibt also eine redaktionelle Prüfungsinstanz in den scilogs? Was sind die Kriterien? Und warum werden dann nicht auch die Blogbeiträge selbst einer solchen Prüfung unterzogen? Ich bleibe bei meinen Worten, welche jetzt zwei Mal hintereinander gelöscht worden sind, und die niemandem “Respektlosigkeit erweisen”. Falls Sie sich durch meinen Kommentar respektlos behandelt fühlen, so entschuldige ich mich explizit bei Ihnen, doch sind es ursprünglich Ihre Gedanken, die meinen Widerspruch provozieren.
Hier also noch mal meine Worte, auf die sich Ihr Kommentar bezieht:
[gelöscht]
@ Christian
1. Die Kriterien habe ich oben dargelegt. Und da du hier bei mir zu Gast bist, musst du sie beachten.
2. Es ist doch gut, wenn meine Gedanken bei dir Widerspruch hervorrufen, denn erst dann kann eine tiefer eingehende Diskussion entstehen. Deine Gedanken musst du aber wiederum so in Worte fassen, dass sie den virtuellen Raum, an dem du teilhaben möchtest, nicht herabsetzen.
3. Dass du dich entschuldigen möchtest, finde ich gut, aber was ist denn diese Entschuldigung wert, wenn du das, wofür du dich eben entschuldigt haben sollst, gleich wiederholst?
@ Christian
“Oh, es gibt also eine redaktionelle Prüfungsinstanz in den scilogs?”
Die gibt es eigentlich nur bei der KlimaLounge, weil die Kommentare aus dem Ruder gegangen sind und oftmals das Thema gewechselt wurde und es immer beim gleichen herauskam, deshalb wird dieser Blog moderiert. Es sei denn es treten Beleidigungen oder dergleichen auf.
Es ist jedoch so, daß jeder Blogbetreiber bei den SciLogs frei ist in der Auswahl seiner Themen. Wir mischen uns da nicht ein, es sei denn es würde eine bestimmte Grenze übertreten, aber das würde sicher kein Blogger unter dem Dach der SciLogs tun, weil die Blogger ausgewählt sind. Desweiteren hat jeder Blogbetreiber das Recht mit den Kommentaren zu verfahren, wie er es für richtig hält.
Mit redaktioneller Prüfung habe ich gemeint, dass ich nicht den Inhalt prüfe, also ob man meine Argumente akzeptiert oder ablehnt, sondern die Form, also ob man diesen gemeinsamen Raum respektiert oder nur herabzusetzen sucht.
Insofern müssten die “Spielregeln” eigentlich klar sein.
1. Oh, das tut mir leid. Ich hatte das “Original” nur in Bezug auf die Erstübersetzung ins Deutsche und nicht auf die ursprüngliche Sprache gesehen.
2. Wenn du davon sprichst, dass man für die eigene Gesellschaft sein Wertesystem erkämpfen soll, dann musst du doch grundlegend davon ausgehen, dass jeder äußere Einfluss auf die eigenen Werte grundlegend falsch sein muss. Woher weißt du aber, dass unsere eigenen Werte überhaupt richtig sind und sie nicht nur auf falschen Vorstellungen beruhen?
Übrigens habe ich mit meiner Kritik am Wertesystem nur sagen wollen, dass man Menschen nicht durch Gewalt von einem scheinobjektiven positiven Wertesystem überzeugen kann.
3. Das gilt vielleicht für Einzelpersonen, aber in keinem Fall für verallgemeinerte Gruppierungen oder für ganze Religionen. Deshalb verstehe ich auch nicht, wie man von “islamischer Gewalt” sprechen kann. Das grundlegende Ziel jeder Religion ist ein friedliches Zusammenleben durch das Aufstellen bestimmter Regeln zu sichern. Wenn zwei Religionen sich scheinbar also gegenseitig bekriegen, dann handelt es sich immer nur um Menschen, die ihre Religion dafür missbrauchen, persönlich empfundene Ungerechtigkeiten aus dem Weg zu schaffen.
@ Henry
ad 2.:
Es kommt nicht darauf an, ob der Einfluss von außen oder von innen kommt. Für Polen kam der Nationalsozialismus von außen, für Deutschland von innen, doch auch für Deutschland bzw. Deutsche war er “falsch” bzw. gefährlich (wenn auch weniger als etwa für Polen). Es kommt also darauf an, inwiefern die Gesellschaft bzw. deren Grundordnung gefährdet wird.
Dass die freiheitliche Grundordnung absolut richtig wäre, habe ich nicht behauptet. Sie ist aber insofern relativ richtig, als die Menschen in Israel und ähnlichen Gesellschaften sich freiwillig für diese Grundordnung entscheiden und i. d. R. auch bereit sind, deren Erhalt ggf. mit Gewalt zu verteidigen (im Hinblick bspw. auf das Verhältnis BRD/Ostblock waren die meisten in der BRD doch für die Wiederbewaffnung und ihre späteren Folgeerscheinungen und gegen die Parole “Besser rot als tot”).
Allerdings bedeutet Freiwilligkeit noch längst keine Freiheitlichkeit: Es waren ja die Perser selber, welche die islamische Revolution zugelassen haben, und so waren es auch die Palästinenser selbst, welche der Hamas in demokratischen Wahlen die absolute Mehrheit gegeben haben (und an anderen Beispielen fehlt es nicht).
Das weist also darauf hin, dass Freiheitlichkeit keine allgemein menschliche Grundtendenz ist; vielmehr gibt es Völker, die in zivilisatorischer Hinsicht noch nicht zur Freiheitlichkeit fähig sind, ja nicht einmal dazu, sie zu wollen (man kann sagen, dass diese Völker bzw. Zivilisationen noch nicht den Sprung in die Moderne geschafft haben, s. hierzu etwa Dan Diners “Versiegelte Zeit”: http://www.perlentaucher.de/buch/22260.html). Insofern gebe ich dir natürlich Recht, “dass man Menschen nicht durch Gewalt von einem scheinobjektiven positiven Wertesystem überzeugen kann”.
Du siehst also, dass ich die Freiheitlichkeit zwar nicht für absolut richtig, aber schon für eindeutig fortgeschrittener halte als die Alternativen.
ad 3.:
Doch, das gilt m. E. auch für Massengruppierungen wie etwa das nationalsozialistische Deutschland. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn man ihn schon bekämpft hätte, als er noch kein Massenphänomen, sondern die Sache Einzelner gewesen ist; aber auch später galt noch das Imperativ, sich dem NS-Deutschland entgegenzusetzen, was leider lange Zeit nur von extrem wenigen wahrgenommen wurde, während die meisten noch ans Appeasement glaubten.
Deiner Aussage, dass “[d]as grundlegende Ziel jeder Religion ist[,] ein friedliches Zusammenleben durch das Aufstellen bestimmter Regeln zu sichern”, stimme ich keineswegs zu. Der Islam ist eine (religiöse) Ideologie, die, wie andere Ideologien auch, expansionistische sowie gewalttätige Züge aufweist.
Damit will ich nicht sagen, dass es unmöglich ist, den Islam etwa im Sinne des Euroislam umzuinterpretieren und somit neu zu gestalten. Aber dieser Randerscheinung liegt eine gedankliche Bewegung vom Eigentlichen weg zugrunde (und ob sie gelingt bzw. sich als tragfähig erweist, muss sich noch zeigen). Auch das Christentum wies in seiner facettenreichen Geschichte sehr viel Gewalt auf (dank der Moderne ist dem nicht mehr so), doch dort bildet die Betonung der Liebe etc. eine Bewegung zum Kern hin.
Natürlich ist das Christentum ebenfalls eine expansionistische Ideologie, nur ist dort die religiöse Gewalt ein relativ spät hinzugekommenes, eigentlich im Heidentum verankertes Phänomen, das nichts mit der Botschaft zu tun hat, die der im Mittelpunkt des Christentums stehenden Person zugeschrieben wird. Demgegenüber entspringt es dem Koran bzw. dem Islam selbst, dass man diese Ideologie mit Gewalt zu verbreiten sucht; die Muslime, die diesen Ansatz verfolgen, sind daher keine Menschen, “die ihre Religion […] missbrauchen.” Ganz im Gegenteil.
@ Patric
Ich muß Patric zustimmen. In der Tat drängte sich mir der Vergleich mit dem Mittelalter schon bei einem früheren Blogbeitrag auf:
http://www.chronologs.de/…bingen-zum-9.-november
Eine ganz andere Frage
Lieber Yoav, entschuldige bitte, dass ich diese Diskussion mit einer ganz persönlichen Frage unterbreche. Hätte ich Deine Email-Adresse, hätte ich meine Anfrage selbstverständlich dorthin geschickt.
Ich suche für eine vom 23. – 24. April 2009 in Paris stattfindende Tagung einen Referenten, der zur Rolle des vorgeburtlichen Lebens im Judentum sprechen könnte. Konkreter: Welchen moralischen Status billigt die jüdische Religion Embryonen und Feten zu?
Reise und Unterkunft werden selbstverständlich von den Organisatoren der Konferenz übernommen. Wichtig ist nur, dass der Referent in englischer Sprache vorträgt bzw. einen englischsprachigen Beitrag vorliest.
Kannst Du eventuell helfen?
Schicke Deine Antwort doch einfach an meine persönliche Email-Adresse: edgardahl@yahoo.com
Mittelalter
Soll man daraus verstehen, dass das sog. “Mittelalter” (ein sehr problematischer Begriff an sich) negativ zu bewerten ist, etwa im Sinne der im englischen Begriff “dark ages” enthaltenen Botschaft?
Das sei jetzt mal als rhetorische Frage gestellt. Wer wirklich an die Darkness der “dark ages” glaubt, möchte sich vielleicht an jmd. wenden, der sich auf dieses Zeitalter spezialisiert, wie etwa Max:
http://www.chronologs.de/chrono/blog/tiro-stupens
zu 2.: Was ist für dich Freiheitlichkeit und inwiefern erfüllen das die entsprechenden arabischen Staaten nicht?
Du sagst, dass die freiheitliche Grundordnung dahingehend “relativ richtig [ist], als [dass] die Menschen in Israel und ähnlichen Gesellschaften sich freiwillig für diese Grundordnung entscheiden und i. d. R. auch bereit sind, deren Erhalt ggf. mit Gewalt zu verteidigen […]”. Meiner Meinung nach widerspricht sich das aber mit deinen weiteren Ausführungen, da die Palästinenser sich ja unter den gleichen Bedingungen freiwillig für das entsprechende System entschieden haben und damit ja auch nur ihr System verteidigen wollen.
zu 3.: Du schließt also generell aus, dass es im Nationalsozialismus auch Menschen gab, die der Partei angehört haben und trotzdem keinen radikal-ideologischen Grundsatz wie den Judenhass oder die Rassentheorie besaßen?
Ich verstehe deine Kritik gegenüber dem Islam, aber ich verstehe in keinster Weise, warum sich auf dieser Grundlage dann überhaupt jemand für den Islam entscheidet.
Außerdem ist das Christentum in meinen Augen in dieser Hinsicht nicht wirklich besser. Es mag schon auf eine gewisse Art richtig sein, dass das Christentum zum Kern hin die Liebe und das Handeln einer Figur in den Mittelpunkt stellt. Das Christentum erlangte jedoch aber erst wirklich an Einfluss, als es durch gewalttätige Expansion des römischen Reiches auf ganz Europa überschwappte. Weiterhin sehe ich die auch noch in der Moderne stattfindenden Missionierungsversuche der Christen in gewisser Weise als gewalttätigen Eingriff in eine funktionierende Gesellschaft. Ob man nun Recht oder Liebe mit Gewalt erzwingt, ist nach meiner Ansicht in beiden Varianten falsch.
