Göttliche Geburtswehen

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Paul Gustave Dorés JesajaZum neuen Welt- und Gottesverständnis im Ersten Jesaja: Ein Versuch über die Universalisierung der israelischen Gottheit bzw. der ihr zugeschriebenen Kompetenzen und über die Manifestation dieser Entwicklung beim sog. Ersten Jesaja.

Links: Paul Gustave Dorés Jesaja

Aus dem nachstehenden Textkörper habe ich sämtliche Fußnoten entfernt. Wer (etwa aufgrund fehlender Hebräischkenntnisse) die Textanalyse überspringen will, kann nach der Hypothese (Kap. II) auch gleich das Fazit (Kap. IV) lesen.

I. Einleitung

In diesem Beitrag wird zunächst eine Hypothese zur Diskussion gestellt, deren Zweck es ist, Lage und Stellung des (ersten und daher eigentlichen) Jesaja innerhalb des Entwicklungsganges israelitischer Gottesvorstellungen zu beleuchten.

Vor diesem Hintergrund werden dann die jesajanischen Völkersprüche analysiert und zwar zur Veranschaulichung von Jesajas neuem Gottes- und Weltverständnis, in dem der entfesselte Jahwe nicht nur für das Wohlergehen seiner Anbeter zuständig ist, sondern nunmehr auch den Verlauf der Menschengeschichte zu bestimmen hat.

Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben
Sucht erst den Geist herauszutreiben
Dann hat er die Teile in seiner Hand
Fehlt, leider! nur das geistige Band

Mephistopheles zum Schüler, Faust I 1936-1939

 
II. Die Hypothese: Jesajas entfesselter Gott

Im alten Vorderorient, auch im noch längst nicht monotheistischen Judäa, hatten sich die Götter gleichsam Paten immer wieder zu bewähren, wenn ihre Anbeter, die unter der Obhut des jeweiligen Gottes standen, bzw. deren Heerscharen gegeneinander in den Kampf zogen. Dieser militärische Aspekt kommt bei Amos in der neunmaligen Bezeichnung »Jahwe, Gott der Heerscharen« (יהוה אלהי־צבאות), die auch bei Hosea vorkommt, zum Ausdruck. Es ist eine Charakterisierung, die den in der Gottheit vorhandenen Aspekt der Gewalt und Kraft hervorhebt.

Demgegenüber ist im I. Jesaja erstmals vom »Jahwe der/von Heerscharen« (יהוה צבאות) die Rede, und zwar nicht weniger als 54 Mal (weitere sechs Vorkommen befinden sich nach Kap. 39). Die Häufigkeit des Ausdrucks zeugt von der Bedeutung, die dem Phänomen »Heerscharen« zur Zeit des Ersten Jesaja zuteil wurde, als das neuassyrische Reich, dessen Heerscharen selbst im Rückblick auf spätere Mächte als »die grausamste Armee des orientalischen Altertums« beschrieben werden, in der syrisch-palästinischen Region auftrat.

Heerscharen waren zwar seit langer Zeit Bestandteil der Kriegsführung, aber das neuassyrische Reich setzte neue Maßstäbe, die im kleinen Judäa – schon von der Größenordnung her – bis dahin noch unbekannt waren. Als die assyrische Westexpansion die syrisch-palästinische Region in Aufruhr versetzte, wurde Judäa gleich davon betroffen: anfangs, im syrisch-efraimitischen Krieg, noch mittelbar, kurz nachher aber auch unmittelbar. Es war unter diesen Umständen, dass das Phänomen »Heerscharen« stark an Bedeutung gewann.

Für die nördlicheren Staatswesen, umso mehr aber für das kleine Judäa stellten die neuen Kriege eine existenzielle Bedrohung dar: Die altbewährten Götter haben Assurs Drang nach Westen nicht standgehalten, ihre ultimative Schutzfunktion mithin nicht erfüllt. Einer nach dem anderen, wie uns Jesaja (10:9) zu berichten weiß, sind die Götter gescheitert; selbst der israelitische Gott des Nordreiches – immerhin ein eng verwandter – hat versagen.

Die neue geo- bzw. theopolitische Lage war dem hoch gebildeten Propheten bekannt, der höchst wahrscheinlich Zugang zur neo-assyrischen Hofpropaganda hatte. Vor dem Hintergrund der vorrückenden Assur-Heerscharen, die die Existenz Judäas und somit auch Jahwes bzw. dessen privilegierte Rangstellung weitestgehend gefährdeten, wurde Jesaja zur Auseinandersetzung mit dem herkömmlichen Welt-, d.h. Gottesverständnis gezwungen. Jesajas Aufgabe bestand, ob bewusst oder nicht, darin, die eigenen Vorstellungen vom Gott-Welt-Verhältnis so an die neuen Umstände anzupassen, dass Jahwe vor einem ähnlichen Schicksal gerettet wird, nämlich vor dem bevorstehenden Scheitern in der Auseinandersetzung gegen Assur und der darauf folgenden Unterordnung unter Assur. Aus dieser Not heraus kam es zu einer umgekehrten Unterordnung, nämlich zur Zuschreibung der Heerscharen an Jahwe.

