Antisemitismus und Demokratie: Wenn Werte gegeneinander konkurrieren

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Im Anschluss an die letzte Diskussion über Holocaustleugnung als Verbrechen habe ich über das Verhältnis zwischen Antisemitismus und Demokratie nachgedacht.
 
Unser Forum heißt ja “für Demokratie und gegen Antisemitismus” und auf den ersten Blick scheinen sich beide Aussagen gegenseitig zu unterstützen, gleichsam “für Liebe und gegen Hass”. Das mag in der theoretischen Utopie auch wirklich so sein, aber im realen Leben kann da, wie mir scheint, auch ein Widerspruch entstehen.
 
Betrachten wir erst mal die beiden Begriffe “an sich” (freilich kommt es auch darauf an, wie man “Antisemitismus” und “Demokratie” definiert, aber das wäre eine endlose und gewissermaßen auch sinnlose Diskussion). Bei der Verbreitung der Demokratie geht es erst mal um Freiheit, also darum, was der Mensch darf, im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen. Natürlich darf man auch in einer Demokratie nicht “alles”, aber der Ansatz hat mehr mit dem Erlauben von Verbotenem zu tun als mit dem Verbieten von Erlaubtem. Bei der Bekämpfung des Antisemitismus geht es hingegen erst mal darum, etwas zu unterbinden, also die Freiheit zu begrenzen (zu Recht, wie ich finde), sodass der Ansatz des “gegen Antisemitismus” in einem gewissen Widerspruch steht zum Ansatz des “für Demokratie”. Mein Anliegen in diesem Text ist, diesen gewissen Widerspruch zu beleuchten und darüber nachzudenken, inwiefern dieser erträglich und zumutbar ist.
 
Wie oben erwähnt, ist das immer auch eine Frage der Definition, und weil es da so verschiedene Meinung gibt, möchte ich keine inhaltliche, sondern eine strukturelle Differenzierung vorschlagen, nämlich zwischen aktivem und passivem Antisemitismus:
 
Der aktive Antisemitismus ist für mich politisch, d.h. wenn eine Person andere Personen mit Stimmungsmache gegen Juden, das jüdische Land, das Judentum schlechthin etc. zu beeinflussen versucht (Boykottaufrufe usw.). Der aktive Antisemitismus basiert also auf einer Theorie, oder, um mit Adorno zu sprechen, auf einem “Gerücht über die Juden”, und der aktive Antisemit möchte diese Theorie verbreiten. Welche Theorie das ist und wie sie sich begründet (rassistisch, antizionistisch etc.) ist m. E. zweitrangig.
 
Der passive Antisemitismus ist hingegen eine Privatsache, anders gesagt: eine Geschmacksache. Ich will nicht umsonst die Metapher des Geschmacks heranziehen; denn es ist ja völlig in Ordnung, wenn jemand keinen Döner mag, und keiner, dem Döner nicht gefallen, würde daraus eine Theorie machen und seine Mitmenschen dagegen hetzen wollen. Übertragen auf Antisemitismus stellt sich mir die Frage, wie ich mich in Bezug auf Leute fühle, die Juden / das Judentum ganz allgemein nicht mögen, aber aus dieser persönlichen Neigungsfrage kein Politikum machen (bekanntermaßen hat jeder Antisemit seine Ausnahmen, und ein jüdischer Witz fragt, was der Unterschied zwischen einem Anti- und einem Philosemiten ist. Die Antwort lautet: der Philosemit sagt “die Juden sind toll, aber… dieser ist ein Dieb, und jener ein Rassist…”, während der Antisemit sagt: “die Juden sind schrecklich, aber dieser ist ganz gutherzig, und jener wirklich weise…”).
 
Nun also, in Antwort auf diese Frage, muss ich zugeben, dass es mich nicht stört. Wenn jemand aus welchen Gründen auch immer irgendetwas gegen Juden als solche hat und unsere Gesellschaft deshalb vermeiden möchte, ohne gegen uns zu hetzen – kann ich gut damit leben. Ich denke z. B. an jemanden, der ungerne in der Nachbarschaft von Juden wohnt, und darum umziehen will, nachdem in sein Haus eine jüdische Familie gezogen ist. Diese Person mag also keine Juden, kommt aber nicht auf die Idee, dieser Familie etwas anzutun, damit sie wieder wegzieht, sondern möchte selber umziehen.
 
