David Grossman und die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Vor kurzem wurde dem israelischen Schriftsteller David Grossman angesichts seines langjährigen Engagements für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels beschert.

Einige Fragen hierzu, welche die Zeitungen irgendwie vergessen haben, sich selbst zu stellen:

1. Wie wird David Grossman in der palästinensischen Autonomie rezipiert? Gab es in den palästinensischen Feuilletons positive Rezensionen? Gibt es eigentlich palästnensische Parallelen zu unseren »Feuilletons«?

2. Wie viele Palästinenser haben bis heute (ungefähr) die Werke Grossmans gelesen? Wurden sie auch dort zu Bestsellern?

3. Wurden David Grossmans Werke schon ins Arabische übersetzt (ich weiß es nicht) und falls ja, werden sie in der palästinensischen Autonomie überhaupt vermarktet?

4. Sind dem Preisverleihungskomitee irgendwelche Palästinenser bekannt, welche durch die Lektüre von David Grossmans Werken heute vom Terrorismus bekehrt sind?

Eine politische Weisheit lautet: Wenn du es oft genug wiederholst, wird es irgendwann mal glaubhaft. In diesem Sinne: Herzlicken Glückwunsch an David Grossman, dessen literarische Leistungen zur Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern endlich auch beim Deutschen Handel die gebürtige Anerkennung gefunden haben.

 

 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

3 Kommentare

  1. Grossman’s Adressaten sind Israel und die Welt

    In der Welt liest man zu Grossman: Wie ein biblischer Prophet mahnt er die Israelis zur Besinnung und Den Opferzustand, in den seine Landsleute „verliebt“ seien, hält er für höchst gefährlich. „Die Tragödie ist, dass es hier zwei Opfer gibt: uns und die Palästinenser“, sagte er in einem Interview.

    Man erhält also den Verdacht, der Friedenspreis für Grossman ist als Ermahnung an die Israelis gedacht, denn vom Deutschen Buchhandel wird der Friedenspreis wohl an denjenigen vergeben, der als Stimme des Friedens eingeschätzt wird. Folgerung: Der Friede ist – aus Sicht des Preisverleihers – Sache der Israelis, denn das ist ja die Position Grossman’s.

    Die Preisverleiher können sich ziemlich sicher sein, mit diesem (indirekten) Aufruf an Israel zur Besinnung eine weitverbreitete Einstellung von deutschen Kulturschaffenden, Intellektuellen und weiten Kreisen von “Gebildeten” getroffen zu haben.

    Im Hintergrund vielleicht der kollektive Gedanke der deutschen Intellektuellen: Die jüdischen Freunde sollen sich besinnen. Wie hübsch ist doch dieser Gedanke!

  2. Milch und Fleisch

    Deine Fragen wundern mich. Warum muss ein Autor, der sich seit Jahrzehnten dem Thema der Aussöhnung widmet – standhaft und mit gewissem Erfolg -, keinen Preis bekommen. Seine Leistungen, jedenfalls literarischen Leistungen, sind meiner Meinung nach ja nicht umstritten, sondern beachtenswert und zwar auch jenseits seiner damit verbundenen persönlichen Geschichte. Und dass die meisten Palästinenser seine Bücher nicht gelesen haben und dass diese auch nicht von der lokalen Presse, falls überhaupt vorhanden, berücksichtigt werden, können sicherlich kein ernstzunehmendes Kriterium sein. Denn die Wirkung, dass einen solchen Preis hat, die ist entscheidend. Jetzt wird, noch mehr als vorher, dieses Buch und seinen wichtigen Ansatz zur Kenntnis genommen – nicht nur in Deutschland sondern hoffentlich auch in anderen Teilen unserer unüberschaubaren Welt.
    Und nun um meine vernünftigen Argumenten doch etwas pompös ausklingen zu lassen. Ich würde mich nämlich durchaus freuen, falls ich Deine Fragen zum Nobel-Preis von Obama lesen könnte. Sie wären, wenn überhaupt, sicherlich angemessener!

  3. @ Gay

    Ich spreche ja nicht von seinen literarischen Leistungen an sich, welcher Qualität sie auch immer sein mögen. Es geht um die Begründung durch das Preiskomitee, diese Auszeichnung sei ihm aufgrund seines langjährigen Engagements für die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern verliehen worden.

    Unter »Aussöhnung zwischen…« verstehe ich, wie wohl die meisten Menschen, etwas Gegenseitiges, also etwas, was sowohl auf die eine als auch auf die andere Seite zutrifft, die durchs das »Zwischen« miteinander in Verbindung gebracht werden.

    Von Obama will ich gar nicht reden. Seitdem der Friedensnobelpreis sich durch die Aufnahme des Erzterroristen Arafat in seinen »exklusiven« Kreis ein Schandmal zugefügt hat, spricht es m. E. kaum noch für jemand, dass er oder sie in diesen Kreis aufgenommen wird bzw. sich aufnehmen lässt oder gar aufgenommen werden will. Da passen der Friedensnobelpreis und Herr Obama irgendwie gut zueinander.

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