Was feiern wir an Pfingsten?

in der säkularen Gesellschaft Norddeutschlands weiß das kaum noch jemand und im Süden/ Österreich weiß man vllt., dass wir den Heiligen Geist feiern. Aber ist das wirklich alles? Bestimmt hat es doch auch etwas mit Natur/ Astronomie zu tun? 

Jahreskreis der Erde (smh 2019) – das Sommer-Anfang-Fest im Mai wird christlich mit Christi Himmelfahrt (40 Tage nach Ostern) und Pfingsten (50 Tage nach Ostern) gefeiert.

Laienwissen: “Pfingsten” heißt auf Englisch “Pentacost”, steckt “penta” (fünf) drin, weil es fünfzig Tage nach Ostern stattfindet. 

Ostern ist nicht nur das christliche Fest der Auferstehung Jesu, sondern wird nach einer babylonischen Kalenderregel bestimmt. In Babylon und im Judentum, das diesen Kalender im alttestamentlich beschriebenen Exil unter Nebukadnezzar übernommen hat, war “Ostern” (bzw. dessen Vorläufer) das Fest der Auferstehung in der Natur: Mittfrühling bzw. Tag- und Nachtgleiche. Man konnte es vllt. nicht immer auf den Tag genau bestimmen wie heute, sondern eher mit einer Unsicherheit von plusminus 2 bis 3 Tagen, aber die Jahreszeiten sind/ waren der Sinn der Sache. 

nota bene:
Die römisch-katholische Kirche hat im 4. Jh. festgelegt, dass man im immer den 21. März als Tag-und -Nachtgleiche zum Berechnen des Ostertermins nimmt, aber Juden und die Ostkirchen machen das nicht. Darum hatten wir dieses Jahr das kuriose Phänomen, dass römisch-Ostern am Sonntag, 31. März war, aber die jüdische Pessach-Woche (deren Abendmahl-Beginn eigentlich an den Mittwoch davor gehört,
wie letztes Jahr) erst am 22. April und das griechisch-orthodoxe Ostern erst am 5. Mai gefeiert wurde. (Römisch-Ostern ist spätestens am 25. April, ein Mai-Termin ist nicht möglich, aber in den Ostkirchen sehr wohl.)  

Teilt man das Jahr in vier Jahreszeiten, dann wäre jede davon etwa 90 Tage (genau: 89, 92, 95, 89) lang und die Hälfte davon ist zwischen 40 und 50. Ausführlich hatte ich das im Feb. 2019 vorgerechnet, als ich Lichtmess erklärte.

Die Jahreshauptpunkte (Wintersonnenwende, Tag- und -nachtgleichen, Sommersonnenwende) werden heute zwar als “Anfang” (bzw. Ende) der Jahreszeit definiert, aber das ist natürlich höherer Quatsch, weil sich das Wetter/Klima nicht denkt “oh, die Sonne steht gerade am Kardinalpunkt, dann wechsele ich mal”, sondern Wintersonnenwende ist eigentlich der Wendepunkt, ab dem es dann (ganz allmählich) wieder heller & wärmer wird (und nicht erst beginnt winterlich kalt zu sein). In der Natur sind also die Anfänge der Jahreszeiten nicht im Dezember, März, Juni und September, sondern jeweils in der Mitte dazwischen:

  • Anfang Februar (2.2.) beginnt der Frühling (christlich: Mariä Lichtmess)
  • Anfang Mai endet der Frühling und beginnt der Sommer (Maifest, Walpurgisnacht, römisch: Marsfest, christlich: Christi Himmelfahrt=40 Tage nach Ostern & Pfingsten=50 Tage nach Ostern)
  • Mitte August (15.8.) endet der Sommer (christlich: Mariä Himmelfahrt) 
  • Anfang/Mitte November beginnt der Winter: darum teilt Sankt Martin am 11.11. seinen Mantel, um einen Frierenden zu schützen. 