Das ist also passiver Antisemitismus, dessen Konsequenzen in erster Linie für den Antisemiten gelten und nicht für die Juden. Für mich gibt es keinen Grund, einen solchen Antisemitismus zu bekämpfen oder gar zu kriminalisieren, und es fällt m. E. völlig in die weiße Zone einer liberalen Gesellschaft. Schließlich hat jeder von uns seinen persönlichen (wie auch immer begründeten) Geschmack, was seine Partner / Freunde / Nachbarn / Kollegen angeht, und die Gesellschaft hat kein Recht, dem Einzelnen hier irgendetwas zu diktieren. Und gerade hierin besteht der Widerspruch zur Demokratie, mit dem wir begonnen haben: Solange die Abneigung gegen den anderen nicht dazu dient, die Freiheit des anderen zu beschränken, gibt es keine Berechtigung, die Freiheit des Abgeneigten zu beschränken, die Gesellschaft derer zu meiden, denen er abgeneigt ist.
 
An dieser Stelle möchte ich auf den letzten Text über David Irving hinweisen, der mit diesem Text gewissermaßen ergänzt wird: Selbstverständlich will ich kann ich keinem das Recht absprechen, eine Menschengruppe (z. B. “wie David Irving”) oder eine Privatperson (z. B. “David Irving selbst”) nicht zu mögen und etwa die Wohnung, die man als Kapitalanlage gekauft hat, einem David Irving oder Rechten oder Linken oder Juden oder Arabern oder Deutschen nicht vermieten zu wollen. Nur muss man dann eben selber die Konsequenzen tragen, anstatt gegen die/den Verhassten eine öffentliche, ja politische Kampagne zu starten. In einer vollkommenen Welt würden wir uns alle gegenseitig gefallen, aber noch ist der Mensch unvollkommen – das ist einerseits keine Schuld, nur sollte man andererseits auch die anderen, denen man abgeneigt ist, nicht dafür verantwortlich machen.
 
Diese natürliche Unvollkommenheit des Menschen gilt z. B. auch für mich: Ich meide ganz bewusst die Nachbarschaft von Moslems und insbesondere Arabern, auch wenn mich das Leben in einem anderen, weniger islamisierten Stadtteil mehr kostet. Meine Präferenzen sind mein Problem und keines derer, die mir nicht so gut gefallen (schließlich zwingt mich ja auch keiner, in Berlin zu leben). Ich bin mir sicher, dass jeder und jede, wenn man ehrlich genug zu sich selbst ist, in sich solche diskriminierenden Präferenzen entdecken kann, sei es gegen Blondinnen, Dunkelhäutige, Heterosexuelle, Rechtsextremistische oder eben gegen Juden. Wer kann da also den ersten Stein werfen? Bis zu einem gewissen Ausmaß, also eben noch im Rahmen des Passiven, sind diese privaten Präferenzen in einer liberalen, demokratischen Gesellschaft legitim, akzeptabel und vor allem zumutbar.
 
Diese beiden Bereiche des aktiven (~politischen) und passiven (~introvertierten) Antisemitismus habe ich relativ klar skizziert, was die Sache natürlich sehr leicht macht. Viel schwieriger wird es in der “Grauzone” dazwischen, wo sehr viele Lebenssituationen zu verorten sind.
 
Ein Beispiel für diese Grauzone stellt etwa der letzte Beschneidungsstreit dar, an dem sich unser “Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus” beteiligt hat. An und für sich ist die ethisch begründete Position vieler Beschneidungsgegner eine sehr solide Ansicht, auch wenn das nicht meine Position ist. So gesehen, hat es unsererseits keinen Grund zur Intervention gegeben. Demgegenüber hatte dieser Streit ausgesprochen politische Dimensionen, weil ja keine rein philosophische Diskussion war, sondern eine stets auf die Rechtsprechung und Gesetzgebung bezogene, sodass es notwendigerweise auch um die bedrohte Freiheit der anderen (Juden/Moslems) ging. So gesehen war unsere Intervention berechtigt. Wie immer in der Grauzone, kommt es in jedem einzelnen Fall darauf an, ob es da mehr vom Schwarzen oder vom Weißen gibt, aber eine ganz leichte Entscheidung ist normalerweise unmöglich.
 
