Nach Doha: Aus für die UN-Klimapolitik?

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Der Klimagipfel von Doha blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurde das Kyoto-Protokoll noch einmal gerettet, aber in der Sache gab es nur Stillstand oder Vertagung auf 2015. Jetzt werden die Stimmen laut, dem „UN-Zirkus“ ein Ende zu setzen und Klimaschutz „von unten“ zu betreiben. Doch das wäre der falsche Weg, denn auch der Klimaschutz von unten braucht einen internationalen Rahmen. In der Verbindung von Bottom Up- und Top Down-Ansätzen liegt die Lösung der gegenwärtigen Krise der Klimapolitik.  

Es besteht kein Zweifel: Selbst an der zweckoptimistischen Messlatte der UN-Verhandlungsführung gemessen war der Klimagipfel von Doha nicht mehr als „Mini-Kompromiss.“ Es gibt eine zweite Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll, aber die Ziele der wenigen im Kyoto-Protokoll verbleibenden Teilnehmerstaaten sind unambitioniert und mit Abstand nicht hinreichend zur Erreichung des Zweigradziels. Die notwendigen Nachbesserungsmaßnahmen wurden anerkannt, aber weit in die Zukunft (nach 2020) vertagt. Ein neues, weltumspannendes Durban-Regime blieb auch nach der Auflösung der Bali-Pfade nur ein blasser Schemen am Horizont. Die Welt scheint weiter denn je von einem Konsens beim Klimaschutz entfernt. Das macht zum einen die Stimmen laut, die seit langem vor einer „Klimakatastrophe“ warnen, zugleich ruft es die Kritiker einer Klimapolitik nach UN-Muster aufs Parkett. Gefordert werden Verhandlungen im Kreis kleiner „Koalitionen der Willigen“ oder „Klimasalons“, in denen auf Freiwilligkeit basierende Initiativen der Wirtschaft und der Bürger in den Wettbewerb um Vorreiterrollen beim Klimaschutz treten.

Die Geschichte solcher „Freiwilligkeitslösungen“ in der Umweltpolitik ist aber ernüchternd. Die meisten „Selbstverpflichtungen“, z.B. die gescheiterte Selbstverpflichtung der europäischen Autohersteller zur CO2-Reduktion, sind nur Strategien zur Verwässerung oder Vertagung von staatlichen Maßnahmen. Und sie beruhen auf einem „impliziten Tauschgeschäft“ (Knebel/Wicke/Michael): Nur vor dem Hintergrund einer drohenden Regulierung gibt es effektive Initiativen der Wirtschaft und der Verbraucher. Für die Klimapolitik der UN heißt dies: Nur wenn das Durban-Regime klare rechtliche Konturen annimmt, wird es in den Klimasalons der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft musterhafte Lösungen für mehr Klimaschutz geben. Das hat zuletzt die „Vision 2050“ der 29 Multis, darunter Größen wie Boeing, E.ON, Toyota, Vattenfall und Volkswagen, gezeigt. Sie sind im World Business Council for Sustainable Development organisiert und haben gemeinsam eine  “Neue Agenda für Unternehmen“ erarbeitet, die u.a. auch eine Halbierung der globalen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 (gegenüber 2005) vorsieht – hauptsächlich durch den Umbau der Energiesysteme, Energieeffizienz und klimaschonende Mobilität. Allerdings unter einem klaren Vorbehalt: Nur wenn  Regierungen, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit mitmachen, kann die Vision 2050 gelingen. Und vor 2020 wird es auch keine greifbaren Erfolge aus der „Vision 2050“ geben. Im  „turbulenten Jahrzehnt“ (2010-2020), so die Studie, erst setzt sich die Erkenntnis durch, dass „ein Handeln in Richtung Nachhaltigkeit unumgänglich und möglich ist.“ Insoweit keine Besserung gegenüber dem Zustand der Politik von oben.

Solche Initiativen der Wirtschaft sind dennoch wertvoll und wichtig. Denn zum einen schaffen sie die Legitimität und Akzeptanz für den politischen Prozess auf allen Ebenen, bis hin zur UN; zum anderen mobilisieren sie das reichhaltige Wissen dieser gesellschaftlichen Akteure für die Verhandlungen, die sonst häufig in Unkenntnis der Sache geführt werden und in diplomatischen Ritualen verharren. Klimasalons sind also kein Ersatz für den „UN-Zirkus“, sondern ein Teil desselben und eine sinnvolle Ergänzung. In Doha waren die zahlreichen Side-events der gesellschaftlichen Akteure daher aus meiner Sicht das eigentliche Highlight und die Hoffnung von Doha.  

