Wozu studieren? oder: Wer ist eigentlich Astronom?
BLOG: Uhura Uraniae
… eine sicher nicht unbedeutende Frage im Jahr der Astronomie. Vielleicht weiß der eine oder die andere, dass ich seit vielen Jahren als Freiberuflerin tätig bin. Daher erntete ich oft Fragen wie oben – nicht nur von Jugendlichen mit Wunsch zur Berufsorientierung: Was macht eigentlich eine Astronomin? Ich versuche mal eine kleine Zusammenschau von Tätigkeiten und Philosophien:
Besuch beim Berufsinformationszentrum: Diesen Beruf gibt es nicht. Enttäuschend. [Die Antwort auf die Frage gebe ich ganz am Schluss.]
Ok, überlegen wir mal: Was stellt man sich naiv darunter vor? [also, wieso fragen mich das die Leute überhaupt?] – Die meisten denken wohl an nachtaktive Leute, die weltentrückt die Sterne begaffen.
Nun, was ich nachts mache, bleibt an dieser Stelle mein Geheimnis.
Fein, nehmen wir also ein Buch zur Hand. Dieses Buch, das die Sternbilder erklärt, wer hat das geschrieben? – Vielleicht irgendein (Hobby)astronom, der sich jahrelang damit beschäftigt hat. Aha, also Astronomie ist ein Hobby. Hm? Schade, denn für ein Hobby kriegt man i.d.R kein (oder nur wenig) Geld – ergo: schlechte Berufsperspektive für Jugendliche und schlechte Perspektive für Projektanträge in der Wissenschaft und in der wissenschaftlichen Jugendarbeit.
So einfach geben wir uns aber nicht zufrieden mit dieser Antwort.
Schauen wir weiter: Was sind denn die Sterne? Das wird in dem Buch vielleicht auch noch erklärt: "Sterne sind riesige heiße Gaskugeln". Wer hat das geschrieben oder was hat derjenige gelesen, damit er es schreiben konnte? – Physikbücher!
Aha, jetzt kommen wir der Sache schon näher: also Astronomie ist eine Wissenschaft(?), eine Naturwissenschaft offenbar(!), nämlich ein Teilgebiet der Physik. Prima, jetzt können wir schon mal anfangen zu studieren (nämlich Physik oder Mathe) und haben auch Aussicht auf Forschungsgelder, denn wenn Astronomie eine Naturwissenschaft ist, dann wird es dafür Geld geben. (Ich war immer Theoretikerin, d.h. man braucht nicht mal große Einrichtungskosten wie Laborphysik – teure Satelliten werden auch von anderen gebaut, wir müssen nur die Daten auswerten können, also sehr programmierlastig und mathematisch.)
Aber halt: stand da eben "Mathe"?!
Mathe ist doch eine Geisteswissenschaft, keine Naturwissenschaft – hm, schon mal schlechter, aber immernoch gute Perspektiven, weil man Mathe ja nicht nur in der Astro braucht. Wer also Mathe studiert, hat zahlreiche Alternativen zur Astronomie. Gutes Fach, ebenso wie Physik, mit der man viele nützliche Dinge anstellen kann und Alternativen hat.
Aber studiert man denn der Alternativen wegen? Wollten wir nicht eigentlich wissen, was Astronomie ist!? Also bleiben wir mal beim Fach: Sternkunde.
Wer guckt z.B. durchs Fernrohr? Die Antwort ist frappierend unromantisch: niemand! [Wenn man nicht gerade den Kometen Lulin beobachtet oder dessen Geschwister zu entdecken sucht.] Da hängt eine Kamera dran oder ein Messgerät, das von einem Astronomen irgendwo auf der Welt überwacht wird. Aha, also doch: ein Astronom, der Nachtwache schiebt – am Bildschirm zwar und sein Fernrohr beobachtend (Ist "Teleskopbeobachtung" die Beobachtung mit dem Teleskop oder die Beobachtung des Teleskops? ). Ok, dazu braucht man vielleicht nicht unbedingt ein komplettes Physikstudium, wenn man von einem Physiker gesagt bekommt, was man angucken und beachten soll. Man kann aber auch schon als Studierender in der Archäologie an Ausgrabungen teilnehmen und im Chemielabor experimentieren. Schön, also haben wir hier eine Aufgabe für "Messknechte" oder moderner: Hiwis, studentische Hilfskräfte (Nachwuchswissenschaftler).
