Das rote Tuch “Kompensation”

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“Loss and Damage”: Auf der Klimakonferenz in Warschau geht ein neuer Slogan um. Dabei ist das, was übersetzt “Verluste und Schäden” heißt, längst Realität – manchen Folgen des Klimawandels kann man nicht mehr durch Anpassung verhindern. Die Industriestaaten zieren sich vor der festen Zusage von Ausgleichszahlungen.

Gastbeitrag von Susanne Schwarz und Nick Reimer

 

Zum Beispiel in Bangladesch. Zwar ist der Meeresspiegel erst um 20 Zentimeter angestiegen. Das hat aber dazu geführt, dass in dem extrem flachen Land viele Ackerböden versalzen sind. “Manche Bangladescher mussten in sieben Jahren 30 Mal umziehen, um Fluten und Stürmen zu entkommen”, sagt Farah Kabir, Chefin der Entwicklungsorganisation Actionaid in Bangladesch. Für Farah Kabir ist klar, dass die Betroffenen entschädigt werden müssen: “Die Industrieländer haben das Problem verursacht, nicht wir.”

Es geht um jene Schäden durch die Erderwärmung, die auch mit Anpassungsmaßen nicht mehr zu verhindern sind: In Warschau hat ein Bündnis aus 135 Ländern, darunter die G 77 und China, einen Vorstoß unternommen, für diese quasi einen Rechtstitel “Loss and Damage” zu erwirken. Für untergegangene Inseln, ausgetrocknete Flüsse und verloren gegangene Gletscher soll ein finanzieller Gegenwert bestimmt werden.

Bei solchen Debatten ist das Wort “Kompensation” nie weit entfernt. Und Staaten wie die USA oder Australien schalten bei diesem Wort sofort ab. “Jeder muss sich an neue Bedingungen durch den Klimawandel anpassen, auch wir”, sagt eine US-Diplomatin. Das Problem soll demnach unter den Stichworten Klimaanpassung und Katastrophenschutz verhandelt werden, nicht unter “Schäden und Verluste”. Die Diplomatin: “Wer mehr Mangrovenwälder auf Pazifikinseln anpflanzt, der schützt sie vor steigendem Meeresspiegel.”

Verhandlungssaal COP 19 in Warschau. Foto: Susanne Schwarz
Verhandlungssaal COP 19 in Warschau. Foto: Susanne Schwarz

Konfliktthema Finanzierung

Tatsächlich gibt es bereits zwei Kassen, in die die Industriesstaaten einzahlen sollen: Erstens gibt es den Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll, der sich aus einer Steuer auf Projekte des Clean-Development-Mechanismus speist. Die Staaten des Südens sollen daraus Geld zum Bau höherer Deiche oder für Bewässerungssysteme erhalten. Allerdings tröpfelt das Geld hier nur.

Zweitens haben die Klimadiplomaten den Green Climate Fund beschlossen: Aus diesem Grünen Klima-Fonds sollen für die Länder des Südens beispielsweise Mittel für Forschungsprojekte zum Umbau der Landwirtschaft, für Windräder oder Effizienztechnologien fließen – 100 Milliarden Dollar jährlich ab 2020. Derzeit ist allerdings völlig unklar, wie dieses Geld in die Kassen kommt. Und jetzt soll es mit “Loss and Damage” noch ein neues Finanzierungssystem geben?

Aus Kreisen der EU-Delegation war zu hören, dass auch die EU gegen einen neuen Finanztopf ist. Allerdings erkennen die Europäer das Ansinnen der betroffenen Staaten an – nur dass man dafür keinen neuen Topf “Loss and Damage” brauche.

Beobachter gehen dennoch davon aus, dass es zum Gipfelende einen Beschluss zu “Loss and Damage” geben könnte. “Der Rekordtaifun auf den Philippinen hat den Druck auf die Verhandler enorm erhöht”, sagt Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace. Auch Sabine Minninger von Brot für die Welt glaubt an ein Ergebnis. “Alles andere können sich die Verhandler gar nicht leisten.”

Zweitens könnten die Verhandler mit einem Beschluss zu “Loss and Damage” ihr Gesicht in Warschau wahren: Niemand auf dem Parkett glaubt, dass an einer anderen Stelle etwas Zählbares herauskommt.

2 Kommentare

  1. Der Green Climate Fonds umfasst bereits Geldtransfers von den reichen in die Entwicklungsländer, die in der Grössenordnung der gesamten Entwicklungshilfe liegen. Zitat Wikipedia:

    It is intended to be the centrepiece of efforts to raise Climate Finance of $100 billion a year by 2020

    Da ist es kein Wunder, dass folgender Satz folgt:

    Only a fraction of this sum had been pledged as of July 2013, mostly to cover start-up costs

    Vor diesem Hintergrund einen weiteren Fonds zu eröffnen, möglicherweise wiederum in der Grössenordnung sämtlicher heutiger Entwicklungshiflegelder ist tatsächlich problematisch. Ganz abgesehen vom Problem der Attributierung, also der Zuordnung von Schäden zum Klimawandel. Soll die Versalzung von Ackerland in Bangladesh vollkommen dem Klimawandel oder auch falschen Agrarpraktiken zugeordnet werden? Soll der gesamte Meeresspiegelanstieg des 20. Jahrhunderts – 20 cm – bereits dem Klimawandel zugeordnet werden und damit indirket den Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas?

    Wenn es um den Transfer von solch riesigen Summen geht muss man sich zudem nicht wundern, dass die Klimaverhandlungen immer weiter gehen ohne dass einscheidende Mitigationsmassnahmen – also Massnahmen zur Verminderung der Emissionen – beschlossen werden. Denn offensichtlich gibt es auch ohne Massnahmen gegen den Klimawandel bereits etwas zu verhandeln. Nämlich wieviel Geld transferiert wird. Vielleicht ist dies für einige Länder überhaupt der einzige Grund warum sie an den Klimaverhandlungen teilnehmen?

    Es besteht natürlich auch die Gefahr, dass die Länder, die diese Fonds speisen müssen, weil sie die historische Schuld für die CO2-Emissionen tragen, allein schon wegen diesen auf sie zukommenden Verpflichtungen beschliessen könnten, den Klimaverhandlungsprozess zu beenden. Zudem muss man noch folgendes berücksichtigen: Die historische, kumulative CO2-Schuld liegt zwar heute noch bei den alten Industrialisierungsländern, also vor allem bei den USA und Europa, doch schon jetzt liegt bei der kumulativen Menge des von 1850 bis 2002 emittierten CO2’s China an vierter Stelle (hinter den USA, der EU-25 und Russland) und in 2 Jahrzehnten wird China wohl sogar die EU-25 in Bezug auf die insgesamt emittierten CO2-Emissionen überholt haben. Will man die historische kumulative CO2-Schuld zum Massstab der Transfersumme machen, dann könnte am Schluss also sogar China zum Nettozahler werden. Warum aber sollte China überhaupt einem Klimavertrag beitreten, wenn es am Schluss nicht nur das eigene Land dekarbonisieren muss, sondern auch noch Klimawandelschäden in andern Entwicklungsländern mitberappen soll?

  2. Der Weg in die Kompensation von Schäden ist der Weg in das Zero-Sum-Game und wäre daher eine Sackgasse der internationalen Klimapolitik. Worum es bei dem Programm “Loss and Damages” daher nur gehen kann, ist die Katastrophenprävention z.B. durch bessere Hilfsprogramme für betroffene Staaten nach Extremereignissen wie jetzt auf den Phillipinnen. Alles andere wäre Unsinn.

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