Altmaiers Liste: Strompreisbremse oder Umkehrschub? Über die Kunst, die Kosten der Energiewende zu begrenzen.
BLOG: Umweltforsch
Mit den aktuellen Vorschlägen von Bundesumweltminister Altmaier zur Begrenzung des Strompreisanstiegs ist die Debatte um eine nachhaltige Transformation unserer Energieversorgung endgültig dort angekommen, wo sie viele gern sehen möchten: beim Strompreis. Aus der Sicht derjenigen, die ihn zu zahlen haben, ist er natürlich stets zu hoch, und für die unlängst beobachteten Erhöhungen, vor allem aber die künftig noch angedrohten Steigerungen ist längst ein Schuldiger ausgemacht: die Energiewende, vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seinen Festpreisvergütungen für erneuerbaren Strom, deren Finanzierung auf die Stromverbraucher umgelegt wird. Im vielstimmigen Chor der Kritik am EEG und seiner angeblich preistreibenden Wirkung werden soziale Schieflagen, Verlust der industriellen Wettbewerbsfähigkeit sowie Ineffizienz und Planwirtschaft der Förderung ins Feld geführt. Höchste Zeit also für die Politik zu handeln? Doch wo genau liegt eigentlich das Problem? Und wird das jüngst vorgestellte „Strompreissicherungs“-Paket dem gerecht?
Bei Licht betrachtet handelt es sich bei den jüngst vorgestellten Ideen lediglich um ein Maßnahmenbündel zur Begrenzung der EEG-Umlage; die Strompreise selbst können dadurch auf Großhandelsebene nämlich gar nicht und in den Endkundensegmenten (Industrie-, Haushaltsstrom) nur indirekt beeinflusst werden – hier trägt die Umlage nur zwischen 0 und 18% zum Endpreis bei. Die EEG-Umlage soll nach den Plänen des BMU auf jetzigem Niveau bis Ende 2014 eingefroren und danach nur gedeckelt angehoben werden. Zu dieser Umlagenbegrenzung sollen alle Profiteure ihr Scherflein beitragen: die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen sollen reduziert, die Eigennutzung von Öko-Strom mit einer Mindestumlage belastet werden, geförderte Bestandsanlagen sollen einen Teil ihrer zugesagten Förderung verlieren und Neuanlagen auf den Beginn ihrer Vergütung „flexibel“ warten.
Über eine Begrenzung der zu weit reichenden Ausnahmen und eine Gleichbehandlung der Eigenproduktion nachzudenken, ist richtig. Dies begrenzt den Anstieg, führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit und belastet die energieintensive Industrie angemessen, die bislang durch sinkende Börsenpreis und umfassende Befreiungen (von Stromsteuer über Netzentgelte bis EEG-Umlage) vom Ökostrom eher profitiert hat. Auch sind Befreiungen im Namen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, sofern sie überhaupt berechtigt erscheinen, was bisher zu wenig der Fall ist, stets auch zugleich Wettbewerbsverzerrungen im Inland.
Doch vor allem die zu erwartenden Kollateralschäden bei der Kürzung der Vergütung für Neu- und Bestandanlagen sind erheblich: Zunächst bedeutet das Einfrieren und gedeckelte Anheben faktisch einen Ausbau-Stopp: Weil die Vergütungen für den noch jungen Bestand an Altanlagen weiterfließen müssen, geht die Deckelung voll zu Lasten neuer Anlagen. Zudem bedeutet die nachträgliche Kürzung einen massiven Vertrauensverlust und zusammen mit dem ins Ungewisse gestellten Vergütung für Neuanlagen Gift für die Investitionsbereitschaft in Erneuerbare. Anstelle einer planvollen Steuerung des Ausbaus Erneuerbarer produziert die Politik in immer schnellerer Folge erratische Signale über die Profitabilität privater Investitionen. Allein seit 2009 wurde das EEG über zehnmal geändert.
Ohnehin ist die EEG-Umlage der falsche Ansatzpunkt für Deckelungsbemühungen: Da die Umlage die Differenz zwischen Festvergütung und Börsenpreis ausgleicht, der durch Erneuerbare absinkt, ergeben sich paradoxe Effekte: Die Umlage steigt allein dadurch, dass die Erneuerbaren den Börsenpreis wie gewünscht senken; und die Höhe der Umlage ist dadurch teilweise auch unabhängig vom tatsächlichen oder gewünschten Ausbautempo. Würde etwa der EU-Emissionshandel endlich vernünftige Knappheitspreise für CO2 erzeugen, so würde über die gestiegenen Börsenpreise für Strom die EEG-Umlage von selbst sinken! So einfach kann Kostensenken sein – und noch dazu so vernünftig herbeigeführt.