Das war nur ein konkretes Beispiel, es gibt natürlich noch sehr viele andere. Im freiberuflichen Bereich der Beziehungen unter Selbstständigen käme der Staat nie auf die Idee, einen Auftraggeber zu bestrafen, weil er seine Aufträge bevorzugt an Juden/Weiße/Homosexuelle vergibt und somit deutsche/schwarze/heterosexuelle Konkurrenten diskriminiert. Aber sobald die selbstständige Beziehung zwischen zwei Geschäftspartnern sich in ein Beschäftigungsverhältnis verwandelt, meint der Staat da doch sehr viel vorschreiben zu dürfen. Zu Recht oder Unrecht? Wenn ich als Arbeitgeber auf einem ganz normalen Berufsfeld (bspw. Pizza) bei gleicher Qualifikation einen Juden bevorzuge, weil mir die eigenen Volksgenossen näher am Herzen liegen als die deutschen Bewerber, die ich somit benachteilige, verstoße ich damit wohl gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Aber inwiefern darf sich der Staat überhaupt so weit in meine privaten Angelegenheiten und Präferenzen als Arbeitgeber einmischen? Und wenn der Staat schon meint, da was sagen zu dürfen, sollte er nicht auch für, sagen wir mal, 50% des Gehalts des vom Staat mitbestimmten Beschäftigten aufkommen? Wenn schon, dann schon.
 
Kurzum, die Grauzone ist eben keine, die klare Antworten ermöglicht. Aber diese Problematik, nämlich die teilweise Konkurrenz mancher Werte, wahrzunehmen, ist erst mal schon ein wichtiger Schritt. Denn sich für bestimmte Werte jeweils an und für sich einzusetzen, ist eine Sache; aber konkurrierende Werte (man denke etwa an den klassischen Konflikt von Freiheit und Gleichheit) in ein tragfähiges Verhältnis zueinander zu bringen, ist eine andere, ja schwierige Sache. Und so ist es, bis zu einem gewissen Ausmaß, auch mit “für Demokratie” und “gegen Antisemitismus”.

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

18 Kommentare

  1. Uuh

    Diese natürliche Unvollkommenheit des Menschen gilt z. B. auch für mich: Ich meide ganz bewusst die Nachbarschaft von Moslems und insbesondere Arabern, auch wenn mich das Leben in einem anderen, weniger islamisierten Stadtteil mehr kostet.

    Aber nachvollziehbar, also ein: dito.

    BTW, ‘Unser Forum heißt ja “für Demokratie und gegen Antisemitismus”’, was ist das: ‘unser Forum’ ?

    MFG
    Dr. W

  2. Ja, gut, ein paar Anmerkungen:
    Die Demokratie ist eine Herrschaftsform, sie ist alleine nichts wert, wir erinnern uns der DDR und schauen auf Nordkorea, btw, auch Libyen war eine Volksrepublik, China ist eine; zudem gibt es kaum einen Terroristen, der nicht für die Herrschaft des oder eines Volkes gekämpft hat.

    Sie macht erst Sinn im Dreieck privater und unternehmerischer Freiheiten, Menschenrechte und eben Demokratie.
    Linke Kreise haben es oft nicht so gerne mit einer derart bestimmten Herrschaftsform im Sinne der Europäischen Aufklärung zu hantieren, deshalb bleibt man idR und aus Gründen der Praxis beim unscharfen Begriff der ‘Demokratie’, der auch noch den sogenannten dritten Weg offen lässt, den sogenannten demokratischen Sozialismus.

    Am Antisemitismus kann auch längere Zeit genagt werden, begrifflich, aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen handelt es sich um gegen Juden (als Volksgruppe) gerichteten Rassismus.

    Bekämpfenswert zwar, aber nicht wert kriminalisiert zu werden. Meinungen sind sowieso strafrechtlich schwierig zu verwalten, die übliche Grenze sind die Gewaltaufrufe, die zu strafen sind, alleine schon, um das Gesamtsystem zu schützen.
    Dazu kommen die Invektiven und falschen Tatsachenbehauptungen, hier wird es aber schon schwieriger oder schwierig.

    Bei Euch (JFDA) prallen vermutlich, nach allem was der Schreiber dieser Zeilen so mitgekriegt hat, die typischen liberalen und linken Sichten aufeinander.
    BTW, darf es im JFDA auch Rechte geben?
    Falls ja, gibt es die dort?

    MFG
    Dr. W

  3. Ich würde mich als “im Zweifel rechts” definieren – das Individuum ist mir sehr wichtig (das ist die liberale Spritze), aber ich sehe ihn nicht in einer imaginären “Klasse” glücklich, sondern im Volk eingebettet, das ihm in dieser postmodernen und verzweifelten Welt Vergangenheit und somit auch Zukunft schenkt.