Interessanterweise wird Jahwe bei Jesaja aber nicht als »Herr der Heerscharen« beschrieben, wie bei den früheren Propheten, deren Gott auch durch militärische Fähigkeiten – aber eben nicht mehr als das – charakterisiert wurde: Gott und Krieg waren bei ihnen noch zwei verschiedene Sachen, selbst wenn Jahwe, wie jeder andere Gott, u. a. auch für den Sieg zuständig war. Jesaja aber spricht von einem »Jahwe der Heerscharen«, d.h. Jesajas Gott bekundet sich in den Heerscharen, die die damalige Wirklichkeit bestimmten. Im neuen Weltverständnis sind die Heerscharen zur Manifestation Jahwes geworden und ihr Vormarsch zum Beweis für Jahwes Macht umgedeutet worden. Es ist gerade die ungeheure, bislang noch ungeahnte Bedrohung, mit der sich Jahwe in all seiner Herrlichkeit zu erkennen geben soll und an der der Prophet wiederum erkannt haben will, dass Jahwe die Lage doch noch bzw. erst recht im Griff hat.

Somit ist Jahwe nicht nur gerettet, sondern auch auf eine andere (im Rückblick, also anachronistisch betrachtet: die nächste gottesevolutionäre) Etappe gebracht: Er ist ein universeller Gott, der nicht auf den Tätigkeitsbereich seiner Anbeter beschränkt ist, sondern nunmehr die Weltgeschichte zu bestimmen hat. In dieser überethnischen Funktion ist er aber nicht mehr für den Sieg im Kampf gegen andere Ethnien, sondern vielmehr für den Frieden zwischen den Ethnien verantwortlich. Daher gehen Jesajas prophetischen Visionen häufiger über Judäa hinaus und behandeln andere Völker in weit größerem Umfang als es bei den vorangehenden Propheten, Amos und Hosea, ist.

Das sind also Vorstellungen von einem theologisch entfesselten, geographisch sowie ethnisch nicht mehr beschränkten Gott, der nunmehr die Verantwortung für die Schöpfung als solche trägt. Auf diese Weise entsteht die Vision des globalen Friedens (Jes. 9:5), welchen aber der »Eifer des Jahwe der Heerscharen« (9:6), d.h. der Eifer eines sich im Krieg manifestierenden Gottes herbeiführt. Dies ist notabene kein Widerspruch: Der alte Jahwe, der als »normaler« Gott seinen Anbetern nur bis zum Sieg im einzelnen Kampf helfen sollte, war zum weltweiten Frieden noch nicht fähig. Jahwe der Heerscharen aber doch: Denn nur wer in seiner Manifestation als Heerscharen die bisherige Weltordnung zunichte machen kann, ist in der Lage, als »Friedensherrscher« (9:5) für andauernden Frieden zu bürgen.

Das neue Welt- und Gottesverständnis des Propheten beruht also auf apokalyptischen Ansätzen, die vor dem Hintergrund der existenziellen Not erklärlich werden, in der sich Jesaja und sein Gott, Jahwe und sein Bote befinden. Mit den allumfassenden Gottesvorstellungen hängt aber auch ein monotheistischer Ansatz, dem erst unter Josia der Durchbruch gelingt: Die religiös-kultische Intoleranz, die daraus resultierenden Reformen sowie die damit zusammenhängende Heranziehung eines schriftlichen Textes als Grundlage des »richtigen« Kultes sind mithin als Nachbeben der existenziellen Bedrohung des alten, relativierten Jahwe durch die assyrischen Heerscharen und als verzögerter Vollzug des Alleinigkeitsanspruches des neuen Jahwe zu verstehen.

Der Prophet scheint sich des Umfangs und der Bedeutung seiner Neuerung bewusst zu sein und sich darüber auch freuen zu wissen. Allerdings verabschiedete er sich mit diesem neuen Welt- und Gottesverständnis notwendigerweise von den erkenntnistheoretischen Prämissen der judäischen Elite, die noch innerhalb der herkömmlichen Denkmuster ihre Politik betrieb. Es ist wohl dieser kategorische Abstand, ja Abgrund zwischen dem Propheten als Verkünder des neuen Jahwe bzw. Weltverständnisses einerseits und der konservativen Elite, die zu viel zu verlieren hatte, andererseits, der zu den von Hanna Liss herausgearbeiteten negativen Kommunikationsmustern führte und eine positive Rezeption noch zu Jesajas Lebzeiten verunmöglichte.

