Fortsetzung: Virtuelles Wasser, Teil 3
BLOG: Umweltforsch
Keine pauschalen Handelsbeschränkungen
Pauschal handelsbeschränkende Maßnahmen wie eine virtuelle Wassersteuer sind aus ökonomischer Sicht abzulehnen, da sie den freiwilligen und beiderseitig vorteilhaften Handel einschränken und die Preise von Produkten verzerren, also ihre Fähigkeit einschränken, Kosten und Knappheiten richtig abzubilden. Wohlfahrtsverluste wären die Folge. Zur Verbesserung der globalen Nachhaltigkeit regionaler Wasserhaushalte leisten sie zudem keinerlei Beitrag, denn alle wasserintensiven Produkte würden pauschal verteuert. Eine Differenzierung nach Produktionsort und Wasserquelle wäre praktisch nicht durchführbar und den betroffenen Ländern wohl auch schwer zu vermitteln. Zudem kann, wie oben erwähnt, eine spezielle Wassernutzung in einem Land verschwenderisch, in einem anderen Land vollkommen sinnvoll sein. Eine solche Steuer würde zunächst einmal die Einnahmesituation der Produzenten vor Ort verschlechtern, während die Nachhaltigkeit oder Nicht-Nachhaltigkeit des lokalen Wassermanagements unverändert bliebe; ob die gewünschte Umweltverbesserung einträte, ist vollkommen unklar. Dass Handelsbarrieren nicht spezifisch genug sind, um lokale Umweltprobleme zu bekämpfen, ist schon vielfach diskutiert worden. So kann eine verstärkte Nachfrage durch Handelsliberalisierung ebenso den Preis eines Gutes, in dessen Produktion eine Ressource verwendet wird anheben, was den Wert der Ressource, und den Anreiz, diese zu bewahren und nachhaltig zu bewirtschaften, erhöhen würde, während Handelsbarrieren den gegenteiligen Effekt hätten. Ebenso trägt eine Verschlechterung der Einnahmesituation der Produzenten vor Ort nicht dazu bei, die Wertschätzung und das Bewusstsein für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement zu erhöhen. Die effizienteste Lösung wäre demnach, die Verzerrung zu beheben, welche die Wurzel des Problems darstellt, in diesem Falle die zu niedrigen, subventionierten Wasserpreise in der Landwirtschaft sowie regionale Strukturen der „bad governance“. Denn auch das Problem von undemokratischen, korrupten Strukturen, die exzessive Ressourcenausbeutung begünstigen, wäre mit pauschalen Handelsbarrieren offensichtlich nicht gelöst.
Ebenso kann ein System von (handelbaren) Wasserfußabdrücken nur zu Verzerrungen führen, da es an den Präferenzen der Menschen vorbei geht. Zudem würde wasserreichen Ländern das „Recht“ abgesprochen, heimische Wasserressourcen nach eigenem Ermessen zu nutzen: Wenn etwa ein wasserreiches Land schon mithilfe seiner eigenen Ressourcen ein „überdurchschnittliches“ Konsumniveau erreichen könnte: Sollen dann etwa der Erwerb von zusätzlichen Wasserfußabdruck-Lizenzen oder gar Zwangslieferungen an virtuellem Wasser die Folge sein? Die Frage wäre zudem, ob auch arme, aber wasserreiche Länder wie beispielsweise Bangladesch ihre Wasserressourcen „teilen“ sollten. Einer nachhaltigen Wassernutzung in der Produktion wäre zudem kaum gedient, denn ein nationaler oder globaler „cap“ ist im Falle von Wasser als lokaler Ressource wenig hilfreich, wenn Wasser auf lokaler Ebene nicht effizient genutzt wird. Wenn Wasser hier, etwa als Input in der landwirtschaftlichen Produktion, gemäß seine Knappheit entgolten würde, wären keine weiteren Zertifikatkäufe für ein „überdurchschnittliches“ Konsumniveau mehr notwendig. Auch ist nicht zu erkennen, wie solch ein Instrument zu einer „fairen Verteilung“ von Wasserressourcen führen könnte, da letztendlich auch die Wasserfußabdruck-Zertifikate der Zahlungsfähigkeit gemäß gehandelt werden würden, während das Problem von Entwicklungs- und Einkommensunterschieden wohl kaum gelöst wäre. Beide Instrumente, virtuelle Wassersteuern und Zertifikate, zeigen stattdessen eindeutig paternalistische und bevormundende Züge, indem sie Menschen (insbesondere in Entwicklungsländern) die Wahl eines „richtigen“ Konsum-, Produktions- oder Exportniveaus aufdrängen. Der Ansatz dass Länder wie etwa Botswana nicht in der Lage sind, die für sie beste Wasser- und Handelsstrategie festzulegen, sondern auf korrigierende Maßnahmen im Rahmen eines globalen Wassermanagements angewiesen sind, offenbart eine bedenkliche Nähe zu „Öko-Imperialismus“ (Horst Siebert).