    Und ich bin einer von 7 im gewählten Vorstand, also offenbar geht das, aber nicht ohne Schwierigkeiten (meine “Fraktion” umfasst noch ein anderes Vorstandsmitglied und ist somit freilich in der Minderheit gegenüber den Gutmenschen).

  4. Es sieht jedenfalls

    merkwürdig aus, wenn eine NGO, die sich nicht explizit dem linken Spektrum verpflichtet sieht, derart auftischt:
    -> http://jfda.de/…-holocaust-leugner-david-irving/

    Vergleiche auch:
    -> http://www.netz-gegen-nazis.de/…er-auf-tour-8853 (dort ist man etwas deutlicher, was die Bearbeitung der Hotellerie betrifft – bei Indymedia (die sogenannten Antifaschisten hat man hier im Boot) ist man noch deutlicher)

    Vgl. auch:
    -> http://www.gesetze-im-internet.de/…89710006.html

    Man hat hier womöglich übersteuert.

    MFG
    Dr. W

  5. ‘der’ Auslaender?

    Ich war früher (ohne mich für eine ausländerfeindliche Überzeugung gerechtfertigt haben zu müssen) der gleichen Ansicht, dass es Geschmackssache

    ist, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe abzulehnen, ohne dass man es Rassismus nennen könnte.

    Das Schlimme und schon rassistische Element ist aber, überhaupt die Kategorie “Moslems” oder “Araber” abzulehnen, ohne ein spezifisches Kriterium

    dieses Begriffs anzugeben, warum man Menschen in dieser Kategorie ablehnt. Ohne dieses Kriterium, lehnst du etwas kategorisch ab, ohne dass es

    ein anderes Prinzip für diese Ablehnung gibt als die Kategorie, die du gebildet hast.

    Damit widersprichst du deiner eigenen Aussage, das Individuum wäre dir “sehr wichtig”. Dein Ansatz scheint vielmehr die Kategorie vor das

    Einzelding einer Kategorie zu stellen. Bei Menschen ist das schon Rassismus, weil damit die Offenheit gegenüber Individuen begrenzt wird.

    Eine Analogie: es ist Geschmackssache Tomaten nicht zu mögen und hier besteht kein Problem, weil alle Dinge des Begriffs/der Kategorie Tomate ein

    oder mehrere gemeinsame Eigenschaften haben, weswegen man das Ding ablehnt. Man lehnt sie nicht ab, weil es Tomaten sind, sondern weil sie ein

    ihnen spezifisches Kriterium haben, nämlich so und so (nach Tomaten) zu schmecken.

    Kannst du mir die Eigenschaft sagen, die du an Moslems nicht magst? Diese Eigenschaft muss einerseits im Begriff “Moslem” liegen und andererseits

    bei jedem zu dieser Kategorie gehörigen Menschen zu finden sein.

    Ich würde bezweifeln, dass dies eine Eigenschaft ist, die man ohne Vorurteile ablehnen kann, da es keine notwendige Relation gibt zwischen

    Moslem-sein und jeder anderen Eigenschaft, die außerhalb der Definition dieses Begriffs liegt.

    Ich dachte wir wären aus Zeiten heraus, wo man von “dem Russen” spricht. Genau so gibt es ihn auch nicht, “den Ausländer” oder “den Moslem”.

    Vielleicht hast du Recht, dass es eine Eigenschaft des unvollkommen Menschen ist. Aber dann sollten wir nicht diesen Fehler als Rechtfertigung

    für diesen Fehler benutzen, sondern uns klarmachen, was der Fehler ist und ihn versuchen zu beseitigen. Wenn du also die Eigenschaft, die du an

    Moslems nicht magst, gefunden hast und dir darüber klar bist, dass dies nichts mit Vorurteilen zu tun hat, dann kannst du vielleicht

    gerechtfertigt die meisten Menschen, die auch Moslem sind (und wahrscheinlich ein paar weitere Menschen auch), ablehnen. Ich glaube aber eher,

    dass dir davor klar wird, dass deine Islamophobie unbegründet ist.

    Besten Gruß

  6. @ Jonny

    Im Hinblick auf meinen Hintergrund erscheint mir meine Islamophobie mindestens genauso begründet wie meine Naziphobie, wobei ich den Nazismus – im Ggs. zum Islam – nicht selber erlebt habe.