III. Die Textanalyse: Völkersprüche

III.a. Förmliche Charakterisierung

Erst anhand von förmlicher Charakterisierung lässt sich, wenn auch nur ansatzweise, die Frage nach dem Umfang der »ursprünglichen« Völkersprüche beantworten. Denn selbst die einzelnen Paragraphen erwecken oft den Eindruck, dass sie wiederum aus Bruchstücken bestehen, die der Prophet womöglich bei verschiedenen Gelegenheiten von sich gab und erst bei der Verschriftung zusammengefügt wurden. Dazu kommen auch die Stellen, in denen der Verdacht entsteht, dass sie als Einschübe und Zusätze späterer Schriftsteller vorerst beiseite zu lassen sind. Daher ist es wichtig, dem in der biblischen Fassung zerstreuten Text einen stilistisch-förmlichen Rahmen zu geben, anhand dessen späterhin der Umfang der Völkersprüche zwar subjektiv, aber immerhin rekonstruiert werden kann.

Die Sprüche fangen also in Jes. 13:1 an und sind durch das Wort משא gekennzeichnet, vgl. 15:1, 17:1, 19:1, 21:1, 21:11, 21:13, 22:1, 23:1 (wohl auch 14:28 und vielleicht auch 30:6, worüber später diskutiert wird). Hier taucht schon die Frage auf, was mit משא wohl gemeint sein könnte. An und für sich bedeutet es »Getragenes«, also »Last« (wie es etwa die Lutherbibel 1545 u. 1984 übersetzt). Jedoch kann man im Hebräischen auch לשאת דבר im Sinne von »vortragen« (vgl. Jes. 14:4a: ונשאת המשל הזה); unter diesem Aspekt wäre משא das »Vorgetragene«, also eine Rede bzw. Ansprache, was uns zum »Spruch« im Allgemeinen und zum »Orakelspruch« im Besonderen führt (vgl. etwa die rev. Elberfelder und die Einheitsübersetzung, in denen משא mit »Ausspruch« übersetzt ist).

Allerdings wird in der hebräischen Bibel die Wurzel נ.ש.א m. W. nie auf Orakel bezogen: im Hebräischen ist es nämlich nicht der Prophet, der נ.ש.א, sondern Jahwe, der א.מ.ר oder ד.ב.ר. In diesem intimen Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Boten ist der Handlungsspielraum des Propheten auf eine ausdrücklich passive Rolle beschränkt, in der der Prophet ח.ז.ה (vgl. Jes. 1:1, 2:1, 13:1 »אשר חזה«). Demgegenüber lässt sich der metaphorische Gebrauch von משא als »Last« sehr gut nachvollziehen, denn diese Metapher steht im Einklang mit der Funktion der Völkersprüche als Proklamation des globalen Handlungsspielraums des neuen Jahwe, der nunmehr sogar weit entfernte Völker zu belasten vermag. Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass משא auch im hiesigen Zusammenhang, d.h. in den Völkersprüchen, als »Last« zu verstehen und daher natürlich auch zu übersetzen ist.

Auf das einleitende Wort משא folgt meistens eine ethnisch-geographische Angabe. Zusammen wirken beide Angaben sehr sachlich; sie hängen mit der darauf folgenden Lyrik überhaupt nicht zusammen. Es lässt sich vermuten, dass diese Angaben tatsächlich nicht zum lyrischen Text der Völkersprüche dazugehören, sondern erst nachträglich, d.h. bei der Verschriftung, als Titel hinzugefügt wurden.

Umso wahrscheinlicher erscheint die Titelfunktion dieser Angaben bei genauer Betrachtung der allerersten in 13:1: »Spruch zu/über Babel, den Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute [besser: der Jesaja… offenbart wurde]« (משא בבל אשר חזה ישעיהו בן אמוץ). Der Gebrauch der 3. Person in Bezug auf den Propheten und des Präteritums in Bezug auf seine Tätigkeit weist darauf hin, dass diese Zeile nicht vom Propheten selbst, sondern vom Schriftsteller oder einem späteren Redakteur stammt. Nun taucht aber die Frage auf: Wozu werden hier die Angaben ישעיהו בן אמוץ und אשר חזה abermals wiederholt, nachdem uns die Identität des Autors und die Natur seiner Tätigkeit bereits in 1:1 und 2:1 mitgeteilt wurden?

Diese Schwierigkeit lässt darauf schließen, dass V. 13:1 ein Gesamttitel für alle folgenden Völkersprüche ist und ursprünglich – wie wohl auch 1:1 und 2:1 – eine eigenständige Schriftrolle eröffnete, die erst später mit anderen zusammengeschweißt wurde. Daraus folgt, dass V. 13:1 sowie die anderen, auf ihn folgenden redaktionellen Titelzeilen höchst wahrscheinlich auf eine relativ frühe Fassung der Völkersprüche zurückgehen, die damals noch einen eigenständigen Text bildeten.