Im Februar 2023 hatte ich Ihnen diesen “verschobenen” Jahreskreis in einer Sonne aus mehreren Ringen demonstriert. 

Wenn eine Jahreszeit etwa 90 Tage lang ist, die Hälfte davon zwischen 40 und 50 Tage – der christliche (römische) Sonnenkalender hat daher alle ca. 40 bis 50 Tage ein Fest: an den Jahreshauptpunkten und den Terminen jeweils in der Mitte dazwischen. 

Zurück zu Pfingsten & dem Hl. Geist

Zu Pfingsten, also 50 Tage nach Jesu Auferstehung, so sagen Christen, erfüllte der Heilige Geist die Jünger Jesu. Das Pfingstwunder ist mit dem Feuer (Licht und Wärme – vllt auch “des Sommers”, wenn man das Symbol naturkundlich auslegt) verknüpft, das über den Häuptern der Apostel erschien. Sie begruben ihre Trauer-Starre nach dem Verlust der persönlichen Gegenwart ihres Propheten und begannen in zahlreichen Sprachen seine Lehren (Nächstenliebe/ Nachbarschaftshilfe, Frieden & Friedlichkeit, Sittengesetze, Gutmütigkeit und Liebe) zu predigen.

In diesem Sinn könnte man aus aktuellem jahreszeitlichen Anlass das Lied anstimmen, das an katholischen Schulen immer gesungen wird, bevor man eine Klausur schreibt oder sonstige Prüfung hat: 

   Komm Schöpfer Geist, kehr bei uns ein,
   Besuch das Herz der Kinder dein, 
   Die deine Macht erschaffen hat, 
   Erfülle nun mit deiner Gnad’!

Der Heilige Geist (eine der drei Erscheinungsformen – “Aggregatzustände”, wenn man so will) des christlichen Gottes steht symbolisch für den (göttlichen) Beistand. 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Kultur-Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Studienbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, jobbedingt 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten 2022), Jerusalem+Tel Aviv (Israel 2023), Hefei (China 2024), Semarang (Indonesien 2017, 2024), USA (2024, 2025)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte(n) - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglicht, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

6 Kommentare

  1. Christi Himmelfahrt=40 Tage nach Ostern & Pfingsten=50 Tage nach Ostern

    40 Tage nach Ostersonntag ist ein Freitag und 50 Tage nach Ostersonntag ist ein Montag. So ganz stimmig erscheint mir das nicht.

    • das gleiche gilt für Aschermittwoch, der 40 Tage vor Ostern ist. mir wurde erklärt, dass irgendwie die Sonntage nicht gezählt werden – aber fragen Sie das die Katholiken bzw die kirchlichen Kalendermacher.

  2. Jetzt mal zur Frage
    Wir feiern das Pfingsereignis.
    “Vom Himmel hörten sie ein Brausen und Feuerzungen gingen auf die Männer nieder mit der Wirkung, dass sie plötzlich in vielen Sprachen reden konnten. Sie gingen auf die Straßen und sprachen die Menschen in ihren eigenen Muttersprachen an. Die Menschen reagierten unterschiedlich, manche waren ergriffen und hörten zu und andere glaubten, die Männer seien betrunken (“voll des süßen Weines”).

    Interessant war, was der Pfarrer heute zum Pfingsereignis zu sagen hatte.
    Er sprach stattdessen von Ezechiel, einem jüdischen Propheten, der 600 v.Chr.lebte: “Und ich werde meinen Geist in euch legen, und ihr werdet leben, und ich werde euch auf euren Boden bringen, und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin. Ich habe gesprochen, und ich werde es tun! Spruch des HERRN.”

    • Religionskriege und Machtdemonstrationen (eines bestimmten Gottes) hat’s oft gegeben: besonders bei dem Götter-Wirrwarr im Altertum. Am berühmtesten vermutlich bei Eliah (dem größten jüdischen Propheten), der bewies, dass der jüdische JHWH größer ist als der babylonische Bel.

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