Nun kommt aber die nächste erschütternde Erkenntnis: Ich begegnete der Meinung bei Forschenden, dass man diese Nachtwache am Fernrohr nicht bezahlen müsse. Vielmehr gäbe es ja genug Hobbyspechtler, die sowas gerne machen und auch gratis und dann brauche man kein Geld dafür auszugeben. (Motto: "Arbeiten dürfen Sie für uns, aber Geld kriegen Sie nicht.") Grmpf! – Also nix mit Hiwi. Doch "nur" Hobby?
Was ist eigentlich daran verkehrt, wenn man seine bezahlte Arbeit gerne macht? (Motto: Straßenkehrer Beppo in Momo: ist doch nicht verkehrt, oder?) Und was ist daran schlimm, wenn die Tätigkeit keine intellektuellen Höchstleistungen fordert: Die Nachtschwester in einem Seniorenheim und der Nachtportier eines Hotels kriegen doch auch Geld dafür, dass sie oder er einfach nur da ist (für Notfälle) und wach bleibt. Das gleiche müsste doch dann für Astronomen bei der Nachtwache gelten, die sogar noch die Technik lernen müssen, wie man das Gerät bedient – oder sind Astronomen etwa keine Menschen?
Also wieder eine Hürde auf dem Weg zur erfolgreichen Studienfinanzierung: Während man in einem Experimentalphysiklabor für Hiwi-Zuarbeiten bezahlt werden kann, wird Astro-Hiwitätigkeit gerne genommen, aber nicht bezahlt? Nicht sehr motivierend! [An dieser Stelle nochmals öffentlich herzlichen Dank an meine Professoren damals, die das anders sahen! denn:] So geht das nicht. – Und diese "bahnbrechende Weisheit" stammt nicht einmal von mir, sondern lernt man bei jedem simplen Seminar über Verkauf/ Vertrieb, über Didaktik, in philosophischer Anthropologie oder über Personalführung… überall, wo man den Umgang mit Menschen lernt. (nachlesbar z.B. bei P. Lorenzen/ O. Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie, S. 54 im Fallbeispiel, dass es "unter erwachsenen Menschen üblich" sei, dass eine Leistung von einem anderen nur unter der Bedingung erbracht wird, "dass ich ihm dafür Geld gebe.")
Denn: für Jugendliche und Studis werden damit Berufsperspektiven erneut gedrückt. [Ich beschwere mich nicht für mich selbst, sondern höchstens für andere.]
Die Physiker unter den Astronomen, die so genannten Astrophysiker können uns also erklären, wie die Sterne (wahrscheinlich) aufgebaut sind. Aber wenn man sowas ausrechnen kann und Spektrallinien zuordnen kann, dann weiß man noch lange nicht, wo der Stern am Himmel steht und ob man ihn überhaupt sehen kann.
Also wer kann das denn nun einem "dummen Physiker" erklären? (bin selbst auch Physikerin, also darf ich das selbst-ironisch schreiben)
Für Astrognosie gibt es keine Ausbildung, also gehen wir in ein Planetarium: Da wird uns das doch live vorgeführt und wir treffen also Leute, die sich damit auskennen. Dann fragen wir diese Leute, woher die das wissen und was sie gelernt haben. "Ich bin Quereinsteiger/in" hört man da. Wie? also nicht Physiker/in? Nein. Idealerweise hört man dann vielleicht "Lehrer/in", in der ehemaligen DDR vielleicht sogar "Astronomielehrer/in", was aber am Aussterben ist und selbst die echten Lehrer für andere Fächer sind dort rar ("so viel Technik", die man bedienen können muss, d.i. nicht jedermanns Sache) – eher wahrscheinlich sind Antworten wie …-Ingenieurin, Weinbauer (nach denen ist sogar ein Stern benannt: Vindemiatrix, epsilon Virginis), Musikerin, Historiker, Steuerberaterin, Jurist, …-Kauffrau, Arzt, *-Handwerkerin, Journalist… eigentlich die gesamte Palette an Berufen, die man so kennt.
Also wie jetzt: Die (Physik-)Astronominnen kennen also die Sternbilder nicht und die Sternbilderkenner sind keine Astronomen?
Strange things happen!
Oder stimmt vielleicht etwas nicht mit unserer Definition? Vielleicht ist das ja noch nicht alles mit der Physik?