Die Orakel selbst werden meistens zunächst in lyrischem Stil vermittelt. Dabei kommt der Ausdruck »So spricht Jahwe« (נאם יהוה) in verschieden Variationen (der Herr Jahwe; Jahwe der Heerscharen; Jahwe, der Gott Israels) als Hinweis auf die Orakel als solche nicht selten vor, vgl. 14:22 (x2), 23; 17:3, 6; 19:4; 22:25. Die lyrischen Orakel sind oft mit längeren Textblöcken abgeschlossen, in denen die Last deutlich gemacht wird. In manchen dieser in stilistischer Hinsicht eher sachlichen Schlussreden, bisweilen aber auch in den lyrischen Teilen kommt der Ausdruck »an jenem Tage« (ביום ההוא) vor, vgl. 17:4, 7, 9; 19:16, 18, 19, 21, 23, 34; 20:6; 22:8, 12, 20, 25; 23:15; vielleicht auch 18:7, worüber späterhin diskutiert wird (im ganzen I. Jesaja sind es insgesamt 45 Vorkommen). Möglicherweise wird hier dieser Ausdruck im Sinne des und als Alternativform für den »Tag Jahwes« (יום יהוה) gebraucht, der im I. Jesaja relativ – d.h. angesichts seines Umfangs – selten vorkommt, nämlich in 13:6,9 (in Joel sind es fünf, in Amos zwei, in Obadja eines, in Zephanja zwei, in Maleachi ein Vorkommen).

Es ist jedoch nicht immer eindeutig, wann ein Orakel endet. Zuweilen ist es leichter, die Stellen zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu Jesajas Orakeln dazugehören, z. B. 14:1-4a, die wohl erst nach dem babylonischen Exil entstand und an dieser Stelle eingeschoben wurde (vgl. 14:1: והניחם על אדמתם), oder Kap. 20, in dem sich der Text in der 3. Person und dem Präteritum auf den Propheten bezieht (vgl. 20:2: בעת ההיא דבר יהוה ביד ישעיהו בן אמוץ […]) und der daher wohl einen nachjesajanischen Zusatz bildet. Ferner lassen sich Orakel identifizieren, die einen bestimmten Völkerspruch nicht fortsetzen, obwohl sie in der heutiger Fassung unmittelbar auf ihn folgen, z. B. 14:24-27, der eigentlich den mit 10:5 angehobenen Orakelspruch über Assur fortzusetzen scheint; auch hierüber wird im Nachstehenden diskutiert.

III.b. Bestimmung des Umfanges

Anhand obiger Charakterisierung können wir den Versuch unternehmen, den Umfang der Völkersprüche im I. Jesaja vorsichtig zu vermuten. Allerdings ist dies nach wohl mehrmaligen redaktionellen Eingriffen in den anfangs mündlich getragenen Urtext keine leichte Aufgabe. Als Stützpunkte dürfen uns daher die redaktionellen Titelzeilen dienen, die, wie oben erklärt, auf einen relativ frühen Redaktionsvorgang zurückgehen. In den Kapiteln 13-23 befinden sich nun folgende 9 Titelzeilen:

Göttliche Geburtswehen: Tabelle Nr. 1

Es fällt nun auf, dass unter den obigen Titelzeilen gerade die allerwichtigste Ethnie, nämlich Assur, nicht erwähnt wird. Dies wird jedoch dadurch erklärlich, dass die geo- und theopolitisch ausschlaggebende Macht »Assur« den Hintergrund aller jesajanischen Prophezeiungen bildet und als Thema mithin nie die Bühne verlässt. Daher gibt es keine gesonderte, als משא gekennzeichnete Bezugnahme auf Assur. Selbstverständlich wird aber auch – oder genauer gesagt: vor allem – Assur ein tiefer gehender Orakelspruch gewidmet. Dieser fängt in 10:5 an: »Wehe, Assur, die Rute meines Zorns und der Stock – in ihrer [Assurs] Hand ist er – meiner Wut« (הוי אשור שבט אפי ומטה הוא בידם זעמי). Er umfasst u. a. die angeblichen Assur-Zitate in 10:8b-11 und 10:13aβ-14 und besteht ebenfalls aus Lyrik (10:5-19, 27aβ-34) und sachlichen Sprüchen (10:20-27aα), in denen der geprägte Ausdruck ביום ההוא zweimal vorkommt (10:20, 27aα). Diesen relativ detaillierten Orakelspruch (oder Zusammenlegung einzelner, kleinerer Orakelsprüche) scheint die oben erwähnte Stelle 14:24-27 fortzusetzen, die mit dem vorangehenden und dem nachfolgenden Völkerspruch nicht zusammenhängt und von beidem zudem durch פרשות פתוחות abgetrennt ist.