    Was ich bei Moslems nicht mag ist der Islam, bei Araber das Arabertum. Ich habe meine biographischen Gründe dafür, aber im Prinzip ist es tatsächlich Geschmacksache, genauso, wie wenn man eher auf Schwarze steht als auf Weiße.

    Und ja, das Individuum ist mir sehr wichtig und genau darum sage ich, dass solche Abneigungen nur dann zumutbar sind, wenn sie eben passiv sind, also in meinem Fall z. B. nicht zu Lasten der Araber gehen, sondern zu meinen Lasten. Natürlich sind die Menschen- und Bürgerrechte derer, die mir nicht so gut gefallen, wichtiger als meine Abneigung. Darum bin *ich* umgezogen.

  7. Judenfürbitte, Zumutbarkeit

    Was ich bei Moslems nicht mag ist der Islam, bei Araber[n] das Arabertum.

    Aber am Christen mögen Sie ganz besonders, dass er den Juden an einem seiner höchsten Feiertage das gleichermaßen großzügige wie verbindliche Angebot aufmacht, jederzeit den Schleier von ihren Herzen zu nehmen?

    Und ja, das Individuum ist mir sehr wichtig und genau darum sage ich, dass solche Abneigungen nur dann zumutbar sind, wenn sie eben passiv sind, also in meinem Fall z. B. nicht zu Lasten der Araber gehen, sondern zu meinen Lasten.

    a) Wichtig fur was? Zu welchem Zweck?
    b) Ich vermute, Sie haben sich mit dem Adjektiv “zumutbar” vergriffen. Es ist – außer man ist der Staat oder Inhaber von andersartiger Gewalt – falscher Sprachgebrauch, einem anderen bezüglich einer selbstverursachten Zumutung dessen Zumutbarkeit zu bescheinigen. Es wirkt überheblich.

    Ob eine Einstellung oder Handlung (z.B.: Y sagt dem M “Ich mag deinen Islam nicht.”) zumutbar ist, hat ausschließlich M zu beurteilen (oder ein Gericht, falls etwa der M dem Y eins auf die Nase gibt), aber nicht der Y.

    Natürlich sind die Menschen- und Bürgerrechte derer, die mir nicht so gut gefallen, wichtiger als meine Abneigung. Darum bin *ich* umgezogen.

    Dass Sie nicht statt dessen deren Abschiebung gefordert haben ehrt Sie.

  8. @ Anonym

    Wer sagt, dass ich Christen überhaupt “ganz besonders” mag? In diesem Blog findest du außerdem genug Christenkritisches, v. a. aus den Jahren 2007-2009.

    ad a: Wichtig ist es für das Zusammenleben in einer liberalen Demokratie, deren wahrhafte Liberalität erst daran geprüft wird, ob und wie verschiedene Völker auch dann respektvoll miteinander leben und umgehen, wenn es Abneigungen gibt (diese mit PC-Verboten zu leugnen, hilft weder dem Zusammenleben noch der Demokratie).

    ad b: Du hast Recht und auch wieder nicht. Insofern Recht, als ich im Text ja in erster Linie von Antisemitismus rede und in diesem Zusammenhang meine, dass passive Formen desselben m. E. zumutbar sind (ich hab kein Problem mit denen, die keine Juden mögen und daraus eben keine Politik machen, sondern allenfalls von Wilmersdorf oder Charlottenburg wegziehen). Unrecht hast du insofern, als die Reflexionen über die Zumutbarkeit letzten Endes nicht von der einen oder anderen Volkszugehörigkeit abhängen, sondern erst dann Sinn ergeben, wenn sie verallgemeinert werden und folglich für Deutsche, Juden, Araber, Vietnamesen etc. gelten können. Und auf dieser theoretischen Ebene plädiere ich für eine differenzierte Sichtweise, die passive Abneigungen nicht mit aktivem Hass (was du Rassismus nennst) gleichsetzt.

    Und zum Schluss: Ich bin mir nicht sicher, ob du mitdiskutieren oder eher nörgeln willst…

  9. Jüdischer Witz

    »…was [ist] der Unterschied zwischen einem Anti- und einem Philosemiten. Die Antwort lautet: der Philosemit sagt “die Juden sind toll, aber… dieser ist ein Dieb, und jener ein Rassist…”, während der Antisemit sagt: “die Juden sind schrecklich, aber dieser ist ganz gutherzig, und jener wirklich weise…” «

    Schöner Witz, wie ich finde, weil er zeigt, dass sowohl die anti- als auch philo-Haltung in Bezug auf das Konstrukt „Volk“ gleichermaßen rassistisch grundiert ist.