@ Henry
Neue Nummerierung:
1. Mit Freiheitlichkeit will ich den Begriff des Liberalismus als allgemeiner Richtung ins Deutsche übersetzen: http://de.wikipedia.org/wiki/Liberalismus
2. Eben deswegen, weil es Gesellschaften gibt, die sich freiwillig etwa für islamische Herrschaft entscheiden, geht es bei der im Westen üblichen Freiheitlichkeit nicht um absolute Richtigkeit. Will sagen: Dass die meisten Abendländer mit dem (vom einen Land zum anderen freilich schwankenden, aber nichtsdestoweniger charakteristischen) Liberalismus zufrieden sind, ist eine Sache; inwiefern diese Grundordnung auf andere Zivilisationen übertragbar ist, ist eine andere.
3. Gewalttätige Aggressivität ist keine Verteidigung. Außerdem muss man nicht alles tolerieren, was der Nachbar so rumtreibt. Irgendwo muss man doch Grenzen setzen, sei es etwa bei der Entstehung einer islamischen Republik an der eigenen Grenze. Man darf nicht aus Gründen des Liberalismus zulassen, dass der eigene Liberalismus gefährdet wird. Das ist ja schwachsinnig. Extremer Intoleranz gegenüber darf man nicht tolerant sein.
4. Wie gesagt, darf man nicht die Probleme wegdifferenzieren. Wäre ich an der Stelle Neville Chamberlains gewesen, so wäre es mir egal gewesen, was sich jeder Mitglied der NSDAP denkt, zumal sich in der sonstigen Bevölkerung ebenfalls große Unterstützer befunden haben. Man muss Grenzen setzen, jenseits deren das Dunkelgraue wie Schwarz behandelt wird (oder meinetwegen: das Hellbraune wie Braun).
5. Was Menschen, die nicht in den Islam hineinerzogen werden, trotzdem dazu bewegt, sich ihm auszuliefern, ist eine gute Frage. Vermutlich finden dort viele Bestärkung. Aber die Frage gilt eigentlich nicht nur für den Islam. Was hat so viele dazu gebracht, ihre Wahlstimme, ihre Arbeitskraft, ihre Begabungen und oft auch ihr Leben für den Nationalsozialismus zu geben? Solche machtorientierte Ideologien – und Religionen sind ja auch Ideologien – scheinen viel Anziehungskraft zu besitzen. Ansonsten kann dir der Religionswissenschaftler Michael Blume bestimmt weiterhelfen.
6. Nicht “durch gewalttätige Expansion des römischen Reiches” und schon gar nicht so schnell “auf ganz Europa”. Das Römische Reich hatte bereits im 3. Jh. n. u. Z., also vor Konstantin, seine Höchstausdehnung erreicht. Aber abgesehen davon: Eben, auch die verschiedenen Formen des kirchlichen Christentums haben gewalttätigen Expansionismus getrieben (heutzutage eher weniger). Nur kann man sich im Christentum darüber wundern, dass es dazu gekommen ist, obwohl es nichts damit zu tun hat (und dem vielleicht sogar widerspricht), was der tatsächliche oder vermeintliche Heiland der Christen gepredigt haben soll. Im Islam ist es aber genau umgekehrt: Der gewalttätige Expansionismus entspringt den Worten, die dem tatsächlichen oder vermeintlichen Propheten der Muslime zugeschrieben sind.
Völlig daneben
Tut mir Leid, ich finde Beitrag und Diskussion daneben bis an den Rand des Zynismus.
Hier über die “Legitimität” eines Krieges und alttestamentarische O-Töne zu theoretisieren, während dort Menschen leiden – leiden heisst: völlig verängstigt sind, Kinder und Erwachsene traumatisiert werden, verschüttet und beschossen, Gliedmassen verlieren, auf den Fluren von überlasteten Krankenhäusern sterben und, und, und – das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Es ist mir ziemlich egal, was in irgendeiner heiligen Schrift steht, Kollateralschaden ist nicht nur ein Wort, sondern findet statt. Was mag jemand über die Diskussion hier denken, der gestern in dieser Uno-Schule war?
@ Arvid
Nicht Zynismus, sondern (meinetwegen “kaltblütiger”) Realismus:
1. Nicht “legitim” (im Sinne von “gesetzmäßig”, “erlaubt”), sondern *gut* (und daher auch erlaubt).
2. Kennst du Kriege ohne Kollateralschaden?
3. Welcher Verantwortung misst du der Bevölkerung bei, die das Hamas-Regime hervorgebracht hat und auch heute noch trägt?
4. Darf man d. M. n. das Krankenhaus verschonen, das erlaubt, dass sich die Hauptverbrecher der Hamas im Keller des Gebäudes verstecken? Wenn ja: Wie würdest du dann verhindern, dass es zur Präzedenzfall würde, d.h. dass Terroristen nunmehr wüssten, dass sie sich mit solchen skrupellosen Methoden retten können? Wie viele Opfer von künftigem Terrorismus bist du bereit zu erdulden, bis du aufhörst, nach der Pfeife von Terroristen zu tanzen?
@Yoav Mittelalter
Ich wüsste jetzt nicht, was am Begriff Mittelalter problematisch sein sollte. Es handelt sich um eine Bezeichnung für den Zeitraum zwischen Antike und Neuzeit in der europäischen Geschichte.
Ich habe den Begriff “Mittelalter” aus der humanistischen Sichtweise heraus gebraucht. Im Mittelalter stellte der Glaube den absoluten Maßstab und die Grundlage für die Bewertung aller weltgeschichtlichen Entwicklungen. Ja, in diesem Sinne wird das Mittelalter auch als “dunkles Zeitalter” bezeichnet.
Und es ist mir bewusst, dass diese Begriffe streng genommen nur auf das Christentum und die europäische Geschichte zu beziehen sind. Zieht man Vergleiche zwischen damals und heute, kann man, denke ich, getrost eine Ausweitung auf alle Religionen und Erdteile vornehmen.
Da ich kein Fachmann bin, wollte ich durch den Gebrauch des Begriffs “Mittelalter” auf einen Rückfall in vor-aufklärerische Zeiten hinweisen, der sich meiner Meinung auch in wörtlichen Auslegungen sogenannter heiliger Schriften zeigt. Aus meiner Sicht entsetzlich dabei die Tatsache, dass diese wörtlichen Interpretationen wieder einmal wie so oft in der Menschheitsgeschichte herangezogen werden, um Diskriminierung und Kriege zu rechtfertigen. Leider auch in viel größerem Maßstab als nur in diesem Blog.
Vielleicht sollte man den Menschen einfach mal die Wahrheit sagen. Kriege werden – um die wichtigsten Gründe zu nennen – geführt um Öl, Wasser, Macht, Geld, Besitz, Land, aus Haß und natürlich auch zur Selbstverteidigung (gestehe ich jedem zu). Kein Krieg wird geführt, weil irgendein Gott ihn befohlen, genehmigt oder für gut befunden hat. Wenn man sich verteidigen muss, dann soll man das auch so sagen. Wenn man aus einem der anderen Gründe zu den Waffen greift… naja, Aber sich noch den vermeintlichen Segen eines Gottes zur Beruhigung zu holen – dass sowas heute noch funktioniert, ist in meinen Augen finster genug. Dass das mitten in Europa, in Amerika, in der ganzen sogenannten westlichen Welt passiert, ist schlimm. Womit wir wieder bei meinem Mittelalter wären…
Grüsse
Patric
@ Patric
1. Der Begriff “Mittelalter” suggeriert, das es sich dabei nur um die Zeit “dazwischen” handeln würde, als wäre das eine Rückgangsphase zwischen den beiden Höhepunkten der Antike und der Neuzeit. Er ist nicht so explizit wie “dark ages”, vermittelt aber eine sehr ähnliche Botschaft.
2. Zum zigsten Mal: Ich rechtfertige keine Kriege, weil ich den Krieg als solchen nicht für rechtfertigungsbedürftig, sondern für wertmäßig neutral halte. Genau so wie bei der Tötung kommt es nicht auf die Handlung selbst, sondern auf den Zusammenhang: Wer macht was, wem, aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken, etc. Du darfst hier natürlich eine andere Position vertreten, wie du auch machst, aber bitte schreib mir dabei keine Rechtfertigung des Krieges zu.
3. Natürlich werden Kriege im Namen irgendwelcher Gottheiten, d.h. zu religiösen bzw. sonstwie ideologischen Zwecken geführt. Oder streitest du die Möglichkeit ideologisch motivierter Kriegsführung grundsätzlich ab?
4. Falls ja: Würdest du bspw. sagen, dass Hitlers im II. Weltkrieg keine Ideologie umzusetzen suche, sondern die Ideologie nutzte, um seine angeblich “eigentlichen” Zwecke zu verfolgen, also etwa um seine Machtansprüche durchzusetzen? Ich bin zwar der Meinung, dass die Chronik der nationalsozialistischen Kriegsführung dies widerspricht, aber mich interessiert jetzt vor allem, wie du es siehst.
@Yoav
1. Wieso ist etwas nach rückwärts gewandt (Rückgangsphase), wenn es dazwischen (Mittel) ist? Egal, wir sind uns, denke ich, über die dark ages einig.
2. Wenn Du Kriege hier nicht rechtfertigst, dann würde ich Dich bitten, Deinen Blog-Eintrag entsprechend umzuschreiben.
“Gibt es gute Kriege?”
…
“Anscheinend nicht”
…
“Gott sei Dank, dass es im Original doch anders heißt:”
…
“Doch was für Vorbilder gibt es in der Bibel für eine legitime Tötung?”
…
“erschlug damit tausend Mann.”
Sicher unzulässig, diese Verkürzung, aber so kommt es (für mich) leider rüber. Tut mir leid, aber in meinen Augen sagst Du mir, dass die Bibel das Töten von Menschen legitimiert.
Das tut sie nun tatsächlich, aber damit werden Kriege in meinen Augen keinen Deut besser, nur die Bibel erweist sich wieder einmal als Geschichtensammlung aus der antiken Wüste, nicht geeignet, uns heute als Inspiration oder Anleitung zu dienen.
3. Ich wollte sagen, dass Gottheiten immer vorgeschoben, aber nie der wahre Grund eines Krieges sind. Oder glaubst Du, dass die Heere früher und heute eine direkte Ansprache von oben vor Schlacht bekommen haben?
Natürlich werden Kriege wegen Ideologien geführt. Aber die Geschichte hat doch gezeigt, dass es meist um die Macht der Anführer der Ideologien ging.
4. Ich verstehe jetzt ehrlich gesagt nicht, was Hitler und seine Nazischergen in der aktuellen Diskussion zu suchen haben. Oder versuchst Du die Diskussion per “Godwin’s Law” zu beenden?
Aber um Dir eine Antwort zu geben: Hitler war verrückt, seine Ideologie krank und die Deutschen in der Mehrzahl ver- oder geblendet. Aber hat er wegen bzw. für seine Ideologie Krieg geführt? Nein. Es ging um Macht, Geld (Krieg ist ein effektives Mittel zur Entschuldung eines Staates), Ressourcen (Öl) und Einfluss. Der Verrückte wollte halt Europa beherrschen.
Insofern ja: er hat seine Ideologie benutzt, um Machtansprüche durchzusetzen. Aber im Falle von Hitler hatte das nichts mit Realpolitik zu tun.
@ Patric
1. Ich hab das im Sinne von vorläufigem Rückfall oder zumindest Stagnation gemeint, die ich dem Mittelalter aber nicht zuschreibe. Insofern sind wir uns in diesem Punkt doch nicht einig – und über die Darkness der vermeintlich “dark ages” schon gar nicht… Aber das gehört tatsächlich nicht zum Thema.