Über die gelisteten Titelzeilen und das Assur-Orakel hinaus kommen nun drei weitere Verse als mögliche Titelzeilen infrage:

I.
V. 14:28: »Im Jahre des Todes des Königs Ahas [727 v. u. Z] fand folgender Spruch statt« (בשנת מות המלך אחז היה המשא הזה). Der Spruch selbst (14:29-32) handelt von Philistäa. Allerdings führt Klaus Koch die Kap. 10-23 auf die Jahre 713-711 zurück. Weil aber die Bezugnahme auf Philistäa tatsächlich in den chronologischen Raum von Ahas passt, lässt sich vermuten, dass dieser Spruch ursprünglich Teil des Textes in Kap. 7-9 bildete und erst im Zuge redaktioneller Änderungen, als die Rolle von V. 13:1 mit vorangegangenen zusammengeschweißt wurde, an seinen jetzigen Ort verlegt bzw. in Zusammenhang mit den anderen, späteren Sprüchen gebracht wurde. Da es sich hier aber doch um einen richtigen Völkerspruch handelt, wird er mit einbezogen.

II.
V. 18:1: »Wehe, Land des Flügelgeschwirrs, das jenseits der Ströme von Kusch liegt« (הוי ארץ צלצל כנפים אשר מעבר לנהרי כוש). Zwar fehlt hier der für die Titelzeilen kennzeichnende Begriff משא, aber diese Schwierigkeit lässt sich in Anlehnung an den oben behandelten V. 10:5 beheben (»Wehe, Assur […]«). Zudem gibt es eine geographische Angabe: Gemeint ist womöglich ein afrikanisches Land, aus dem die Heuschrecke (»Flügelgeschwirr«), soweit Jesaja weiß, kommen soll; vielleicht sogar Nubien, obwohl der Nil, wie wir wissen, erst südlich davon spaltet und zu den »Strömen von Kusch« wird (wichtig sind nämlich nur die geographischen Vorstellungen Jesajas). Ferner sind hier beide Orakelstile vorhanden, d.h. sowohl der lyrische (18:2-6) als auch der sachliche (18:7: »In jener Zeit…«, mithin eine nur leichte Abweichung vom im I. Jesaja sonst üblichen Ausdruck »An jenem Tage«). Daher lässt sich diese Stelle (Kap. 18) m. E. mit einbeziehen.

III.
V. 30:6: »Spruch über die [oder: Last der] Tiere des Südens, im Lande der Not und der Angst, [dort sind vorhanden] unter anderem ein majestätischer/ehrenreicher Löwe und ein alter, eine Viper und eine fliegende Giftschlage . Auf dem Rücken von Jungeseln lassen sie ihren Reichtum, auf dem Höcker von Kamelen ihre Schätze tragen zu einem Volk, das nichts nützt« (משא בהמות נגב בארץ צרה וצוקה לביא וליש מהם אפעה ושרף מעופף ישאו על כתף עירים חילהם ועל דבשת גמלים אוצרתם על עם לא יועילו). Bei Betrachtung dieses Verses (als Teil des Absatzes 30:6-7) stellt sich die Frage, wie hier die »Last« zu verstehen ist. Oben habe ich erklärt, weshalb in den Titelzeilen der Völkersprüche das Wort משא m. E. tatsächlich »Last« bedeutet und bei der Proklamation der Kompetenzen des neuen Jahwe metaphorisch gebraucht wird. Nicht so klar ist aber, ob auch hier, in V. 30:6, eine Metapher gemeint ist:
1.    Dass das Wort auf Tiere bezogen wird, dürfte für eine tatsächliche, greifbare Last sprechen, zumal בהמות auch Vieh bedeuten kann. Allerdings sind die Tiere, die gleich danach spezifisierend genannt werden, keine Lasttiere.
2.    Ebenfalls für greifbare Last zeugt der unmittelbare Zusammenhang, nämlich die Jungesel und Kamele, von denen gesagt wird: ישאו (die Wurzel dieses Verbes ist נ.ש.א, mithin dieselbe Wurzel wie im Wort משא, einem Substantiv).
3.    In Völkersprüchen ist meistens genau angegeben, von wem der Spruch handelt. Dass hier keine klare Angabe vorhanden ist, dürfte gleichfalls für greifbare Last sprechen.
4.    Damit es sich bei משא aber doch um eine Metapher handeln kann, muss man zuerst erklären, worauf die »Tiere des Südens« anspielen könnten. Die rev. Elberfelder, die hier משא als Orakelspruch interpretiert, erblickt in den בהמות נגב einen »Sinnbild für Ägypten«. Dass die Stelle von einer Karawane handelt, die nach Ägypten zieht, ist klar, zumal Ägypten im Spruch selbst ausdrücklich genannt wird (30:7). Umso weniger leuchtet es dann ein, warum es ausgerechnet in einer (in dem Fall redaktionellen) Titelzeile, die diese Stelle als einen eigenständigen Völkerspruch absondern sollte, eine doppelte Metapher (משא und בהמות נגב) geben sollte.

Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass משא hier tatsächlich greifbare Last bedeutet und dass es sich hier um keinen eigenständigen Völkerspruch handelt.

Aufgrund seiner unmittelbaren Einbettung zwischen das Damaskus-Orakel und das über das »Land des Flügelgeschwirrs« kommt nun auch der unspezifische Völkerspruch in Jes. 17:12-14 in Betracht.

 
III.c. Zwischenergebnisse

Als Zusammenfassung der bisherigen Diskussion folgt nun eine Liste der einschlägigen Stellen (einschl. der oben genannten Titelzeilen):

 

Göttliche Geburtswehen: Tabelle Nr. 2

 

III.d. Jahwes neue Kompetenzen

Nun knüpft unsere Diskussion wieder an die eingangs dargelegte Hypothese an, die im Folgenden an ausgewählten Versen veranschaulicht wird.

Die bislang örtliche Gottheit Jahwe wird in Jesajas Assur-Orakel zum Täter bzw. Agens der assyrischen Katastrophe (Jes. 10:6): »Gegen ein abgefallenes Volk werde ich ihn [=Assur] loslassen und auf das Volk meines Zorns werde ich ihn richten« (בגוי חנף אשלחנו ועל עם עברתי אצונו), Assur mithin zum Objekt in der Hand Jahwes (10:5): »Wehe, Assur, die Rute meines Zorns und der Stock – in ihrer [Assurs] Hand ist er – meiner Wut« (הוי אשור שבט אפי ומטה הוא בידם זעמי).

In Jesajas Welt- und Gottesverständnis wird ausgerechnet Jahwe, der als ethnische Gottheit seine Anhänger doch in Schutz zu nehmen hat, zum Vollstrecker. Jesajas Zeitgenossen aber, insbesondere der konservativen Elite, war diese Vorstellung wohl kaum nachvollziehbar. Jedoch will sich Jesaja zu keinem neuen Gott bekennen, geht es ihm doch um die Rettung Jahwes aus der unmittelbaren Gefahr des bevorstehenden Scheiterns im Kampf gegen den Gott Assur, dessen Heerscharen kaum Hoffnung ermöglichen.

Seiner Neuerung versucht Jesaja zum Durchbruch zu verhelfen, indem er sie zwar oft wiederholt, aber nie zur Diskussion stellt. So bringt er die revolutionäre Vorstellung vom vollstreckenden, nicht mehr unbedingt an den Bund gebundenen Jahwe in einem Nebensatz zum Ausdruck, z. B. in V. 10:12a: »Es wird aber sein, nachdem mein Herr auf dem Berg Zions [=der Burg; im Jebusitischen, vgl. II. Samuel 5:8] und in Jerusalem all seine Tat verübt haben wird, dass […]« (יהוה כי יבצע אדני את כל מעשהו בהר ציון ובירושלים […]). Auf diese Weise wird die neue Auffassung so gezeigt, als wäre sie selbstverständlich.

Eine andere Technik ist die rhetorische Frage, etwa in Verbindung mit Metaphern, die von vornherein jede unerwünschte, weil abweichende Antwort lächerlich erscheinen lassen, vgl. etwa V. 10:15: »Rühmt sich die Axt gegen den, der damit haut? Oder brüstet sich die Säge gegen den, der sie zieht? Als schwänge eine Rute diejenigen bzw. denjenigen, der sie hochhebt, als ob ein Stock den hochhöbe, der kein Holz ist« (היתפאר הגרזן על החצב בו אם יתגדל המשור על מניפו כהניף שבט ואת מרימיו כהרים מטה לא עץ). Uns liegt hier folglich ein Zeugnis altorientalischer Demagogie vor, und zwar im ursprünglichen, d.h. positiven Sinne des Wortes (wie etwa bei Perikles). Dass Jesajas diese Mittel heranziehen musste, zeugt nun davon, wie unüblich seine Vorstellungen eigentlich waren.

Insbesondere im Orakelspruch über Babel kommt die oben erwähnte militärische Manifestation von Jesajas Jahwe zur Geltung (13:4): »Es ertönt ein Getümmel auf den Bergen wie von einem großen Volk, es ertönt der Getöse von Königreichen, es sammeln sich Völker; Jahwe der Heerscharen mustert ein Kriegsheer« (קול המון בהרים דמות עם רב קול שאון ממלכות גוים נאספים יהוה צבאות מפקד צבא מלחמה). Diese Vorstellung vom universell agierenden Gott, der nicht mehr auf die Israeliten beschränkt ist, sondern nun auch die Meder gegen die Babylonier heraufbeschwören kann (13:17, vgl. auch 21:2b) und dabei mit Beschreibungen lauter Gewalt gepriesen wird (13:15-16), ist Jesajas Reaktion auf das neue Phänomen der Heerscharen, die zur Manifestation Jahwes werden.