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Reimund Schwarze ist Klimaexperte im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Als Professor für Volkswirtschaftslehre hält er Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökonomische und juristische Untersuchungen zur Klimapolitik. Er beobachtete in den letzten Jahren die Klimakonferenzen der UNO und berichtete davon im UFZ-Klimablog.

7 Kommentare

  1. “Nur wenn Regierungen, Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit mitmachen, kann die Vision 2050 gelingen.”

    Dazu gehört auch verantwortungsvoller Wissenschaftsjournalismus.
    Beim Autor des verlinkten SPON Artikels scheint es sich auf den ersten Blick um eine krasse Fehlbesetzung zu handeln.
    Schaut man sich den Kommentarbereich an, scheint Axel Bojanowski zumindest vielen seiner Leser aus der Seele zu sprechen.
    Das Thema ist eben sehr komplex und zugleich emotional belastet.

    Geoenineering – im grossen Masstab auf globaler Ebene – halte ich eine Art russisches Roulette mit der Ökosphäre, mit komplett unkalkulierbaren Folgen.

    Ich würde unterstreichen, dass ein Handeln in Richtung Nachhaltigkeit unumgänglich und vor allem auch möglich ist. Angesichts der zähen politischen Prozesse fällt es Vielen schwer das zu glauben. Eine klassische, self fulfilling prophecy.
    Dabei bergen die notwendigen Veränderungen ja auch jede Menge Chancen. Das kann gar nicht genug betont werden.

  2. Multilateraler UN-Approach falsch?

    Vielleicht ist nur der Ansatz “One-Treaty-For-All-Countries” falsch, denn dass es
    (Zitat)” klare rechtliche Konturen annimmt” und das für alle Länder der Erde ist zu viel verlangt und wird nicht gelingen, wenn es als Tauschgeschäft aufgefasst wird.

    Realistischer wären Abkommen zwischen den grossen Playern (z.B. China, USA, Indien, Europa) und die wiederum würden dann Druck ausüben auf alle anderen Länder. Man muss sich nur vorstellen ein Klimavertrag käme nur zustande, wenn auch Saudi-Arabien, Grönland und Südafrika zustimmen. Diese Länder haben doch eigene Interessen, die sich nie unter einem gemeinsamen Hut zusammenfassen lassen und es gibt dutzende derartiger Länder.
    Die Gruppe der Inselstaaten mit ihrem 1.5°C-Ziel ist ein Beispiel für die Probleme von Verhandlungen bei denen alle mitspielen. Das 1.5°C-Ziel für das diese Länder eintreten ist sowieso nicht mehr erreichbar und der einzige Sinn dieses Ziel zu vertreten liegt wohl darin, dass diese Staaten eine Entschädigung herausholen können. Auch der Green Climate Fund mit seinen 100 Milliarden Dollar bis 2020 vor allem für Klimaadaption in den Entwicklungsländern kann bereits als Tauschgeschäft aufgefasst werden, wobei hier Geld gegen Unterstützung für die Klimaziele eingehandelt wird. Auf diesem Pfad drohen aber die eigentlichen Mitigationsziele unterzugehen.

    Letztlich wird es auf die grossen Blöcke ankommen. Leider ist aber auch ein Weg, der sich vor allem auf die USA, China, Indien und Europa konzentriert momentan nicht sehr erfolgsversprechend, denn von den genannten Blöcken ist momentan nur Europa zu Verfplichtungen bereit.

    Wenn vor allem Europa und die anderen Kyoto-Staaten etwas bewegen möchten und zwar über den engeren Kreis der Kyoto-Staaten hinaus, dann gäbe es noch den Ansatz der CO2-Importsteuern. Alle Importe in diese Staaten würden mit einer CO2-Steuer belegt. Auch dieser Ansatz hätte seine Gefahren – vor allem die Gefahr eines eigentlichen Handelskriegs.

  3. bitte vorsicht mit dem Strohmann

    Lieber Kollege Schwarze,
    uns ging es im Wesentlichen darum, eine Diskussion um Alternativen zum multilateralen Ansatz anzustoßen.
    Von genauerer Lektüre wird auch deutlich, dass ich beispielsweise an der Notwendigkeit eines transnationalen Ansatzes festhalte

    http://www.blogger.com/…4604600&isPopup=true
    Von daher sind die Differenzen eher stilisiert und die Frage ist, ob diese Polarisierung einer sachlichen Debatte zuträglich sind.

  4. Klimasteuer?

    Ohne spezielle Preisanteile, die den klimakritischen Anteil eines Produktes bewerten ist eine ‘Energiewende’ in Deutschland Augenwischerei. CO2 intensive Herstellungsprozesse würden ins Ausland verlager. Die entsprechenden Produkte würden vermehrt aus dem Ausland importiert. Eine generelle Klimasteuer, welche zusammen mit der Umsatzsteuer auf ein Produkt erhoben wird, vermeidet die Gefahren von Handelsbeschränkungen durch Importzölle, und bietet Verbrauchern und Industrie Anreize nachhaltig zu agieren.
    Nach meiner Einschätzung ist die Einführung einer solchen Steuer in keinem demokratischen Land politisch durchsetzbar, solange die Tragweite Klimawandels nicht von einer Mehrheit verstanden ist.

  5. Klimasteuer?

    Lieber Herr Dihlmann, die “Bepreisung” von CO2-Ausstössen weltweit ist das Ziel des Emissionshandels wie von Emissionssteuern auf CO2. Sie sind insoweit äquivalent. CO2-Steuern wären aber ein stabileres Preissignal als der schwankende Emissionshandel mit seinem Auf und Ab. Politisch scheint mir der Emissionshandel aber z. Zt. besser vermittelbar als Emissionssteuern. China z.B. beginnt jetzt mit regionalen Pilotversuchen, Australien macht mit usw. Eine weltweite Steuerlösung schient mir im Vergleich viel unrealistischer. Sie scheitert ja schon innerhalb der EU. P.S.: Danke für Ihren Kommentar, ich kam leider nicht früher zu einer Reaktion.

  6. Potenziale klimafreundlicher Logistik

    Lieber Herr Dihlmann, nachgesetzt: Mit dem Thema “klimafreundliche Logistik” sprechen Sie ein wichtiges Thema an, bei dem sich Ökologie und Ökonomie genial verbinden lassen, so dass die Erfolgschancen einer “Politik von unten” hoch sind. Verkehr und Logistik sind die am stärksten wachsenden Verbrauchsbereiche für fossile Brennstoffe – weltweit! Das liegt nicht an der Verkehrstechnik, die immer besser wird, sondern an der Globalisierung und dem anhaltenden Wildwuchs der Verkehrsströme. Durch eine internationale, vielleicht zunächst auch nur europäisch koordinierte Logistik-Plattform, d.h. abgestimmte Frachten, könnten leicht mehr als 20% des Energieverbrauchs in diesem Sektor eingespart werden, erklärte kürzlich der scheidende DHL-Vize Keith Ullrich beim “Carbon War Room” in Berlin – und dabei Milliarden Dollar eingespart werden. In diesen unausgeschöpften wirtschaftlichen Potenzialen liegt die nahe Zukunft der internationalen Klimapolitik – bis sich das Nachhaltigkeitsdenken in der Wirtschaft und der Gesellschaft nach dem „turbulenten Jahrzehnt“ (bis 2020) hoffentlich durchgesetzt hat.

  7. CO2-Kosten

    Das Problem mit den ganzen CO2-Stuern ist, dass es viele verschiedene Systeme gibt. In Australien ist das System aktuell stark von den politischen Mehrheiten abhängig. Und so kann man das Land für Land durchgehen.
    In der EU funktioniert das mit allen möglichen EU-Vorgaben und Richtlinien schon etwas besser. Hier ist das Problem vielmehr die Menge an CO2-Zertifikaten. Dabei zieht sich die Geschichte der Zertifikate bereits viele Jahre. Wünschenswert wäre in jedem fall, dass CO2 in jedem Land den gleichen Preis hat und so keine Vor-oder Nachteile für einzelne Länder enstehen. Damit die Akzeptanz da ist, sollte die Zertifikate, wie in den EU, verschenkt bzw. kostenlos zugteilt werden. Dies aber weltweit und ohne Überkapazitäten. Ok, man wird ja wohl noch Wünsche haben dürfen.

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