2. Ich glaube, wir haben unterschiedliche Vorstellungen von Rechtfertigung und Legitimierung. Darunter verstehe ich den Versuch, etwas, was die andere Seite verurteilt, doch noch ins positive Licht zurück, wobei man von den Prämissen der anderen Seite ausgeht. Zum Beispiel: Herr Schmidt meint, seine Frau würde ihn mit Herrn Meyer betrügen. Die Frau könnte ihr Verhalten rechtfertigen bzw. legitimieren, indem sie sagen würde: “Zwar war ich heute mit Herrn Meyer im Kino, doch ist er nur ein guter Freund!”. Dabei geht sie davon aus, dass der Kinobesuch in Begleitung eines anderen Mannes schon an sich Grund für Verdacht bietet.
3. Es ist mir egal, ob sie direkt mit ihrer Gottheit sprechen können oder nur von ihr inspiriert werden bzw. sich von bestimmten Gottesvorstellungen inspirieren lassen. Im Endeffekt sind sie ggf. zum Kampf bewogen und zwar nicht unbedingt deswegen, weil sie damit Macht, Geld oder was anderes für sich selbst gewinnen wollen. Ich glaube, dass kann dann der Fall sein, wenn es nicht die Menschen sind, die Ideen haben, sondern umgekehrt (um mit den Früchten des Zorns zu sprechen). Dabei macht es nicht viel aus, ob die Idee religiöser oder anderer Natur ist. Schau dir mal etwa die muslimischen Selbstmordattentäter in Israel: Das sind oft hochgebildete junge Männer und Frauen, die sehr wohl verstehen, was sie tun und wozu sind es tun. In ihnen blüht die (durch israelische Politik leider bestätigte) Hoffnung, durch den Mord an tunlichst vielen Juden etwas *hier auf Erden* zu erreichen. Allerdings wissen sie, dass sie das erhoffte Ergebnis nicht mehr erleben werden. Das heißt, sie wollen für eine (nicht unbedingt religiöse) Idee sterben, sich zu einem ideologischen Zweck opfern.
4. Der II. Weltkrieg ist relativ gut bekannt, daher habe ich dieses Beispiel gebraucht, um zu erfahren, ob du wirklich jedwede ideologische Motivation in Abrede stellst. Naja, ich bin also, wie schon gesagt, der Meinung, dass Hitler – zwar nicht nur, aber doch weitgehend – ideologisch motiviert war. Viele Entscheidungen der Kriegsführung, wie etwa die Aussetzung kriegswichtiger Ressourcen im Jahre 1944, um die Vernichtung (v. a. ungarischer) Juden zu beschleunigen, lassen sich m. E. nicht anders erklären als damit, dass er zumindest an der Ostfront keinen ideologisch vermarkteten Machtkrieg, sondern einen richtig ideologischen Krieg führte. Auch die Hamas-Führer, die ihre eigenen Kinder auf Selbstmordattentatsmissionen schicken, sind m. E. nicht nur vom Machtkampf, sondern vor allem auch von ihrer Religion motiviert. Damit will ich nicht bestreiten, dass es Kriege gegeben hat und auch immer geben wird, die vor allem aus (sagen wir mal:) rationalistischen Gründen (wie Macht, Geld, Ehre etc.) bewogen werden. Nur gibt es eben auch anders, eben (religiös-)ideologisch motivierte Kriege.
zu 2.: Ich finde es merkwürdig, dass du einer Zivilisation grundsätzlich ihre Möglichkeit zum Wandel aberkennst. Wenn man sich die Entwicklung in Europa anschaut, dann entwickelten sich die meisten freiheitlichen Demokratien auch erst im 19. oder 20. Jahrhundert.
zu 3.: Aber jede Verteidigung ist gleichzeitig auch ein Angriff. Wie man diesen wiederum bewertet, ist jedem selbst überlassen. Der eigene Liberalismus wird nur insofern gefährdet, als dass versucht wird, die eigene Position und den Wert des eigenen Systems zu überschätzen. Ich erkenne in deinen Worten auch keinen wirklichen Lösungsvorschlag der an einem Krieg vorbei führen könnte. Als Endkonsequenz muss ich mich deshalb auch fragen, ob du möchtest, dass der Islam vollständig verschwindet?
zu 4.: Du siehst den Liberalismus als einen Schritt nach vorne an, verallgemeinerst aber trotzdem, wo es nur geht. Im Zentrum des Liberalismus stehen aber das Individuum und seine Taten. Deswegen kann man Grenzen nun einmal nicht so leicht für ganze Gesellschaften oder Zivilisationen setzen und alles so anpassen, dass man dadurch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit umgeht.
zu 5.: Man kann diese Frage grundsätzlich auch auf andere Ideologien anwenden. Das ist richtig. Aber eine allgemein gültige Antwort für alle Ideologien zu finden, das ist meiner Meinung nach nicht möglich, da sich jede Ideologie andere Ziele setzt und damit auf anderen Grundlagen beruht. Deine Antworten sind dahingehend nicht sehr überzeugend. Die Frage nach der Anziehung des Islams wäre aber der erste Ansatz für eine gewaltlose Lösung.
zu 6.: Ok, du hast Recht, die Expansion des römischen Reiches war sicherlich abgeschlossen, aber die christliche Expansion innerhalb des römischen Reiches sicherlich nicht.
Zuerst einmal wollte ich damit aber sagen, dass die religiöse Gewalt somit nicht erst sehr spät hinzugekommen ist, sondern bereits knapp 300 Jahre später durchgezogen bis zur Neuzeit vorhanden war.
Die Römer verbreiteten unter Theodosius I. dann das Christentum aber ebenfalls gewalttätig innerhalb der eigenen Grenzen, was dazu führte, dass seit der Einführung des Christentums als Staatsreligion die meisten Kriege im Nachhinein mit der Religion gerechtfertigt wurden.
Du knüpfst die Religion auch meiner Meinung nach zu stark an die Worte der entsprechenden Schlüsselfiguren. Viele religiöse Probleme wie Abtreibung, Homosexualität oder Sex vor der Eheschließung können mit diesen Worten jedoch heute nicht mehr gelöst werden, da sie zur damaligen Zeit einfach nicht so sehr im Vordergrund standen. Du schließt eigentlich auf diese Weise eine Weiterentwicklung der entsprechenden Religionen völlig aus.
@ Henry
ad 2.:
Ich kann der islamischen Welt nichts aberkennen, weil es mir gar nicht zusteht. Ich kann nur feststellen, was sie sich bislang errungen oder aber freiwillig abgelehnt hat. Und vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass man kein abendländisch-modernes Wertesystem in diese Welt exportieren kann. Mit Vorbildern und Bildungsprogrammen geht es nicht, was m. E. ganz deutlich zeigt, dass unsere Vorstellungen etwa vom Individuum oder von Kinderrechten dem Menschen nicht angeboren sind. Um in einer Gesellschaft verankert zu werden, müssen sie von ihr selber erkämpft werden.
Diese ganze Problematik gilt aber nicht nur für die arabische Welt. Schau dir mal Russland an: Sind sie jetzt in eine Pseudodemokratie “zurückgefallen”? Nein, weil die breiten Massen in Russland auch nicht gegen das Zarenreich oder den Kommunismus aufbegehrt haben, d.h. es hat da noch nie eine richtige Demokratie gegeben. Die Überraschung besteht eher darin, dass es den Ukrainern 2004/5 gelungen ist, nicht mehr nur mitzuziehen, sondern – erstmals in ihrer Geschichte! – demokratische Wahlen wirklich *durchzusetzen*.
ad 3.: Der Islam wird nicht verschwinden, aber man kann sein Bestes tun, um ihn nicht zu bestärken, in dem man seine Gottheit bzw. deren Kämpfer nicht gewinnen lässt. Das hört sich vielleicht schwachsinnig an, aber leider bestimmt nicht der Westen, auf welchem “Spielbrett” die Auseinandersetzung stattfindet. Der große Fehler des Westens ist, dass er sein Weltbild in eine grundsätzlich andere Welt hineinprojiziert. Weil man nicht begreifen konnte bzw. wollte, dass die Angriffe am 9.11.2001 Teil eines Religionskrieges waren, griff man auf seine eigenen Denkmuster zurück und suchte nach einem Staat (damals war es Afghanistan), den man in Zusammenhang mit den Angriffen bringen und angreifen konnte. Dass man selber nicht an Allah glaubt, spielt hier keine Rolle, denn wichtig ist nur, woran die Angreifer glauben und was sie motiviert. Und wenn es Allah ist, dann hat man halt mit “ihm” zu tun. Man darf aber nicht so tun, als ginge es hier um eine Auseinandersetzung zwischen Staaten, die mehr oder weniger nach abendländischer Interessenlogik verliefe.
ad 4.:
(a) Jede Weltanschauung verallgemeinert, darunter natürlich auch der Liberalismus. Auch die Vorstellung vom Individuum ist ein verallgemeinerndes Konstrukt. Die Beschaffenheit des Menschen hat sich seit der Zeit des Faschismus etc. kaum verändert, nur sind die Massen inzwischen abermals “umerzogen” worden. Also haben wir hier im Westen mit Menschen zu tun, die die Vorstellung vom Individuum annehmen und nach den Regeln dieses (um mit Hobbes zu sprechen) Gesellschaftsvertrages spielen. Aber wie viele von denen sind schon richtige Individuen, die in der Lage sind, das Konstrukt des Individuums kritisch zu betrachten? Also handelt es sich auch in diesem Fall um eine Verallgemeinerung.
(b) Wenn Terroristen wie diejenigen im Gaza-Streifen Kinder gewohntermaßen als Leibschutz verwenden, tun sie das, weil sie wissen, dass es uns entsetzt. Unsere Werte können also zu Schwächen werden, wenn sie unüberlegt umgesetzt werden. Ein gutes Beispiel ist etwa die Freizügigkeit, die es in abendländischen Staaten gibt. Das hört sich selbstverständlich an, ist aber gesetzlich bzw. verfassungsmäßig verankert. Aber warum gibt es Gefängnisse, wenn der Staat sich doch zur Freizügigkeit bekennt? Weil der Staat weiß, das man die Spielregeln des Liberalismus nicht immer auf diejenigen anwenden darf, die ihrerseits nicht nach diesen Regeln spielen. Genau so verhält es sich mit Kinderrechten: Wenn Muslime wollen, dass ihre Kinder geschützt werden, dürfen sie nicht zulassen, dass Kinder als Leibschutz und Schulen als militärische Einsatzorte verwenden werden, d.h. sie müssen selber dafür Sorge tragen, dass solcherlei in ihren Gesellschaften als unakzeptabel gölte. Desgleichen mit dem Individualismus, dem Pluralismus, der Redefreiheit etc.: Das sind keine absoluten Imperative, sondern Privilegien, die unsere Zivilisation errungen hat und welche sowohl nach innen als auch nach außen auf keine Art und Weise angewandt werden dürfen, die diese Errungenschaften gefährden könnte. Diesen Zusammenhang veranschaulicht übrigens ganz gut das biblische Verbot, von einem Volksgenossen Zinsen zu verlangen: Weil er sich als Israelit zum selben Gesellschaftsvertrag bekennt und dieselben Spielregeln akzeptiert, kommt er in Genuss der damit verbundenen Vorstellungen.
ad 5.:
Die Frage ist berechtigt. Dieser Themenbereich ist bei mir zwar kein Forschungsschwerpunkt, aber ehrlich gesagt halte ich nicht viel von manchen, die sich auf diesem Gebiet für Fachleute halten. Ich habe schon zahlreiche Erklärungen gehört bzw. gelesen, von Angst vor der Moderne über Frustration aufgrund der nicht gerade erfolgreichen Integration in die moderne Welt bis hin zu tatsächlichen oder vermeintlichen Minderwertigkeitskomplexen. Solche Erklärungen scheinen mir aber Projektionen unserer eigenen Denkweise zu sein (“was würde mich als Muslime veranlassen, so eine Tradition weiterzuverfolgen?”), denn sie könnten genauso gut auch auf manch afrikanische, asiatische oder (mittel- bzw. süd-)amerikanische Gesellschaften zutreffen (und ich bin mir bewusst, dass selber der Begriff “Gesellschaft” eine Projektion bildet), aus denen jedoch kein ideologischer Krieg gegen den Westen im Allgemeinen und den jüdischen Vorposten im Besonderen hervorgeht. Ferner können diese rationalistischen Ansätze nicht erklären, warum der lange auf Israel beschränkte Kampf sich Anfang der 1990er Jahre plötzlich in einen “Weltkrieg” verwandelt hat.