Für Jesaja und seine Zeitgenossen muss diese vorher kaum geahnte Erfahrung wohl nicht weniger traumatisierend gewesen sein als das, was wir heute als Weltkrieg bezeichnen. Dass diese Erfahrung bei der Entstehung des jesajanischen Gottes- und Weltverständnis eine zentrale Rolle spielte, spiegelt sich nun im Gottesnamen »Jahwe der Heerscharen«, vom dem Jesaja als Erster Gebrauch macht und der sich in den Völkersprüchen alleine (d.h. nach dem oben herausgearbeiteten Umfang) nicht weniger als 24 Mal wiederholt (im I. Jesaja insgesamt 54 Mal).

Das Universelle und das Gewalttätige am neuen Jahwe, dem »Jahwe der Heerscharen«, kommen in Vv. 14:26-27 beide zugleich prägnant zum Ausdruck: » Das ist der Ratschluss, der über die ganze Erde beschlossen ist, und das ist die Hand, die über alle Völker ausgestreckt ist. Denn Jahwe der Heerscharen hat es beschlossen – wer würde es ungültig machen? Und seine ist die ausgestreckte Hand – wer würde sie zurückwenden?« (זאת העצה היעוצה על כל הארץ וזאת היד הנטויה על כל הגוים. כי יהוה צבאות יעץ ומי יפר וידו הנטויה ומי ישיבנה). Jahwe ist nun überall tätig, die Heerscharen überall wirksam.

Der Spruch über Ägypten enthält einen Widerhall von Jesajas komplexem Verhältnisses zu Assur: Einerseits wird Assurs Macht geleugnet und Assur selbst Jahwe unterworfen, andererseits soll Jahwe genauso allgegenwärtig und gewalttätig auftreten wie Assur. Dass der neue Jahwe sich am assyrischen Vorbild orientiert, wird an V. 19:1b deutlich: »Siehe, Jahwe reitet auf einer schnellen Wolke und kommt in Ägypten an. Da beben die Götzen Ägyptens vor ihm, und das Herz Ägyptens zerschmilzt in seinem Innern« ([…] הנה יהוה רכב על עב קל ובא מצרים ונעו אלילי מצרים מפניו ולבב מצרים ימס בקרבו). Die theopolitische Situation in Judäa, d.h. die existenzielle Bedrohung Jahwes durch Assur, wird hier auf Ägypten projiziert, während Jahwe die Eigenschaften der assyrischen Heerscharen übernimmt, etwa die mit dem Universalismus eines Weltreiches zusammenhängende Allgegenwart.

Das »Tal der Offenbarung« (V. 22:1) bezieht sich wohl auf das Tyropoeon, infrage kommen aber auch das Ben-Hinnom- und das Kidrontal. Gemeint ist jedenfalls Jerusalem bzw. Judäa, d.h. die Ethnie, in deren Mitte (also im »Tal« dieser bergischen Landschaft) Jahwe sich Jesaja offenbart. In der für diese Ethnie vorgesehene Last kommt der Abgrund zwischen dem notwendigerweise unverständlich bleibenden Propheten und seiner noch herkömmlich denkenden Umgebung zum prägnanten Ausdruck, und zwar in dem Zwiespalt zwischen der »fröhlichen Stadt« (22:2) und dem weinenden (22:4) Visionär. Das schwierige Verhältnis zwischen Jahwes Boten und dessen Umgebung findet seine Parallele bzw. Projektion im Zwiespalt zwischen Jahwe selbst und dem missverstehenden Volke (22:12-13): »An jenem Tag rief der Herr, Jahwe der Heerscharen, zum Weinen und zur Wehklage, zum Haarreißen und zum Sackanziehen. Doch siehe: Fröhlichkeit und Freude, das Vieh wird getötet, die Schafe geschlachtet, Fleisch wird gegessen und Wein getrunken; ›lasst uns essen und trinken, denn morgen sterben wir!‹« (ויקרא אדני יהוה צבאות ביום ההוא לבכי ולמספד ולקרחה ולחגור שק. והנה ששון ושמחה הרג בקר ושחט צאן אכל בשר ושתות יין אכול ושתו כי מחר נמות).

In der Beziehung zwischen Jesaja und dem Volke ist Jahwe, wie Jesaja wissen will, aber keineswegs objektiv. Wie Jesaja sich von seiner wohl für unwürdig gehaltenen, weil die Botschaft nicht anerkennenden Umgebung nicht trösten lässt (vgl. 22:4), genau so will nun auch Jesajas Gott, der dies erwartungsgemäß nur dem Eingeweihten verrät, dem Volke dessen Mangel an Aufnahmevermögen nicht verzeihen (22:14): »Es hat sich aber Jahwe der Heerscharen meinen Ohren offenbart: ›Diese Missetat wird euch nie vergeben werden, bis ihr sterbt!‹« (ונגלה באזני יהוה צבאות אם יכפר העון הזה לכם עד תמתון). Ob Jesajas Projektion zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden sollte?

