Es kommt Bewegung in die internationale Klimapolitik

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Auf dem Sondergipfel zum Klimaschutz der Vereinten Nationen (UN) in New York sollten die politischen Weichen für ein neues Klimaabkommen in Paris im nächsten Jahr gestellt werden. Ban Ki Moon hatte sich große Ziele gesetzt: Die weltgrößten CO2-Emittenten China und USAsollten zu ambitionierten Klimaschutzzusagen bewegt werden und Milliarden für ein grünes Wachstum in den Entwicklungsländern aufgebracht werden - aus öffentlichen Mitteln und von der Wirtschaft.

Rekordverdächtig schon der Auftakt. Über 300.000 Teilnehmer am Sonntag beim historischen „People’s Climate March“ in den Straßen von Manhattan, unter den Demonstranten Ban Ki Moon, Al Gore, Leonardo DiCaprio und viele andere Prominente. Gleichzeitig gingen Zehntausende in London, Melbourne und 150 anderen Städten auf die Straße und demonstrierten die Macht sozialer Netzwerke. Am Montag dann der Tag der Wirtschaft. Starke Bekenntnisse zum grünen Wachstum von Multis wie Ikea und Pirelli, vor allem aber aus einer mächtigen weltweiten Allianz von Technologieproduzenten, grünen Stromerzeugern und institutionellen Investoren wie Bloomberg New Energy Finance, das bereits heute Hunderte von Milliarden US-Dollar bewegt.

130 Staatsoberhäupter waren dem Ruf des UN-Generalsekretärs nach New York gefolgt. Einige hatten zwar kurz zuvor abgesagt, wie Chinas Xi Jingping und Indiens Narendra Modi, bedauerlicherweise auch Bundeskanzlerin Merkel. Das Politikeraufgebot im Hauptquartier der UN war dennoch beeindruckend. Jedem Sprecher waren nicht mehr als vier Minuten Redezeit gegeben, um in knappen, klaren Worten darzulegen, was sie konkret tun oder zu tun gedenken, um das Zweigradziel im globalen Klimaschutz zu erreichen. Die Augen der Welt waren dabei vor allem auf zwei politische Akteure gerichtet – die USA und China. Die alphabetische Folge der Redner wurde so gelegt, dass beide erst zum Schluss des Politikermarathons in der Vollversammlung zu Wort kamen.

Großes Finale. Obama, als erster der beiden, wirkte müde und erschöpft, und hatte der Weltöffentlichkeit nichts Neues zu bringen außer seiner “historischen Klimainitiative” vom Jahresanfang: 17% weniger Treibhausgasemissionen in den USA bis 2020 im Vergleich zu 2005. Das ist nicht viel, im Grunde nur das Versprechen aus Kopenhagen, aber mehr ist innenpolitisch in den USA derzeit einfach nicht möglich, auch keine neuen Finanzzusagen für den Grünen Klimafonds. Ganz anders im Auftritt des Vizepremiers und Sonderbeauftragten der chinesischen Regierung Zhang Gaoli. Zwar hatte auch er keine klar definierten Klimaschutzziele für China zu vermelden, nur das Versprechen, dieses „so bald wie möglich“ zu tun, aber er kam mit der kommunistischen Geste der Überzeugung und mit neuen Finanzzusagen für die Umweltorganisationen der UN.

Das scheint denn auch die Kompromissformel von New York: Geringe Ambitionen der Industrieländer beim Klimaschutz, aber die Bereitschaft für Klimaschutz in den Entwicklungsländer erhebliche Summen zu zahlen. So versprach der Gastgeber des Gipfels in Paris, Frankreich’s Premier Hollande, in den nächsten vier Jahren eine Milliarde US-Dollar für den Grünen Klimafonds zu zahlen. Damit zog er nicht nur gleich, sondern überholte die Finanzzusagen von Bundeskanzlerin Merkel. Deutschland zahlt die gleiche Summe aber über neun Jahre gestreckt und zunächst nur 20 Millionen im kommenden Jahr an den Klimafonds. Mit weiteren Millionensummen folgten Südkorea, die Schweiz und die nordischen Länder Dänemark, Norwegen und Schweden. Sogar das kleine Tschechien versprach 5,5 Millionen für den UN-Klimafonds. Dafür gab es ein Sonderlob für die Europäer und Südkorea im Abschlusskommunikee von Ban Ki Moon. Die jährlich 15 Milliarden US-Dollar, die die kleinen Inselstaaten und viele Umweltschutzorganisationen fordern, kommen so zwar nicht zustande, aber selbst wenn nur 5-10 Milliarden Dollar bis zum Treffen in Paris an den UN-Klimafonds flössen, ließe sich damit ein vielfach größeres Investitionsvolumen für Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern mobilisieren. „Hebelwirkung“ nennen das Ökonomen und meinen, das private Investitionen in den Klimaschutz schon heute fast genauso rentabel sind wie Investitionen in Kohle, so dass mit minimalen öffentlichen Mitteln sehr viel Privatkapital bewegt werden könnte. Darauf setzt die Strategie von Ban.