Man muss daher m. E. vielmehr danach fragen, was der Islam *innerhalb seines eigenen Bezugssystems* so viel Anziehungskraft verleiht. Meiner Meinung nach geht es um Recht im Sinne von “Recht haben”: Als die Juden, die nicht einmal der sog. Prophet überzeugen konnte, 1991 begonnen haben, über ihren tatsächlichen oder vermeintlichen, jedenfalls in der Bibel verankerten Anspruch aufs Land zu verhandeln, schlug das Wellen in der islamischen Welt. Als Yizchak Rabin, der Repräsentant der Juden, dem muslimischen Jassir Arafat, der sich für den neuen Saladin hielt, 1993 die Hand gab, gab er ihm damit auch Recht. Und wie gesagt, waren die frühen 1990er tatsächlich die Zeit, in der der muslimische Kampf gegen Israel (christliche Palästinenser haben damit bis heute nichts zu tun, denn unter islamischer Herrschaft leiden sie ja) ganz andere Formen angenommen hat und Teil eines weltweiten Religionskrieges geworden ist – m. E. eben von der Legitimation getragen, die Israel dem Islam erteilt hat. Wenn jemand das gründlich erforschen möchte, würde es sich lohnen, diese Spur zu verfolgen.
ad 6.: Lass mich das zusammenfassen: Ich schaue mir die Texte an, die der jeweiligen Religion zugrunde liegen, und dann kann ich beurteilen, was bereits im Kern vorhanden ist und was nur hinzugekommen ist (und daher auch wieder an Bedeutung verlieren kann). Nun ist es so, dass die Grundtexte des Christentums relativ wenig Potential für *gewalttätigen* Expansionismus enthalten, während diejenigen des Islam relativ viel expansionistisches Gewaltpotential aufweisen. Daher konnte das Christentum beim Übergang in die Moderne weitgehend die gewalttätigen Züge loswerden, die ihm lange Zeit anhafteten, während wir im Hinblick auf den Islam m. E. mit keiner solchen Entwicklung rechnen dürfen.
Anschauungs-Unterricht?
Vielleicht könnte man es gut finden (will heißen: … “gut” …), wenn Yoav hier einmal sehr praktisch aufzeigt, was für merkwürdige Diskussionen herauskommen können, wenn man sich vorwiegend oder gar ausschließlich an das Alte Testament hält bei der Beantwortung einer solchen – wirklich nicht gerade leicht zu beantwortenden – Frage wie: “Gibt es gute Kriege?”
Was sollten wir denn wohl vom gegenwärtigen Krieg halten, wenn wir davon ausgehen würden, daß israelische Politiker und Militärs – und sei es nur vor sich selbst und sei es nur in letzter Instanz – ähnlich argumentieren würden wie hier Yoav? Das könnte einem doch hochgradig Sorge bereiten. Um mich vorsichtig auszudrücken. (Man könnte auch sagen: Es könnte Entsetzen hervorrufen.)
Und da kann man nur hoffen, daß im politischen Leben Israels die Bibel eine ebenso geringe Rolle spielt wie “sonst” in der westlichen Welt. Ob das allerdings der Wirklichkeit entspricht, das weiß ich nicht. Ich fürchte fast, daß es nicht stimmt.
korrekte Übersetzung?
Hallo Yoav,
wie lautet die korrekte Übersetzung des Gebots wirklich? Wie werden Hilfsverben im hebräischen verneint?
“Du sollst nicht morden” bedeutet in korrektem Deutsch nämlich, “Du bist nicht verpflichtet zu morden”. Ist nicht eigentlich gemeint “Du darfst nicht morden”?
mfg
Luchs
@ Luchs
Wortwörtlich übersetzt heißt es schlicht: “Du wirst nicht morden”, also im Sinne von “du darfst nicht morden”. Im obigen Beitrag wollte ich aber das Augenmerk auf den Unterschied zwischen “töten” und “morden” richten und die Leser mit keinen weiteren Unterschieden verwirren, zumal die etwas ältere Ausdrucksform “du sollst nicht” in diesem Zusammenhang auch heute noch als “du darfst nicht” verstanden wird.
gute Kriege
Gut sind Kriege nie, aber einige sind notwendig oder unausweichlich. Es wäre schön, wenn man alles im Dialog regeln könnte, aber das ist unrealistisch. Das weiß auch unsere Bundesregierung oder warum haben sie die Bundeswehr in den Kosovo geschickt?
Die Bilder von getöteten und verwundeten Zivilisten aus dem Gaza Streifen sind schrecklich. Aber schrecklich sind auch diese Kasam Raketen, die eine immer größere Reichweite haben. Ungelenkte Fernwaffen von denen man nicht genau weiß, wo sie eintreffen. Warum hat sich darüber kaum jemand beschwert? Ich will das eine Leid nicht gegen das andere aufwiegen, aber warum war das für viele kein Thema? Und wie will man dieses Problem der Hamas lösen, die mitten unter der Bevölkerung lebt, nachts spazieren geht, die Raketen abfeuert und dann wieder ins Dorf verschwindet. Soll Israel sich weiter beschiessen lassen? Wie will man mit jemanden verhandeln, der Israel das Existenzrecht verweigert und es am liebsten von der Landkarte ausradieren möchte?
Machen wir es uns nicht zu einfach nur die palästinensischen Opfer zu betrachten und Israel die Schuld zu geben?
Ok, vielen Dank für die Diskussion. Es war sehr interessant deiner Meinung zu folgen. Allerdings möchte ich das ganze erst einmal abschließen.
Ich bin auf keinen Fall ein Mensch, der eine Diskussion unbedingt abbrechen möchte, aber das Thema ist mir persönlich zu schwierig und zu weitläufig geworden.
Ich bin mir nicht sicher, was man genau tun könnte, obwohl ich für mich selbst weiß, dass Krieg in keinem Fall eine Lösung der Probleme darstellt. Ich denke, man sollte vielleicht abwarten, bis sich die entsprechenden Entwicklungen in den islamischen Staaten vollzogen haben.
Das war es erst einmal von mir und vielen Dank für den Austausch.
@ Martin Huhn
Dem kann soweit sicher jeder zustimmen. Nur geht es Yoav hier ja ausdrücklich nicht um die Rechtfertigung des Krieges als Notwehr (ggf. auch vorbeugend), sondern er begrüßt den Krieg ausdrücklich:
1. als Bestrafungsaktion
2. als Mittel, um die Moral im eigenen Land zu verbessern.
Darum geht es hier in der Diskussion.
@ Thilo
Fast… Aber bislang am nächsten!
Also:
Nicht den Krieg als solchen. Der Krieg als solcher, als menschliche Handlung, ist neutral. Es kommt dann darauf an, wer gegen wen Krieg führt, washalb und wozu. Ich gehe mal davon aus, dass wir darüber einig sind, dass der letzte Krieg Deutschlands gegen Polen negativ zu bewerten ist, der Krieg der USA gegen Deutschland hingegen positiv. Du würdest wohl sagen, Letzteres war gerechtfertigt. Ich würde sagen: Es war gut.
Was die Moral angeht:
Nicht um sie zu verbessern, sondern um sie überhaupt aufrechtzuerhalten (was in Israel momentan nicht so sehr gelingt). Wie heißt es in Gen. 4:10? “Das Blut deines Bruders schreit zu mir aus der Erde!” Daher obliegt es dem Gemeinwesen, Mörder zu verfolgen. Wenn das Gemeinwesen dieser Pflicht nicht gerecht wird, sondern mit den Mördern (ob Hammas, RAF etc.) etwa verhandelt, dann zeigt es, dass die Werte, die uns zusammenhalten, nichts mehr wert sind.
@ Yoav Sapir
Gibt es wirklich empirische Untersuchungen, daß Kriege die Aufrechterhaltung von Werten und Moral VERBESSERN?
Persönlich würde ich das sehr bezweifeln, aber ich bin natürlich kein Sozialwissenschaftler. Das Thema ist doch bestimmt schon mal untersucht worden.
@ Thilo
Von “Verbesserung” hast bislang nur du gesprochen. Ich würde mich zunächst auch damit zufrieden geben, wenn die Verschlechterung nicht so schnell vonstatten ginge, wie es der Fall ist, seitdem Israel als Staat mit Mördern verhandelt und somit nicht mehr seine Vorbildfunktion erfüllt.
Entweder lässt man zu, dass die eigenen Werte verachtet werden, oder man lässt es nicht zu. Man kann nicht nach außen die Verachtung tolerieren und zu gleicher Zeit erwarten, dass im Inneren die Werte genau so respektiert werden wie zuvor. Will sagen: Erwarten kann man es schon, wenn man unbedingt immer wieder enttäuscht werden will…
Siehe auch meinen Kommentar vom 05.01.2009 um 18h13.
(ich habe zwar nicht alle Beiträge gelesen, zu den letzten Einträgen möchte ich mich aber dennoch äußern dürfen:)
Sie schrieben:
“Ich gehe mal davon aus, dass wir darüber einig sind, dass der letzte Krieg Deutschlands gegen Polen negativ zu bewerten ist, der Krieg der USA gegen Deutschland hingegen positiv. Du würdest wohl sagen, Letzteres war gerechtfertigt. Ich würde sagen: Es war gut.”
Entschuldigen Sie, aber das möchte ich nicht unterschreiben müssen. Weil es lediglich aus einer subjektiven Perspektive empfunden wird.
Ich glaube nicht, dass die Nazis zu dem gleichen Urteil kamen: für sie war der Krieg gegen Polen gut und der Krieg gegen die USA strategisch problematisch und eigentlich nicht gewünscht (bzw. noch nicht so bald erwünscht).
Denken wir uns einmal versuchsweise eine Welt, in der Gott kein zärtlicher Onkel, sondern ein autokratischer Faschist ist. Ich weiß, dass das harter Tobak ist, aber ich meine das gar nicht einmal provokativ. Es wäre für mich persönlich kein angenehmer Umstand, aber welcher Mensch kann schon beweisen, dass Gott nicht ein Superfaschist ist? Gott ist ja prinzipiell unbeweisbar …
Wenn Gott nun aber ein Superfaschist wäre, dann wäre Adolf Hitler womöglich sein Prophet gewesen. Er hätte Gottes Willen und Wunsch als erster in seiner ganzen perversen Kraft erkannt und versucht, umzusetzen. Dann wäre auch sein Verhalten ‘gut’ gewesen, denn Gott als oberste moralische Instanz wünschte sich dann eben solche Hitlers. Der Krieg gegen Polen wäre dann ebenfalls moralisch ‘gut’ und ‘richtig’, die Niederlage der Faschisten hingegen ‘ungewünscht’, ‘böse’.
Mit diesem wohl sehr drastischen Beispiel will ich nur aufzeigen, dass GUT und BÖSE subjektive Begriffe sind, sein müssen. Es hilft zwar einer Gruppe von Menschen, dass sie übereinkommt und erklärt: Wir sind uns (hoffentlich) alle einig, dass der Krieg gegen Polen gut war, doch das heißt dann nur, dass eine Gruppe ihre eigenen Interessen vertritt, nicht aber die objektiven Interessen (welche das immer sein mögen).