Die größte Bedeutung der jesajanischen Völkersprüche liegt aber nicht im einen oder anderen Wortlaut, sondern besteht vornehmlich im scheinbar bloßen, tatsächlich aber keineswegs selbstverständlichen Umfang der Orakel. Dieser ist uns zunächst schon wegen der Länge der Bezugnahmen auf andere Völker wichtig, die weit über Vergleichbares bei Amos und Hosea hinausgehen. Noch wichtiger ist jedoch der geographische Umfang der jesajanischen Orakel, aus dem hervorgeht, dass der Machtbereich des neuen Jahwe sich nunmehr über ein damals wohl kaum vorstellbares Gebiet erstreckt: von Eilam und Madai bis jenseits der Ströme von Kusch.

Vom judäischen Gesichtspunkt aus gesehen, umfasst dieser Machtbereich die ganze Erde. Alle wichtigen sowie weniger wichtige Völker werden von Jesaja angesprochen, d.h. von Jesajas Gott in Anspruch genommen. Indem Jesaja in den Völkersprüchen immer wieder auf Jahwe der Heerscharen hinweist, entbindet er Jahwe von dessen »provinziellen« Verpflichtungen gegenüber Israel, ermöglicht ihm den territorialen Expansionismus und lässt ihn somit zum universellen Gott werden, der sich im universellen Heerscharenphänomen manifestiert. Mit seinen Völkersprüchen will Jesaja zwar keinen neuen Gott, umso mehr aber die neuen Kompetenzen seines nunmehr global agierenden Gottes proklamieren.

 
IV. Fazit

In diesem Beitrag wurde zunächst eine Hypothese von der Entstehung eines neuen Jahweverständnisses als Reaktion auf die existenzielle Bedrohung durch das assyrische Heerscharenphänomen aufgestellt. Vor diesem Hintergrund wurden Orakelsprüche im I. Jesaja herangezogen, die sich auf andere bzw. fremde Völker beziehen und m. E. eng mit dem neuen Gottes- und Weltverständnis des Propheten zusammenhängen. Durch förmliche Charakterisierung und vergleichende Analyse einschlägiger Bibelstellen wurde ein Corpus jesajanischer Völkersprüche herausgearbeitet.

Anhand ausgewählter Verse aus diesem Corpus habe ich dann versucht zu zeigen, wie der Prophet die neuen Kompetenzen seines entfesselten »Jahwe der Heerscharen« veranschaulicht und dessen nunmehr globalen Handlungsspielraum ankündigt. Mithilfe sprachlicher Mittel wie rhetorischer Fragen und suggestiver Projektionen gelingt es Jesaja, seine Neuerung als Kontinuum darzustellen. Somit können die Völkersprüche auch als Plädoyer für das neue Jahweverständnis gelesen bzw. gehört werden.

 

Erfüll davon dein Herz, so groß es ist
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist
Nenn es dann, wie du willst

Faust zu Margarete, Faust I 3451-3453

 
 
 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

1 Kommentar

  1. Am Anfang war Aufklärung

    Vielen Dank für den Beitrag über die Universalisierung des israelitischen Gottesverständnises.

    Ich will diese Aussagen nicht für ein neues Jesus- bzw. ein Verständnis des monistischen Logos als universalendes Wort vereinnahmen.

    Doch davon ausgehend, dass am Anfang des Monotheismus nicht einfach eine gutgläubige Vergeisterung war, die nächtliche Stimmen als Gotteswort ausgab, muss auch das Anliegen der Glaubensreform der Zeitenwende im neuen Licht betrachtet werden.

    Wer angesichts des Wissen um die universale Theologie des Jesaja am monotheistischen Anfang weiter davon ausgeht, dass zur Zeitenwende ein Liebe predigender Wanderguru war, der als universales Gotteswort gefeiert wurde, das nun für Juden und Heiden gleichermaßen galt, der muss den Verstand verloren haben bzw. nimmt das ständig wachsende Wissen um die theologische Bedeutung des antiken Denkens nicht wirklich ernst.

    Mir geht es nicht um eine Überhebung des Christentums gegenüber dem Judentums. Vielmehr gibt m.E. auch der Beitrag Anstoß, das gemeinsame Wort zu hinterfragen bzw. zu vergegenwärtigen, das bereits am Anfang galt und nicht einfach ein biblisch vorgesetztes Volksgesetz gewesen sein kann.

    Gerhard Mentzel

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