Suchen wir weiter, was man als Astronom/in machen kann: Oben haben wir gelernt, dass es auch GeisteswissenschaftlerInnen unter uns gibt. Was machen denn diese Kommilitonen in Ihrem Fach, um ihr Studium sinnvoll fachnah zu finanzieren? Die haben ja auch kein Physiklabor, wo sie Messknecht sein können.
Sie jobben z.B. im Museum: Publikumsdienste sowie auch Archivarbeiten – aber erst nach der Zwischenprüfung, deren Zeugnis bei der Bewerbung vorliegen muss. Für Astronomie ist die Äquivalent-Institution zum Museum die öffentliche Sternwarte und das Planetarium.
Doch was haben wir da: Das leidige Thema von oben: Weil Astrognosie [= die Lehre von Sternbildern und deren Lage zueinander] nirgends gelehrt und geprüft wird, braucht man keine Zwischenprüfung und folglich stoßen wir in solchen Häusern vielerorts auf enthusiastische HobbyspechtlerInnen, die sich zweifelsohne am Himmel auskennen, aber davon nicht leben müssen und (fast) gratis arbeiten, weil’s doch solchen Spaß macht, über sein Hobby zu reden. [also stopp: jetzt doch wieder Hobby?] Die haben dann vielleicht nicht alte Sprachen studiert oder nicht Mathe, sprechen arabische Sternnamen falsch aus oder kennen nicht jeden historischen oder physikalischen Zusammenhang… aber man kann ja sowie niemals alles wissen und "vielen Leuten im Publikum wird das sowieso nicht auffallen." hört man dann als lapidare Ausrede. An dieser Stelle setzt – ehrlich gesagt – mein Verständnis für die Argumentation aus: Man geht doch als Publikum in ein solches Sternenhaus, um auf alternative Weise etwas zu lernen und nicht, um die Fehler des Referenten zu suchen?!
Also ist es doch – scheint mir – die Verantwortung der Lehrenden, nach bestem Wissen und Gewissen Richtiges zu lehren! (d.i. meine Meinung – ich weiß wohl, dass in der Didaktik auch anderes diskutiert wird und gerade Philosophen bisweilen provokativ genau das Gegenteil ihrer persönlichen Meinung aussprechen, um eine Diskussion anzustoßen)
- nota bene: Übrigens bieten derartige Häuser hauptsächlich Programm für Schulklassen und leider wenig oder gar keine Forschung (warum eigentlich? Gelten denn in der Astro andere Regeln als für alle anderen Wissenschaften?) – sie bieten also ohnehin keine Ausbildungsperspektive für Hiwis außer KandidatInnen der Lehre (eher in der Schule als in der Hochschule, aber auch hier kann Abgucken nicht schaden, wie man z.B. am Stil des Herrn Prof. Knobloch, TU Berlin, erleben konnte, der zuerst Lehrer gelernt hat und später "zufällig" zur Universität zurückkehrte). Das nur am Rande.
Andererseits: Wer wollte es den engagierten Hobbylernenden verdenken, dass sie nicht arabisch lernen oder dass sie sich auf ein Spezialthema versteifen? (machen doch Profi-Wissenschaftler auch nicht anders, aber LehrerInnen eben nicht) Wer aus eigenem Antrieb und zum Spaß lernt, darf doch wohl selbst entscheiden, was er/sie lernt, und oft legen Menschen ihren persönlichen Interessenfokus ausschließend auf a) Sprachen (z.B. in Geschichtswissenschaften, Phil.) ODER b) Mathe ODER c) Experimentieren, Basteln, Technik. Also, warum sollte man sich beim Hobby mit Dingen beschäftigen, die einem vielleicht gar nicht liegen? Die meisten Menschen sind doch entweder mathematisch ODER sprachlich begabt, selten beides – und noch seltener dies beides und dann auch noch künstlerisch-musisch: derlei Persönlichkeiten sind diejenigen, die im Fernsehen auftreten und die sind rar! (aber es gibt sie – und die sollten vielleicht auch in den Planetarien auftreten, siehe z.B. Autobiografie von D.B.Herrmann, der sich als Planetarier an mehreren Stellen seines Lebensbuchs über konstruktive Zusammenarbeit mit Künstlern freut.)