Wer das zu Ende denkt, kommt zu dem Schluss, dass man vieles für Gut oder Böse erklären kann, auch Kriege, warum nicht. Aber diese Zuordnung kann schon morgen wieder verworfen werden, weil dann ein neues Licht auf die Situation scheint …
Kurzum: Kriege können für eine gesellschaftliche oder religiöse Gruppe opportun sein. Sie können subjektiv auch als ‘gut’ empfunden, ja bewertet werden. Ob sie tatsächlich gut sind, ist nicht zu beantworten. Das muss Theorie bleiben, so wie auch alle anderen wissenschaftlichen Theorien für alle Zeiten Theorie bleiben müssen …
@ Tolya
1. “das möchte ich nicht unterschreiben müssen.” – Das, was du nicht unterschreiben willst, war eh an Thilo gerichtet.
2. “Weil es lediglich aus einer subjektiven Perspektive empfunden wird.” – Aber natürlich. Alle Teilnehmer an dieser Diskussion vertreten ihre subjektiven Positionen. Allerdings versuchen wir, diese Positionen mit intersubjektiv nachvollziehbaren Argumenten darzulegen. Es geht also nicht nur um bloße Empfindungen.
3. “Ich glaube nicht, dass die Nazis zu dem gleichen Urteil kamen” – …hat auch keiner behauptet. Wenn ich an Thilo “wir” schreibe, gehe ich mal davon aus, dass er sich ebenfalls für kein Nazi hält…
4. “Dann wäre auch sein Verhalten ‘gut’ gewesen” – Vielleicht für diese Gottheit, die du beschreibst, aber nicht für mich und hoffentlich auch nicht für dich.
5. “GUT und BÖSE subjektive Begriffe sind, sein müssen” – …wissen wir spätestens seit Nietzsche, was aber längst nicht heißt, dass wir in einer “objektiven” Wirklichkeit agieren können. Schließlich haben wir mit jener Wirklichkeit zu tun, die wir wahrnehmen, sodass wir bei unseren Entscheidungen – ob bewusst oder unbewusst – doch auf unsere Vorstellungen von Gut und Böse angewiesen sind. Über diese jeweils anderen Vorstellungen unterhalten sich die Teilnehmer an dieser Diskussion.
6. “man vieles für Gut oder Böse erklären kann, auch Kriege, warum nicht” – Sicherheitshalber weise ich nochmals darauf hin, dass ich den Krieg als solchen *nicht* für gut, sondern für neutral befinde. Es ist der spezifische Zusammenhang eines jeden Krieges, der den Beobachter – je nach Anschauung, Wertsetzung etc. – dazu bringen soll, den jeweiligen Krieg auf die eine oder andere Art und Weise zu bewerten. Vom Krieg als solchem haben nur andere Teilnehmer gesprochen; ihre Herangehensweise kann ich nicht akzeptieren.
7. “Ob sie tatsächlich gut sind, ist nicht zu beantworten.” – …hat auch keiner behauptet. Sie sind aber vor allem deswegen nicht “tatsächlich” bzw. objektiv gut, weil die Bewertung (egal, wovon) unserer subjektiven Wahrnehmung, unseren subjektiven Vorstellungen entspringt, sodass die Bewertung – ob als gut, böse oder wie auch immer – gar nicht auf jene Projektion anwendbar ist, die wir die “objektive Wirklichkeit” nennen. Auch der Krieg selber ist ein menschliches Konstrukt und existiert nicht als solcher in der “objektiven Wirklichkeit” der Atome und Moleküle…
Schwarz und Weiß
Mal ganz unwissenschaftlich: Im Gegensatz zu meinem friedliebenden Weib bin ich durchaus nicht der Meinung, dass man nicht töten soll. Ginge ich nachts mit meiner Freundin spazieren im Park (altes Lied von Degenhardt), und ich hätte ein MP dabei – auch als ehemaliger Zivi: wenn ich sie anbekäme, ich würde sie im Notfall benutzen. Ich gestehe Israel ein Selbstverteidigungsrecht also völlig zu, konnte den Beginn der Angriffe zumindest nachvollziehen und war bei dem Austausch damals, als die beiden israelischen Soldaten in Särgen geliefert wurden, extrem entsetzt.
Was mich verstört ist zum einen die israelische Gnadenlosigkeit. Es gibt keine Entschuldigung für all diese Geschichten von Kindern neben toten Müttern, beschossenen Hilftstransporten, von erschossenen schutzsuchenden Zivilisten. Verfolgst Du die Opferzahlen? Gleich wie auch immer man das sehen mag – das steht in keinem Verhältnis, das ist nicht Auge um Auge, Unterkiefer um Unterkiefer.
Israel hat im Vergleich eine High Tech Armee und ist in meinen Augen dazu verpflichtet, auch nur Hamas-Kämpfer zu bekämpfen. Nur dann gilt das Argument der Selbstverteidigung, alles andere ist vom Hamas-Terror nicht zu unterscheiden (wenn der auch nicht so “effektiv” ist). Solltest Du mich nun wieder nach der Bevölkerung fragen, die dieses Regime ja dulde, betreibst Du Sippenhaft, und das geschieht eigentlich nur noch in Unrechtsregimen.
Was mich weiter verstört, ist die Enge Deiner Argumentation. Es gibt nur gut und schlecht, absolute Werte (absolut subjektive Werte), keine Differenzierung. Und selbst wenn Du nicht mit dem alten Testament antwortest (Und wie Du weißt, findet sich dort, genauso wie in den anderen heiligen Büchern, Begründungen für alles und jedes. Es ist nur die Frage, wie man den Spot stellen möchte …), würde ich bei allem Patriotismus auf einen etwas kritischeren Blick hoffen.
So war eines Deiner Argumente für die Bombardierung der Schule, dass sich dort “Hauptverbrecher der Hamas” aufgehalten hätten. In den Medien, die ich verfolge, war davon nicht die Rede. Sollte es sich bei Deinen Quellen um israelische handeln, dann bedenke, wer kommuniziert. Zumindest seit der Bush-Regierung kann man keiner Krieg führenden Nation mehr trauen.
Doch selbst wenn dort diese Hauptverbrecher gesessen haben sollten (und für mich ist das immer noch kein Grund), jeder Palästinenser ist ein potentieller Hauptverbrecher, und Israel erschafft in diesem Moment die nächste Generation. Denn alle Argumente, die Du hier lieferst, würde mir jeder Hamas-Scheich Bin Laden-mäßig lächelnd und mit weisen Augen womöglich sogar eloquenter servieren. Er würde weiter vorne beginnen, mich bei meiner Tochter packen und dem Hinweis, dass die doch verteidigt werden müsse … und wie lange ich noch nach der Pfeife der Besatzer tanzen wolle. In meinen Augen ist das Fundamentalismus und er ist besonders schamlos, weil er natürlich ein Körnchen Wahrheit enthält. Niemand darf sich erpressen lassen. Aber es gilt die Verhältnismässigkeit der Mittel.
Fundamentalismus lässt sich nie mit Gewalt überwinden. Vielleicht hilft so ein 80er-Jahre-Sting-Song, dass doch beide Parteien ihre Kinder lieben. Vermutlich aber nicht, vorher braucht es einen Blick jenseits von Schwarz und Weiß, braucht es aufgeklärtes Denken. Jetzt sag mir, wer von beiden Parteien dafür aktuell die besseren Voraussetzungen haben sollte!
Yoav,
dann habe ich wohl deine Haltung ganz falsch eingeschätzt, wir sind so gut wie in allen Punkten einer Meinung.
Die ‘Intersubjektivität’, die du anschneidest, führt vermutlich zu einer Kollektivsubjektivität. Die könnte tatsächlich ein bisschen objektiver sein als ein Einzelsubjekt, muss es aber nicht. Kommt auf die anderen Subjekte an, mit denen man gemeinsam dem Intersubjektiven frönt bzw. frönen muss 😉
Eines würde ich noch präzisieren: Man kann zwar die objektive Wirklichkeit selbst nicht erkennen, aber dennoch in ihr wunderbar objektiv wirklich handeln – auch, ja gerade indem man subjektiv denkt und handelt.
(“Denn sie wissen nicht, was sie tun …”)
Dem Krieg neutral gegenüberstehen kann man allerdings meist nur so lange, wie man nicht selbst in ihn verwickelt wird.
Und dass auch Nichtstun ein Tun sein kann, muss ich dir ja gewiss nicht erklären … ich glaube aber zu verstehen, was du meinst. (Studiere diese Tage und Wochen recht fleißig Machiavelli, und das hinterlässt auch bei mir Spuren im Denken …)
@ Arvid
1. Dass du mehr von Israel erwartest, kann ich nachvollziehen. Ich finde es gut und hätte mich gewundert, wenn dem nicht so wäre (auch wenn man dieser Logik nach ebenfalls mehr von den Westalliierten hätte erwarten dürfen als eine bloße Bestrafungsaktion wie im Februar 1945 in Dresden). Ohnehin dürfen diese Erwartungen an Israel, die auch meine eigenen Erwartungen sind, m. E. darin bestehen, dass Israel nicht vorsätzlich auf Zivilisten zielen soll, was es m. W. tatsächlich nicht tut. Warum kommen trotzdem so viele Zivilisten (m. W. bis zu ca. 25% der Gesamtzahl) um? Siehe im Folgenden.
2. Das mit der Schule und das mit den Hauptverbrechern der Hammas hast du durcheinander gebracht. Das sind nämlich zwei unterschiedliche Sachen:
(a) Den Schulhof hat die Hammas zum Raketenabschuss gebraucht. Demzufolge hat die israelische Artillerie genau das gemacht, was sie m. E. auch machen muss, nämlich jenen koordinatenbestimmten Ort sofort zu beschiessen, um die Täter und ihre Ausstattung zu eliminieren. Das hat auch gut funktioniert, solange die Hammas aus den umliegenden Feldern abgeschossen hat. Deswegen ist die Hammas auf den Schulhof ausgewichen. Das heißt zunächst, dass deine Aussage, dass beide Parteien ihre Kinder lieben, nicht stimmt. Nun ist es so, dass sich in dieser UNRWA-Schule ganze Familien aufhielten, die anscheinend damit gerechnet haben, dass dort keine Kampfhandlungen stattfänden. Mit anderen Worten: Sie haben offensichtlich nicht damit gerechnet, dass die Hammas gerade deswegen die Schule missbrauchen wird, weil die Familien sich dort aufhalten… Der langen Rede kurzer Sinn: Die Erwachsenen haben das Verbrechen (auch an sich selbst!) nicht verhindert. Nun hast du als Beobachter zwei Möglichkeiten:
(I) Die Hammas wegen des Missbrauchs der Schule und die anderen Erwachsenen wegen ihrer – wenn auch nur stillschweigenden – Unterstützung der Hammas zu kritisieren, in der Hoffnung, dass zumindest die (angeblich?) hammasfremden Erwachsenen daraus lernen und solche Verbrechen – zumindest in ihrer unmittelbaren Nähe, vor ihrem Haus, auf ihrem Dach etc. – nicht mehr zulassen;
(II) Israel für den Rückschuss auf die (vorsätzlich auf einem Schulhof agierenden) Hammasverbrecher zu kritisieren und somit genau das zu tun, was die Hammas sich davon erhofft. Dann kannst du ganz fest damit rechnen, dass die Hammas die schändliche, aber dank dir bewährte Taktik immer und immer wieder verwendet.
