Neuer Schub für die Biodiversitätspolitik? IPBES nimmt Arbeit auf

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Gastbeitrag von Christoph Görg, UFZ

Vom 21.-26. Januar tagte in Bonn der neugegründete Welt-Biodiversitätsrat, die Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). Dieses wissenschaftliche Beratungsgremium wurde in Anlehnung an den Weltklimarat IPCC ins Leben gerufen. Auf der ersten Sitzung, die am Sitz des Sekretariats stattfand, wurden wichtige Entscheidungen gefällt zur künftigen Arbeitsweise und dem Arbeitsprogramm dieser Institution. Mehr als 500 Teilnehmer von den inzwischen über 100 Mitgliedsstaaten, von internationalen Organisationen, NGOs, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sahen sich einer komplexen Verhandlungsmaterie gegenüber. Trotz gutem Verhandlungswillen wurden einige wichtige Entscheidungen vertagt oder sind in ihrer Wirksamkeit noch nicht richtig abschätzbar. Daher bleibt weiterhin unklar, ob denn dieses Gremium tatsächlich der Politik zur Erhaltung der biologischen Vielfalt neue Impulse geben kann.

Wird der Weltbiodiversitätsrat IPBES Ergebnisse generieren, die helfen, dem Verlust der Biodiversität Einhalt zu gebieten? Foto: Marie Vandewalle/UFZ
Wird der Weltbiodiversitätsrat IPBES Ergebnisse generieren, die helfen, dem Verlust der Biodiversität Einhalt zu gebieten? Foto: Marie Vandewalle/UFZ

Ausgangspunkt für die Etablierung dieser neuen Institution an der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft war die Erfahrung, dass trotz vieler internationaler Abkommen und vieler Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene der Verlust der Biodiversität ungebremst weitergeht. Obwohl dafür verschiedene Ursachen verantwortlich zu machen sind, ist mit der Einrichtung des IPBES die Hoffnung verbunden, der Biodiversität mehr Gewicht in Politik und Öffentlichkeit zu geben. Insbesondere das Konzept der Ökosystemdienstleitungen thematisiert diese gesellschaftliche Bedeutung der Biodiversität für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anwendungsfelder (von der Ernährung über die Klimaregulierung bis zu ästhetischen Werten). Die neue Institution soll die verschiedenen Wissensformen, die für diese Anwendungsfelder relevant sind, aufgreifen; sie geht damit weit über die Naturwissenschaften hinaus und schließt auch Sozialwissenschaften, aber auch andere Wissensformen (lokales Praxiswissen und indigenes Wissen) ein. Das entsprechende Gremium, das innerhalb des IPBES seine Unabhängigkeit garantieren soll, heißt deshalb auch Multidisziplinäres Experten Panel (MEP). Doch die Zusammensetzung dieses 25-köpfigen Panels, die in Bonn beschlossen wurde, blieb, was die Balance zwischen den verschiedenen Wissensformen angeht, hinter den Erwartungen zurück: Meist wurden doch männliche Naturwissenschaftler nominiert. Auch die Beteiligungsmöglichkeiten anderer Stakeholdergruppen jenseits der Regierungen wurden noch nicht abschließend geregelt. Obwohl allen Beteiligten klar ist, dass von der Beteiligung von Wissenschaftsorganisationen, NGOs, von Wirtschaft und indigenen Gruppen der Erfolg dieser Institution letztlich abhängt, gibt es aus der Sicht einiger Regierungen durchaus Vorbehalte gegen eine zu weit gehende Beteiligung.

