Universitätssternwarte und Universitätsplanetarium

Während man sich in Deutschland vehement dagegen wehrt, den Show-Tempel Planetarium für die universitäre Ausbildung zu nutzen (Vorsicht: man könnte da was lernen oder gar fachübergreifend arbeiten, da müsste man Scheuklappen ablegen), ist das in Asien (u.a.) gar nicht ungewöhnlich: “meine” Universität in Indonesien hat ein eigenes Planetarium – klar, darum bin ich ja gerade an dieser. Das Planetarium wird zur Ausbildung der eigenen Studierenden an mehreren Fakultäten (Jura, Physik, Philosophie, … Lehrämter) genutzt, indem die Studierenden die Präsentationen für Kinder halten. Zudem bringt das Planetarium der Universität etwas Geld in die Kasse; es ist also ein Lehrmittel, das die Uni zwar erstmal kaufen musste, aber im Gegensatz zu verstaubenden Experimentiergeräten in Physiksammlungen nicht nur einmal im Jahr genutzt wird, von vielen Fakultäten und dann auch noch (wenig, aber etwas) Geld zurückspielt.
Als ich 2017 an dieser Universität gastierte (ich berichtete), war hier noch Ödland auf Kampus III, aber jetzt gibt es nicht nur mehrere imposante Gebäude, sondern auch ein Mittel-Planetarium, auf dessen Dach sich eine kleine Sternwarte befindet. Für den Hauptbeobachtungsgegenstand der islamischen Astronomie, den Mond, braucht man keine komplizierten Großteleskope. Diese Form der Kulturastronomie arbeitet direkt für die Gesellschaft: die Menschen wollen wissen, ob wir Astronomen die junge Mondsichel schon gesehen haben – auch in Berlin erhalten wir an der Archenhold-Sternwarte mitunter Anrufe zu dem Thema (zumindest vor ~20 Jahren, als ich dort arbeitete – vermute, das ist nicht anders geworden).

Welche Geräte?
Als ich 2017 hier war, war ein Review des Curriculums des Astronomie-Studiums mein Auftrag, insbesondere mit Blick auf die Einbindung des geplanten Planetariums. Ein Architekt hatte bereits Entwürfe angefertigt, aber man überlegte noch, welche Technik man ins Gebäude kauft. Man wünschte sich eigentlich ein Zeiss-Gerät (das hatte man mir 2017 stolz erzählt und ich habe es besten Gewissens empfohlen – Anm.: auch als ich zeitweilig in ihrer Stadt wohnte, bezahlte mich die Firma Zeiss nicht!), aber trotz zahlreichen Verzögerungen beim Bau (inkl. Covid-Lockdowns), gelang es nicht, dafür genug Geld einzuwerben. So wurde es schließlich ein Projektionssystem ohne zentralen Starball, mit zwei Geräten auf der Peripherie von der amerikanischen Firma Evans & Sutherland. Die sind zwar – sagen die indonesischen Kollegen – nicht ganz so gut wie Zeiss, aber auch längst nicht so teuer. Für die relativ einfachen Anwendungen in der Grundschule, dass die Sonne in den Tropen mittags im Zenit steht, taugt das jedenfalls auch.