(b) Die Hauptverbrecher sind jetzt in den Keller eines *Krankenhauses* umgezogen. Sag du mir, mit welcher Absicht. Auch in diesem Fall können die Verbrecher ihre Absicht erfüllen, weil und solange die Mehrheit, also die sie umgebende Zivilbevölkerung (etwa das Krankenhauspersonal) diesen schändlichen Missbrauch von sich selbst zulässt. Dieser Fall unterscheidet sich vom vorigen dadurch, dass Israel nun weiß, dass es sich um einen besonderen Ort handelt. Nichtsdestoweniger hast du – diesmal in der Rolle der israelischen Regierung – auch in diesem Fall m. E. zwei Möglichkeiten:
(I) Das Krankenhaus nicht anzugreifen und somit allen künftigen Terroristen beizubringen, dass diese Taktik sich lohnt. Damit brächtest du das Leben unzähliger Zivilisten in Gefahr, die nunmehr immer wieder auf diese Art und Weise missbraucht würden, weil du diese Taktik für die Terroristen erfolgreich hättest werden lassen.
(II) Das Krankenhaus doch anzugreifen und dabei in Kauf zu nehmen, dass nicht nur die Verbrecher, sondern auch viele Zivilisten umkommen, in der Hoffnung, dass die Zivilbevölkerung daraus lernt und diese Taktik in Zukunft nicht mehr zulässt, falls die Terroristen es nochmals versuchen.
3. Es stellt sich also die allgemeine Frage, wie man auf den Missbrauch von Zivilisten durch die Hammas reagieren soll. Dass die Hammaskämpfer ständig Kinder als menschliche Schutzplatten gebrauchen, hat zum Ziel, dass Israel später wegen Tötung von Zivilisten im Allgemeinen und Kindern im Besonderen kritisiert wird. Mit anderen Worten: Indem die Öffentlichkeit genau das tut, was die Hammas sich erhofft, bringt die Öffentlichkeit der Hammas bei, dass diese Taktik funktioniert. Daher ist die Öffentlichkeit m. E. neben der Hammas am Tod dieser Zivilisten mitschuldig. Hätte die Öffentlichkeit aber ihre moralische Pflicht erfüllt und die Hammas für den Missbrauch kritisiert, ohne der Hamas in der Falle zu gehen und Israel deswegen zu kritisieren, dass es die Methoden der Hammas nicht erfolgreich werden lässt, so hätte die Hammas vielleicht schon aufgehört, die eigenen Kinder zu ermorden.
4. Nicht zuletzt wegen des obigen Problems bin ich fremden (v. a. europäischen) Medien gegenüber extrem misstrauisch. Manche sind sogar ausgesprochen antisemitisch (die BBC z. B.). Aber wir haben hier ja mit jenen Medien zu tun, die sich in den letzten acht Jahren nie von der Beschießung der jüdischen Zivilbevölkerung haben entsetzen lassen… Ganz zu schweigen von ihrer Verbreitung islamischer Lügenpropaganda (s. etwa hier). Also würde ich mich an deiner Stelle nicht auf diese Medien verlassen.
5. Im Hinblick auf die Zivilbevölkerung gibt es zwei Möglichkeiten, die sich nicht ausschließen:
(a) Die Zivilbevölkerung unterstützt die Hammas und ist an den Verbrechen mitschuldig; im Hinblick auf diese Bevölkerungsteile kann von nicht von Zivilbevölkerung die Rede sein, auch nicht wenn die Eltern ihre eigenen Kinder missbrauchen (die Pflicht zum Kinderschutz obliegt den Eltern!).
(b) Die Zivilbevölkerung befindet sich in der Gefangenschaft der Hammas; im Hinblick auf diese Bevölkerungsteile soll man sich eigentlich nur hoffen, dass Israel hart und nüchtern weiterkämpft, um die Hammas endgültig zu beseitigen. Es wäre natürlich besser, wenn sie ihre Pflicht erfüllen und selber gegen die Hammas aufbegehren würden, aber das hat die deutsche Zivilbevölkerung in den letzten Kriegsphasen ja auch nicht gemacht. Dass das überhaupt möglich ist, glaube ich jedenfalls nicht, weil die islamischen Ideen sich da m. E. zu breiter Akzeptanz erfreuen.
So oder so kann die Zivilbevölkerung nicht als Argument gegen die Bekämpfung der Hammas gebraucht werden – und wo das doch gemacht wird, handelt es sich um schlichte Demagogie. Desgleichen mit der nächsten Generation: Wer sich für die Hammas entscheidet, macht sich mitschuldig. Und wer sich davon distanziert, dem gilt es zu helfen, indem man die Hammas beseitigt. Damit will ich nicht sagen, dass Israel eine *Pflicht* obliegt, für die dortige Bevölkerung die Hammas zu beseitigen. Israel darf es, muss es aber nicht, denn eigentlich ist das die moralische Pflicht der dortigen Bevölkerung, die ich, im Gegensatz zur europäischen Öffentlichkeit, *nicht* infantilisiere.
6. Deinen Defaitismus teile ich nicht: Wenn wir unsere Grundordnung bewahren wollen, *müssen* wir dem islamischen Fundamentalismus Einhalt gebieten, wie es nur geht, natürlich auch mit Gewalt. Je mehr man mit islamischen Bewegungen verhandelt, umso stärker werden sie. Allerdings haben wir keine Chance, wenn wir unsere Stärken (bspw. Kinderrechte) zu Schwächen werden lassen. Standhalten können wir nur, wenn wir uns nicht entsetzen lassen.
7. Zweifelsohne kann die Hammas aus ihrem Munde meine Argumente ertönen lassen. Das gilt nicht nur für den Konflikt zwischen Israel und der Hammas, sondern auch für denjenigen zwischen Israel und dem Iran oder für den damaligen zwischen der BRD und der DDR. Aber ich versuche hier nicht zu überzeugen. Diejenigen, die eh auf der islamischen Seite sind und sich eine islamische Welt wünschen, sind für mich kein Publikum, sondern die Gefahr. Ich gehe hier also – was meinerseits vielleicht naiv ist – davon aus, dass meine Leser zumindest teilweise freiheitlich-demokratisch veranlagt sind, sich eine demokratische Welt wünschen und daher Israel unterstützen, obwohl sie an der israelischen Politik manches kritisieren. Mit solchen Lesern kann ich über Israel diskutieren: Vielleicht kritisieren sie Israel wegen etwas, was ich für richtig halte? Vielleicht unterstützen sie Israel für etwas, was ich für falsch halte? Meinungsverschiedenheit ist ja die Basis jeder guten Diskussion. Wer aber neutral veranlagt ist und Argumente gegeneinander abwägt, in der Erwartung, dass ich ihn davon überzeugen würde, warum es auch ihm von größter Bedeutung ist, dass die islamischen Kämpfer ihre Unmoral nicht abermals durchsetzen können – dem will ich nichts sagen, weil ich mich an sinnlosen Diskussionen nicht kaputt machen lassen will. Nenn’s meinetwegen “Schwarz und Weiß”: Meiner Meinung nach gibt es hier keinen Platz für distanzierte Neutralität, die wesentliche Bedrohungen unserer demokratischen Zivilisation wegdifferenziert.
8. Unterm Strich geht es um eine einzige Frage. Es ist jene Frage, die sich hierzulande bei der Auseinandersetzung mit der RAF gestellt hat: Ist es uns lieber, dass die Unmoral des Feindes die Oberhand gewinnt und die Zukunft gestaltet, solange unsere Hände sauber bleiben? Oder sind wir bereit, unsere eigenen Werte vorläufig auszusetzen, damit die Unmoral des Feindes sich nicht durchsetzt? Ersteres heißt: “Nach uns die Sintflut” (so war es im Fall von Peter Lorenz, wo seine Rettung fälschlicherweise wichtiger erschien als die Vermeidung ihrer Konsequenzen). Letzteres bedeutet nichts anderes als selbst dann Verantwortung zu zeigen, wenn diese Verantwortung unerträglich erscheint (so war es etwa im Fall von Hanns Martin Schleyer, dessen Ermordung in Kauf genommen wurde, um der bis dahin bewährten Taktik der RAF allmählich ein Ende zu machen). Wie du siehst, läuft es schließlich auf eben jenes Thema hinaus, welches ich im hierauf folgenden Beitrag aufgegriffen habe: Die Prioritätssetzung.
@ Yoav
Die Argumente im letzten Kommentar finde ich schon nachvollziehbar. (Ich kann nicht beurteilen, ob sie richtig sind.)
Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, (in einigen von Deinen früheren Kommentaren) einen Kulturkampf gegen den Islam zu fordern.
@ Thilo
Von einem “Kulturkampf gegen den Islam” habe ich nirgends gesprochen. Bitte hör auf, deine Gedanken in meinen Mund zu setzen, wie vor kurzem im Fischblog.
Also, ganz im Gegenteil: Ich habe hier mehrmals erklärt, warum es mir eher unwahrscheinlich erscheint, dass wir den islamischen Ländern den Liberalismus im Sinne von freiheitlich-demokratischer Grundordnung aufzwingen könnten.
Nichtsdestoweniger bin ich im Hinblick auf den Religionskrieg, der im Namen Allahs gegen uns geführt wird, gegen die derzeitige Vogel-Strauß-Politik.
@ Yoav
Ich meinte unter anderem die Bemerkung über das “bisherigen Versagen westeuropäischer Gesellschaften (etwa in Frankreich, den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen) […], sich selbst als wehrhafte Demokratien vor der allmählichen Islamisierung zu schützen”.
Das bezieht sich doch wohl nicht auf den Nahost-Konflikt (wo ich manche Deiner Argumente verstehen kann), sondern auf uns hier (wo ich es nicht nachvollziehen kann). Oder habe ich Dich hier falsch interpretiert?
@ Thilo
Israel steht zwar gleichsam eine (freilich nicht ausreichend unterstützte) Bastei des Westens ganz vorne, aber wenn ich mich recht entsinne, haben Allahs Kämpfer doch auch NYC, London, Madrid etc. heimgesucht, ganz zu schweigen von zig anderen Orten, wo sie erfreulicherweise gescheitert sind, wie etwa in Kiel.
Die Hinweise auf Frankreich (landesweite Aufrühre), die Niederlande (Behinderung des islamkritischen Diskurses durch auf ideologischen Mordtaten basierende Abschreckung) und Nordrhein-Westfalen (staatlich unterstützte Aussetzung bürgerlicher Grundrechte) sind nunmehr wohl klar.
@ Yoav
Was meinst Du mit den bürgerlichen Grundrechten in Nordrhein-Westfalen?
Lügen
Ich finde, hier werden z.T. ganz und gar naive Ansichten über Kriege im 20. und 21. Jahrhundert geäußert. Soweit wir bislang erfahren haben, ist noch kein einziger Krieg in dieser Zeit von jedem der Kriegsteilnehmer wirklich allein um der Gründe geführt worden, die während des Kriegsbeginns von den Kriegführenden öffentlich genannt worden sind. Die Öffentlichkeit ist IMMER belogen worden.
Ich behaupte, man kann Kriege heute gar nicht führen, ohne zu lügen. Weil die wahren Gründe für Kriege die Menschen gar nicht überzeugen würden von der Notwendigkeit von Kriegen.
Es gibt einen ziemlich schlichten Grundsatz: “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.” Und nach diesem Grundsatz kann man praktisch keiner noch so demokratischen Regierung auf der Erde auch nur irgendetwas glauben, von autokratischen Regimen ganz zu schweigen.
In der sehr wertvollen Ausstellung “Bilder, die lügen”, die vor einigen Jahren von der “Bundeszentrale für politische Bildung” zusammengestellt worden ist, ist praktisch für jeden größeren Krieg des 20. Jahrhunderts eine Fülle von Propagandalügen als Beispiele genannte worden:
http://de.wikipedia.org/…_Bilder,_die_l%C3%BCgen
Noch einmal: Ich würde es für absolut naiv halten zu glauben, die derzeitigen Kriegführenden würden um der Ziele willen Krieg führen, die sie vorgeben.