    Die Unterscheidung „aktiv“ vs. „passiv“ hinsichtlich der Anti-Haltung gegenüber ein „Volk“ trifft es meines Erachtens nicht. So wie Sie das jeweilige Verhalten schildern, würde ich eher von einem offensiven bzw. defensiven „rassistischen“ Verhalten sprechen, wobei ich beides für ethisch fragwürdig halte. Zwischen offensivem („~politischem“) und defensivem (~persönlichem bis öffentlichem) Antisemitismus gibt es dann auch keine wirkliche „Grauzone“; wenn das erstere schwarz ist, dann ist das zweite dunkelgrau. Im weißen Bereich bewegt sich meiner Meinung nach nur der heimliche Antisemit, der seinen Antisemitismus perfekt zu verbergen weiß. Denn nur die Gedanken sind wirklich frei (von staatlicher Kontrolle).

    »Ich bin mir sicher, dass jeder und jede, wenn man ehrlich genug zu sich selbst ist, in sich solche diskriminierenden Präferenzen entdecken kann, sei es gegen Blondinnen, Dunkelhäutige, Heterosexuelle, Rechtsextremistische oder eben gegen Juden.«

    Der politisch korrekte „Gutmensch“ versucht halt, seine diskriminierenden Präferenzen nicht nach außen dringen zu lassen, das heißt, er bemüht sich, sich anderen gegenüber nicht diskriminierend zu verhalten. Weil das nicht immer einfach ist, zeigt ihm der Gesetzgeber mittels entsprechender Gesetze, wo’s lang geht (z. B. Antidiskriminierungsgesetz, Beschneidungsgesetz).

    Gegen einen offensiven Antisemitismus kann staatlicherseits leicht vorgegangen werden, bei einem defensiven Antisemitismus ist das ungleich schwerer bis unmöglich. Am ehesten wohl noch dann, wenn er im öffentlichen Raum durch entsprechendes (defensives) Verhalten offen zu Tage tritt (etwa wenn Juden bei Einstellungen, Beförderungen, Aufträgen, Krediten, Einladungen etc. stets den Kürzeren ziehen).

    Anregender Beitrag, danke dafür!

  10. @ Balanus

    Okay, nennen wir’s “defensiv”. Welches Recht hat der Staat, da etwas zu diktieren?

    Wenn jemand aufgrund meiner jüdischen Volkszugehörigkeit nicht mein Nachbar sein will, aber mich nicht zum Umzug auffordert, sondern selber wegzieht – was kann ich ihm da schon vorwerfen? Das erscheint mir vielmehr wie sein gutes Recht.

    Was ich damit sagen will, ist, dass eine liberale Demokratie nicht die Abneigung an sich “kriminalisieren” kann oder darf.

    Deine Bemerkung zu der Grauzone verstehe ich nicht, du hast doch selber gute Beispiele für diese Grauzone gegeben.

  11. @Yoav Sapir

    Wer sagt, dass ich Christen überhaupt “ganz besonders” mag?

    Das sagt niemand, doch wundert mich, dass Sie am Christen, jedenfalls am katholischen, nicht stört, dass dieser jedes Jahr an einem seiner höchsten Feiertage die Juden bekehren will.

    Anders formuliert: Ich kann nicht nachvollziehen, was genau am Islam der Muselmänner Sie so sehr nicht mögen, das nicht auch im Katholizimus vorfindlich ist.

    zu a): Meine Frage bezog sich auf Ihre persönliche Sicht. Sie hatten geschrieben: “das Individuum ist mir sehr wichtig” (fett von mir). Dazu passt Ihre Antwort nicht. Mir ist jedenfalls kein Individuum wichtig, das ich nicht kenne. Ich käme auch nicht auf die Idee, das Gegenteil vorzugeben.

    zu b):

    [Du hast] [i]nsofern Recht, als ich im Text ja in erster Linie von Antisemitismus rede und in diesem Zusammenhang meine, dass passive Formen desselben m. E. zumutbar sind