Carbon Footprint und Water Footprint
Die methodischen Schwäche des Wasserfußabdrucks werden schließlich auch im Vergleich zum Carbon Footprint deutlich: Denn während der Carbon Footprint die aggregierte, weltweit zu gleichen Klimaeffekten führende Treibhausgasbelastung anzeigt, fasst der Water Footprint völlig ungleichartige Wassernutzungen und ihre ökologischen Auswirkungen in einer Rechengröße zusammen. Selbst der Carbon Footprint kann aber noch keine Informationen über die Wünschbarkeit einer Aktivität oder deren Vermeidung liefern, denn hierfür sind weitere Informationen über Vermeidungskosten und Nutzen eines Produkts oder einer Aktivität notwendig. Auch im Hinblick auf ein Konzept der „Wasserneutralität“ (Hoekstra) ist es keineswegs irrelevant, wo der Konsum einer bestimmten Wassermenge ausgeglichen wird, da die Umweltauswirkungen einer Wassernutzung ein ortsspezifisches Problem darstellen.
Selbstverständlich ist weder das realtypische System des Agrarhandels „fair“ noch existieren in der Realität überall „good governance“ und perfekte Wasserpreise, welche die Knappheit von Wasserressourcen in der landwirtschaftlichen Produktion korrekt abbilden. Es soll daher nicht bestritten werden, dass eine verstärkte Weltmarkt-Nachfrage dazu führen kann, dass Wasserressourcen lokal ausgebeutet werden und gravierende Umweltschäden in einem Exportland entstehen. Die entscheidende Frage ist aber doch, ob der Wasserfußabdruck ein geeigneter Indikator sein kann, um gerade derartige Probleme aufzudecken oder einzudämmen. Von einer virtuellen Wassersteuer wäre die Wurzel des Problems in keiner Weise berührt, die letztlich im lokalen Wassermanagement und der lokalen Bepreisung von Wasser zu suchen ist. Oftmals werden jedoch so unterschiedliche Probleme wie globale Entwicklungs- und Einkommensunterschiede, die Machtverhältnisse im Handelsregime bis hin zu geopolitischen Fragen mit Problemen in der Wasserwirtschaft vermischt. Wasser- und Handelsprobleme müssen jedoch in den Arenen gelöst werden, wo sie anfallen: in der Welthandelspolitik und bei lokaler und regionaler Nachhaltigkeit im Umgang mit knappem Wasser.
Das Konzept des virtuellen Wassers bleibt so letztlich wohl eher ein akademisches Glasperlenspiel; als Richtschnur für eine globale Wasser-Governance taugt es jedenfalls nicht. Es kann sogar – wie alle reinen Mengenkonzepte der Umweltpolitik (z. B. der Dematerialisierungsansatz des Wuppertal-Instituts) – zu bedenklichen Desorientierungen beitragen. Die bisherige Konzeption ist normativ inkonsistent, trägt gar nicht zur Bewältigung der selbstgesteckten Umweltziele bei und führt bei unbedachter Anwendung zu erheblichen Störungen im Welthandel zu Lasten armer Länder. Zudem ist es im Kern paternalistisch. Die internationale Umwelt- und Handelspolitik sollte sich die vermeintlichen Politikimplikationen „virtueller Wasserrechungen“ daher nicht ungeprüft zu eigen machen.