Also zusammengefasst: Es gibt keinen Berufsabschluss "Astronom", sondern es gibt unter Physikerinnen, Historikern, Gerätetechnikinnen, Mathematikern, Lehrerinnen, Chemikern… jeweils auch solche mit Spezialisierung auf Astronomie. In vielen Fällen ist es bestenfalls eine günstige zufällige Koinzidenz, wenn ein solcher Berufsastronom die Sternbilder kennt. (warum eigentlich? Müssen nicht auch Chemiker das gesamte PSE lernen, wenngleich sie sich später nur mit C, H und O beschäftigen? – Ich habe für mich beschlossen, dass mir diese Frage hier egal sein soll; vielleicht fällt es einfach unter "Ansprüche, die man an sich selbst stellt".)
Historiker? – Nunja. Geisteswissenschaften hatten wir ja oben schon mal: Himmelsscheibe von Nebra sei nur als Stichwort erwähnt, die ägyptischen Tempeldekorationen, islamischer Moscheenschmuck, Orientierung von Gebäuden und vieles mehr. Wer also Kunstgeschichte, Archäologie, Architektur oder Wissenschafts- und Technikgeschichte studiert, kommt auch sehr leicht in sternkundliche Gefilde. Da ist es doch schon interessant, dass man beurteilen kann, welches Gestirn wann wo stand, wann Geräte wie Schiffskompass, Astrolab und Teleskop erfunden wurden oder ob ein Gemälde tatsächliche Sternfiguren oder wahre historische Beobachtungsmethoden zeigt oder nicht.
Haben wir nun also einen solchen Menschen gefunden, der die Himmelsscheibe berechnen kann, die Ausrichtung von Stonehenge studiert oder die Frage nach der Ausrichtung der Pyramiden in Ägypten beantworten kann, dann hat dieser Mensch mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Physikstudium. Aber er beschäftigt sich doch mit Astronomie (Astronavigation, Astrognosie u.ä.) – wollen wir ihm also absprechen, Astronom zu sein? – Ich finde, nein!
[Und das sage ich nicht aus bloßem Eigennutz, weil ich immer Wissenschaftstheorie im historisierenden Sinne Th. Kuhns und -geschichte machen wollte, was mir nur leider aus finanziellen Gründen höchstens als Zweitfach vergönnt war, sondern aus tiefster Überzeugung.]
Sollten wir umgekehrt einem Physiker absprechen, Astronom zu sein, weil er zwar die Sterne zu verstehen glaubt, aber sie nicht am Himmel auffinden kann? – Wohl ebenso wenig.
Hm, dann sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Ist also Astronomie "nur" ein Hobby?
Eigentlich muss man doch ganz schön viel lernen, bevor man z.B. einen ordentlichen Vortrag über Astronomie halten kann oder sogar im Planetarium frei sprechen. Insofern wäre es ungerecht, solchen Leuten Kompetenzen zu abzusprechen. Problem nur: Es gibt niemanden, der dafür berufen ist, sowas auf Richtigkeit zu prüfen. Ich habe selbst erlebt, dass Leute, die lediglich einen Freizeitkurs von mir besucht haben (bei dem sie offenbar nur halb zuhörten), hinterher mit eigenen Vorträgen in der Öffentlichkeit auftraten. Natürlich freue ich mich, wenn ich soviel Begeisterung fürs Thema wecken konnte, aber das dabei dargereichte Halbwissen, auf Handzetteln fixiert, enthielt neben Wahrem, aber auch Missverständliches und Falsches. Sollte man nicht im Interesse aller derjenigen, die verantwortungsvoller mit der Wissensvermittlung umgehen, solchen Selbstdarstellern einen Riegel vorschieben?
Daher denke ich seit längerem über folgenden Vorschlag nach, der vorerst nur eine Idee ist: Warum schaffen wir nicht für Astronomie ein Aufbaustudium?
Ich würde z.B. solch einen in Zusammenarbeit mit Didaktikern konzipieren und an den Bedürfnissen der Planetarier messen. [Anm.: Übrigens sind die Planetarier deshalb meine persönlichen Lieblinge, weil sie so wunderbar transdisziplinär arbeiten und ein bedeutender Teil meiner biografischen Vergangenheit sind: Ich hatte nämlich den Ehrgeiz und das Glück, als Studi immer die allerschönsten Neben-Jobs zu haben, die man sich wünschen kann: meinen Professoren und Förderern sei Dank!]