Das Schlimmste ist die Lüge. Solange so viel in der Politik gelogen wird wie in der heutigen Zeit, kann man uns jederzeit ein X für ein U vormachen.
Übrigens spielen nicht nur Lügen eine große Rolle, sondern sehr oft einfach auch Vorenthaltung von Informationen, Steuerung des Informationsflusses. Alles viel zu billige und simple Tricks von kriegführenden Generälen und krieg-provozierenden oder nicht verhindernden Geheimdiensten. Jeder ordentliche Zeithistoriker müßte dafür Beispiele en masse anführen können.
“Eseleien” – großen Ausmaßes
Wir leben doch in der Orwell’schen Welt des permanenten Krieges.
Wir brauchen doch ständig außenpolitische Bedrohungs- und Gewaltszenarien (oder auch Bedrohungen mit dem An- oder Abstellen von Gashähnen), damit wir ja nicht auf so frevelhafte Gedanken kommen, etwa “mehr Demokratie zu wagen” – oder andere, gleichwertig böse Dinge, die so manchem Großen Brüderlein nicht genehm sind.
Es kann mir doch keiner erzählen, daß die Probleme im Nahen Osten nicht friedlich gelöst werden könnten. Die Probleme werden doch jeweils erst hauseigen geschaffen, damit man dann irgendwann “wieder einmal” Grund hat, sie “lösen” zu können, natürlich kriegerisch, was NIE eine Lösung ist. Das weiß doch jeder.
Am Ende bleibt dann günstigstenfalls übrig das Prinzip “Friedhofsruhe” wie seit einigen Jahren in Tschetschenien, wo man auch nur “einmal” mit dem Unterkiefer (ja, eines Esels – wie wahr) “den Arm ausstreckte”. (- Und es waren ebenfalls – wieder einmal – mehr als “zehntausend Mann” – auf beiden Seiten.)
… Der Unterkiefer eines Esels …
@ Thilo
Siehe hier: http://www.zeit.de/2008/40/LS-Koeln
@ Ingo
Dein Weltbild basiert so weitgehend auf linksreligiösen Mantras, dass ich mich gar nicht auf dieses Gespräch einlassen will. Siehe meinen Kommentar vom 10.01. um 2h10:
“Wer aber neutral veranlagt ist und Argumente gegeneinander abwägt, in der Erwartung, dass ich ihn davon überzeugen würde, warum es auch ihm von größter Bedeutung ist, dass die islamischen Kämpfer ihre Unmoral nicht abermals durchsetzen können – dem will ich nichts sagen, weil ich mich an sinnlosen Diskussionen nicht kaputt machen lassen will. Nenn’s meinetwegen “Schwarz und Weiß”: Meiner Meinung nach gibt es hier keinen Platz für distanzierte Neutralität, die wesentliche Bedrohungen unserer demokratischen Zivilisation wegdifferenziert.”
In einem Punkt kann ich dir aber zustimmen (sofern du das überhaupt behaupten willst): Das mit der anderen Backe von Ri. 15:15 ist wohl nicht wörtlich, sondern bildlich zu verstehen. Meiner Auffassung nach vorbildlich, der deinigen nach offensichtlich nicht.
Gefangenendilemma
Und in der Tat ist die “Verhältnismäßigkeit der Mittel” ein gar nicht zu unterschätzendes Argument in dieser Diskussion, dürfte es im GRUNDE auch aus Deiner Sicht nicht sein:
Aus den spieltheoretischen Versuchen der Verhaltensforschung (“Gefangenendilemma” usw.) wissen wir inzwischen, daß es die beste Strategie ist, wenn man Kooperation erreichen will zwischen Menschen und menschlichen Gruppen, und wenn man nicht WEISS, wie der jeweils andere, die jeweils andere Gruppe reagiert, ZUNÄCHST selbst einen Schritt in Richtung Kooperation zu machen und in allen weiteren “Spielzügen” genau DAS zu machen – aber niemals MEHR – was der andere zuvor gemacht hat.
(Das hat sich beim Vergleich VIELER verschiedener Strategien schließlich doch immer als die beste Strategie herausgestellt, die sich gegenüber alle anderen langfristig bewährt.)
Also: Wenn der andere kooperiert, soll man auch kooperieren, wenn der andere nicht kooperiert, soll man ebenfalls nicht kooperieren. Das ist also die Annäherung der “kleinen Schritte”, Schritt für Schritt Vertrauensbildung.
ESKALIEREN tun Situationen von Nichtkooperation immer dann, wenn einer von beiden (oder beide) von vornherein nicht gutwillig “den ersten Schritt” (aufeinander zu) tun oder beide “heftiger”, “härter” REAGIEREN, als der andere AGIERT hat (in Richtung Kooperation oder in Richtung Nicht-Kooperation, bzw. Schädigung).
Und dabei wird mir bewußt, daß man noch einen Schritt weitergehen kann:
Wir wehren uns immer so ein bischen dagegen, bei solchen bescheuerten Konflikten Menschenleben zu zählen. Aber in diesem Sinne wäre es vielleicht DOCH gut (WENN ES DENN NICHT ANDERS GEHT!!!), einfach mal anfangen, Menschenleben zu zählen und auf der Gegenseite nicht MEHR Menschen umzubringen, als zuvor von der Gegenseite auf der eigenen Seite an Menschen umgebracht worden sind.
Ich gebe zu: Das ist zwar ZIEMLICH primitiv. Aber was ist nicht primitiv, wenn man auf dieser Ebene miteinander “kommuniziert” und DENNOCH, IRGENDWANN einmal einigermaßen Humanität im Umgang miteinander gewinnen will? Und zwar in dauerhafterer Weise?
Mantras?
Wenn ich Dich recht verstehe, gehst Du also davon aus, daß in diesem Krieg NICHT gelogen wird, und daß in diesem Krieg KEINE wesentlichen Informationen der Öffentlichkeit vorenthalten werden.
Ich verstehe nicht, warum Du es nicht wenigstens VERSUCHST, mein (aufgrund meines zeitgeschichtlichen Studiums) verlorenes Vertrauen in die Kriegspolitik von Staaten wiederherzustellen.
Wenn man da von “linksreligiösen Mantras” spricht, macht man es sich meiner Meinung nach bei weitem zu einfach.
@ ingo
Ich bin der Meinung, dass man die Hammas (auch zugunsten der dortigen Muslime selber) nicht salonfähig werden lassen darf, was richtige Kooperation eigentlich ausschließt. Das bedeutet, dass der frühere Waffenstillstand sich höchstens als PR-Maßnahme legitimieren lässt. Man kann sich nur darüber freuen, dass die Hammas ihrerseits einen Fehler gemacht und den Waffenstillstand jetzt schon gebrochen hat. Hätte sie noch ein halbes Jahr in den Aufbau ihres Apparates invenstiert, so könnten ihre Raketen schon Tel-Aviv erreichen.
Insofern lehne ich deinen Ausgangspunkt ab, dass man in diesem Fall eine Kooperation mit der anderen Seite anstreben soll.
Um auf “Deutsch” zu sprechen: Man hätte nicht nur erst 1977, sondern bereits bei der Lorenz-Entführung 1975 nicht mit der RAF kooperieren dürfen.
Bzgl. Vertrauen:
Ich behaupte nicht, dass alles, was zu einem bestimmten Zeitpunkt aus Israel kommt, unbedingt und hundertprozentig dem entspricht, was man zu einem späteren Zeitpunkt für die Wahrheit halten wird. Aber eigentlich erwartest du von mir, bei dir Grundvertrauen in parlamentarische Demokratien herzustellen, damit du nicht mehr einfach von “Staaten” sprichst, sondern – bei aller (vergleichsweise doch sehr geringen!) Problematik, die es im heutigen Westen gibt – den qualitativen, ja kategorischen Unterschied zwischen freiheitlich-demokratischen Staaten und anderen, etwa islamischen Staaten wahrnimmst.
Ich bedanke mich also fürs Kompliment, das diese Erwartung in sich zu bergen scheint, übernehme die Aufgabe aber nicht.
Apropos Wahrheit:
1. Was man später als die Wahrheit erachten wird, hängt leider stark davon ab, ob Pallywood-Produktionen auch weiterhin sehr großen Einfluss auf die Medien im nichtjüdischen Westen ausüben (France 2 ist in dieser Hinsicht nicht viel besser als die Sender der islamischen Diktaturen, s. hier: http://de.youtube.com/…kvFdo&feature=related).
2. Eine andere Frage ist, ob die Diskrepanzen, die man im Rückblick feststellt, wirklich “Lügen” sind. Das ist m. E. nur dann der Fall, wenn den Diskrepanzen absichtliche Manipulation zugrunde liegt, d.h. wenn das Gesagte, etwa eine Stellungnahme oder ein Bericht, bereits zur Entstehungszeit den Kenntnissen des Sprechers oder des Berichterstatters eindeutig widersprochen hat.
3. Und schließlich stellt sich die quantitative Frage: Wie groß ist dann überhaupt der Anteil von absichtlich manipulierten Berichten im Westen? Und im Vergleich mit jenen Berichten, die der Westen aus nicht-westlichen Quellen erhält?
Gefangenendilemma und Hamas
Ich habe nicht allein von der Hamas gesprochen, so wie ich auch nicht allein von einer einzigen Gruppierung in Israel gesprochen habe. Auf beiden Seiten gibt es gemäßigtere und weniger gemäßigte Gruppen. Wenn beide Seiten nur die am wenigsten gemäßigte Gruppe auf der Gegenseite wahrnehmen, kann das immer nur zur schlechtestmöglichen aller Lösungen führen.
Übrigens gilt auch DAS für die meisten Kriege des 20. Jahrhunderts. Der Westen hat sich beispielsweise 1938 bis 1945 beharrlich geweigert, sich mit dem deutschen Widerstand in ernsthaftere Kooperation einzulassen. Für ihn gab es die “Achse des Bösen” und Schluß. Das typische Schwarz-Weiß-Denken (das aber gut und gerne mit Kooperation mit einem anderen “bösen Achsen” einhergehen konnte).
Das für sich allein ist schon ein sehr eindeutiges Zeichen dafür, daß der Westen damals nur ganz bestimmte Gruppen damals in Deutschland überhaupt wahrnehmen WOLLTE.
@ Ingo
Ich (jetzt mal in der Rolle Israels) habe mit denjenigen zu tun, die dort herrschen (von “Regierung” kann da kaum die Rede sein). Und im Moment sieht es mit der Fatah sehr schlecht und mit der Hamas noch schlechter aus. Wenn die muslimischen Palästinenser im Gaza-Streifen, Judäa, Samaria, Ostpalästina und ihren Diaspora irgendwann eine gemäßigte Führung hervorbrächten, die historische Verantwortung zeigen würde, wäre es vielleicht anders. Ich kann es ihnen aber nicht aufzwingen und bis sie das erringen (wenn überhaupt jemals), muss ich die Situation bewältigen, die sie wirklich schaffen (und keine hypothetischen).
Übrigens entstand in der deutschen Zivilbevölkerung zu keinem Zeitpunkt tragfähiger Widerstand gegen das NS-Regime. Ohnehin gab es im US-amerikanischen Kino auch vor Kriegsende ein immer mehr differenzierteres Bild der Deutschen, wo zwischen dem bösen Deutschen, den man jetzt bekämpfen muss, und den guten Deutschen, mit dem man nach dem Sieg zusammenarbeiten könnte, differenziert wurde. Nichtsdestoweniger wurde – mit Recht – eine eindeutige Niederlage aller Deutschen samt bedingungsloser Kapitulation angestrebt. Erst diese klare Zäsur ermöglichte die allmähliche Verbesserung.