Eine Absenkung der Stromsteuer, wie von der SPD ins Spiel gebracht, ist noch weniger zielführend: Die Preisentlastungseffekte werden die Versorger gern in den nächsten Preiserhöhungsrunden für sich zu nutzen wissen und somit zunichtemachen, und eine spezifische Befreiung von Grundbedarfen ist nicht nur sozial wenig zielgenau, sondern schwächt gerade die wichtige Anreizfunktion des Strompreises. Zudem muss der Einnahmeausfall an anderer Stelle kompensiert werden – fragt sich nur wo?
Steigende Strompreise sind ohnehin kein Schicksalsschlag, den es um jeden Preis staatlich abzuwenden gelte. Sie können und sollen durch Anstrengungen zu Einsparung und preissensiblem Beschaffungsverhalten beantwortet werden. Marktwirtschaftliche Verantwortung ist daher auch auf der Nachfrageseite gefragt. Aus dieser preislich vermittelten Ressourcenverantwortung sollte man niemanden voreilig entlassen. Es ist durchaus zumutbar, auf höhere Preissignale zunächst mit der Überprüfung der Stromnachfrage zu reagieren, denn Preise sind noch keine Ausgaben: 30% Einsparpotenzial ohne Komforteinbuße sind bei Haushalten möglich. Verbleibende Erschwinglichkeitsprobleme sind besser durch Sozialpolitik zu lösen, als Preise daran zu hindern, die Wahrheit zu sagen.
Es gibt viele Ansatzpunkte, die Kosten der Förderung der Erneuerbaren zu begrenzen – von einer Deckelung der EEG-Umlage – mit ihrerseits vielfältigsten Möglichkeiten (Verteilung auf mehr Schultern, Fördersatzkürzungen usw.) – bis hin zu einem völlig neuen Förderregime, z. B. einem Quotenmodell, das jetzt von Sachsen in den Bundesrat eingebracht wurde. Dabei sollten die Effekte genau bedacht werden, die man mit einer solchen „Kostenbegrenzungsstrategie“ auslöst – für das Ausbausignal der Erneuerbaren, für die Anreizwirkungen von Preisen, aber auch für die Verteilungsgerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrung. Ein klarer Reformkurs wäre hier weitaus besser als immer neue hektische Umlagejustierungen.
Die wahren Kosten-Herausforderungen der Energiewende liegen ohnehin ganz woanders: Wir brauchen endlich ein abgestimmtes Gesamtkonzept, das Erzeugungs-Mix, Reservekapazität und Netzausbau optimiert. Wir brauchen einen Fahrplan für die System- und Marktintegration der volatilen Erneuerbaren Wind und Sonne. Und wir brauchen mehr Wettbewerb der Erzeuger: Eine stärker dezentralisierte Versorgung mit Erneuerbaren und starken Stadtwerken kann dazu ebenso beitragen wie mündige Verbraucher, die öfter mal ihren Versorger wechseln. All dies wirkt zuverlässig kostenbegrenzend. Aktionistische Eingriffe in das Förderregime ohne klaren Reformkurs können sonst schnell aus einem Bremsmanöver eine Umkehrschub-Zündung machen.
EEG: Nationale Grenzen überwinden
Nicht nationale Energieautarkie sondern ein EE-Europa sollte aus klimapolitischer Sicht angestrebt werden. Anstatt die deutsche EEG-Umlage zu begrenzen wäre eine in ganz Europa gültige und überall gleich hohe (tiefe) Einspeisevergütung für Wind und Sonne angezeigt. Jeder Europäer egal wo könnte seinen selbst erzeugten Strom einspeisen, der dann vom europäischen Supergrid zu den Bedarfs-Hotspots geleitet würde. Das würde den EE-Ausbau in Deutschland zwar bremsen, ihn gesamteuropäisch aber deutlich erhöhen und wäre die kostengünstigste Lösung, würde doch Photovoltaikstrom dort eingespiesen werden, wo der Einspeiser auch mit 8 Eurocents Einspeisevergütung noch Rendite mach und Windstrom dort eingespiesen werden wo der Einspeiser auch mit 5 Eurocents Einspeisevergütung noch Rendite macht. Durch das Supergrid wäre zudem eines der grössten Probleme der Erneuerbaren gelöst, ist doch die unregelmässige Stromproduktion durch Sonne+Wind ein umso grösseres Problem je kleiner der geographische Raum ist in dem es ausgleichenden Stromtransport gibt.
Die Lenkung
bei der Energiegewinnung, wissenschaftlich-politischen Maßgaben folgend, leidet halt ein wenig an der Nationalstaatlichkeit und an der somit aus sich heraus unzureichenden Wirkung das Globale betreffend – wie gut sie auch gemeint sein mögen, hoffentlich keinen ökologistisch-kapitalistischen Komplex erzeugend.
Auf nationalstaatlicher Ebene wird zudem immer mit den Checks & Balances zu rechnen sein.