    Mein Hinweis war kein inhaltlicher, sondern einer des richtigen Sprachgebrauchs. Es wirkt anmaßend oder wichtigtuerisch, wenn Sie sich bezüglich Ihres eigenen Verhaltens einem Anderen – und sei er auch nur vorgestellt – gegenüber bescheinigen, dass Ihr Verhalten zumutbar ist. “zumutbar” setzt eine Zumutung voraus. Das ist aber, und damit sind wir beim

    Inhaltlichen:

    nicht der Fall. Denn, und da sind wir d’accord, bedarf es bedarf keiner Rechtfertigung, wenn Sie aus einer Gegend wegziehen, weil und wenn Ihnen dort zu viele Schwarze, Roma, Muselmanen, Prolls, Kleinkriminelle, Alkoholiker, Künstler oder was weiß ich nicht alles wohnen. Wenn es Ihnen irgendwo nicht passt, dann passt es Ihnen dort halt nicht. Wenn Sie Angst vorm schwarzen Muselman haben, dann ist das auch erst einmal OK.

    Und auf dieser theoretischen Ebene plädiere ich für eine differenzierte Sichtweise, die passive Abneigungen nicht mit aktivem Hass (was du Rassismus nennst) gleichsetzt.

    Ich habe nirgendwo “aktiven Hass” als “Rassismus” bezeichnet. Vermutlich verwechseln Sie mich. Die Gleichsetzung von Phobien mit dem Ausleben von Ideologien liegt mir ebenfalls fern.

  12. der Auslaender2

    Entschuldigt die schlimme Formatierung meines letzten Kommentars.. Notepad.exe

    Meinst du mit “begründete Islamophobie”, dass diese gerechtfertigt ist oder dass es kausale Ursachen gibt, die zu dieser geführt haben? Ich würde das zweite niemals abstreiten, schlechte Erfahrungen führen oft zu Vorurteilen. Erfahrungen sind aber immer Einzelwerte und bei Menschen den induktiven Fehlschluss zu begehen ist rassistisch.

    Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass du Islamophobie nicht gerechtfertigt hast, d.h. kein Kriterium angegeben hast, die eine Ablehnung des Islams rechtfertigt. Wenn ich dich frage, warum du Araber ablehnst und du sagst, wegen des Arabertums, ohne spezifische Kriterien zu nennen, was am Arabertum du meinst, habe ich nichts gelernt und zwar weil du mir eine zirkuläre Erklärung gegeben hast.

    Aus den im vorigen Kommentar genannten Grund, dass es keine notwendige Relation gibt zwischen Araber-sein/Arabertum und jeder anderen Eigenschaft, die nicht selbst im Begriff des Arabers liegt, glaube ich immer noch, dass es für Islamophobie keine guten (rechtfertigenden) Gründe geben kann!

    Alles das, worauf dann deine Geschmacksurteile beruhen können, sind Verallgemeinerungen und damit Vorurteile gegenüber Arabern und Moslems. Du selbst fällst auf ein “Gerücht über Araber” herein und deine Ablehnung ist damit unbegründet und rassistisch. Selbst dann, wenn du defensiv rassistisch bist.

    Ich finde die vorgeschlagene Redeweise von defensivem (statt passivem) Rassismus viel treffender, da passiv impliziert, man würde nichts tun, womit versucht wird, eine Schuld von sich zu weisen. Defensiver Rassismus ist ebenfalls rassistisches Handeln und damit macht man sich schuldig.

    Gute und gesunde Diskussion!

  13. “gesundes” Konkurrenzdenken / “krankes”

    Konkurrenzdenken, gut & böse, arm & reich, WAHRHEIT / UNWAHRHEIT!

    “… aber der Ansatz hat mehr mit dem Erlauben von Verbotenem zu tun als mit dem Verbieten von Erlaubtem.”

    Wenn ich mir die fortschreitende Konfusionierung und technokratische Entmenschlichung anschaue, für eine hierarchische Welt- und “Werteordnung” im “Recht des Stärkeren” des nun “freiheitlichen” Wettbewerbs um …, dann ist die “Freiheit” zunehmend KONTROLLIERTER, somit ist ZYNISMUS …!?

    Mit der “Vertreibung aus dem Paradies”, hat Mensch (ALLE, als EIN Organismus!) einen geistigen Evolutionssprung …, heraus aus der instinktiven Wahrnehmung, hinein in die eigenverantwortliche Entwicklung von Bewußtsein.