Die Wirtschaftsvertreter auf dem Gipfel zogen mit. Ein Bündnis großer institutioneller Investoren, darunter der Schwedische Pensionsfonds (AP4) und Chinas Internationaler Kapitalfonds (CICC) verpflichteten sich bis zum Jahresende 2015 100 Milliarden US-Dollar in Anteilsfinanzierungen in die kohlenstoffarme Entwicklung zu investieren. Das soll unter den strengen Augen des Carbon Disclosure-Projekts geschehen, also bei offener Bilanzierung aller direkten und indirekten Treibhausgasemissionen der Investitionen. Am Geld scheitert der weltweite Klimaschutz also nicht. Aber es braucht verlässliche Rahmenbedingungen, beteuerte die beim Gipfel prominent vertretene Wirtschaft und forderte den „Preis für Kohlenstoff“ von der Politik. Das könnte eine CO2-Steuer sein wie sie Weltbank-Chef Jim Yong Kim fordert. Realistischer ist eine Vielfalt „marktbasierter Maßnahmen“, die zu einer Bepreisung von Kohlendioxid auf kleinem Niveau führen, so wie sie jetzt im Kompromiss zwischen der EU, USA und China im internationalen Luftverkehr nach zähem Ringen gefunden wurden.

„Es liegt was in der Luft“, so eröffnete Ban den von ihm sehr persönlich gestalteten und verantworteten Klimasondergipfel und setzte sich selbst damit an die Spitze dieser Weltbürgerbewegung für Klimaschutz aus sozialen Netzwerken, Städten und Initiativen der Wirtschaft. Auch wenn der Gipfel von den Vorgängen im Irak und Syrien teilweise überschattet wurde und für einen kurzen Moment an einer radikalen „Occupy Wallstreet“ zu scheitern drohte, ist in New York Bewegung in Klimapolitik gekommen. Vieles wird daran hängen, dieses Momentum in Lima und Paris zu erhalten. Wenn die Wahlen im November Obama’s Pläne scheitern lassen, wird die Luft aus dieser Bewegung zwar nicht raus sein, aber der Druck wird nicht reichen, um schon in Paris zu einem neuen internationalen Abkommen zu kommen.

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Reimund Schwarze ist Klimaexperte im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Als Professor für Volkswirtschaftslehre hält er Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökonomische und juristische Untersuchungen zur Klimapolitik. Er beobachtete in den letzten Jahren die Klimakonferenzen der UNO und berichtete davon im UFZ-Klimablog.

2 Kommentare

  1. Obamas Auftritt auf dem Klimagipfel könnte unvergessen bleiben – unvergessen als letzte Willensbekundung in diesem Jahrzehnt, den Klimawandel auf internationaler Ebene anzugehen. Kommen nämlich die Republikaner an die Macht und stellen gar den nächsten US-Präsidenten dann gibt es keine grosse Nation mehr, die in der Klimapolitik für sich eine Chance und nicht nur eine Pflicht sieht.
    Von daher war es falsch alles auf eine Karte zu setzen, den internationalen Prozess also vom Ergebnis von Verhandlungen im Rahmen der UNFFC abhängig zu machen. Wichtige Komponenten eines internationalen Vorgehens wären auch ohne Verpflichtungen im Rahmen von bindenden Verträgen möglich gewesen. So hätte man schon vor 20 oder mehr Jahren ein internationales Forschungs- und Technologienetzwerk etablieren können in dem Forscher aller Nationen zusammenarbeiten. Die UNO hätte gar eine eigene Energiebehörde (analog zur IAEA aber mit einem weiter gefassten Aufgabenbereich) aufbauen können. Das wäre auch ohne Zusagen zu Emissionsreduktionen ein sinnvoller Schritt gewesen und wäre es immer noch.

  2. Reimund Schwarze ist Klimaexperte im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Als Professor für Volkswirtschaftslehre.

    Aja, Volkswirte sind heute Klimaexperten, na bravo.

    Kein Wunder also, dass die Klimaforschung den Boden der Glaubwürdigkeit erreicht hat.

    In NY wurden übrigens Null verbindliche Zusagen gemacht, es blieb wie so oft bei netten Lippenbekenntnissen. Zum Glück!

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