MFG
Dr. W
EEG-Umlage: Versprechen leicht gebrochen
Die Begrenzung der EEG-Umlage, gar das geplante Aussetzen von Einspreisevergütungen für kurze Zeitperioden wird mit Sicherheit die Investitionsbereitschaft in Erneuerbare Energien beschädigen – genau so wie das in Spanien schon passiert ist.
Doch – man erinnere sich – schon früh wurde von Regierungsseite versprochen, die EEG-Umlage werden nicht weiter steigen.
Im Sitzungsprotokoll des deutschen Bundestages liest man Merkels Worte: “Unsere Devise heißt: Die Unternehmen genauso wie die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland müssen auch in Zukunft mit bezahlbarem Strom versorgt werden. Deshalb wollen wir die erneuerbaren Energien schneller zur Marktreife führen und effizienter gestalten. Die EEG-Umlage soll nicht über ihre heutige Größenordnung
hinaus steigen; heute liegt sie bei etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde.”
Heute liegt sie sogar über 5 Cent pro Kilowattstunde und sie würde wohl noch viel weiter steigen und kaum vor 8 oder 10 Cent pro Kilowattstunde halt machen.
Es fällt dem unparteiischen Beobachter immer wieder auf, dass die Propagandisten von Erneuerbaren Energien und von ihrer grosszügigen Förderung immer wieder zu prognostizieren wissen, dass Erneuerbare Energien ständig kostengünstiger werden, bald schon kostengünstiger als die konventionellen Energien – und gleichzeitig halten viele derselben EE-Propagandisten eine Verdoppelung der Strompreise durchaus für gerechtfertigt. Wohl weil sie wissen, dass die Gesamtkosten einer Umstellung auf Erneuerbare unter heutigen Umständen zu dieser Verdoppelung führen müssen.
Die jetztige Strompreisbremse, die Altmeier und Rösler durchsetzen wollen,
– fixieren die EEG-Umlage bis 2014 und lassen sie danach maximal um 2.5% pro Jahr steigen
– kassieren von neuen, aber auch schon bestehende Solar- und Windparks einen Beitrag zur Kostendämpfung
– senken die Einspeisevergütung im Falle von Überproduktion (zuviel Wind,Sonne)
– werden nicht im internationalen Wettbewerb stehende Betriebe die EEG-Umlage bezahlen müssen
Einige dieser geplanten Massnahmen verstossen gegen Treu und Glauben, ändern also die abgemachten Bedingungen – ganz ähnlich wie das in Spanien geschah und wo sich die Erneuerbaren von diesem Schlag seither kaum erholt haben.
Im Rückblick ist klar was falsch lief: Es wurde zuviel versprochen und zuviel gefördert und diese Versprechen und Förderpläne können nun aus ökonomischen und psychologischen Gründen nicht länger eingehalten werden.
Es wäre wohl besser gewesen weniger zu versprechen und die ganze Umstellung auf EE längerfristiger anzulegen mit klarer Zuordnung von Zuständigkeiten. Die Verantwortlichkeit für den Netzausbau hätte beispielsweise viel klarer beim Bund angesiedelt werden müssen. Die Senkung der Einspeisevergütungen hätte nicht – wie es geschehen ist – auf einen fixen Absekungsprozentsatz pro Jahr festgelegt werden sollen, sondern auf eine Kombination von festgelegter Absenkung über z.B. 5 Jahre und 5-jährlichen Neufestsetzungen der EEG-Sätze.
Auch das Einbeziehen des europäischen Auslands in die EE-Pläne wäre nötig gewesen.
Strompreisbremse
Sollte es tatsächlich soweit kommen, dass aufgrund der Strompreisbremse die Energiewende ebenfalls abgebremst wird, bekommt die Industrie ein Problem. Denn die Umsetzung der Energiewende mit dafür erforderlichen Technologien erfolgt überwiegend durch deutsche Unternehmen. Die deutsche Industrie nimmt insbesondere eine Spitzenstellung bei Technologien ein, mit denen das Stromsystem stabilisiert und optimiert werden kann. (Quelle: http://www.marktundmittelstand.de/…men-fuehrend/ )
Dieser Markt ist wichtig für viele deutsche Unternehmen und muss somit aufrechterhalten werden. Außerdem helfen erneuerbare Energien dabei, den Strompreis stabil zu halten.
Gruß,
W.
Tunnelblick
Klar, der Zusammenhang scheint vielleicht weit hergeholt, aber das fragwürdige Procedere beim Green Tec Award lässt auch an die Umsetzung der EEG denken – erst kommt die Sicherung des Weltbildes, dann die Suche nach technologischen Lösungen.
Das könnte nicht nur viel Geld kosten, sondern auch sinnvolle Entwicklungen ausbremsen.