Der Zweite Weltkrieg ein Vorbild heute??
Das NS-Regime hatte bis zum Sommer 1941 außenpolitisch nur Erfolge aufzuweisen, fast alle europäischen Regierungen hatten ihm zu irgend einem Zeitpunkt außenpolitische Erfolge ermöglicht. Typisch übrigens für viele Regierungen, die dann nur etwas später zu Mitgliedern einer “Achsen des Bösen” erklärt werden (wobei man gerne selbst “Achsen des Bösen” bildet – zum Beispiel mit dem Stalinismus).
Bei all den außenpolitischen Erfolgen konnte man nicht erwarten, daß die unselbständige breite Masse in Deutschland selbst eine besonders stärker widerständige Haltung entwickeln würde als der Westen.
Aber der deutsche militärische Widerstand STELLTE ja eine tragfähige Kraft da, und von ihm sprach ich. Als der zuschlagen wollte und schon eine Division um Berlin zusammengezogen hatte im September 1938 – und er hätte das auch GEGEN die breite Masse damals in Deutschland getan – und als Deutschland phasenweise außenpolitisch WIRKLICH schlecht da stand – DA reiste sehr plötzlich Chamberlain nach Deutschland. – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein ganz übler Schelm.
Von dem “differenzierten” Bild von den Deutschen während des Zweiten Weltkrieges , mit dem man etwa wohl den unterschiedslosen Krieg gegen die Zivilbevölkerung gerechtfertigt hätte (???) habe ICH in britischen Regierungsakten aus dieser Zeit nur sehr selten etwas erfahren. Der Tenor war damals: (unterschiedlos) “niedertrampeln” – auch im Westen.
STALIN war es ja, der ab einem bestimmten Zeitpunkt mehr zwischen vorgeblich guten und vorgeblich bösen Deutschen unterschied, mehr als der Westen in öffentlichen Äußerungen, was den Westen ja in so arge Verlegenheit brachte und so mancherlei interne “Schwulitäten” auslöste – aber keineswegs eine klare öffentliche Klärung. Wie hätte die auch möglich sein sollen VOR Dresden? VOR Hiroshima???
Und dann: NUR wegen der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation kämpften die Deutschen auch an der Invasionsfront so heftig, wegen ihr mußte sich der offenbar friedenswillige Rommel und andere verständigungsbereite Generäle das Leben nehmen etc. pp. pp..
Sollte wirklich der Zweite Weltkrieg als Vorbild genommen werden für den Umgang mit den Palästinensern, nun, dann würde ja alle Welt wissen, was diese zu gegenwärtigen hätten …
@ Ingo
*Du* warst es, der du unser Zwiegespräch in Zusammenhang mit dem II. Weltkrieg gebracht hast, und zwar in deinem Kommentar vom 12.01.09 um 13h57. Ich habe mich (ausnahmsweise) *nicht* auf diesen Zusammenhang eingelassen und mich stattdessen mit einer Randbemerkung zu einem Nebenpunkt begnügt, mit dem ich mich vor einem halben Jahrzehnt befasst habe, nämlich der Darstellung der Deutschen im *US-amerikanischen* Film.
Ansonsten bitte ich um Erlaubnis, es dabei zu belassen…
Gewalt – Christen und Juden
Wer als wenig religiöser Mensch wie ich es bin das Alte und das Neue Testament vergleicht, der sieht sich mit zwei Göttern konfrontiert.
Der Gott des Alten Testaments ist ein zorniger und strafender Gott, der erbarmungslose Gott eines Beduinenstammes in einer archaischen Welt. Dieser Gott muss durch Brandopfer besänftigt werden, und Ungehorsam ihm gegenüber zieht Strafe nach sich, die sich mitunter sogar auf die Familienangehörigen nachfolgender Generationen erstreckt.
Jesus Christus trat gemäss der Überlieferung als Reformator an, als Erneuerer des jüdischen Glaubens. Gerade im Verhältnis zur Gewalt zeigen sich scharfe Gegensätze, auch wenn der zornige alttestamentarische Gott im Neuen Testament sichtbar bleibt.
Meine Deutung ist keine religiöse. Ich kann hier nicht vorgeben etwas zu sein, was ich nicht bin, nämlich ein religiöser Mensch. Ich betone hier eine Differenz, nicht um zu trennen, nicht um zu werten, sondern um ihrer Fragestellung gerecht zu werden.
Das frühe Christentum war eine Erneuerungsbewegung, welche die archaisch geprägte Religiösität eines Beduinenvolkes, des Judentums der damaligen Zeit, von ihren archaischen Paradigmen trennen wollte, was insbesondere auch das Verhältnis zur Gewalt betrifft.
Ich vermute, dass sie genau diese Differenzen ansprechen, die sich explizit auf das unterschiedliche Verhältnis zur Gewalt der beiden Religionen bezieht, zumindest in der religiösen Theorie. Trivial ist die Feststellung, dass Christen trotz ihrer religiösen Vorgaben in der Regel lieber auf beide Backen einschlugen, als die einte oder andere hinzuhalten.
Das Prinzip der Gewalt hat die unangenehme Eigenschaft, dass es dem Friedfertigen aufgezwungen werden kann, es sei denn, er sei bereit zur Selbstaufgabe. Jesus Christus gab mit seinem Tod am Kreuz ein Beispiel für die Selbstaufgabe.
Ihre ursprüngliche Frage lautet, ob es einen guten Krieg geben könne. Die Antwort ist ein ganz klares Nein. Doch die Anwendung von Gewalt verfolgt einen Zweck, und der Zweck kann sehr wohl gerechtfertigt werden.
Der Krieg ist das Eingeständnis, dass man lieber andere sterben lässt als selbst zu sterben. Der Krieg ist das Eingeständnis, lieber anderen seinen Willen aufzuzwingen, als sich von anderen ihren Willen aufzwingen zu lassen, auch wenn man dafür Menschen töten muss. Der Krieg ist die Antithese zur Lehre von Jesus Christus.
Die Thematik hat einen deutlichen Bezug zu den aktuellen Ereignissen im Gazastreifen. Ich frage mich, ob Israel existenziell und unmittelbar bedroht wurde. Unter diesen Umständen hielte ich militärisches Vorgehen für gerechtfertigt. Eine andere Frage wäre, ob die Politik sowohl der Palästinenser wie auch der Israelis dem Frieden diente. Das glaube ich nicht. Ich sehe im Konflikt zwischen den Palästinensern und den Israelis zwei Parteien, die beide nicht einen angemessenen Preis für den Frieden zu zahlen bereit sind. Der Krieg ist deshalb unausweichlich.
Israel als die militärisch überlegene Partei, umgeben von (potentiellen) Feinden, droht eine Art modernes Sparta zu werden, das sich fast ausschliesslich auf seine militärische Schlagkraft verlässt. Dies ist verständlich, wenn man sich die Erfahrungen der Juden über die Jahrunderte vergenwärtigt, in denen sie so oft der Gewalt ausgeliefert waren. Niemand kann es ihnen verübeln, dass sie einer starken Armee von Juden mehr Vertrauen schenken als wohltönenden Friedensverträgen.
In dieser Fixierung auf militärische Stärke liegt aber eine grosse Gefahr, denn Waffen bieten keine wirkliche Sicherheit.
Es war Athen, das die Zeiten überdauerte, nicht Sparta. Ich mache mir Sorgen um Israel, trotz ihrer unbestreitbaren militärischen Stärke.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Bosshard
auf den II. Weltkrieg …
… hast Du Dich schon am 09.01.2009 um 15:27 h bezogen, hier:
http://www.chronologs.de/…-der-priorit-tssetzung
mit folgenden Worten:
“… Zu einer deiner Aussagen kann ich aber doch nicht schweigen: “Gewalt löst generell Gegengewalt aus und hat im Laufe der Menschheitsgeschichte noch kein einziges Problem gelöst.” Das stimmt natürlich, denn wie wir alle wissen, konnte Neville Chamberlains Appeasement den II. Weltkrieg verhindern und der Judenverfolgung innerhalb der Reichsgrenzen ein Ende machen. Und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hätten die Amerikaner mit Hitler bestimmt einen Modus Vivendi finden können, um seine Gegengewalt nicht zu provozieren. Gott sei Dank also, dass Hitler freiwillig abgedankt hat.”
Derartige Äußerungen hatte ich wohl im Hinterkopf, als ich mich darauf bezog. Ich finde, auch in diesem geschichtlichen Bezug hast Du es Dir bei weitem zu einfach gemacht. Wenn man das Falsche aus der Geschichte lernt, macht man in der Gegenwart nichts besser.
Im Wall Street Journal
Einen IMHO hochinteressanten Artikel
von http://en.wikipedia.org/wiki/Gunnar_Heinsohn,
der eine ungewöhnliche, aber hochinteressante Perspektive
auf den aktuellen militärischen Konflikt in Gasa wirft, findet man hier im Wall Street Journal:
http://online.wsj.com/…SB123171179743471961.html
Der Autor ist Direktor des
http://en.wikipedia.org/wiki/Raphael_Lemkin -Instituts für Xenophobie- und Genozidforschung,
( http://www-user.uni-bremen.de/…institut/rli.html )
und bekannt als Verfechter der (nicht unumstrittenen)
http://en.wikipedia.org/wiki/Youth_Bulge -These.
YM
@ YM
Vielen Dank für den wichtigen Hinweis.
zerstört der Glaube die Welt?
Natürlich gibt es keine guten Kriege! Aber die israelische Regierung kann auch nicht tolerieren, dass ständig Raketen ins eigene Land geschossen werden. Wer will das schon?
Die Lösung für mich als Atheisten ist komplex, aber klar: Schuld an den meisten Kriegen der Geschichte und an den grausamsten Taten waren immer religiöse oder kulturelle Unterschiede. Frieden kann es daher nur geben, wenn es keine Religion mehr gibt. Ich als wissenschaftlich Denkender könnte Glaube zwar tolerieren, aber nicht verstehen. Das Problem ist jedoch, das es Religionen gibt, die weder andere Religionen noch Atheismus akzeptieren. Also liegt dort die Ursache für Gewalt und Krieg.
Krieg
Darum gibt es immer wieder Krieg!
Der Urknall, durch den diese Welt entstanden ist,
ist auch die Geburt des Lebens auf dieser Welt!
Um zu überleben, hat uns die Natur eingegeben,
auf uns selber zu achten. Darum ist uns das Eine
immer lieber als das Andere und wir müssen uns
jedes Mal entscheiden, lieben oder hassen wir.
Daran haben wir uns gewöhnt, wir vergöttern
oder verteufeln, bei allem, was uns begegnet.
Bezogen auf andere Menschen, wir bejubeln
oder verachten sie und sind darum umgeben
von Freunden oder Feinden!
Wenn wir glauben, ein Mensch ist „wie Gott“,
dann glauben wir, dass es Menschen gibt „wie
der Teufel“! Das ist Stimmungsmache und die
kommt zurück, wie das Echo von den Bergen.
Darum leben wir nicht in Frieden!
Afghanistan
Die Bundeswehr nach Afghanistan,
die 6. Armee nach Stalingrad!
Die Zeiten haben sich geändert,
die Menschen leider nicht!
Du sollst nicht töten,
wenn wir dieses Gebot
befolgen ohne wenn und
aber, dann leben wir
wieder „wie im Paradies“!
Tatsächlich genießen die
größten Massenmörder
in den Geschichtsbüchern
die höchste Verehrung!
Wer Mord und Todschlag
vergöttert, lebt auch dann
nicht in Frieden, wenn er
täglich dafür betet.