    Leider hat das dazu geführt, daß Mensch sich weiter und überwiegend an seiner materialistischen Abhängigkeit orientiert hat, was zu einer ILLUSIONÄREN Emotionalität von Imperialismus in teils brutal-egoisierendem “Individualbewußtsein” geführt hat – der Kreislauf des GEISTIGEN Stillstandes, mit EINER URSACHE für all unsere symptomatischen Probleme des “Zusammenlebens”, heute genannt der “freiheitliche” WETTBEWERB um die Abhängig- und Begehrlichkeiten des konsum- und proftitautistischen Zeitgeistes!!!

    Wer also EINDEUTIGE Wahrheit in GEISTIG-HEILDENDEM Selbst- und Massenbewußtsein anstrebt, der steht vor dem Problem der funktionalen Bildung, die GLEICHERMAßEN auf unverarbeiteter und somit leicht MANIPULIERBARER Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt & “Individualbewußtsein” auf Sündenbocksuche basiert, VOR ALLEM der Gewohnheits- und Wohlstandsmenschen im “Recht des Stärkeren” / der westlichen Welt!

  14. Wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen gehören würde, so daß die systemrationale Symptomatik von “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” ABSOLUT KEINE MACHT mehr hat, könnte PRINZIPIELL (nach wirklich-wahrhaftig demokratischer Werteordnung) alles MENSCHENWÜRDIG und letztendlich auch in Vernunft von FREIEM WILLEN organisiert und BEFRIEDET werden!

  15. Nachtragend:

    Die Unterscheidung zwischen dem ‘passiven’ und dem ‘aktivem’ X-Ismus scheint wahlfrei oder zumindest nicht so-o super-sinnvoll.

    Die Freiheit der Meinungsäußerung sollte streng gesetzlich und möglichst sinnvoll erfolgen und Verlautbarungen bestimmter Art sind eben auszuhalten bzw. zu ignorieren bzw. ein- oder ausgrenzend zu kritisieren, so meint zumindest Ihr Kommentatorenfreund.

    MFG
    Dr. W

  16. @Ano Nym

    “… was genau am Islam der Muselmänner Sie so sehr nicht mögen, das nicht auch im Katholizimus vorfindlich ist.”

    Das “Christentum”, im Gegensatz des Islam, funktioniert wie an der Leine geführt – da ist NICHTS was der bekloppten Welt- und “Werteordnung” im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” mit EINDEUTIGER Wahrheit gefährlich werden könnte!

  17. @ Yoav Sapir

    »Deine Bemerkung zu der Grauzone verstehe ich nicht, du hast doch selber gute Beispiele für diese Grauzone gegeben.«

    Meiner Ansicht nach macht es mit Blick auf den Antisemitismus (oder Islamophobie, oder…) als solchen unter ethischen Gesichtspunkten keinen Unterschied, ob er offensiv oder defensiv ausgelebt wird, beides ist aktives antisemitisches Verhalten. Insofern meine ich, dass sowohl der offensive als auch defensive Antisemitismus gleichermaßen moralisch verwerflich sind und somit beide in den „schwarzen“ Bereich des sittlich/moralischen Verhaltens fallen. Nur hierauf bezog sich meine Bemerkung zur „Grauzone“, nicht auf die im Beitrag angesprochenen juristischen Probleme.

    Dass »eine liberale Demokratie nicht die Abneigung an sich “kriminalisieren” kann oder darf«, sehe ich ganz genauso. Neigungen und Abneigungen, die man im Laufe des Lebens erworben hat, sind Privatsache. Was rechtlich allein zählt, sind Handlungen und Taten, die anderen Schaden zufügen können. Deshalb ist z. B. auch Pädophilie als solche nichts Kriminelles, sondern der erfolgte Kindesmissbrauch.

    Unter sittlich-moralischen Gesichtspunkten und auch aus der Perspektive des demokratischen Staates scheint mir der Pädophile sogar besser dazustehen als der, der Mitbürger allein aufgrund einer imaginierten „Rasse“ oder „Unterrasse“ (Volkszugehörigkeit) ablehnt. Letzteres ist für eine Demokratie sicherlich nicht förderlich und kann auch ansonsten nicht gerechtfertigt werden.

    Insofern macht die Losung „für Demokratie und gegen Antisemitismus“ durchaus Sinn, wobei ich aber meine, dass „gegen Antisemitismus“ nicht zugleich „für Semitismus“ bedeuten darf, weil sich dahinter ja wieder eine völkisch-rassistische Ideologie verbirgt, die einer Demokratie abträglich sein dürfte.

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