Die Idee "Aufbau- oder Ergänzungsstudium" habe ich abgeguckt von anderen Wissenschaften, insbesondere im Bereich von Kunst und Kultur: Vom Masterstudiengang für Öffentlichkeitsarbeit bis hin zu manchen Gebieten der Kultur- und Filmwissenschaften sowie Gewerbelehrer/in, die man nur nach erfolgreich abgeschlossenem Erststudium belegen kann. Ich kenne mehrere Hobby-Astronomen, die dabei nur wenig für die Abschlussprüfungen hinzulernen müssten – aber es wäre eben eine Selektionsmethode.
Ich würde diese Idee gerne später weiter verfolgen, falls es mir finanziell vergönnt sein wird.
Nun komme ich zu meinem jetzigen Fach (bzw. dem der letzten Jahre: ist allmählich Zeit für was Neues): Philosophie der Sprache & Kultur, Medienwissenschaft. Da beschäftigte ich mich damit, wie man Astronomie im Rahmen des Kulturprogramms in die Öffentlichkeit kommuniziert, was davon sinnvoll ist und was eher nicht. Das ist also nicht mehr das Fach "Astronomie" selbst, sondern seine Popularisierung und Vermittlung – also Meta-Astronomie. 😉 Doch wenn man über ein Fach reden will, muss man doch erstmal klar umreißen, was dieses Fach überhaupt ist. Darum starte ich bei den gleichen naiven Fragen, wie diejenigen, die mich fragen:
Wer ist eigentlich Astronom/in (siehe oben)? Wenn ich nun aber das Fach umreiße, dann stelle ich fest, dass es sehr vielfacettig ist und das heißt, dass auch Lehrmethoden entsprechend variieren müssen und können. Man kann in der Astro als Historikerin und als Physiker arbeiten, sich als Arabistin auf Astrogeschichte spezialisieren [ich liebe diese Sprache!] oder als Architekt den Himmel nachbauen (Französische Revolutionsarchitektur, z.B.)… usw – also gucke ich immer: wie machen’s die anderen in diesem Fach? In der Synthese der vermeintlichen Gegensätze entsteht dann Neues, so die Hoffnung.
Ich will hier nicht das ganze Buch erzählen, indem ich an einigen Grundlagen der analytischen Philosophie wackle und die Kulturphilosophie um einige Betrachtungen zu erweitern hoffe.
Jedenfalls höre ich in den Kreisen von Künstlern oft desinteressierte Fragen wie diejenigen, die ich unter dem Titel "Wozu studieren" aufschrieb, den ich vor einigen Wochen unsichtbar schaltete, weil zu viel missverstanden wurde [das mit den Anführungszeichen davor waren Zitate, nicht meine Meinung] und ich leider gerade keine Zeit zum Diskutieren hatte [mehrere andere Arbeiten, die termingerecht fertig werden mussten]. Selbstverständlich war davon vieles pure Satire von mir, aber alles aus dem Leben gegriffen, denn das (aus meiner Sicht) Schlimme ist: diese Leute, die mir sowas an den Kopf knallen, meinen das ernst und da hatte ich schon viele auf- und anregende Diskussionen (nicht mit nur einer Person, weshalb ich keine konkreten Personen angeben wollte). Oft begegnete mir die Meinung, die künstlerische Freiheit habe Priorität und da könne man doch schon mal ein Auge zudrücken – vielleicht auch zwei. Und wenn man sie schon beide verschlossen hat, dann sei man da, wo man im Kulturbereich sein solle: "close your eyes/ for your eyes will only tell the truth/ and the truth/ isn’t what you want to see" (Music of the Night aus Phantom of the Opera).
Nun ist genau das aber m.E. die falsche Einstellung zu unserem Thema. Aus meiner Sicht müssen sich Schönheit und Wahrheit nicht ausschließen. Zahlreiche Philosophen haben dies bereits vor mir diskutiert: z.B. der Mathematiker Alfred N Whitehead in "Adventure of Ideas" (1933, Kap.: XVI – XVIII), der Kunsthistoriker Nelson Goodman in "Languages of Art" (1968, S. 264 ff in der dt. Ausgabe von Suhrkamp – leider eine eher schlechte Übersetzung) und der Astronom Dieter B. Herrmann in seiner Autobiografie (S. 104 f.) sowie indirekt in seiner kurzen Meinungsdarstellung über Planetariumsmusik von 1983 (Lieben Sie Brahms) durch die Bemerkung, dass Filmmusik Emotionen und Rationalität weckt oder unterbindet. Resümierend: Es ist eine hohe Kunst (meine z.B., wenn’s ums Schreiben und Beschreiben geht, aber von Künsten können die wenigsten Leute leben), dies beides in Einklang zu bringen.