Interessant ist auch, dass die Mitte der Kuppel eine Manege für die Moderatorin ist. Es wirkt wie ein großes, zirkusartiges Klassenzimmer mit Fokus auf die Lehrkraft.
Wie geht Planetarium?
Dass die nicht-zeissigen Planetarien nicht so gut “schwarz” können und es in der Kuppel immer etwas hell ist, nutzt man hier aus: Während des Einlasses und der Anmoderation wird die Kuppel für die Grundschulkinder in allen Regenbogenfarben beleuchtet (natürlich läuft das Licht ringsum, dass jede Farbe mal im Gesichtsfeld jedes Kindes ist). In den Armlehnen der bequemen Planetariumssessel versteckt sich ein Klapptischlein. Die Kinder haben vor dem Planetariumsbesuch von den Lehrkräften einige Aufgaben bekommen und schreiben während des “Lehrervortrags” der Moderatorin brav mit.
Weil die Kinder eh keine lange Aufmerksamkeitsspanne haben, erklärt erst die Moderatorin live, wo die Sonne gerade steht (mittags) und wohin sie am Abend läuft. Dann wird ein E&S-Clip von einem amerikanischen Raketenstart gezeigt (Startvorbereitungen in der Halle, Herausfahren der Rakete, Countdown, los) und ein paar andere Clips, die amerikanisch kommentiert sind. Natürlich verstehen die Kinder kein Wort, aber sie sehen, hören und “fühlen” (durch die Bässe) den Raketenstart.
Smartphone Photos möglich. Eh stets ein Grauschleier in der Kuppel:
Dass es hier nicht richtig dunkel ist in der Kuppel, mag man positiv auslegen: Erstens brauchen die Kinder so keine Angst im Dunkeln zu haben, zweitens können sie mitschreiben, drittens ist der Himmel abends eh dermaßen licht- und luftverschmutzt, dass man hier nur bis ca. zur dritten Größenklasse die Sterne sieht und die paar Sterne sind auch in der E&S-Projektion erkennbar (wenn man Sterne in den Fischen zeigt, erkennen die Gäste am Dome fast nichts). Mit Blick auf den Himmelshintergrund weisen übrigens gerade die Lichtverschmutzungs-Experten in Europa auch die Firma Zeiss darauf hin, dass deren Simulation von einem pechschwarzen Himmel nicht der Wahrheit entspricht: solange man sich in der Erdatmosphäre befindet (was für Menschen allgemein als gesund gilt), ist der Himmel niemals schwarz – auch nicht, wenn man alle Lichtverschmutzung wegnähme.
Etwas amüsant fand ich das Intro und Outro der Show. Wie gesagt, wurden zuerst ein paar Clips gezeigt von einem Raketenstart. Davor wurde aber das Innere einer Sternwartenkuppel in den Dome projiziert und diese scheinbare Sternwarte öffnete ihren Spalt. Genau diese Sequenz lief nach der Show in umgekehrter Reihenfolge ab: Nachdem wir mit der Rakete das Sonnensystem erkundet hatten und durch den Sternwolken der Milchstraße getaucht waren, brachte sie uns schließlich zurück zur Erde, steuerte die Insel Java an, landete an der Stelle des (Luftbilds des) Planetariums. Danach schloss sich der Spalt der scheinbaren Sternwartenkuppel.
Also, mag ja sein, dass wir in Europa manchmal etwas rückständig sind – aber unsere stehen Raketen stehen (in Südamerika) im Freien und nicht in den heimischen Sternwartenkuppeln, die ihrerseits eher Teleskope beherbergen. 😉
Als ich das meinen indonesischen Kollegen sage, kichern sie – wie immer – und zeigen mir dann ihre Sternwarte. Zu meiner Freude findet sich in dieser ein Teleskop (und keine Rakete).
Wie geht Sternwarte
Der leitende Beobachter-Astronom und zwei Studenten zeigen mir das Instrument, geben aber zu, dass sie es bisher noch nicht benutzen können. Sie warten auf einen Experten aus einer anderen Stadt, der ihnen bei der Inbetriebnahme helfen soll, freuen sich aber, später mit diesem Gerät auch etwas tiefer ins All schauen zu können als nur ins Sonnensystem (was sie derzeit mit kleinen Instrumenten machen).
Als Europäerin fällt mir sofort die ungewöhnliche Achslage des Instruments auf: Wir sind eben auf 6° südlicher Breite, d.h. die parallaktische Achse liegt nahezu waagerecht und sie zeigt nach Süden.
Die Sonne läuft derzeit auch über Süden – denn wir befinden uns im südlichen Halbjahr. In den Tropen steht sie zweimal im Jahr im Zenit: zu den Tag- und Nachtgleichen im März und September. Zwischen März und September steht die Sonne mittags im Norden, zwischen September und März steht sie mittags im Süden. Ich weiß das alles, aber bei irgendeiner der zahlreichen Reden, die ich alle paar Stunden zu halten gebeten werde, habe ich mich trotzdem einmal verbuchtelt… O:-) Pardon, aber das kann passieren, wenn man dauernd im Kopf die scheinbare Himmelskugel um einen imaginären Mittelpunkt dreht.

Abend
In der Nacht geht es auf der Universitätssternwarte recht bunt zu: Zuerst werden die muslimischen Abendgebete durchgeführt, die teilweise zusammengelegt werden können, was die Sache vereinfacht. Danach wird eine Gruppe von Studierenden darin unterwiesen, wie man ein Teleskop aufbaut und einen Laptop anschließt. Die Mondsichel müssen wir an dem Tag nicht suchen, denn das eiförmige Ding, das auf englisch “gibbous” heißt, stand bereits in östlicher Richtung ziemlich hoch am Himmel. Stattdessen gehen wir am Westhorizont auf Kometenjagd, was sich bei dem tropischen Dauersmog als nicht trivial erweist. Freiäugig sehen kann ihn niemand, aber mit Teleskop und Laptop sind wir auch dabei.
Öffentlichkeit
Abends auf der Sternwarte erlaubt man ebenfalls neben dem Lehrbetrieb für Studierende auch öffentliche Besuche – das war bei uns zuletzt im 19. Jh. der Fall, vor der Berliner Erfindung der Urania (Volkssternwarten gibt’s aber in Indonesien auch). Das ist auch richtig so, denn dieser kulturelle Unterschied kommt daher, dass es in Indonesien darum geht, mit kleinen schulteleskopähnlichen Geräten, die man für zuhause kaufen könnte, den Mond als junge Sichel oder einige andere helle Objekte durch Tropendunst und Smog zu sehen oder zu fotografieren. Man beobachtet dafür in den frühen Abendstunden und geht um Mitternacht heim.
Im Gegensatz dazu sind die Beobachtungen der modernen Astrophysik in Europa erstens körperlich wahnsinnig anstrengend, weil man die ganze Nacht hindurch in einem abgelegenen Landschaftsgebiet hocken muss und zweitens beliebig langweilig: Da hockt ein Studierendes nachts am Schreibtisch vor zwei Bildschirmen und gibt ca. alle 20 min ein Kommando ein, was Teleskop oder Kamera als nächstes machen sollen. Diese Abläufe müssen idiotensicher einfach sein, dass man sie auch nachts um 3, wenn jede biologische Uhr “abschalten” ruft, funktionieren. Umgekehrt bedeutet das, dass man dafür auch Affen dressieren könnte – oder eben Roboter programmieren. Ich bin persönlich der Meinung, dass man dafür nicht Menschen (besonders nicht intelligente junge Leute im Physikstudium) verschleißen sollte und weil ich damit nicht allein bin, gibt es viele “Small Telescope Networks”, wo solche kleinen Teleskope remote (aus andren Zeitzonen) oder robotisch genutzt werden.
Das wird auch in dieser indonesischen Uni angestrebt, aber für die junge Mondsichel am Abend wäre das mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die möchte man schließlich “sehen” – und weil die Sache die Gesellschaft betrifft, darf auch die Gesellschaft teilhaben.
Komet

Horizonte
Mich wundert es nicht, dass wir den Kometen nicht freiäugig sehen konnten:
