Mit GCEF den Klimawandel simulieren

BLOG: Umweltforsch

Grenzgänger zwischen den Disziplinen
Umweltforsch

Von Stefan Michalski und Oliver Schweiger 

 

Ungewohnte Wege sind das für den Bus, der uns zu den weithin sichtbaren Metallkonstruktionen vor den Toren Bad Lauchstädts fahren soll. Enge, staubige Feldwege führen zu der Anlage, die im Laufe des Nachmittags viele Kosenamen erhalten wird, aber offiziell den Namen Global Change Experimental Facility – GCEF trägt. Apropos ‚global change‘: Beeindruckend ist zunächst das derzeitige Extremwetterereignis. Schwüle Hitze über den flachen Feldern schlägt uns beim Aussteigen aus dem klimatisierten Bus entgegen. Schatten ist Mangelware auf dem Gelände der GCEF und erst unter dem Schutz des eigens für die Eröffnung aufgebauten Zeltes, nach ersten lokalen Anpassungsmaßnahmen bei der Kleiderordnung und ein paar Getränke später lässt sich die Anlage und deren Größe würdigen.

Die GCEF ist uns natürlich längst keine Unbekannte mehr. Schon seit 2011 übt eine einsame Pilotkonstruktion die Klimaveränderung in Bad Lauchstädt und seit letztem Jahr konnten wir von der Forschungsstation aus den langsamen Aufbau der nun einzuweihenden GCEF beobachten. Aber erst wenn man selbst inmitten der „Pseudogewächshäuser“ steht, wie sie später Prof. Teutsch, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ, in seinen Grußworten nennt, werden die Dimensionen der GCEF erfahrbar.

Zehn dieser 5 Meter hohen Konstruktionen, die jeweils 5 Parzellen mit einer Gesamtfläche von 80 m x 24 m überspannen, stehen über das eingezäunte Areal verteilt, welches man auch bei angenehmerem Wetter lieber mit dem Fahrrad erkunden möchte, denn zu Fuß.

Die frisch eingeweihte Langzeitversuchsanlage in Bad Lauchstädt / Foto: André Künzelmann

 

GCEF – Was ist das?

Die GCEF ist die weltweit größte Versuchsanlage auf dem Gebiet der experimentellen, ökologischen Klimaforschung. Wie Martin Schädler, wissenschaftlicher und technischer Koordinator der GCEF, erklärt, ermöglicht diese Größe die Unterbringung verschiedener Landnutzungsoptionen und gewährleistet gleichzeitig den Raum für praxisnahe Landwirtschaft, „echte“ ökologische Prozesse und Interaktionen. Die zu verstehenden Prozesse brauchen aber neben Raum auch Zeit, man denke an zu erwartende mikroevolutionäre Veränderungen. Und tatsächlich, die GCEF hat auch diese Perspektive, denn die technischen Betriebskosten des Projekts sind für mindestens 15 Jahre gesichert, eine lange Zeit in Wissenschaft und Politik.

Die angesprochene mikroevolutionäre Dynamik in den Pflanzenarten der GCEF zu erfassen und mit weiteren Experimenten zu komplementieren, ist neben Notwendigkeit auch eine der Herausforderungen, an denen wir Ökologen persönlich besonders interessiert sind. Sind die modifizierten klimatischen Bedingungen in der Lage die Allelfrequenzen, d.h. die genetische Zusammensetzung einer Art kurzfristig zu verändern? Nur mit populationsgenetischen Methoden können wir untersuchen, ob Anpassungserscheinungen in den Merkmalen einer Art auf plastisches Reaktionsvermögen oder erblich bedingte Änderungen zurückzuführen sind. Um alle Möglichkeiten auch zukünftiger molekulargenetischer Methoden für diese Fragen nutzen zu können, ist es dringend notwendig, Samen- und Blattmaterial für eine Vielzahl von Arten in regelmäßigen Abständen zu sammeln und zu archivieren.