Christoph Görg spricht im Plenum des IPBES in Bonn. Foto: Marie Vandewalle/UFZ
Christoph Görg spricht im Plenum des IPBES in Bonn. Foto: Marie Vandewalle/UFZ

Überhaupt war die Konferenz in Bonn durch teilweise zähe zwischenstaatliche Verhandlungen vor allem zu prozeduralen Aspekten geprägt: zur Rolle von Sekretariat, MEP, Plenum und den Vorsitzenden sowie zur Person des Vorsitzenden und zur Verankerung des IPBES im internationalen System. Während das viele Beobachter frustriert hat, die sich über die geringe Geschwindigkeit beschwerten, kann es eigentlich nicht erstaunen: Als zwischenstaatliches Gremium sind die Mitglieder, d.h. die Staaten, sehr daran interessiert, die Kontrolle über den Prozess nicht zu verlieren und nichts zuzustimmen, was ihren Interessen (möglicherweise in ganz anderen Verhandlungen) widersprechen könnte. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Mitgliedschaft der EU im IPBES, die immer noch offen ist, weil einige Länder, voran die USA, keinen Präzedenzfall schaffen wollen. Ein anderes die Entscheidung im Konsensverfahren, die einzelnen Ländern die Möglichkeit gibt, z.B. unliebsame NGOs als Beobachter auszuschließen – auch diese Regelung steht noch in Klammern, muss also bei der nächsten Sitzung geklärt werden.

Noch nicht wirklich weiter ist man mit dem Arbeitsprogramm, was konkret meint, die bislang benannten Dimensionen – die Durchführung von Assessments, das Capacity Building, die Generation neuen Wissens und die Politikrelevanz der Arbeit – miteinander zu verbinden. Als eine Idee stehen hier stärker regionalisierte Strukturen in den Weltregionen zur Diskussion. An der konkreten Umsetzung des Arbeitsprogramms hängt letztlich die Frage, ob der IPBES zu einer relevanten Institution wird: Wird er Ergebnisse generieren, die helfen, dem Verlust der Biodiversität Einhalt zu gebieten? Dazu müsste er sowohl seine wissenschaftliche Unabhängigkeit – auch gegenüber seinen Mitgliedern, den Regierungen – behaupten, als auch politikrelevante Fragen aufgreifen und thematisieren. Die bislang beschlossenen Regelungen lassen da noch keine abschließende Einschätzung zu – und wahrscheinlich wird man auch abwarten müssen, wie sowohl das MEP als auch die anderen Gremien konkret arbeiten. Die Komplexität des Themas Biodiversität spiegelt sich insofern auch in der Komplexität der institutionellen Regelungen von IPBES. Eine einfache Lösung ist da nicht zu erwarten. Letztlich dürfte es davon abhängen, ob der IPBES zu einer lernenden Institution wird, die sich Schritt für Schritt den enormen Herausforderungen annähert. Eine externe Begutachtung seiner Arbeitsweise ist dafür von zentraler Bedeutung. Die ist im Prinzip auch schon beschlossen – aber wie so manches Andere noch nicht etabliert. Ein weiterer Verhandlungspunkt also für die nächste Sitzung im Dezember.

1 Kommentar

  1. @ Ökosystemdienstleistungen

    Lieber Christoph Görg,
    mit allem bin ich nicht einverstanden.

    „Insbesondere das Konzept der Ökosystemdienstleitungen thematisiert diese gesellschaftliche Bedeutung der Biodiversität für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anwendungsfelder (von der Ernährung über die Klimaregulierung bis zu ästhetischen Werten).“

    „… bis zu ästhetischen Werten“ ist offensichtlich völlig falsch. Das kann man mittels des Konzepts der Ökosystemdienstleistungen so wenig thematisieren mittels des Konzepts der Schallwellen die Frage, ob die Kompositionen Beethovens ästhetisch oder kulturgeschichtlich von höherem Rang sind als die Bachs.

    „… von der Ernährung über die Klimaregulierung …“ – da eignet sich das Konzept der Ökosystemdienstleistungen schon zur Thematisierung. Allerdings wird das Ergebnis sein, daß die „Biodiversität“ dafür nicht von Bedeutung ist. Ich habe dazu auch hier auf Scilogs etwas geschrieben, und zwar hier:(file:///Users/ludwigtrepl/Desktop/Landschaft-BLOG/Scilogs_bis-Nov12/„Biodiversitätsbasierte%20Ökosystemdienstleitungen“%20%7C%20Landschaft%20&%20Oekologie.webarchive)

    Viele Grüße

    Ludwig Trepl

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