Was in Planetarien ganz sicher gilt, weil diese auch stets einen Lehrauftrag haben, kann aber auch anderswo nicht verkehrt sein. Daher meine ich, dass auch im sonstigen Kulturprogramm von Film, Fernsehen und Bühne ein bißchen mehr Achtung vor den historischen Tatsachen und Fakten sowie den Gesetzen der Physik mitunter nicht schaden kann – und wahrscheinlich umgekehrt auch in der Lehre auch ein wenig Kulturprogramm(?) Wo, wenn nicht in diesen öffentlichen Präsentationen sehen wir denn die Astronomie (und mit ihr die oben dargestellten ) auftreten?
Und – das frage ich motiviert aus meiner Erfahrung in der Jugendarbeit – wo könnte man besser junge Leute für Ingenieurs-, Geistes- und Naturwissenschaften begeistern und realistisch an diese Berufe heranführen als mit solcherlei "erlebtem" Wissen!?
PS: "I cross over borders but I’m still there now" (Anthem, aus Chess)
[anhören hier, die m.E. bessere Interpretation gibts hier zu kaufen (nicht gratis)]
d.h.: Ich will natürlich nicht die Hobby-Astronomie unterbinden, [Anm.: Leute, wo denkt ihr hin? Wo mir doch die Hobbyastronomie so viel gab und ich mich seit Jahren leidenschaftlich für sie engagiere…] genauso wenig übrigens, wie ich irgendeine religiöse Zusammenkunft unterbinden will.
Vielmehr will ich die Horizonte erweitern. Ich verstehe nämlich nicht, warum die Profi-Astro oftmals scheinbar vergessen hat, dass es neben der Physik [ich liebe die Physik!] noch andere schöne Astro-Wissenschaften gibt. (siehe Fachgruppen-Spektrum der VdS, die ein Verein von Liebhaberastronomen = Sternfreunde ist: auch mein Verein! Beruf und Leidenschaft müssen sich glücklicherweise nicht ausschließen)
Gute Beispiele für die Transdisziplinarität der Astronomie sind die Artikel in SuW. Neben der Physik gibt es im aktuellen Heft z.B. der unseres Kunsthistorikers, Prof. Bredekamp über Galileis Zeichnungen. siehe dazu auch sein Buch: Galilei der Künstler, Akademie-Verlag, 2007 – in früheren Heften die Artikel der Leute vom MPI für Wissenschaftsgeschichte (z.B. von J. Renn, M. Schemmel…).
PPS: Für mich selbst ist die Bezeichnung "Astronomin" eine Zusammenfassung für sehr viele, ganz unterschiedliche Arbeiten in Wissenschaften und Künsten. Inwiefern das aber mit meinem Broterwerb korrelliert, was mich dazu antreibt und ob andere das nachahmen möchten, das wäre ein eigenes Buch…
[history matters!]
Noch eine Botschaft, die nicht unmittelbar hier zu gehört, aber zum Thema passt:
Wir leben in der Generation Praktikum, d.h. viele Leute arbeiten gratis, um sich irgendwo reinzuarbeiten. Praktisch funktioniert das nicht, denn sobald das Praktikum endet und der Praktikant das Bezahl-Niveau erreicht, steht schon der nächste gratis-Praktikant in der Tür… Das kann doch nicht lange gut gehen: Gratisarbeit kann man sich nur leisten in einem Staat mit Vollbeschäftigung. (sowas gab’s hier zwar mal, ging aber vor 20 Jahren unter, folglich ist dieses Verfahren nicht mehr zeitgemäß)
Hallo Frau Hoffmann,
ich habe mir Ihren Text bis zum Ende durchgelesen
(http://www.kosmologs.de/…tlich-astronom#comments)
Ich wollte Ihnen noch sagen,
dass ich dies alles sehr interesant
fand. Ich bin erst 13 Jahre alt (fast 14)
trotzdem müssen wir uns schon langsam
über unsere Zukunft Gedanken machen…
Da ich mich schon immer für Astronomi
interesierte habe ich mal ein bisschen gegoogelt und bin dabei auf ihren text gestoßen. Es war sehr aufschlussreich
und sehr interessant, auch wie umfangreich das ganze Thema ist. Ich wünsche Ihnen auch weiterhin viel Spaß bei Ihrer Arbeit 🙂