 

Die Herausforderungen sind groß

Der globale Wandel mit Veränderungen des Klimas, Bevölkerungswachstum und dem notwendigen Erhalt und Ausbau der Ernährungssicherheit stellt große Herausforderungen an die Gesellschaft. Die Wissenschaft muss eine Grundlage weiterführenden, angepassten Handelns bieten, was wiederum ein Verständnis für abiotische und biotische Interaktionen und daraus resultierende ökologische Prozesse fordert. Stefan Klotz, Leiter des Departments Biozönoseforschung am UFZ, ist sich sicher, dass die GCEF, als konsequente, zeitgemäße Schnittstelle zwischen naturwissenschaftlichem Experiment und Umweltbeobachtung, helfen kann, dieses Verständnis zu vertiefen.

Groß sind auch die Bögen, die in den Grußworten geschlagen werden. Und unüberhörbar sind die hohen Erwartungen der verschiedenen Seiten an die GCEF. Prof. Teutsch sieht bereits ein zukünftiges „Mekka der Wissenschaft“, ganz sicherlich ein Publikations- und Reputationszuwachs für das UFZ und Helmholtz auf internationaler Ebene. Und die Gäste MinDirig. Wilfried Kraus vom BMBF und Hartmut Möllring als Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt betonen die Notwendigkeit von Entscheidungsgrundlagen für die Politik und die mögliche Leuchtturmwirkung der Anlage auf europäischer Ebene. Nicht zuletzt soll die GCEF als Forschungsplattform dem ohnehin attraktiven Forschungsstandort Mitteldeutschland ein weltweites Alleinstellungsmerkmal bieten.

 

Kann die GCEF den Herausforderungen und Erwartungen gerecht werden?

Noch wächst nur schnöder Hafer auf den Parzellen und das zukünftige Gesicht der GCEF lässt sich nur im aufwendig produzierten Film erahnen. Die Sorge, ob die tatsächlichen Klimaänderungen den prognostizierten Szenarien und den daraus abgeleiteten experimentellen Bedingungen der GCEF entsprechen, steht hinter dem offensichtlichen Potential der Anlage zurück, unter kontrollierten Bedingungen die kurz- und mittelfristige Dynamik von Ökosystemen großflächig und detailliert zu beobachten. Diese gewaltige Anlage mit ihrer weitgehend unsichtbaren Technik nun mit zukunftsträchtigen Inhalten, mit Forschung zu füllen, wird die Herausforderung der nächsten Zeit sein. Hoffen wir, dass wir die Gelegenheit erhalten, neben der technischen auch die personelle und wissenschaftliche Begleitung des nun zu beginnenden Experiments in der „Gemüsezuchtstation“ langfristig zu gewährleisten. Nur dann wird der kommende Erkenntnis- und Bedeutungsgewinn den finanziellen Aufwand für diese Plattform rechtfertigen.

Am Ende dieses heißen, aber stimmungsvollen Tages gewinnt die Begeisterung über ein großes Projekt. Die Hoffnung aber, die GCEF könne gleich den Sieg über den Klimawandel erringen, ist vielleicht doch ein bisschen zu optimistisch.

 

 

Stefan Michalski und Oliver Schweiger sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im Department Biozönoseforschung.

4 Kommentare

  1. Forscherteam

    Aus welchen Fachdisziplinen ist denn das Forscherteam zusammen gestellt. Das müßten doch ziemlich verschiedene sein, oder?

  2. @Forscherteam

    Hi Martin,
    die GCEF ist eine Plattform, welche allen interessierten Wissenschaftlern offen steht. Allein die Breite der ökologischen Fragestellungen macht die Beteiligung unterschiedlichster Disziplinen notwendig und wünschenswert. Das ‘Forscherteam’ muss sich allerdings erst noch zusammenfinden, aber ich sehe keinen Grund bestimmte Fachbereiche auszuschließen.

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